Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.259/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_259/2008/sst

Urteil vom 24. Juli 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Favre, als präsidierendes Mitglied, Bundesrichter Wiprächtiger,
Zünd,
Gerichtsschreiber Boog.

Parteien
X.________, Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Alexander R. Lecki,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden, Sennhofstrasse 17, 7001 Chur,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Missbrauch einer Fernmeldeanlage
(Art. 179septies StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden,
Kantonsgerichtsausschuss, vom 24. Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ wurde mit Strafmandat vom 8. Juli 2005 vom Kreispräsidium Fünf
Dörfer wegen mehrfacher versuchter Nötigung gemäss Art. 181 i.V.m. Art. 22 Abs.
1 StGB sowie wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen gemäss Art. 292 StGB
mit einer Busse von Fr. 700.--, bedingt löschbar nach Ablauf einer Probezeit
von 2 Jahren, bestraft.
Auf Einsprache der Beurteilten hin erklärte der Bezirksgerichtsausschuss
Landquart X.________ mit Urteil vom 4. Oktober 2006 der mehrfachen versuchten
Nötigung gemäss Art. 181 i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB schuldig und verurteilte
sie zu einer Busse von Fr. 500.--, bedingt löschbar nach Ablauf einer Probezeit
von 2 Jahren. Von der Anklage des Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen gemäss
Art. 292 StGB sprach er sie frei. Ferner entschied er über die geltend
gemachten Adhäsionsklagen.
Eine hiergegen von X.________ geführte Berufung wies der
Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden am 21. Februar 2007, schriftlich
mitgeteilt am 22. Mai 2007, ab.
Mit Urteil vom 16. November 2007 (6B_320/2007) hiess das Bundesgericht eine
gegen diesen Entscheid geführte Beschwerde in Strafsachen gut, hob das
angefochtene Urteil auf und wies die Sache zu neuer Entscheidung an die
Vorinstanz zurück.

B.
Mit Urteil vom 24. Januar 2008 hiess das Kantonsgericht von Graubünden,
Kantonsgerichtsausschuss, die Berufung teilweise gut und hob das
erstinstanzliche Urteil auf. Es erklärte X.________ neu des Missbrauchs einer
Fernmeldeanlage gemäss Art. 179septies StGB schuldig und verurteilte sie zu
einer Busse von Fr. 250.--. Von der Anklage des Ungehorsams gegen amtliche
Verfügungen gemäss Art. 292 StGB sprach es sie frei.

C.
X.________ führt Beschwerde an das Bundesgericht, mit der sie beantragt, das
angefochtene Urteil sei aufzuheben und sie sei vom Vorwurf des Missbrauchs
einer Fernmeldeanlage im Sinne von Art. 179septies StGB freizusprechen.

D.
Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen von einer letzten kantonalen Instanz
(Art. 80 Abs. 1 BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art.
78 Abs. 1 BGG). Sie ist von der beschuldigten Person (Art. 81 Abs. 1 lit. b
Ziff. 1 BGG) unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG)
erhoben und hinreichend begründet worden (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG.)

Die Beschwerde an das Bundesgericht kann wegen Rechtsverletzungen im Sinne der
Art. 95 und 96 BGG geführt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes
wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Es ist weder an die in der Beschwerde
vorgetragene Begründung der Rechtsbegehren noch an die Erwägungen der
Vorinstanz gebunden. Es darf indessen nicht über die Begehren der Parteien
hinausgehen (Art. 107 Abs. 1 BGG). Neue Begehren sind unzulässig (Art. 99 Abs.
2 BGG). Neue Tatsachen und Beweismittel dürfen nur soweit vorgebracht werden,
als der Entscheid der Vorinstanz dazu Anlass gibt (Art. 99 Abs. 1 BGG).

