Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.222/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_222/2008/sst

Urteil vom 27. Mai 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

Parteien
X.________, vertreten durch Fürsprecher Adrian Blättler,

gegen

Amt für Justizvollzug des Kantons Zürich, Amtsleitung, Feldstrasse 42, 8090
Zurich,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Zulassung zur Halbgefangenschaft,

Beschwerde gegen die Verfügung vom 18. Februar 2008 der Direktion der Justiz
und des Innern des Kantons Zürich.

Sachverhalt:

A.
Am 13. April 2007 verurteilte das Obergericht des Kantons Zürich X.________
wegen Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz und weiterer Delikte zu 32
Monaten Freiheitsstrafe, wobei es den Vollzug von 16 Monaten anordnete
(abzüglich 250 Tage bisherige Haft).

B.
Mit Verfügung vom 19. November 2007 wies das Amt für Justizvollzug des Kantons
Zürich ein Gesuch von X.________ ab, wonach ihm die Strafverbüssung in der
Vollzugsform der Halbgefangenschaft zu bewilligen sei. Ein dagegen erhobener
Rekurs wurde von der Direktion der Justiz und des Innern mit Verfügung vom 18.
Februar 2008 abgewiesen.

C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, die vorinstanzliche
Verfügung sei aufzuheben, und es sei ihm für die Verbüssung der Reststrafe die
Halbgefangenschaft zu gewähren. Zudem stellt er das Gesuch um unentgeltliche
Rechtspflege.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe Art. 75 StGB verletzt,
insbesondere mit einer schematischen Berufung auf Art. 77b und 79 StGB.

1.1 Die Vorinstanz weist darauf hin, dass bei der Berechnung der Strafdauer für
die Halbgefangenschaft die vom Gericht angeordnete vollziehbare Freiheitsstrafe
massgeblich sei. Laute das Urteil auf eine Strafe von mehr als zwölf Monaten,
dann sei die Halbgefangenschaft auch ausgeschlossen, wenn die nach Abzug der
angerechneten Untersuchungshaft noch zu vollziehende Freiheitsstrafe die Grenze
von einem Jahr nicht übersteige. Nur wenn die vollziehbare Reststrafe nach
Anrechnung der Untersuchungshaft weniger als sechs Monate betrage, sei gemäss
Art. 79 Abs. 1 StGB die Halbgefangenschaft auch zulässig, wenn eine Strafe von
mehr als einem Jahr ausgesprochen wurde. Im vorliegenden Fall habe das
Obergericht eine Freiheitsstrafe von 16 Monaten ausgesprochen. Nach Abzug des
angerechneten Freiheitsentzugs von 250 Tagen verbleibe eine Reststrafe von mehr
als 6 Monaten. Die Voraussetzungen für die Halbgefangenschaft seien somit nicht
erfüllt, und es komme den Vollzugsbehörden insoweit kein Ermessensspielraum zu.
Die vom Beschwerdeführer zu seinen Gunsten angeführten familiären und
beruflichen Argumente könnten daher nicht berücksichtigt werden.

1.2 Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz übersehe, dass es sich
bei den von ihr angewandten Bestimmungen von Art. 77b und 79 StGB nicht um
zwingende Vorschriften handle, sondern um Regeln, die in Einklang mit den in
Art. 75 StGB verankerten allgemeinen Grundsätzen beim Vollzug von
Freiheitsstrafen anzuwenden seien. Gemäss Art. 75 StGB habe der Strafvollzug
das soziale Verhalten des Gefangenen, insbesondere die Fähigkeit straffrei zu
leben, zu fördern. Weiter habe der Strafvollzug den allgemeinen
Lebensverhältnissen soweit als möglich zu entsprechen und schädliche Folgen des
Freiheitsentzuges entgegenzuwirken. Art. 77b StGB regle die allgemeinen
Voraussetzungen der Halbgefangenschaft und bestimme, dass eine Freiheitsstrafe
von 6 Monaten bis zu einem Jahr in dieser Form vollzogen wird, wenn keine
Flucht- oder Wiederholungsgefahr besteht. Weiter bestimme Art. 79 StGB für
kurze Freiheitsstrafen von weniger als 6 Monaten und Reststrafen von gleicher
Dauer, dass sie "in der Regel" in der Form der Halbgefangenschaft vollzogen
werden. Mit anderen Worten seien solche Strafen grundsätzlich voraussetzungslos
in dieser Form zu vollziehen. Beide Bestimmungen würden mithin nicht
ausschliessen, dass auch eine Reststrafe von etwas mehr als 7 Monaten in
Halbgefangenschaft vollzogen werden könnte. Dieser Fall sei zwar nicht
ausdrücklich geregelt worden. Es gebe aber Indizien dafür, dass es sich dabei
um ein qualifiziertes Schweigen handle. Die Botschaft der Gesetzesrevision habe
vorgesehen, dass der Vollzug von Freiheitsstrafen mit einer Dauer von 6 bis 12
Monaten in der Form der Halbgefangenschaft künftig die Regel sein soll. Der
Gesetzgeber habe grundsätzlich beabsichtigt, dass die Halbgefangenschaft neu
auch für mehr als 6-monatige Freiheitsentzüge möglich sein solle, nämlich bis
zu einer Dauer von 12 Monaten. Er habe dabei nicht zwischen "Bruttostrafe" und
Reststrafe unterschieden.

