Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.213/2008
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008


Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_213/2008/sst

Urteil vom 9. Juli 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Zünd, Mathys,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Till Gontersweiler,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Kosten etc.,

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, vom 18. Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
Am 19. April 2006 erhob die Staatsanwaltschaft IV des Kantons Zürich Anklage
gegen X.________ wegen mehrfachen versuchten Betrugs im Sinne von Art. 146 Abs.
1 StGB i.V.m. Art. 22 Abs. 1 StGB, mehrfacher Urkundenfälschung im Amt im Sinne
von Art. 317 StGB sowie wegen mehrfacher passiver Bestechung im Sinne von Art.
322quater StGB. Zusammengefasst wurde ihm vorgeworfen, als Direktor des
ausländischen/internationalen P.________programmms des Universitätsspitals
Zürich (USZ) private Schreiben bzw. elf Rechnungen für Privataufwendungen
zuhanden des Konsulats der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) erstellt und
dabei ohne Ermächtigung den Briefkopf des USZ verwendet zu haben.

Das Bezirksgericht Zürich sprach X.________ mit Urteil vom 12. September 2006
von den angeklagten Delikten frei (Ziff. 1 Urteilsdispositiv). Die Kosten der
Untersuchung und der amtlichen Verteidigung wurden dem Freigesprochenen
auferlegt und diejenigen des gerichtlichen Verfahrens auf die Staatskasse
genommen. Sodann wurde X.________ für die Auslagen seiner erbetenen
Verteidigung eine Entschädigung aus der Staatskasse zugesprochen, welche mit
den ihm auferlegten Kosten verrechnet wurde (Ziff. 3 Urteilsdispositiv).

B.
Den gegen die Kostenauflage gemäss Ziff. 3 des bezirksgerichtlichen Urteils
erhobenen Rekurs von X.________ wies das Obergericht des Kantons Zürich mit
Beschluss vom 18. Februar 2008 ab.

C.
X.________ führt Beschwerde an das Bundesgericht. Er rügt die willkürliche
Anwendung kantonalen Strafprozessrechts (§ 189 Abs. 1 StPO/ZH) sowie eine
Verletzung der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK)
und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses vom 18. Februar 2008
und die Rückweisung der Sache zur neuen Entscheidung an die Vorinstanz.
Eventualiter seien der Beschluss des Obergerichts sowie Ziff. 3 des Urteils des
Bezirksgerichts Zürich vom 12. September 2006 aufzuheben, die Kosten der
Untersuchung, der amtlichen Verteidigung sowie des gerichtlichen Verfahrens auf
die Staatskasse zu nehmen und ihm eine Entschädigung von Fr. 84'000.-- sowie
eine Genugtuung von Fr. 10'000.--, beides nebst Zins zu 5% seit 5. Dezember
2005 zuzusprechen.

D.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
Auf die Beschwerde ist grundsätzlich einzutreten, da sie unter Einhaltung der
gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) von der mit
ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff.
1 BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten kantonalen
Instanz (Art. 80 BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 und 95 BGG) in
Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG) richtet.

2.
2.1 Im Kostenpunkt erwägt die Vorinstanz im Wesentlichen, dass der
Beschwerdeführer als Angestellter des Universitätsspitals Zürich (USZ) in
Kaderposition die aus § 49 des kantonalen Personalgesetzes (PG/ZH)
resultierende Pflicht zur Treue und Interessenwahrung gegenüber dem Kanton
verletzt habe, indem er auf privaten Schreiben bzw. Rechnungen für private
Aufwendungen zuhanden des Konsulats der VAE - ohne entsprechende Ermächtigung -
den Briefkopf des USZ verwendete. Mit seinem Vorgehen, welches von dem als
angebracht geltenden Durchschnittsverhalten eindeutig abweiche, habe der
Beschwerdeführer Anlass zur Eröffnung eines Strafverfahrens gegeben, da dadurch
der berechtigte Verdacht auf Urkundenfälschung und Betrug erweckt worden sei.
Dass der Rekurrent schliesslich aufgrund der fehlenden Täuschung des Konsulats
der VAE freigesprochen worden sei, vermöge daran nichts zu ändern. Im Übrigen
sei sich der Beschwerdeführer über die Verwerflichkeit seines Tuns im Klaren
gewesen. Unter diesen Umständen habe ihm die erste Instanz die Kosten des
Verfahrens zu Recht teilweise auferlegt.

