Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.300/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_300/2008 /hum

Urteil vom 23. Juni 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Kurmann,

gegen

Generalprokurator des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, 3012 Bern,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Führen eines Personenwagens in fahrunfähigem Zustand; bedingte Strafen,
Strafzumessung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 1. Strafkammer,
vom 7. Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
Am 16. Dezember 2006, einem Samstag, um ca. 5:30 Uhr fuhr X.________ mit seinem
Personenwagen Nissan Primera ziellos in der Region R.________ umher. An
unbekannter Stelle manövrierte er den Wagen derart unglücklich, dass er ihn auf
einem Erdhügel aufbockte und selber nicht mehr wegfahren konnte. Weil der Akku
seines Mobiltelefons leer war, machte sich X.________ zu Fuss auf, um Hilfe zu
organisieren. Auf unbekanntem Weg gelangte er zum Wohnort der Familie
Z.________, die zunächst die Mutter von X.________ anrief, um alsdann die
Polizei zu avisieren. Letztere suchte in der Folge vergeblich nach dem
fraglichen Nissan Primera. Dieser war bereits von X.________ und seinen Eltern
aufgefunden und abgeholt worden. Als sich die Polizeipatrouille an den Wohnort
von X.________ in W.________ begab, fand sie dort den Wagen, nicht aber dessen
Halter vor. Am 4. Januar 2007 brachte die Polizei X.________ wegen
Nichtbeherrschens des Fahrzeugs und Vereitelung der Blutprobe als
Motorfahrzeugführer zur Anzeige. Der Gerichtspräsident 1 des Gerichtskreises VI
Signau behielt sich vor, den Sachverhalt auch unter dem Tatbestand des Fahrens
eines Motorfahrzeugs in fahrunfähigem Zustand zu würdigen.

B.
Mit Urteil vom 7. Februar 2008 stellte das Obergericht des Kantons Bern im
Appellationsverfahren die Rechtskraft des Urteils des Gerichtspräsidenten 1 des
Gerichtskreises VI Signau vom 21. August 2007 fest, soweit als X.________ damit
von den Anschuldigungen der Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der
Fahrunfähigkeit und des Nichtbeherrschens des Fahrzeugs freigesprochen worden
war. Im Übrigen verurteilte es ihn wegen Führens eines Personenwagens in
fahrunfähigem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 1 Satz 2 SVG zu einer unbedingt
vollziehbaren Geldstrafe von 60 Tagessätzen à Fr. 60.-- und auferlegte ihm die
erst- und zweitinstanzlichen Verfahrenskosten.

C.
X.________ wendet sich mit Beschwerde in Strafsachen an das Bundesgericht. Er
beantragt, das Urteil des Obergerichts vom 7. Februar 2008 aufzuheben und ihn
vom Vorwurf des Führens eines Personenwagens in fahrunfähigem Zustand,
qualifiziert begangen, freizusprechen unter Auferlegung der gesamten
Verfahrenskosten an den Staat und unter Ausrichtung einer angemessenen
Entschädigung an ihn. Eventualiter sei das angefochtene Urteil im Strafpunkt
aufzuheben und er zu einer bedingten Geldstrafe von 30 Tagessätzen à Fr. 60.--
zu verurteilen unter Auferlegung der gesamten Verfahrenskosten an den Staat.

D.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen seine Verurteilung wegen Führens eines
Personenwagens in fahrunfähigem Zustand im Sinne von Art. 91 Abs. 1 Satz 2 SVG.
Nach seinem Dafürhalten hat das Obergericht den Grundsatz "in dubio pro reo"
als Beweiswürdigungsregel verletzt. Bei richtiger Würdigung der vorhandenen
Beweise hätte es zum Schluss kommen müssen, dass nicht erwiesen sei, dass er
zum fraglichen Zeitpunkt fahrunfähig gewesen sei bzw. eine
Blutalkoholkonzentration von 0.5 Promille oder mehr aufgewiesen habe. Er hätte
folglich freigesprochen werden müssen.

