Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.330/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_330/2008 /hum

Urteil vom 12. Juni 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Thommen.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat
Dr. Alex Hediger,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft, Bahnhofplatz 3a, 4410 Liestal,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mehrfache Vergewaltigung; Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Basel-Landschaft, Abteilung
Zivil- und Strafrecht,
vom 19. Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ wird unter anderem vorgeworfen, am 5. Juni 2006 seiner Geliebten,
A.________, im Rahmen einer heftigen Auseinandersetzung mit einem Filiermesser
mit 14.5 cm langer Klinge eine 6 cm tiefe Schnittwunde am Bauch zugefügt zu
haben. Zudem soll er im Zeitraum vom April bis Juni 2006 mehrfach gegen ihren
Willen den Beischlaf mit ihr vollzogen haben.

B.
In teilweiser Gutheissung seiner Appellation erkannte das Strafgericht des
Kantons Basel-Landschaft X.________ am 19. Februar 2008 der mehrfachen
Vergewaltigung, der einfachen Körperverletzung mit einem gefährlichen
Gegenstand, der Nötigung, der mehrfachen einfachen sowie groben Verletzung von
Verkehrsregeln für schuldig. Vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung
sprach es ihn frei. Unter Einbezug des Widerrufs einer vom
Strafgerichtspräsidium des Kantons Basel-Stadt am 9. März 2005 bedingt
ausgesprochenen Gefängnisstrafe von 30 Tagen bestrafte es ihn zu einer
Gesamtstrafe von fünf Jahren Freiheitsstrafe sowie zu einer Busse von Fr.
300.--.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen, mit der er im Wesentlichen die
Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie die Gewährung unentgeltlicher
Rechtspflege beantragt.

D.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG).

1.1 Die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem
Recht sowie behauptete Mängel in der Sachverhaltsfeststellung prüft das
Bundesgericht nur insofern, als eine solche Rüge in der Beschwerde vorgebracht
und substantiiert begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 IV 286 E.
1).

1.2 Diesen Begründungsanforderungen genügt die Beschwerde nur vereinzelt. So
wird etwa das aufgrund der Akten erstellte Glaubwürdigkeitsgutachten pauschal
angezweifelt (Beschwerde S. 8), ohne auch nur ansatzweise aufzuzeigen, welche
Verfassungs- oder sonstigen Verfahrensrechte des Beschwerdeführers damit
verletzt worden sein sollen.

2.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Verurteilung wegen Vergewaltigung.

2.1 Der Vergewaltigung nach Art. 190 Abs. 1 StGB macht sich strafbar, wer eine
Person weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, namentlich
indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder
zum Widerstand unfähig macht.
Der Tatbestand der Vergewaltigung gemäss Art. 190 StGB dient wie der Tatbestand
der sexuellen Nötigung gemäss Art. 189 StGB dem Schutz der sexuellen
Selbstbestimmung. Das Individuum soll sich im Bereich des Geschlechtslebens
unabhängig von äusseren Zwängen oder Abhängigkeiten frei entfalten und
entschliessen können. So setzen die sexuellen Nötigungstatbestände
übereinstimmend voraus, dass der Täter durch eine Nötigungshandlung das Opfer
dazu bringt, eine sexuelle Handlung zu erdulden oder vorzunehmen. Dabei
erfassen die Tatbestände alle erheblichen Nötigungsmittel, auch solche ohne
unmittelbaren Bezug zu physischer Gewalt. Geschützt wird mithin auch dasjenige
Opfer, das in eine ausweglose Situation gerät, in der es ihm nicht zuzumuten
ist, sich dem Vorhaben des Täters zu widersetzen, auch wenn dieser keine Gewalt
anwendet (BGE 131 IV 167 E. 3 mit Hinweisen).

2.2 Die Verurteilung wegen mehrfacher Vergewaltigung verletzt kein Bundesrecht.
Soweit der Beschwerdeführer in tatsächlicher Hinsicht bestreitet, A.________
gegen deren Willen gewaltsam zum Beischlaf genötigt zu haben, erweisen sich
seine Ausführungen als rein appellatorisch. Wie bereits vor Vorinstanz macht er
im Wesentlichen geltend, mangels Kohärenz und Konstanz könne nicht auf die
Aussagen des Opfers abgestellt werden. Diesbezüglich kann auf die nicht zu
beanstandende Aussagenwürdigung der Vorinstanz verwiesen werden (Urteil S. 18
ff.).
Soweit er geltend macht, dass die nachgewiesenen Gewaltandrohungen nicht
tatbestandsmässig im Sinne von Art. 190 Abs. 1 StGB sind, gehen seine
Ausführungen fehl (Beschwerde S. 7). Nach tatsächlicher Feststellung der
Vorinstanz hat der Beschwerdeführer dem Opfer die Anwendung physischer Gewalt
unmittelbar und deutlich in Aussicht gestellt ("Faust zeigen"; "anschreien").
Aufgrund dieser Verängstigungen habe sie den Geschlechtsverkehr über sich
ergehen lassen. Entgegen den Ausführungen des Beschwerdeführers erreichen diese
Gewaltandrohungen die in Art. 190 Abs. 1 StGB geforderte Nötigungsintensität.
Zu den erneut vorgebrachten Selbstschutz- und Abwehrmöglichkeiten des Opfers
(Beschwerde S. 7) hat die Vorinstanz bereits zutreffend ausgeführt, dass die
ausgebliebene Gegenwehr dem Opfer nicht zum Vorwurf gereichen kann, angesichts
des vom Beschwerdeführer in der Beziehung aufgebauten Klimas massiver
Einschüchterung und Angst.

