Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.20/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_20/2008 /hum

Urteil vom 22. April 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Favre, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mehrfache grobe Verletzung der Verkehrsregeln etc.,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, vom 2. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
Die Einzelrichterin in Strafsachen des Bezirkes Zürich verurteilte am 21.
November 2006 X.________ u.a. wegen mehrfacher grober Verletzung der
Verkehrsregeln zu einer Busse von Fr. 2'000.--. Auf Berufung des Verurteilten
bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich am 2. Oktober 2007 dieses Urteil
im Wesentlichen und bestrafte X.________ in Anwendung des neuen Rechts mit
einer Geldstrafe von 10 Tagessätzen zu Fr. 50.-- sowie einer Busse von Fr.
1'500.--.

B.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen und beantragt, das Urteil der
Vorinstanz sei aufzuheben und die Sache sei zu neuer Beurteilung und
Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer rügt im Wesentlichen, die Vorinstanz habe sich bei der
Beweisführung hauptsächlich auf die Aussagen eines Zeugen abgestützt, der mit
ihm nicht rechtskonform konfrontiert worden sei. Mit der
Konfrontationseinvernahme würden auch die früheren Aussagen des Zeugen
grundsätzlich verwertbar. Dies setze allerdings voraus, dass der Angeschuldigte
auf allfällige Widersprüche zu früheren, in seiner Abwesenheit gemachten
Aussagen hinweisen konnte. Dazu sei er nur in der Lage, wenn ihm diese Aussagen
bekannt waren. Er sei weder anwaltlich vertreten noch über das entsprechende
Einsichtsrecht orientiert worden, weshalb die Strafverfolgungsbehörde ihre
Fürsorgepflicht verletzt und damit ein wirksames Fragerecht und zuletzt ein
faires Verhalten vereitelt habe.

1.1 Die Vorinstanz führt in ihrem Urteil aus, der Beschwerdeführer habe die
Existenz einer früheren Befragung des Zeugen R.________ gekannt. Aufgrund der
polizeilichen Befragung vom 23. August 2006 habe er gewusst, dass gegen ihn
eine Anzeige erhoben worden war. Spätestens aber bei der
Konfrontationseinvernahme vom 4. Oktober 2006, als der Zeuge aufgefordert
worden sei, den Vorfall nochmals zu rekapitulieren, habe dem Beschwerdeführer
bewusst werden müssen, dass der Zeuge bereits einmal Aussagen deponiert hatte
und solche existierten. Grundsätzlich sei aber dem Verteidiger darin zu folgen,
dass die Untersuchungsbehörde einen Angeklagten, der nicht anwaltlich vertreten
ist, auf die Möglichkeit hinweisen muss, Einsicht in die Befragungsprotokolle
zu verlangen, wenn er dies nicht selbst tue, weil er die Bedeutung von
Konfrontationseinvernahmen verkenne. Zurückzuweisen sei indes der Standpunkt
der Verteidigung, eine Konfrontationseinvernahme mit dem allgemeinen Hinweis
als unverwertbar zu erklären, der Angeklagte habe damals von früheren Aussagen
keine Kenntnisse gehabt, ohne konkret darzulegen, inwiefern diese Kenntnis eine
neue Befragung notwendig gemacht hätte. Die Nichtigkeitsfolge von § 15 StPO/ZH
sanktioniere nicht abstrakte, sondern effektive Rechtsverletzungen. Diese sei
der Verteidiger jedoch zu begründen schuldig geblieben. Zusammenfassend sei
nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer in seinen Verteidigungsrechten
beeinträchtigt gewesen wäre und dadurch einen Nachteil erlitten hätte, weshalb
die Aussagen von R.________ verwertbar seien.