2.2 Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, § 189 Abs. 1 StPO/ZH
willkürlich angewendet zu haben. Vorliegend fehle es an der Kausalität zwischen
seinem Verhalten und den ihm auferlegten Kosten. Erstens hätten die in Rechnung
gestellten Aufwendungen für Spesen nur ihm und nicht dem USZ zugestanden, und
zweitens sei er dazu gehalten gewesen, diese Beiträge offiziell durch
Verwendung des Briefpapiers des USZ einzufordern, ansonsten die VAE nicht
gezahlt hätte. Spätestens nach der Einvernahme des Zeugen A.________ am 6.
April 2006 sei überdies klar gewesen, dass weder eine Urkundenfälschung noch
ein Betrug oder eine passive Bestechung vorgelegen habe. Das Verfahren hätte
deshalb umgehend eingestellt und er aus der Untersuchungshaft entlassen werden
müssen. Im Übrigen hätte die Zeugeneinvernahme von A.________ viel früher
stattfinden sollen, insbesondere weil die Strafanzeige bereits am 16. Februar
2005 erfolgt sei und spätestens nach der Hafteinvernahme vom 16. Januar 2006
auf der Hand gelegen habe, dass die Aussagen des Zeugen A.________ zur
Verfahrenseinstellung hätten führen können. Das Verhalten des Beschwerdeführers
sei daher nicht geeignet gewesen, zumindest die nach Januar 2006 entstandenen
Kosten zu bewirken. Diese Kosten seien vielmehr Folge der schleppenden
Verfahrensführung durch die zuständige Staatsanwaltschaft. Die adäquate
Kausalität sei somit in Bezug auf die entstandenen Kosten nicht gegeben. Indem
die Vorinstanz ihm die gesamten Untersuchungskosten sowie die Kosten des
amtlichen Verteidigers trotz fehlender Kausalität auferlege, verletze sie § 189
Abs. 1 StPO/ZH in krasser Weise. Die im angefochtenen Beschluss verwendete
Formulierung, er habe sich eines verwerflichen Verhaltens im Sinne von § 189
Abs. 1 StPO/ZH "schuldig gemacht", beinhalte im Übrigen eine strafrechtliche
Missbilligung, da die Wendung "schuldig gemacht" ausschliesslich im Strafrecht
benutzt werde. Insofern erweise sich auch die Unschuldsvermutung im Sinne von
Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK als verletzt.

3.
3.1 Gemäss § 189 Abs. 1 StPO/ZH werden die Kosten bei einem Freispruch dem
Beschuldigten auferlegt, wenn dieser die Einleitung der Untersuchung durch ein
verwerfliches oder leichtfertiges Benehmen verursacht oder ihre Durchführung
erschwert hat (vgl. Niklaus Schmid, in: Andreas Donatsch/Niklaus Schmid
[Hrsg.], Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich 1997, §
189 N. 4). Die Kostenauflage zulasten des Beschuldigten aufgrund verwerflich
bewirkter Untersuchungseinleitung setzt adäquate Kausalität zwischen dessen
Verhalten, der eingeleiteten Untersuchung und den erwachsenen und
aufzuerlegenden Kosten voraus (Schmid, in: Donatsch/ Schmid [Hrsg.], a.a.O.,
Zürich 1999, § 42 N. 22).