1.1 Aus der in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten
Unschuldsvermutung wird die Rechtsregel "in dubio pro reo" abgeleitet. Als
Beweiswürdigungsregel besagt sie, dass sich der Strafrichter nicht von einem
für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei
objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so
verwirklicht hat. Inwiefern dieser Grundsatz verletzt ist, prüft das
Bundesgericht unter dem Gesichtspunkt der Willkür, d.h. es greift nur ein, wenn
der Sachrichter den Angeklagten verurteilte, obgleich bei objektiver Würdigung
des Beweisergebnisses offensichtlich erhebliche bzw. schlechterdings nicht zu
unterdrückende Zweifel an dessen Schuld fortbestanden. Willkür in der
Beweiswürdigung liegt vor, wenn die Behörde in ihrem Entscheid von Tatsachen
ausgeht, die mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch stehen, auf
einem offenkundigen Fehler beruhen oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderlaufen. Dabei genügt es nicht, wenn der
angefochtene Entscheid sich nur in der Begründung als unhaltbar erweist; eine
Aufhebung rechtfertigt sich erst, wenn er auch im Ergebnis verfassungswidrig
ist (BGE 127 I 38 E. 2a mit Hinweisen).

1.2 Nach der Rechtslage und der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist die
Feststellung der Angetrunkenheit bzw. Fahrunfähigkeit auch auf dem Weg
indirekter Beweise, beispielsweise anhand eindeutiger Zeugenaussagen, möglich,
wenn es - wie hier - an objektiven Beweismitteln wie einer Blut- oder
Atemluftprobe fehlt (siehe Art. 142c VZV, in Kraft seit 1. Januar 2005; BGE 127
IV 172 E. 3 im Zusammenhang mit Art. 138 aVZV; siehe auch BGE 103 IV 48). Davon
geht auch der Beschwerdeführer aus. Er wirft dem Obergericht aber vor, einen
willkürlichen Indizienbeweis zu führen.

1.3 Das Obergericht hat die Frage der Fahrfähig- bzw. Fahrunfähigkeit des
Beschwerdeführers eingehend geprüft und dabei insbesondere die Aussagen der
Zeugen Z.________ und diejenigen des Beschwerdeführers als auch dessen Vorleben
einer sorgfältigen Würdigung unterzogen. Es hat dabei einlässlich begründet,
weshalb es die Aussagen der Zeugen zur Angetrunkenheit des Beschwerdeführers
als in sich stimmig, klar und nachvollziehbar beurteilte. Beide Zeugen hätten
den Beschwerdeführer als distanz- und orientierungslos bezeichnet. Sein Atem
habe gemäss deren Schilderungen deutlich nach Alkohol gerochen. Mit lallender
bzw. verwaschener Sprache und kaum verständlich habe er ihnen die Telefonnummer
seiner Mutter mitgeteilt. Auf der Treppe habe er geschwankt. Abwechslungsweise
sei er weinerlich und aggressiv gewesen. Die Symptome und
Verhaltensauffälligkeiten des Beschwerdeführers - so das Obergericht - seien
von den Zeugen detailliert und übereinstimmend beschrieben worden und
erschienen insgesamt als glaubhaft, zumal auch nicht ersichtlich sei, weshalb
die Zeugen den Beschwerdeführer zu Unrecht hätten belasten sollen. Ebenso
nachvollziehbar hat das Obergericht dargelegt, dass und weshalb es die Aussagen
des Beschwerdeführers, der in der fraglichen Nacht keinen Alkohol konsumiert
haben und in der Gegend einfach herumgefahren sein will, als wenig glaubhaft
eingestuft hat. In seiner Beurteilung hat das Obergericht schliesslich auch das
Vorleben des Beschwerdeführers ergänzend berücksichtigt. Aus dem Umstand, dass
dieser schon früh und oft im Zusammenhang mit Alkohol strafrechtlich in
Erscheinung getreten sei, hat es darauf geschlossen, dass er ein Alkohol
gewohnter Mensch sei. Eine Blutalkoholkonzentration von weniger als 0,8
Promille hätte ihn folglich keineswegs so massiv angetrunken wirken lassen, wie
es die Zeugen umschrieben hätten. In Würdigung all dieser Umstände sei deshalb
davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer während der Fahrt vom 16. Dezember
2006 eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 0,8 Promille aufgewiesen habe
(angefochtenes Urteil, S. 11-13).