1.2 Der Beschwerdeführer wendet dagegen ein, der Anspruch auf rechtskonforme
Konfrontation sei grundsätzlich absoluter Natur und bedürfe keiner weiteren
Ausführungen darüber, inwieweit sich dieser Mangel zu seinem Nachteil
ausgewirkt haben könnte. Die Vorinstanz weise im angefochtenen Entscheid darauf
hin, dass die Aussagen des Zeugen R.________ klar, eindeutig, stimmig,
überzeugend, detailreich, lebensnah und ohne Übertreibungen erfolgt seien,
wogegen die Aussagen des zweiten Zeugen etwas weniger detailliert eingestuft,
jedoch im Wesentlichen mit den Aussagen von R.________ übereinstimmen würden.
Damit komme dessen belastenden Aussagen zumindest ausschlaggebende Bedeutung
zu. Deshalb - und weil die ihm bei der Konfrontation zustehenden Rechte
verweigert worden seien - dürfe auf die Aussagen nicht abgestellt werden.
1.3
Der in Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK garantierte Anspruch des Angeschuldigten, den
Belastungszeugen Fragen zu stellen, ist ein besonderer Aspekt des Rechts auf
ein faires Verfahren nach Art. 6 Ziff. 1 EMRK. Entsprechend sind Beschwerden
wie die hier zu beurteilende unter dem Blickwinkel beider Bestimmungen zu
prüfen. Mit der Garantie von Art. 6 Ziff. 3 lit. d EMRK soll ausgeschlossen
werden, dass ein Strafurteil auf Aussagen von Zeugen abgestützt wird, ohne dass
dem Beschuldigten wenigstens einmal angemessene und hinreichende Gelegenheit
gegeben wurde, das Zeugnis in Zweifel zu ziehen und Fragen an den Zeugen zu
stellen. Dieser Anspruch wird als Konkretisierung des rechtlichen Gehörs (Art.
29 Abs. 2 BV) auch durch Art. 32 Abs. 2 BV gewährleistet. Ziel der genannten
Normen ist die Wahrung der Waffengleichheit und die Gewährung eines fairen
Verfahrens (BGE 131 I 476 E. 2.2 S. 480; 129 I 151 E. 3.1 S. 153 f. mit
ausführlichen Hinweisen). Damit die Verteidigungsrechte gewahrt sind, ist
erforderlich, dass die Gelegenheit der Befragung angemessen und ausreichend ist
und die Befragung tatsächlich wirksam ausgeübt werden kann. Der Beschuldigte
muss namentlich in der Lage sein, die Glaubhaftigkeit einer Aussage prüfen und
den Beweiswert in kontradiktorischer Weise auf die Probe und in Frage stellen
zu können (BGE 131 I 476 E. 2.2 S. 481; 129 I 151 E. 4.2 S. 157 mit Hinweisen).

1.4 Wie die Vorinstanz zu Recht festhält, war dem Beschwerdeführer vor der
Konfrontationseinvernahme mit dem Zeugen vom 4. Oktober 2006 bewusst, dass
dieser bereits einmal befragt worden war. Der Beschwerdeführer war am 23.
August 2006 polizeilich einvernommen worden, wobei klar zum Ausdruck kam, dass
die detaillierten Vorhalte auf den Aussagen der Anzeigeerstatter beruhten (Urk.
6). Unmittelbar vor der erwähnten Einvernahme des Zeugen R.________ durch die
Staatsanwaltschaft fand eine zweite Befragung des Beschwerdeführers statt, bei
welcher Gelegenheit ihm die wesentlichen, ihn belastenden Zeugenaussagen
einzeln vorgehalten wurden (Urk. 7). Bei der nachfolgenden Einvernahme gab der
Zeuge in Anwesenheit des Beschwerdeführers zu Protokoll, er halte an den
Aussagen fest, welche er anlässlich der Anzeige bei der Polizei gemacht habe
(Urk. 8). Wenn der Beschwerdeführer bei dieser Ausgangslage nicht noch
ausdrücklich gefragt wurde, ob er Einsicht in die früheren Befragungsprotokolle
verlange, so ist dies verfassungs- und konventionsrechtlich nicht zu
beanstanden. Davon, dass der Beschwerdeführer die Bedeutung der
Konfrontationseinvernahme verkannt hätte (vgl. dazu Donatsch/Lieber, in:
Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich
2006, N. 28 zu § 14), kann keine Rede sein. Es war ihm zweifellos bewusst, dass
sich eine allfällige Verurteilung im Wesentlichen auf die Darstellung durch die
beiden Anzeigeerstatter stützen würde, deren Aussagen er im Übrigen mehrfach
als unzutreffend bestritt.

2.
Die Beschwerde ist deshalb abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind
die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. April 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Binz