Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.328/2008
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008


Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_328/2008/sst

Urteil vom 15. August 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Favre,
Gerichtsschreiber Thommen.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Werner Bodenmann,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen, Schützengasse 1, 9001 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Fahrlässige Körperverletzung; Strafzumessung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom
6. März 2008.

Sachverhalt:

A.
Der Beschwerdeführer soll am 20. Januar 2003 den sprach- und gehbehinderten
O.________ bei einer brüsken Drehbewegung zu Fall gebracht haben. Bei diesem
Sturz zog sich O.________ einen Bruch des Handgelenks zu.

B.
Mit Berufungsurteil vom 8. Januar 2007 befand ihn das Kantonsgericht St. Gallen
unter anderem der fahrlässigen Körperverletzung für schuldig. Dieses Urteil hob
das Bundesgericht am 24. August 2007 auf, soweit es den Schuldspruch wegen
fahrlässiger Körperverletzung betraf (Urteil 6B_146/2007 E. 3, teilweise
publiziert in BGE 133 IV 293). Am 6. März 2008 befasste sich das Kantonsgericht
St. Gallen erneut mit der Angelegenheit und bestätigte sein erstes Urteil
vollumfänglich.

C.
Dagegen richtet sich die Beschwerde in Strafsachen. Der Beschwerdeführer
beantragt die Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie einen Freispruch vom
Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung.

D.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen
hätten nicht stattgefunden. Der neu festgestellte Sachverhalt erscheine somit
willkürlich (Art. 9 BV).

1.1 In seinem Rückweisungsentscheid beanstandete das Bundesgericht, dass das
verletzungsverursachende Kerngeschehen nicht in einem für eine Verurteilung
wegen fahrlässiger Körperverletzung ausreichenden Umfang feststand. Klar war
einzig, dass O.________ "wegen" einer ruckartigen Armbewegung des
Beschwerdeführers zu Fall kam. Ungeklärt war hingegen der Anlass für die
abrupte Armbewegung sowie, ob es zu einem Handgemenge kam oder ob die
Einwirkung bloss einseitig war. Ebenso offen blieb, ob die Bewegung reflexartig
war, oder ob es sich um ein bewusstes Weg- oder Umstossen mit erkennbarer
Gefahr von Verletzungsfolgen handelte. Im ersten Urteil wurde nur festgehalten,
dass der Beschwerdeführer eine notwendige Ursache für die Verletzung gesetzt
hatte. Mangels Feststehen der genauen Tatumstände konnte der
Fahrlässigkeitsvorwurf nicht überprüft werden. Die Angelegenheit wurde daher
zur ergänzenden Sachverhaltsfeststellung zurückgewiesen (vgl. Urteil 6B_146/
2007 vom 24. August 2007, E. 3).

1.2 Dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechend präzisierte die Vorinstanz
bei ihrer erneuten Befassung den Sachverhalt einzig anhand des
Untersuchungsergebnisses. Dies ist entgegen dem Beschwerdeführer nicht zu
beanstanden. Im bundesgerichtlichen Rückweisungsentscheid wurden keine
zusätzlichen Beweismassnahmen, sondern lediglich Sachverhaltsergänzungen
verlangt. Diese waren notwendig, weil es dem Bundesgericht vorliegend verwehrt
war, den Sachverhalt von sich aus aufgrund der Akten zu ergänzen (Art. 105 Abs.
1 und 2 BGG; BGE 133 IV 293).

In vertiefter Würdigung der polizeilichen Befragung vom 10. März 2003, der
untersuchungsrichterlichen Einvernahme vom 11. Juni 2003 sowie der Vorbringen
des Beschwerdeführers anlässlich der ersten Berufungsverhandlung hielt die
Vorinstanz folgenden Sachverhalt für überzeugend nachgewiesen: Auf die Frage
des Beschwerdeführers nach dem Grund der Aufregung habe O.________ weiter
geschrien und mit den Armen herumgefuchtelt. Dabei habe er den Beschwerdeführer
einmal am Gesicht getroffen. Während Letzterer seine Freundin aufforderte, den
Wagen wegzufahren, habe O.________ erneut "mit den Armen in Richtung seines
Kopfes geschwenkt". Der Beschwerdeführer habe sich darauf "gekehrt" und "hei"
gerufen. Beim Wenden müsse er den Mann touchiert haben, so dass dieser zu Boden
gefallen sei. Die Bewegung, welche zum Fall von O.________ geführt hatte,
präzisierte der Beschwerdeführer in der untersuchungsrichterlichen Einvernahme
so, dass er den linken Arm erhoben und sich heftig nach hinten gedreht habe. In
Bezug auf die Behinderung bestätigte die Vorinstanz ihre Erkenntnisse aus dem
ersten Urteil. Angesichts des auffälligen Verhaltens, der Sprachbehinderung
sowie der motorischen Störungen O.________ sei die Behauptung des
Beschwerdeführers, die Behinderung nicht erkannt zu haben, vollkommen
unglaubwürdig.