2.
Dem zu beurteilenden Fall liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beschwerdeführerin stellte vom 9. Januar bis zum 8. Februar 2004 zusammen
mit ihrem Ehemann mindestens 379 Mal eine Verbindung zum Telefonanschluss ihrer
Nachbarn her, um diese auf deren in ihren Augen umweltschädliches und störendes
Heizen mit ihrer Holzfeuerungsanlage aufmerksam zu machen und sie von einer
weiteren Inbetriebnahme der vom Amt für Natur und Umwelt für gesetzeskonform
befundenen Holzheizung abzuhalten. Die Nachbarn kamen diesem Ansinnen nicht
nach (Entscheid des Bundesgerichts vom 16. November 2007 E. 2; vgl. auch
angefochtenes Urteil S. 3 f. [Anklageschrift], 9).

3.
3.1 Die Vorinstanz nimmt an, bei der Anzahl von 379 Telefonanrufen sei die
Schwelle zum strafbaren Missbrauch einer Fernmeldeanlage eindeutig
überschritten. Dies gelte auch wenn die Anrufe erfolgt sein sollten, um den
Nachbarn den Unmut über die Rauchimmissionen kund zu tun. Die Quantität der
Anrufe übersteige das zu duldende Mass bei weitem, so dass keinesfalls mehr von
einer adäquaten Verwendung des Telefons zur angeblichen Herstellung des
rechtmässigen Zustandes gesprochen werden könne. Durch diese Vorgehensweise
seien die Nachbarn auch zweifellos geärgert bzw. belästigt worden, so dass auch
der subjektive Tatbestand von Art. 179septies StGB erfüllt sei (angefochtenes
Urteil S. 9 f.).
Damit folgt die Vorinstanz dem Rückweisungsentscheid des Bundesgerichts, in
welchem dieses erwogen hat, dass der Tatbestand des Missbrauchs einer
Fernmeldeanlage im zu beurteilenden Fall erfüllt sei, könne nicht ernsthaft in
Frage stehen (Urteil der Strafrechtlichen Abteilung 6B_320/2007 vom 16.11.2007
E. 4.2).

3.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, sie habe weder mutwillig noch aus
Bosheit gehandelt. Die Telefonanrufe seien allein deswegen erfolgt, weil sie
und ihr Ehemann befürchtet hätten, ihre Gesundheit und ihre Liegenschaft
könnten wegen der von der Holzfeuerungsanlage der Nachbarn ausgehenden
übermässigen Immissionen erheblichen Schaden nehmen. Ziel der Anrufe sei
lediglich gewesen, die Nachbarn auf den Missstand hinzuweisen (Beschwerde S. 3
f.). Im Übrigen sei nicht nachgewiesen, ob jeweils sie selbst oder ihr Ehemann
angerufen habe. Sie habe zwar eingestanden, die Nachbarn telefonisch
kontaktiert zu haben. Ob die von ihr selbst gewählten Verbindungen die vom
Tatbestand von Art. 179septies StGB geforderte minimale Intensität und Schwere
erreicht hätten, sei indes nicht erstellt (Beschwerde S. 4).
Eventualiter beruft sich die Beschwerdeführerin auf Notwehr bzw. auf
Notwehrexzess. Sie habe zur Abwehr eines Angriffs auf ihr Eigentum und ihre
Gesundheit gehandelt. Gemäss Art. 684 Abs. 1 ZGB sei jedermann verpflichtet,
sich bei der Ausübung seines Eigentums aller übermässiger Einwirkungen auf das
Eigentum des Nachbarn zu enthalten. Sie habe aufgrund der von ihr als
übermässig empfundenen Raucheinwirkung durch die Holzfeuerungsanlage sowohl
ihre Gesundheit als auch ihr Eigentum für akut gefährdet erachtet. Die
Telefonanrufe seien ausschliesslich erfolgt, soweit von der Anlage starke
Rauch- und Geruchsimmissionen ausgegangen seien (Beschwerde S. 4 f.).