3.2 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts dürfen einem Angeschuldigten bei
Freispruch oder Einstellung einer Strafuntersuchung nur Kosten auferlegt
werden, wenn er durch ein unter rechtlichen Gesichtspunkten vorwerfbares
Verhalten die Einleitung eines Strafverfahrens veranlasst oder dessen
Durchführung erschwert hat. Bei der Kostenpflicht des freigesprochenen oder aus
dem Verfahren entlassenen Angeschuldigten handelt es sich nicht um eine Haftung
für ein strafrechtliches Verschulden, sondern um eine zivilrechtlichen
Grundsätzen angenäherte Haftung für ein fehlerhaftes Verhalten, durch das die
Einleitung oder Erschwerung eines Strafverfahrens verursacht wurde (BGE 119 Ia
332 E. 1b). Wie das Bundesgericht festgehalten hat, ist es mit Art. 32 Abs. 1
BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK vereinbar, einem nicht verurteilten Angeschuldigten
die Kosten aufzuerlegen, wenn er in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise (d.h. im
Sinne einer analogen Anwendung der sich aus Art. 41 OR ergebenden Grundsätze)
gegen eine geschriebene oder ungeschriebene Verhaltensnorm, die aus der
gesamten schweizerischen Rechtsordnung stammen kann, klar verstossen und
dadurch das Strafverfahren veranlasst oder dessen Durchführung erschwert hat
(BGE 119 Ia 332 E. 1b; 116 Ia 162 E. 2a, je mit Hinweisen). Hingegen verstösst
eine Kostenauflage bei Freispruch oder Einstellung des Strafverfahrens gegen
den Grundsatz der Unschuldsvermutung, wenn dem Angeschuldigten in der
Begründung des Kostenentscheids direkt oder indirekt vorgeworfen wird, er habe
sich strafbar gemacht bzw. es treffe ihn ein strafrechtliches Verschulden (BGE
120 Ia 147 E. 3b). Diese Grundsätze gelten nicht nur für die Auferlegung von
Kosten, sondern auch für die Verweigerung einer Entschädigung (vgl. BGE 120 Ia
147 E. 3b; 116 Ia 162 E. 2g).

3.3 Wird eine Kostenauflage wegen Verletzung des Grundsatzes der
Unschuldsvermutung angefochten, so prüft das Bundesgericht frei, ob die
Begründung des Kostenentscheids direkt oder indirekt den Vorwurf einer
strafrechtlichen Schuld enthält. Geht es hingegen nicht um den Schutzbereich
von Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK, womit der gute Ruf des
Angeschuldigten gegen den direkten oder indirekten Vorwurf einer
strafrechtlichen Missbilligung geschützt werden soll (BGE 114 Ia 299 E. 2b), so
werden die Voraussetzungen für die Verlegung von Kosten und Entschädigungen
durch das kantonale Recht umschrieben. Insofern gilt Art. 9 BV; danach dürfen
die Anwendung der kantonalen Gesetzesbestimmungen und die Beweiswürdigung nicht
willkürlich erfolgen (BGE 116 Ia 162 E. 2f).

4.
4.1 Die Vorinstanz beruft sich zur Begründung des verwerflichen Verhaltens im
Sinne von § 189 Abs. 1 StPO ausdrücklich auf das kantonale Personalgesetz und
führt in diesem Zusammenhang aus, der Beschwerdeführer habe die aus § 49 PG/ZH
resultierende Treue- und Interessenwahrungspflicht gegenüber der Arbeitgeberin
und damit dem Kanton Zürich verletzt, indem er auf Rechnungen für
Privataufwendungen zuhanden des Konsulats der VAE unbefugterweise den Briefkopf
des USZ verwendete. Mit diesem Vorgehen habe der Beschwerdeführer begründeten
Anlass zur Untersuchung wegen Urkundenfälschung und Betrug gegeben. Damit
bezieht sich die Vorinstanz in ihren Erwägungen nicht auf Straftatbestände und
bringt auch keinen strafrechtlichen Vorwurf, weder direkt noch indirekt, zum
Ausdruck, sondern sie hält dem Beschwerdeführer nur vor, gegen eine
verwaltungsrechtliche Vorschrift im Rahmen des damaligen Dienstverhältnisses
mit dem USZ verstossen und dadurch - wegen Verdachts auf strafbare Handlungen -
die Einleitung eines Strafverfahrens bewirkt zu haben. Unter diesen Umständen
tangiert die Kostenauflage an den Beschwerdeführer den Grundsatz der
Unschuldsvermutung nicht, zumal dieser auch nicht verbietet, dass jemand einer
strafbaren Handlung verdächtigt wird (Arthur Haefliger/Frank Schürmann, Die
Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl., Bern 1999, S.
209).