1.3 Die Auffassung des Beschwerdeführers steht nicht in Einklang mit der
gesetzlichen Regelung. Art. 77b StGB sieht vor, dass eine Freiheitsstrafe von
sechs Monaten bis zu einem Jahr in der Form der Halbgefangenschaft vollzogen
werden kann. Inwiefern diese zeitliche Begrenzung nicht zwingend sein soll, ist
nicht nachvollziehbar und lässt sich auch nicht dartun. Das Gleiche gilt für
Art. 79 Abs. 1 StGB, wonach Freiheitsstrafen von weniger als sechs Monaten und
nach Anrechnung der Untersuchungshaft verbleibende Reststrafen von weniger als
sechs Monaten in der Regel in der Form der Halbgefangenschaft vollzogen werden.
Neben den kurzen Freiheitsstrafen nach Art. 41 StGB umfasst diese Bestimmung
auch über 12-monatige Freiheitsstrafen, von denen nach Abzug der
Untersuchungshaft nur noch weniger als sechs Monate zu verbüssen sind
(Schwarzenegger/ Hug/Jositsch, Strafrecht II, Strafen und Massnahmen, 8.
Auflage, S. 285, mit Hinweis; Baechtold, Basler Kommentar, Strafrecht I, 2.
Auflage, Art. 77b N 6; vgl. Botschaft zur Änderung des Schweizerischen
Strafgesetzbuches vom 21. September 1998, BBl 1999, Ziff. 214.25 S. 2114).
Massgeblich für die Möglichkeit der Halbgefangenschaft ist in diesem Fall somit
nicht die im Urteil festgelegte Strafdauer, sondern die Dauer der effektiv noch
zu vollziehenden Freiheitsstrafe nach Abzug der Untersuchungshaft (Baechtold,
a.a.O., Art. 79 N 8). Abgesehen von diesem Sonderfall ist die
Halbgefangenschaft ausgeschlossen, wenn die vom Gericht angeordnete
Freiheitsstrafe mehr als 12 Monate beträgt, und zwar auch dann, wenn die nach
Abzug der Untersuchungshaft noch zu vollziehende Freiheitsstrafe die Grenze von
einem Jahr nicht überschreitet (Baechtold, a.a.O., Art. 77b N 6; Schwarzenegger
/Hug/Jositsch, a.a.O., S. 285).

1.4 Nachdem der Beschwerdeführer unbestrittenermassen eine Reststrafe von mehr
als sechs Monaten zu verbüssen hat, ist ein Vollzug in der Form der
Halbgefangenschaft nicht möglich. Die Vorinstanz hat ihre Voraussetzungen zu
Recht verneint. Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens sind die Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG). Da sein Rechtsbegehren von vornherein als aussichtslos erschien, ist sein
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Seinen
eingeschränkten finanziellen Verhältnissen kann bei der Festsetzung der
Gerichtskosten Rechnung getragen werden (Art. 65 Abs. 2 BGG).

Das Bundesgericht erkennt:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 800.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und der Direktion der Justiz und des Innern des
Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 27. Mai 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Binz