Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.19/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_19/2008 /hum

Urteil vom 18. März 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Mathys,
Gerichtsschreiber Willisegger.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Fingerhuth,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Vergewaltigung; Strafzumessung, bedingter Strafvollzug,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 21. September 2007.

Sachverhalt:
A.
Das Bezirksgericht Zürich sprach X.________ am 20. Oktober 2006 der
Vergewaltigung im Sinne von Art. 190 Abs. 1 StGB schuldig und verurteilte ihn
zu einer Zuchthausstrafe von vier Jahren unter Anrechnung von 22 Tagen
Untersuchungshaft.

Dagegen erhob X.________ Berufung, beschränkt auf die Frage der Strafzumessung
und jene des bedingten Strafvollzugs.
B.
Das Obergericht des Kantons Zürich stellte am 21. September 2007 fest, das
Urteil des Bezirksgerichts sei hinsichtlich des Schuldpunktes wegen
Vergewaltigung in Rechtskraft erwachsen, und bestrafte X.________ mit einer
Freiheitsstrafe von 3 1/2 Jahren unter Anrechnung von 22 Tagen
Untersuchungshaft.
C.
X.________ führt gegen das Urteil des Obergerichts vom 21. September 2007
Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei
aufzuheben und die Sache zu neuer Beurteilung und Entscheidung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.

Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.

Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.
Die Beschwerde richtet sich ausschliesslich gegen die Strafzumessung. Nach
Ansicht des Beschwerdeführers ist unklar, ob die an das Opfer geleistete
Zahlung von Fr. 10'000.-- strafmildernd oder strafmindernd veranschlagt werde.
Weiter wendet er sich gegen die Ausführungen zum Geständnis. Die Feststellung,
es sei erst zu einem späten Zeitpunkt erfolgt, sei willkürlich. Unklar bleibe,
weshalb das Geständnis ihm nur in geringem Masse zu Gute gehalten werde. Ferner
lasse die Vorinstanz völlig unberücksichtigt, dass die Verfahrensdauer zwischen
der erst- und zweitinstanzlichen Hauptverhandlung das Beschleunigungsgebot
verletze.

Der Beschwerdeführer beanstandet das Strafmass im Hinblick auf die Frage nach
dem bedingten Strafvollzug (Art. 42 StGB). Diese Bestimmung habe die Vorinstanz
verletzt. Sie hätte sich - wie unter altem Recht - mit der Frage auseinander
setzen müssen, ob angesichts der persönlichen Verhältnisse des Schuldigen der
vollständige Vollzug einer unbedingten Freiheitsstrafe nicht dem Zweck der
Verbrechensverhütung zuwiderlaufe.
2.
2.1 Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung und die an sie
gestellten Anforderungen wiederholt dargestellt. Darauf kann hier verwiesen
werden (vgl. nur BGE 134 IV 17 E. 2.1 S. 19 f.; 129 IV 6 E. 6.1 S. 20 f.; 127
IV 101 E. 2c S. 105, je mit Hinweisen).
2.2 Die Vorinstanz hat sich in ihren einlässlichen Erwägungen zur
Strafzumessung mit den wesentlichen schuldrelevanten Komponenten ausführlich
auseinandergesetzt. Dass sie sich von rechtlich nicht massgebenden Kriterien
hätte leiten lassen oder wesentliche Gesichtspunkte nicht berücksichtigte
hätte, ist nicht ersichtlich und wird in der Beschwerde auch nicht beanstandet.
Insoweit kann ohne weiteres auf die Ausführungen im angefochtenen Entscheid
verwiesen werden. Nachfolgend bleibt, auf die Vorbringen des Beschwerdeführers
im Einzelnen einzugehen.
2.3
2.3.1 Der Beschwerdeführer wendet ein, es bleibe unklar, ob die tätige Reue in
Form der geleisteten Zahlung an das Opfer strafmildernd oder strafmindernd
berücksichtigt werde.

