Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.361/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_361/2008/sst

Urteil vom 9. Oktober 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Störi.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Heeb,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5000 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Qualifizierte Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz, mehrfache
Geldwäscherei,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, vom 27. März 2008.

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksgericht Zofingen verurteilte X.________ am 28. Juni 2007 wegen
mehrfachen qualifizierten Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz
(Art. 19 Ziff. 1 i.V.m. Ziff. 2 BetmG) und mehrfacher Geldwäscherei (Art.
305bis Ziff. 1 StGB) zu 7 Jahren Freiheitsstrafe. Ausserdem widerrief es eine
vom Obergericht des Kantons Zürich am 23. Februar 2004 bedingt ausgesprochene
Gefängnisstrafe von 18 Monaten. Es hielt u.a. für erwiesen, dass sie durch die
als Drogenkurierin fungierende A.________ mehrere Male Kokain aus Ghana in die
Schweiz einführen liess, im Januar oder Februar 2005 4-5 kg (Anklagepunkt
1.1.2), im Sommer 2005 ca. 4,5 kg (Anklagepunkt 1.1.3), im Herbst 2005 ca. 4,5
kg (Anklagepunkt 1.1.4) und im Dezember 2005 ca. 4,5 kg (Anklagepunkt 1.1.6),
dass sie zwischen März und Ende 2005 wiederholt, insgesamt rund 800 g, Kokain
an B.________ verkaufte, und dass sie Einnahmen aus dem Drogenhandel in Höhe
von über 100'000 Franken durch ihre Tochter C.________ und deren damaligen
Freund D.________ in US-Dollar wechseln liess.
X.________ beantragte dem Obergericht mit Berufung, sie sei lediglich wegen
Gehilfenschaft zu mehrfacher Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz zu
einer Freiheitsstrafe von höchstens drei Jahren zu verurteilen. Das Obergericht
hiess die Berufung am 27. März 2007 teilweise gut und sprach sie in Bezug auf
den Anklagepunkt 1.1.2 frei. Im Übrigen wies es die Berufung ab. Es berichtigte
von Amtes wegen das Dispositiv und verurteilte sie in Anwendung des alten
Rechts zu 7 Jahren Zuchthaus.

B.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, dieses Urteil des
Obergerichts aufzuheben und ihm die Sache zur Neubeurteilung zurückzuweisen.
Ausserdem ersucht sie um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Für die Beschwerdeführerin verstösst ihre Verurteilung in Bezug auf die
Anklagepunkte 1.1.3, 1.1.4 und 1.1.6 gegen Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK als
Teilaspekt eines fairen Verfahrens im Sinne von Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 29
Abs. 2 und Art. 32 Abs.2 BV. Zudem habe das Obergericht die Beweise unter
Verletzung des Willkürverbots und der Unschuldsvermutung gewürdigt und sei
seiner verfassungsrechtlichen Begründungspflicht nicht nachgekommen.

1.1 Die Beschwerdeführerin macht geltend, Botond Kiss habe in der polizeilichen
Einvernahme vom 24. Februar 2006 erklärt, dass sich in den drei von A.________
eingeführten Koffern Kokain befunden habe. In der einzigen
Konfrontationseinvernahme mit ihr vom 25. April 2006 habe er dies indessen
wieder ausdrücklich abgestritten. Sie habe vor diesem Datum trotz Gesuchs keine
Akteneinsicht erhalten und sei demzufolge nicht in der Lage gewesen, ihm an der
Konfrontationseinvernahme Ergänzungsfragen zu den Belastungen vom 24. Februar
2006 zu stellen. Eine zweite Konfrontation habe nicht stattgefunden, weshalb
die Aussagen, die D.________ vor dem 25. April 2006 gemacht habe, nicht zu
ihren Lasten verwertet werden dürften.
Das Bezirksgericht hat im erstinstanzlichen Urteil zutreffend ausgeführt, dass
die Aussagen von D.________ nur insoweit zu Lasten der Beschwerdeführerin
verwertet werden dürfen, als diese Gelegenheit hatte, ihn zu den Belastungen zu
befragen. Dies trifft unbestrittenermassen einzig auf die an der
Konfrontationseinvernahme vom 25. April 2006 selber gemachten Ausführungen zu
(E. 2.1.2 S. 3 f.), da sie in diesem Zeitpunkt von seinen früheren Aussagen
keine Kenntnis hatte. Das Obergericht hat im angefochtenen Entscheid (E. 4.2 S.
16) bei seiner Beweiswürdigung zwei Aussagen von D.________ - er sei von der
Beschwerdeführerin gefragt worden, A.________ vom Flughafen abzuholen, und er
habe bei der Beschwerdeführerin drei Koffer aufgebrochen, wobei jedesmal ein
Paket, so gross wie die Kofferfläche, zum Vorschein gekommen sei - verwertet,
die er vor der Konfrontationseinvernahme gemacht hatte. Dies erweist sich
indessen als unproblematisch, weil D.________ diese beiden Aussagen an der
Konfrontationseinvernahme vom 25. April 2006 wiederholt hatte. Damit hatte die
Beschwerdeführerin Gelegenheit, ihn dazu zu befragen. Dass sie davon keinen
Gebrauch machte, ändert nichts daran, dass ihr verfassungs- und
konventionsrechtliches Konfrontationsrecht gewahrt wurde. Die Rüge ist
unbegründet.