4.2 Ebenso wenig liegt eine willkürliche Anwendung von § 189 Abs. 1 STPO/ZH
vor. Die Vorinstanz hat ohne Verstoss gegen das Willkürverbot folgern dürfen,
dass der Beschwerdeführer als hoher Angestellter des USZ durch sein Verhalten
in zivilrechtlich vorwerfbarer Weise gegen die ihm gemäss kantonalem
Personalgesetz obliegende Treue- und Interessenwahrungspflicht verstossen und
hierdurch Anlass zur Einleitung des Strafverfahrens gegeben hat. Dass die in
Rechnung gestellten Gelder private Aufwendungen abgelten sollten, die der
Beschwerdeführer tatsächlich erbracht hatte, und er zufolge seiner eigenen
Angaben ausserdem dazu gehalten war, diese Beträge offiziell einzufordern, um
sie erhältlich zu machen, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Entscheidend
ist einzig, dass er bei der Erstellung besagter Rechnungen den Briefkopf des
USZ ohne entsprechende Ermächtigung verwendete. Auf dieses zur Anzeige
gebrachte Verhalten bzw. Vorgehen des Beschwerdeführers konnte die
Staatsanwaltschaft vernünftigerweise nicht anders als mit der Einleitung eines
Strafverfahrens reagieren (vgl. Niklaus Schmid, Strafprozessrecht, 4. Aufl.,
Zürich 2004, Rz. 1207). Dass der Zeuge A.________ nach der Hafteinvernahme des
Beschwerdeführers vom 16. Januar 2006 (vgl. kantonale Akten 4/2) erst am 6.
April 2006 einvernommen wurde, kann im Übrigen entgegen der in der Beschwerde
vertretenen Auffassung nicht auf ein behördliches Fehlverhalten im Sinne einer
schleppenden Verfahrensführung zurückgeführt werden, bemühte sich die
Staatsanwaltschaft doch unverzüglich im Anschluss an die fragliche
Hafteinvernahme um die Durchführung der Zeugenbefragung von A.________ (vgl.
kantonale Akten 8/1-3). Schliesslich lässt sich auch nicht ohne weiteres sagen,
dass nach der Zeugeneinvernahme von A.________ das Verfahren umgehend
eingestellt und der Beschwerdeführer aus der Untersuchungshaft hätte entlassen
werden müssen, da noch weitere Untersuchungshandlungen anstanden (vgl.
kantonale Akten 9/6, Beschlagnahmeverfügung vom 19. April 2006 betreffend 5 CD
bzw. DVD mit Server-Daten). Das Verhalten des Beschwerdeführers war mithin
insgesamt adäquat kausal für die Einleitung des Strafverfahrens. Der
angefochtene Entscheid hält damit im Hinblick auf die Kostenauflage vor der
Verfassung stand.

4.3 Gemäss § 43 Abs. 1 i.V.m. § 191 StPO/ZH ist in Fällen, in welchen dem
Angeklagten die Verfahrenskosten nicht auferlegt werden, darüber zu
entscheiden, ob ihm eine Entschädigung für die durch die Untersuchung
verursachten Kosten und Umtriebe sowie eine Genugtuung auszurichten ist.

Da die Auferlegung der Untersuchungskosten an den Beschwerdeführer, wie
dargelegt wurde, kein Bundesrecht verletzt, konnte die Vorinstanz auch
willkürfrei darauf schliessen, dass vorliegend die Möglichkeit der Zusprechung
von Schadenersatz bzw. Genugtuung entfalle (vgl. Urteil des Bundesgerichts
6B_724/2007 vom 11. Januar 2008, E. 2.9).

5.
Damit ist die Beschwerde vollumfänglich abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens sind die Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren dem
Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. Juli 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Arquint Hill