Der Strafmilderungsgrund der tätigen Reue im Sinne von Art. 48 lit. d StGB
bewirkt, dass das Gericht an die angedrohte Mindeststrafe nicht gebunden ist
(Art. 48a Abs. 1 StGB). Die Vorinstanz führt aus, dass der Strafrahmen von
einem bis zehn Jahre Freiheitsstrafe wegen der tätigen Reue unterschritten
werden könnte (angefochtenes Urteil, Ziff. 1.4 S. 9). Mit der Ausfällung einer
Freiheitsstrafe von 3 1/2 Jahren hat sie den Strafrahmen offensichtlich nicht
unterschritten. Die Vorinstanz war denn auch nur gehalten, den
Strafmilderungsgrund zumindest strafmindernd zu berücksichtigen (BGE 121 IV 49
E. 1b S. 55; 116 IV 300 E. 2b/bb S. 303 mit Hinweisen), was sie getan hat. Im
Zusammenhang mit der subjektiven Tatschwere hält sie ausdrücklich und
unmissverständlich fest, dass die tätige Reue dem Beschwerdeführer
strafmindernd zu Gute zu halten sei (angefochtenes Urteil, Ziff. 1.5.2 k S.
15). Der Einwand in der Beschwerde ist verfehlt.
2.3.2 Der Beschwerdeführer kritisiert, die Ausführungen im angefochtenen
Entscheid zu seinem Geständnis seien willkürlich und verletzten materielles
Bundesrecht.

Nach den Feststellungen der Vorinstanz war der Beschwerdeführer während des
Grossteils der Untersuchung nicht geständig. Statt dessen behauptete er
anfänglich, er sei von seiner Nichte bzw. dem Opfer zum Beischlaf gezwungen
worden. Erst rund neun Monate nach der Tat legte der Beschwerdeführer ein
Geständnis in schriftlicher Form ab. Die Vorinstanz nimmt an, angesichts des
späten Zeitpunktes sei ihm das Geständnis nur in geringem Masse zu Gute zu
halten (angefochtenes Urteil, Ziff. 3.3 S. 17).

Die Feststellung zum Zeitpunkt des Geständnisses ist offensichtlich nicht
unhaltbar. Ebenso wenig ist ersichtlich, inwiefern die Vorinstanz unter den
dargelegten Umständen dem Geständnis nicht ausreichend Rechnung getragen hätte.
Eine Ermessensverletzung ist zu verneinen.
2.3.3 Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung des Beschleunigungsgebots, weil
zwischen der erst- und zweitinstanzlichen Hauptverhandlung annährend ein Jahr
verstrichen sei.

Dem angefochtenen Urteil sind folgende Verfahrensschritte zu entnehmen: Der
Beschwerdeführer erklärte am 26. Oktober 2006 Berufung. Am 3. Januar 2007
stellte er seine Anträge. Mit Präsidialverfügung vom 7. Februar 2007 wurde die
Berufungserklärung den Verfahrensbeteiligten zugestellt und ihnen Frist zur
Anschlussberufung und Nennung der Beanstandungen angesetzt. Am 11. April 2007
wurden die Akten an die Vorinstanz überwiesen. Mit Eingabe vom 30. April 2007
ersuchte der amtliche Verteidiger um Entlassung. Mit Präsidialverfügung vom 10.
Mai 2007 wurde dem Beschwerdeführer Frist angesetzt zur Stellung von
Beweisanträgen sowie zur Bekanntgabe eines neuen amtlichen Verteidigers. Dieser
wurde am 8. Juni 2007 bestellt. Am 21. September 2007 fand die Hauptverhandlung
vor Obergericht statt (angefochtenes Urteil, S. 3 ff.). Bei dieser Sachlage
kann von einer Verletzung des Beschleunigungsgebots keine Rede sein. Die Rüge
geht fehl.
3.
3.1 Nach der Praxis des Bundesgerichts zum alten Recht war die Grenze von 18
Monaten für die Gewährung des bedingten Strafvollzugs (Art. 41 Ziff. 1 Abs. 1
aStGB) bei der Strafzumessung mit zu berücksichtigen, wenn eine Freiheitsstrafe
von nicht erheblich längerer Dauer (bis zu 21 Monaten) in Betracht fiel und die
Voraussetzungen des bedingten Vollzugs im Übrigen erfüllt waren (BGE 127 IV 97
E. 3 S. 101; 118 IV 337 E. 2c S. 339 ff.). Der Richter hatte sich mit der Frage
auseinander zu setzen, ob angesichts der persönlichen Verhältnisse des
Schuldigen der Vollzug einer Freiheitsstrafe nicht dem Zweck der
Verbrechensverhütung zuwiderlaufe. Nach Auffassung des Beschwerdeführers ist
diese Rechtsprechung unter neuem Recht fortzuführen und zu erweitern, weil die
Grenze, wo zumindest noch ein teilbedingter Strafvollzug zur Diskussion
gestellt werden müsse, nicht bereits bei 3 1/2 Jahren ende.
3.2 Die dargelegte bundesgerichtliche Praxis kann nicht ins neue Recht
übernommen werden, was in einem unlängst ergangenen Entscheid klargestellt wird
(BGE 134 IV 17 E. 3.6). Durch das neue, flexiblere Sanktionensystem verliert
der Grenzwert für den bedingten Strafvollzug zum Teil seine einschneidende
Bedeutung, welche der früheren Praxis bei Strafen von nicht erheblich mehr als
18 Monaten zu Grunde lag. Freiheitsstrafen, die zwei Jahre übersteigen, müssen
zum Schuldausgleich teilweise vollstreckt werden, selbst wenn ihr vollständiger
Aufschub unter spezialpräventiven Gesichtspunkten vorzuziehen wäre. Bei
Freiheitsstrafen von mehr als drei Jahren kommt nur der vollständige Vollzug in
Frage. Auch die relativ flexible Regelung im neuen Sanktionensystem sieht
notwendigerweise objektive und starre Grenzen vor. Der Gesetzgeber hat diese
neu festgesetzt in der offenkundigen Meinung, dass damit der Bereich des
Vorranges spezialpräventiver Gesichtspunkte klar umschrieben wird (BGE, a.a.O.,
E. 3.3).