4.
4.1 Nach Art. 179septies StGB wird auf Antrag mit Busse bestraft, wer aus
Bosheit oder Mutwillen eine Fernmeldeanlage zur Beunruhigung oder Belästigung
missbraucht. Die Bestimmung schützt das Persönlichkeitsrecht der betroffenen
Person vor bestimmten Beeinträchtigungen durch das Telefon. Dabei handelt
mutwillig, wer unüberlegt, leichtfertig oder bedenkenlos mit dem Ziel, eine
momentane Laune zu befriedigen, handelt (BGE 121 IV 131 E. 5b). Nach der
Rechtsprechung müssen lästige und beunruhigende Telefonate eine gewisse
minimale quantitative Intensität und/oder qualitative Schwere erreichen, um als
strafbare Einwirkung in die Persönlichkeitssphäre des Opfers gewertet werden zu
können. Bei leichten bis mittelschweren Persönlichkeitsverletzungen durch das
Telefon wird eine gewisse Häufung von Einzelhandlungen gefordert (BGE 126 IV
216 E. 2b/aa).
4.2
4.2.1 Nach der Rechtsprechung zum früheren Verfahrensrecht konnte der neue
Entscheid der kantonalen Instanz vor Bundesgericht nicht mehr angefochten
werden, wenn die Anfechtung bereits in Bezug auf das erste Urteil möglich
gewesen wäre und nach Treu und Glauben für die betreffende Partei die
Anfechtung zumutbar war (Art. 277ter BStP; BGE 117 IV 97 E. 4a). Dies gilt
unvermindert auch unter Herrschaft des neuen Bundesgerichtsgesetzes. Es steht
auch damit in Einklang, dass das Bundesgericht gegebenenfalls in der Sache
selbst entscheiden kann (Art. 107 Abs. 2 BGG). Soweit die Beschwerdeführerin
geltend macht, es sei nicht nachgewiesen, ob sie in allen Fällen selbst
telefoniert habe, kann auf ihre Beschwerde somit nicht engetreten werden. Im
Übrigen wären der Beschwerdeführerin aufgrund ihrer Aussagen, wonach die Anrufe
zusammen mit dem Ehemann erfolgt seien (vgl. angefochtenes Urteil S. 9), auch
die direkt vom Ehemann ausgehenden Anrufe als Mittäterin zuzurechnen.
Aus demselben Grund kann auch auf die Beschwerde nicht eingetreten werden,
soweit die Beschwerdeführerin Notwehr geltend macht. Auch diese Rüge wird
erstmals in der vorliegenden Beschwerde vorgebracht. Die Rüge wäre aber auch
unbegründet. Aus dem Umstand, dass die Holzfeuerungsanlage nach den
tatsächlichen Feststellungen vom kantonalen Amt für Natur und Umwelt für
gesetzeskonform erachtet wurde, ergibt sich, dass im Betreiben der Anlage kein
rechtswidriger Angriff liegt. Für eine rechtfertigende oder entschuldbare
Notwehr im Sinne der Art. 15 und 16 StGB fehlt daher jede Grundlage.
4.2.2 Soweit die Beschwerdeführerin geltend macht, der subjektive Tatbestand
des Missbrauchs einer Fernmeldeanlage sei nicht erfüllt, ist die Beschwerde
unbegründet. Wie das Bundesgericht schon in seinem Rückweisungsentscheid vom
16. November 2007 (6B_320/2007, E. 4.2) festgehalten hat, ist bei einer Anzahl
von 379 Anrufen innerhalb eines Monats die Schwelle zu einer eindeutig
strafwürdigen Verhaltensweise klarerweise überschritten. Den ständigen Anrufen
kommt der Charakter einer eigentlichen Schikane oder telefonischen Belästigung
zu. Damit ergibt sich das Handeln aus Bosheit oder Mutwillen von selbst.

5.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang trägt die Beschwerdeführerin die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden,
Kantonsgerichtsausschuss, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. Juli 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:

Favre Boog