1.2 Die Beschwerdeführerin rügt, die Annahme des Obergerichts, wonach sich in
den drei von A.________ eingeführten Koffern Kokainpakete befunden hätten, sei
willkürlich. Weder sie noch ihre Tochter noch D.________ anlässlich der
ausschliesslich verwertbaren Konfrontationseinvernahme hätten ausgesagt, diese
Pakete hätten Kokain enthalten. Es gebe dafür auch keinen objektiven Beweis.
Mit der Verwertung dieses beweislos gebliebenen Vorwurfs zu ihren Lasten habe
das Obergericht auch die Unschuldsvermutung verletzt.
Das Obergericht (angefochtener Entscheid E. 4 S. 15 ff.) und das
Bezirksgericht, auf dessen Entscheid (E. 2.4.2 S. 10 ff.) es verweist, legen in
nachvollziehbarer Weise dar, weshalb kein vernünftiger Zweifel daran bestehen
kann, dass die drei von A.________ im doppelten Boden ihres Rollkoffers
eingeführten Pakete Kokain enthielten, auch wenn die Beteiligten dies nicht
ausdrücklich bestätigt haben. Dieser Schluss drängt sich geradezu auf,
insbesondere weil D.________ für die Beschwerdeführerin ein gleichartiges Paket
auf die gleiche Weise wie A.________ im doppelten Boden eines Rollkoffers aus
Ghana in die Schweiz einführte, welches rund 4,5 kg Kokain enthalten hat, und
nicht ersichtlich ist, was die erwiesenermassen im Kokainhandel tätige
Beschwerdeführerin sonst auf diese konspirative Weise in die Schweiz hätte
einführen lassen sollen. Das Obergericht hat sodann dem Umstand Rechnung
getragen, dass die auf die Koffergrösse abgestimmten Pakete zwar ungefähr
gleich gross waren - "so gross wie die Kofferfläche" (D.________ in der
Konfrontationseinvernahme mit der Beschwerdeführerin vom 25. April 2006 S. 5) -
dass ihr Inhalt aber trotzdem leicht geschwankt haben kann, und ist zu Gunsten
der Beschwerdeführerin davon ausgegangen, dass sie nur 4 kg Kokain enthielten,
und dieses nicht den bei der bei D.________ sichergestellten Ware hohen
Reinheitsgrad von 80 %, sondern nur den handelsüblichen von 33 1/3 % aufwies.
Damit reduzierte das Obergericht die der Beschwerdeführerin anzurechnende Menge
von 10,8 kg (3 x 4,5 kg x 0.80) auf 4 kg (3 x 4 kg x 0.333) reinen Kokains. Mit
dieser Sicherheitsmarge konnte es ohne Willkür ausschliessen, dass der
Beschwerdeführerin der Import einer übermässig grossen Drogenmenge angelastet
wird. Zusammenfassend kann keine Rede davon sein, dass das Obergericht den
Sachverhalt in willkürlicher Weise zu Lasten der Be-schwerdeführerin würdigte.
Steht damit fest, dass das Obergericht seinen Schuldspruch in diesem Punkt
nicht nur begründete, sondern dies auch zutreffend tat, erweist sich auch die
von der Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang erhobene, ohnehin kaum
nachvollziehbare Rüge, es habe seine verfassungsmässige Begründungspflicht
verletzt, ohne weiteres als unbegründet.

2.
Die Beschwerdeführerin rügt in Bezug auf den Vorwurf der Geldwäscherei, das
Obergericht sei auf willkürliche Weise davon ausgegangen, das gewechselte Geld
stamme aus dem Drogenhandel. Es sei von der deliktischen Herkunft der Gelder
ausgegangen und habe dann - in Umkehr der Unschuldsvermutung - festgestellt,
sie habe den Beweis nicht erbracht, die Gelder rechtmässig erworben zu haben.
Die Beschwerdeführerin verfügte nach ihren eigenen Angaben vor ihrer Verhaftung
als Reinigungskraft über ein monatliches Einkommen von 2'000 bis 2'500 Franken,
hatte nebst einem Haus in Ghana kein Barvermögen und Schulden in Höhe von rund
3'000 Franken [Kant. Akten, Ordner 1, pag. 0011]. Sie liess
unbestrittenermassen am 24. August, am 3. September und zweimal am 30.
September 2005 durch ihre Tochter und deren Freund insgesamt über 100'000
Franken in kleinen Banknoten in US-Dollar umwechseln. Die Folgerung des
Obergerichts, dass diese Gelder nicht aus dem bescheidenen legalen Einkommen
der Beschwerdeführerin stammen können und daher, da sich keine Hinweise auf
einen anderweitigen Erwerb finden, den Erlös des von der Beschwerdeführerin
erwiesenermassen betriebenen schwunghaften Drogenhandels darstellen, ist ohne
weiteres vertretbar. Das Obergericht hat weder das Willkürverbot noch die
Unschuldsvermutung noch die Begründungspflicht verletzt, die Rügen sind
offensichtlich unbegründet.

3.
Die Beschwerde ist somit abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die
Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat zwar ein
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt, welches
indessen abzuweisen ist, da die Beschwerde aussichtslos war (Art. 64 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 9. Oktober 2008

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Störi