Damit wird nicht ausgeschlossen, dass folgenorientierte Überlegungen in die
Strafzumessung einfliessen, bei welcher dem Richter ein weites Ermessen
zusteht. Namentlich verlangt Art. 47 Abs. 1 StGB, bei der Festlegung der Strafe
deren Wirkung auf das Leben des Täters zu berücksichtigen. Ob und wie weit
dieser Strafminderungsgrund zum Tragen kommt, hängt von den konkreten Umständen
ab und ist an sich unabhängig von der Höhe der Strafe. Erforderlich ist eine
Strafzumessung, die alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, wobei der
Richter sein pflichtgemässes Ermessen auszuüben und gleichzeitig die klaren
gesetzlichen Schranken zu beachten hat. Mit der Festlegung einer Obergrenze hat
der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass der Täter, gegen welchen eine Strafe
jenseits dieses Grenzbereichs auszusprechen ist, die nachteiligen Auswirkungen
des Strafvollzugs auf sich zu nehmen hat (zum Ganzen BGE, a.a.O., E. 3.4 -
3.5).
3.3 Die Vorinstanz erkennt nach einlässlicher Strafzumessung auf eine
Freiheitsstrafe von 3 1/2 Jahren, welche die gesetzliche Obergrenze für den
teilbedingten Strafvollzug mithin um sechs Monate übersteigt (Art. 43 Abs. 1
StGB). Dabei hat sie den Gesichtspunkt der Strafempfindlichkeit sowie die
Auswirkungen des Vollzugs einer längeren Freiheitsstrafe auf das Leben des
Beschwerdeführers ausdrücklich geprüft (angefochtenes Urteil, Ziff. 1.5.2 n S.
16 und Ziff. 3.4 S. 18). Sie kommt unter dem Titel "Strafe/Strafvollzug" zum
Schluss, dass unter Würdigung aller Umstände keine Veranlassung bestehe, an der
Freiheitsstrafe von 3 1/2 Jahren eine Korrektur vorzunehmen (angefochtenes
Urteil, Ziff. 4 S. 18). Damit bringt sie zum Ausdruck und begründet, weshalb
sie eine Freiheitsstrafe im Grenzbereich zum teilbedingten Strafvollzug
ausschliesst bzw. eine solche für nicht mehr angemessen hält. Die Erwägungen
der Vorinstanz sind ohne weiteres nachvollziehbar und das ihr zustehende
Ermessen hat sie nicht überschritten. Eine Rechtsverletzung liegt nicht vor.
4.
Die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen. Entsprechend dem
Verfahrensausgang sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen
(Art. 66 Abs. 1 BGG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 18. März 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Willisegger