Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.397/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_397/2008/sst

Urteil vom 7. August 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Favre, als präsidierendes Mitglied,
Bundesrichter Ferrari, Zünd,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Serge Flury,

gegen

Y.________,
Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau, Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau,
Beschwerdegegnerinnen.

Gegenstand
Widerhandlung gegen das Strassenverkehrsgesetz,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
3. Kammer, vom 4. April 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ fuhr am 26. Mai 2007 mit seinem Personenwagen von Unterlunkhofen in
Richtung Oberwil-Lieli. Kurz nach dem Dorfeingang bremste er sein Fahrzeug bis
zum Stillstand ab, um anschliessend rückwärts in die Einfahrt seiner
Liegenschaft zu gelangen. Die hinter ihm verkehrenden Fahrzeuge von A.________
und Y.________ bremsten als Folge davon ebenfalls bis zum Stillstand ab. Als
X.________ zu seinem Rückwärtsfahrmanöver ansetzte, befand sich A.________ mit
ihrem Fahrzeug rund zwei Meter hinter ihm auf der Höhe der Einfahrt zur
Liegenschaft. Sie sah sich veranlasst, ihrerseits rückwärts zu fahren, um zu
vermeiden, dass das Fahrzeug von X.________ mit dem ihrigen kollidierte. Dabei
kollidierte sie allerdings mit dem hinter ihr sich befindenden Fahrzeug von
Y.________.
Das Bezirksamt Bremgarten erliess sowohl gegen X.________ wie auch gegen
A.________ einen Strafbefehl. Während A._________ diesen akzeptierte, erhob
X.________ Einsprache.

B.
In zweiter Instanz sprach das Obergericht des Kantons Aargau X.________ mit
Urteil vom 4. April 2008 der Verletzung von Verkehrsregeln (Behinderung anderer
Strassenbenützer beim Rückwärtsfahren) gemäss Art. 90 Ziff. 1 in Verbindung mit
Art. 36 Abs. 4 SVG für schuldig, bestätigte die vom Gerichtspräsidium
Bremgarten mit Urteil vom 29. Oktober 2007 ausgesprochene Busse von Fr. 300.--
und verpflichtete X.________ zum Ersatz des am Fahrzeug von Y.________
entstandenen Schadens von Fr. 519.65.

C.
X.________ hat am 21. Mai 2008 gegen das Urteil des Obergerichts Beschwerde in
Strafsachen erhoben. Er beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, ihn von
Schuld und Strafe freizusprechen und auf die Zivilforderung nicht einzutreten.
Vernehmlassungen hat das Bundesgericht nicht eingeholt.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht willkürliche Feststellung des
rechtserheblichen Sachverhalts vor. Er begründet dies damit, dass das
Obergericht angenommen habe, es hätte für ihn nicht genügend Raum bestanden,
sein Rückwärtsfahrmanöver ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer
auszuführen, was die Fahrzeuglenkerin A.________ gezwungen habe, ihrerseits
rückwärts zu fahren. Richtigerweise sei der ihm für das Manöver zur Verfügung
stehende Raum ausreichend gewesen. Aus dem erstinstanzlichen Urteil gehe
nämlich hervor, dass die Breite der Einfahrt 4,60 Meter betragen und die
Fahrzeuglenkerin A.________ mit ihrem Fahrzeug ziemlich genau die Hälfte der
Einfahrt belegt habe. Die verbleibenden 2,30 Meter hätten allemal genügt,
gefahrlos rückwärts in die Einfahrt einzubiegen.
Die Rüge geht an der Sache vorbei. Das Obergericht hat ausdrücklich
offengelassen (angefochtenes Urteil, S. 7 oben), ob der Abstand zwischen ihm
und der Lenkerin A.________ dem Beschwerdeführer erlaubt hätte, sein Manöver
ohne Kollision durchzuführen, wenn die Lenkerin A.________ nicht rückwärts
gefahren wäre. Das Obergericht hat aber festgehalten, dass der Beschwerdeführer
eine unklare Situation geschaffen und dadurch die Lenkerin A.________ zum
Reagieren gezwungen habe. Der Beschwerdeführer erachtet zwar auch diese
Feststellung für willkürlich, doch zu Unrecht. Es ist keinesfalls willkürlich
anzunehmen, dass die Verhältnisse jedenfalls eng waren und sich die
Fahrzeuglenkerin A.________, um eine Kollision zu vermeiden, aufgrund des
plötzlich eingeleiteten Rückwärtsfahrmanövers des Beschwerdeführers veranlasst
sah, ihrerseits rückwärts zu fahren.

Der gerügten Verletzung der Unschuldsvermutung als Beweiswürdigungsregel kommt
neben der Willkürrüge keine selbständige Bedeutung zu (vgl. BGE 120 Ia 31 E. 2c
und d).

2.
Gemäss Art. 36 Abs. 4 SVG darf der Führer, der sein Fahrzeug in den Verkehr
einfügen, wenden oder rückwärts fahren will, andere Strassenbenützer nicht
behindern; diese haben den Vortritt. Es folgt daraus, dass der Beschwerdeführer
gegenüber den anderen beiden Fahrzeugen vortrittsbelastet war. Zwar war noch
nicht zu beanstanden, dass der Beschwerdeführer sein Fahrzeug, nachdem er den
rechten Blinker gestellt hatte, an der rechten Strassenseite anhielt. Er hätte
alsdann aber den beiden ihm folgenden Fahrzeugführerinnen den Vortritt lassen
und sich von ihnen überholen lassen müssen. Erst dann hätte er mit dem
Rückwärtsfahrmanöver beginnen dürfen. Indem er, ohne abzuwarten, sofort
rückwärts fuhr, hat er im Sinne von Art. 36 Abs. 4 SVG andere Strassenbenützer
behindert und deren Vortrittsrecht missachtet. Der Verweis des
Beschwerdeführers auf den Vertrauensgrundsatz geht dabei fehl, weil hier nicht
das allfällige strafrechtlich relevante Fehlverhalten der Lenkerin A.________
zur Diskussion steht. Der Schuldspruch des Obergerichts ist mithin nicht zu
beanstanden.

3.
Die Beschwerde ist damit als unbegründet abzuweisen. Entsprechend diesem
Verfahrensausgang sind dem Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 3. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. August 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

Favre Arquint Hill