1.3 Mit diesen Feststellungen hat die Vorinstanz das verletzungsrelevante
Kerngeschehen in dem vom Bundesgericht geforderten Umfang präzisiert. Was der
Beschwerdeführer hiergegen vorbringt, erschöpft sich in rein appellatorischer
Kritik. Er schildert lediglich seine Wahrnehmung der Konfrontation
(Angriffsthese; Reflexbewegung; Tragweite der Berührung etc.), ohne Willkür in
der vorinstanzlichen Beweiswürdigung aufzuzeigen. Die Feststellung, wonach der
Beschwerdeführer die Behinderung von O.________ erkannt haben musste, wurde vom
Bundesgericht bereits im ersten Urteil nicht beanstandet (vgl. Urteil 6B_146/
2007 vom 24. August 2007, E. 2.). Sie steht im vorliegenden Verfahren nicht
mehr zur Diskussion. Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die
Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz wendet, kann daher auf seine Beschwerde
nicht eingetreten werden.

2.
Der Beschwerdeführer macht geltend, seine Verurteilung wegen fahrlässiger
Körperverletzung sei bundesrechtswidrig.

2.1 Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer
fahrlässig einen Menschen am Körper oder an der Gesundheit schädigt (Art. 125
Abs. 1 StGB). Fahrlässig begeht ein Verbrechen oder Vergehen, wer die Folge
seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder
darauf nicht Rücksicht genommen hat. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit,
wenn der Täter die Vorsicht nicht beachtet, zu der er nach den Umständen und
nach seinen persönlichen Verhältnissen verpflichtet ist (Art. 12 Abs. 3 StGB).
Ein Schuldspruch wegen fahrlässiger Körperverletzung setzt somit voraus, dass
der Täter den Erfolg durch Verletzung einer Sorgfaltspflicht verursacht hat.
Sorgfaltswidrig ist die Handlungsweise, wenn der Täter zum Zeitpunkt der Tat
aufgrund der Umstände sowie seiner Kenntnisse und Fähigkeiten die damit
bewirkte Gefährdung der Rechtsgüter des Opfers hätte erkennen können und müssen
und wenn er zugleich die Grenzen des erlaubten Risikos überschritten hat (BGE
130 IV 7 E. 3.3; 127 IV 34 E. 2a).

2.2 Die Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung verstösst nicht gegen
Bundesrecht. Wie die Vorinstanz zu Recht ausführt, ist die Fahrlässigkeit darin
zu erblicken, dass der Beschwerdeführer seinen Ellbogen auf Schulterhöhe hob
und sich heftig umdrehte im Wissen, dass O.________ hinter ihm stand. Dabei
könne weder von einer reflexartigen Bewegung noch von einem bewussten Umstossen
gesprochen werden. Für den 36-jährigen, durchtrainierten, gross gewachsenen und
rund 100kg schweren Beschwerdeführer war vorhersehbar, dass er den motorisch
behinderten O.________ zu Fall bringen würde. Bei einem körperlich behinderten
älteren Menschen ist die Gefahr eines Knochenbruches als Folge eines derartigen
Sturzes naheliegend. Dem Beschwerdeführer gereicht daher zum Vorwurf, diese
Konsequenzen aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht zu haben. Durch
sein harsches und unbedachtes Vorgehen hat der Beschwerdeführer ein unnötig
hohes und damit unerlaubtes Risiko geschaffen. Soweit der Beschwerdeführer
dagegen einwendet, dass die Behinderung von O.________ für ihn nicht erkennbar
gewesen sei, kann er - wie erwähnt - nicht mehr gehört werden. Dass er
O.________ "absolut unabsichtlich zu Fall gebracht" habe (Beschwerde S. 8),
steht seiner Verurteilung nicht entgehen. Die "Unabsichtlichkeit" ist
fahrlässiger Begehung vielmehr inhärent. Auch der Einwand, die Folgen der
Drehbewegung seien für ihn nicht absehbar gewesen, geht angesichts seiner
deutlichen körperlichen Überlegenheit an der Sache vorbei. Zusammenfassend
erweisen sich die Einwände gegen die Verurteilung wegen fahrlässiger
Körperverletzung als unbegründet.
Bei diesem Ausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer,
schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. August 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Thommen