1.4 Was in der Beschwerde gegen die obergerichtliche Beweiswürdigung
eingewendet wird, erschöpft sich in einer appellatorischen Kritik am
angefochtenen Urteil. Der Beschwerdeführer beschränkt sich darauf, unter
teilweise blosser Wiedergabe seiner bereits im kantonalen Verfahren vertretenen
Standpunkte die eigene Sicht der Dinge vorzutragen und darzulegen, wie seiner
Auffassung nach die vorhandenen Beweise - das heisst die Aussagen der Zeugen
Z.________, seine eigenen Aussagen sowie sein Vorleben insbesondere im
Zusammenhang mit der angenommenen Alkohol- bzw. Trinkgewöhnung - richtigerweise
zu würdigen gewesen wären. Eine solche Kritik ist nicht geeignet,
offensichtlich erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel
daran darzutun, dass sich der Anklagesachverhalt verwirklicht hat. Denn für die
Begründung von Willkür, unter welchem Gesichtspunkt das Bundesgericht prüft, ob
der Grundsatz "in dubio pro reo" als Beweiswürdigungsregel verletzt ist, genügt
praxisgemäss nicht, dass das angefochtene Urteil mit der Darstellung des
Beschwerdeführers nicht übereinstimmt oder eine andere Lösung oder Würdigung
vertretbar erscheint oder gar vorzuziehen wäre (BGE 127 I 54 E. 2b mit
Hinweisen). Der Beschwerdeführer hätte substantiiert aufzeigen müssen,
inwiefern die vorhandenen Beweise andere Schlussfolgerungen geradezu aufdrängen
und die Beweiswürdigung des Obergerichts (auch) im Ergebnis offensichtlich
unhaltbar ist (BGE 133 IV 286 E. 1.4; 133 II 249 E. 1.4). Das hat der
Beschwerdeführer nicht getan, und solches ist auch nicht ersichtlich. Auch wenn
mit ihm im Übrigen davon ausgegangen würde, dass er sein Trinkverhalten in den
letzten Jahren geändert habe und er nicht mehr als trinkgewohnt bezeichnet
werden könnte, liesse sich dennoch willkürfrei sagen, er habe während der
Autofahrt vom 16. Dezember 2006 eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 0,8
Promille aufgewiesen. Dies deshalb, weil schon die vom Obergericht ohne Willkür
gewürdigten Aussagen der Zeugen Z.________ den Schluss auf eine massive
Angetrunkenheit des Beschwerdeführers ohne weiteres erlauben. Die Beschwerde
ist unter diesen Umständen als unbegründet abzuweisen, soweit darauf überhaupt
eingetreten werden kann.

2.
Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung von Art. 42 Abs. 1 und Art. 47 StGB.
Der Umstand, dass die Vorinstanz von einer tieferen Blutalkoholkonzentration
ausgehe als die erste Instanz, müsse sich zu seinen Gunsten im Strafmass
niederschlagen. Ebenso hätte die Vorinstanz seinem guten automobilistischen
Leumund strafmindernd Rechnung tragen müssen. Die zurückgelegte Fahrstrecke,
welche im angefochtenen Urteil als nicht unbedeutend bezeichnet werde, dürfe
sich schliesslich nicht straferhöhend auswirken, da bereits im
erstinstanzlichen Urteil von dieser Fahrstrecke ausgegangen worden sei. Da er
keine Vorstrafen wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand aufweise, sei ihm der
bedingte Strafvollzug zu Unrecht verweigert worden. Insgesamt erscheine deshalb
eine bedingte Geldstrafe von 30 Tagessätzen à Fr. 60.-- als angemessen.