3.
Der Beschwerdeführer beanstandet die Strafzumessung. Die ausgesprochene
Freiheitsstrafe von 5 Jahren sei deutlich übersetzt.

3.1 Der Beschwerdeführer beging seine Tat vor dem Inkrafttreten des neuen
Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches am 1. Januar 2007 (vgl. Bundesgesetz
vom 13. Dezember 2002; AS 2006 3459 3535), das angefochtene Urteil erging
später. Das Kantonsgericht Basel-Landschaft geht zu Recht davon aus, dass neues
Recht anzuwenden ist, sofern es für den Täter milder ist (Art. 2 Abs. 2 StGB).
Nach seiner Ansicht ergebe sich die Anwendung des neuen Rechts aber aus dem
Umstand, dass beim Widerruf neu die Möglichkeit einer Gesamtstrafenbildung
bestehe, was gegenüber der früheren zusätzlichen Bestrafung milder sei. Dabei
verkennt die Vorinstanz jedoch, dass Art. 2 Abs. 2 StGB sich schon nach seinem
klaren Wortlaut nicht auf den Vollzug rechtskräftiger Strafurteile bezieht,
sondern auf deren Erlass. Auf den Widerruf ist daher nicht wegen des "lex
mitior"-Grundsatzes von Art. 2 Abs. 2 StGB neues Recht anzuwenden, sondern weil
dies in Ziff. 1 Abs. 1 der Schlussbestimmungen der Änderung vom 13. Dezember
2002 ausdrücklich vorgeschrieben ist (Urteile des Bundesgerichts 6B_364/2007
vom 18. März 2008, E. 2 und 6B_521/2007 vom 1. Februar 2008 E. 2.1). Für die zu
beurteilenden vor dem Inkrafttreten des neuen Allgemeinen Teils des
Strafgesetzbuchs begangenen Taten ist das neue Recht nicht milder, sondern
ebenso streng. In Art. 47 StGB wurde die Praxis zur alten Strafzumessungsregel
von Art. 63 kodifiziert. Richtigerweise hätte daher das zur Tatzeit geltende
Recht angewendet werden sollen. Da mit der Vorinstanz davon auszugehen ist,
dass die ausgefällte 5-jährige Freiheitsstrafe unter neuem Recht nicht milder
ausgefallen wäre, hat die Rechtswahl im vorliegenden Fall auf den Ausgang des
Verfahrens und die Bestrafung materiell keinen Einfluss. Es kann deshalb dabei
bleiben, die Anwendbarkeit alten Rechts festzustellen.

3.2 Das Gericht misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu; es
berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse
des Schuldigen (Art. 63 StGB). Der Umfang der Berücksichtigung verschiedener
Strafzumessungsfaktoren liegt im Ermessen der kantonalen Behörde. Das
Bundesgericht kann in die Strafzumessung nur eingreifen, wenn die Vorinstanz
den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat sowie wenn sie
massgebende Kriterien ausser Acht gelassen, nicht oder falsch gewichtet hat.
Das Gericht muss die Überlegungen, die es bei der Bemessung der Strafe
vorgenommen hat, in den Grundzügen wiedergeben, so dass die Strafzumessung
nachvollziehbar ist (BGE 129 IV 6 E. 6.1.; 127 IV 101 E. 2; 124 IV 286 E. 4a).

3.3 Die ausgefällte Strafe und die konkrete Strafzumessungsbegründung geben zu
keinen Beanstandungen Anlass. Die Vorinstanz schätzt das Verschulden als
äusserst schwer ein. Dabei erwog sie namentlich die Schwere und Gefährlichkeit
der zugefügten Verletzung, die Leiden des durch die sexuellen Übergriffe und
das Stalking des Beschwerdeführers terrorisierten Opfers sowie die fehlende
Reue und Opferempathie des Beschwerdeführers. Zu seinen Gunsten wurde die
leicht verminderte Schuldfähigkeit berücksichtigt. Was der Beschwerdeführer
dagegen vorbringt, vermag nicht zu überzeugen. Insbesondere ist nicht
nachvollziehbar, inwiefern der angeblich kurze Deliktszeitraum, die bestehende
Beziehung zum Opfer oder der gelegentlich unbestrittenermassen einverständliche
Geschlechtsverkehr ihn entlasten sollten. Auf seine für den Fall der Aufhebung
des Vergewaltigungsschuldspruchs gemachten Ausführungen zur Strafzumessung
braucht nicht eingegangen zu werden (Beschwerde S. 8 f.).

4.
Der unterliegende Beschwerdeführer wird kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG).
Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann infolge Aussichtslosigkeit
seiner Begehren nicht stattgegeben werden (Art. 64 Abs. 1 BGG). Seiner
Bedürftigkeit ist bei der Gebührenbemessung Rechnung zu tragen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht Basel-Landschaft,
Abteilung Zivil- und Strafrecht, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 12. Juni 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Thommen