2.1 Die Bestimmungen des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches sind durch das
Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 teilweise revidiert worden. Das neue Recht
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Der Beschwerdeführer hat die ihm zur
Last gelegte strafbare Handlung vor dem 1. Januar 2007 verübt. Das angefochtene
Urteil ist nach diesem Zeitpunkt ergangen. Gemäss Art. 2 Abs. 2 StGB gelangt
bei dieser Konstellation das neue Recht zur Anwendung, sofern es für den Täter
milder ist. Das Obergericht gelangt zum Schluss, dass sich das neue Recht im zu
beurteilenden Fall als das mildere erweise, weil anstelle der nach altem Recht
auszufällenden Freiheitsstrafe neurechtlich eine Geldstrafe ausgesprochen
werden könne (vgl. angefochtenen Entscheid, S. 14). Es hat deshalb das neue
Recht zur Anwendung gebracht. Hiegegen erhebt der Beschwerdeführer zu Recht
keine Einwendungen.

2.2 Gemäss Art. 47 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem Verschulden des
Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse
sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters (Abs. 1). Das Verschulden
wird nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen
Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen
des Täters sowie danach bestimmt, wie weit der Täter nach den inneren und
äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu vermeiden
(Abs. 2; BGE 134 IV 17 E. 2.1).

Den Vollzug einer Geldstrafe schiebt das Gericht gemäss Art. 42 Abs. 1 StGB in
der Regel auf, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um den
Täter von der Begehung weiterer Verbrechen oder Vergehen abzuhalten.

2.3 Das Obergericht hat die für die Zumessung der Strafe erheblichen Umstände
im Rahmen der Tat- und Täterkomponenten unter Verweis auf die Erwägungen im
erstinstanzlichen Urteil gewürdigt und in nicht zu beanstandender Weise
gewichtet. Wie die Erstinstanz hat es ein Strafmass von 60 Tagessätzen dem
Verschulden des Beschwerdeführers als angemessen erachtet. Was in der
Beschwerde gegen die Strafzumessung vorgebracht wird, überzeugt nicht. So
verletzt das ausgefällte Strafmass auch angesichts der gegenüber der
Erstinstanz als geringer angenommenen Blutalkoholkonzentration kein
Bundesrecht, da nach den willkürfreien Feststellungen des Obergerichts immer
noch von einer solchen von mehr als 0,8 Promille auszugehen ist. Die Berufung
auf den angeblich ungetrübten automobilistischen Leumund ist sodann mit Blick
auf die ergangenen Verurteilungen im SVG-Bereich unbehelflich (vgl. kantonale
Akten, S. 29). Schliesslich ist auch nicht ersichtlich, dass und inwiefern das
Obergericht die zurückgelegte Fahrstrecke stärker als die Erstinstanz zu
Ungunsten des Beschwerdeführers gewichtet haben sollte.

Ebenso wenig ist der Beschwerde Erfolg beschieden, soweit Art. 42 Abs. 1 StGB
als verletzt gerügt wird. Das Obergericht hat auch hier - unter Verweis auf die
Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil - die wesentlichen Gesichtspunkte
angemessen berücksichtigt und nachvollziehbar gewertet. Eine
Ermessensverletzung liegt nicht vor. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass das
Obergericht in Anbetracht der Vorstrafen des Beschwerdeführers, die stets einen
Bezug zu Alkohol und/oder dem SVG aufwiesen, zu Recht erwogen hat, dass ihn die
bislang milden bzw. bedingt ausgesprochenen Strafen nicht von der Begehung
weiterer Delikte haben abhalten können. Unter diesen Umständen hat es von einer
ungünstigen Prognose ausgehen und, ohne Bundesrecht zu verletzen, den bedingten
Strafvollzug verweigern dürfen.

3.
Zusammenfassend ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden
kann. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig
(Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 1.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. Juni 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Arquint Hill