Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.148/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_148/2008 /hum

Urteil vom 17. Juni 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Zünd,
Gerichtsschreiber Boog.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Martin Schnyder,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Grobe Verletzung von Verkehrsregeln,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, vom 6. November 2007.

Sachverhalt:

A.
Die Einzelrichterin in Strafsachen des Bezirkes Affoltern erklärte X.________
mit Urteil vom 6. Februar 2007 der groben Verletzung der Verkehrsregeln im
Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 34 Abs. 2 SVG sowie der groben
Verletzung von Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 35
Abs. 2 SVG schuldig und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 105 Tagessätzen
zu Fr. 90.-- sowie zu einer Busse von Fr. 4'000.--. Von der Anklage der
einfachen Verletzung der Verkehrsregeln im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG i.V.m.
Art. 27 Abs. 1, 34 Abs. 4 SVG und Art. 5 Abs. 1 VRV sprach sie ihn frei. Den
Vollzug der Geldstrafe schob sie bei einer Probezeit von vier Jahren bedingt
auf. Für den Fall der schuldhaften Nichtbezahlung der Busse setzte sie eine
Ersatzfreiheitsstrafe von 45 Tagen fest.

Auf Berufung des Beurteilten und Anschlussberufung der Staatsanwaltschaft
bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich mit Urteil vom 6. November 2007
das erstinstanzliche Urteil im Schuldpunkt. Es verurteilte X.________ zu einer
Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu Fr. 100.--. Die Geldstrafe erklärte es im
Umfang von 75 Tagessätzen innert der von der Vollzugsbehörde anzusetzenden
Frist als vollstreckbar. Den Vollzug der restlichen Geldstrafe von 75
Tagessätzen schob es unter Ansetzung einer Probezeit von 4 Jahren bedingt auf.
Ferner erteilte es X.________ die Weisung, am Lernprogramm "Start" des
Justizvollzuges teilzunehmen.

B.
X.________ führt Beschwerde an das Bundesgericht, mit der er beantragt, der
angefochtene Entscheid sei aufzuheben, und er sei vom Vorwurf der groben
Verletzung von Verkehrsregeln freizusprechen.

C.
Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen von einer letzten kantonalen Instanz
(Art. 80 Abs. 1 BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 BGG) in Strafsachen (Art.
78 Abs. 1 BGG). Sie ist von der beschuldigten Person (Art. 81 Abs. 1 lit. b
Ziff. 1 BGG) unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG)
erhoben und hinreichend begründet worden (Art. 42 Abs. 1 und Abs. 2 BGG).

Die Beschwerde an das Bundesgericht kann wegen Rechtsverletzungen im Sinne der
Art. 95 und 96 BGG geführt werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes
wegen an (Art. 106 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des Sachverhalts durch die
Vorinstanz kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig, d.h.
willkürlich im Sinne von Art. 9 BV (BGE 133 II 249 E. 1.2.2), ist oder wenn sie
auf einer Verletzung von schweizerischem Recht im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Rüge der offensichtlich unrichtigen Feststellung des
Sachverhalts prüft das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur insoweit,
als sie in der Beschwerde explizit vorgebracht und substantiiert begründet
worden ist.

2.
Dem Beschwerdeführer wird vorgeworfen, er habe am 1. Februar 2006 zwischen
07.30 Uhr und 07.35 Uhr auf der Reppischtalstrasse in Gamlikon/ZH das Fahrzeug
von A.________ in der auf die Tankstelle Tamoil Service Station folgenden
Rechtskurve überholt, indem er die Sicherheitslinie überquerte und obwohl er
die für den Überholvorgang nötige Strecke nicht überblicken konnte. Zirka 1,5
Kilometer weiter Richtung Aeugstertal, auf der Höhe Aumühle, vor der Abzweigung
Buchenegg, habe er in einer unübersichtlichen Rechtskurve erneut zu einem
Überholmanöver angesetzt und dabei zu spät bemerkt, dass ihm auf der
Gegenfahrbahn ein Auto entgegenkam. Der Beschwerdeführer habe vor der
Verkehrsinsel über die Sperrfläche und die Einspurstrecke wieder auf die rechte
Fahrbahn einschwenken müssen. Der Lenker des entgegenkommenden Fahrzeuges sei
ebenfalls ausgewichen und am Strassenrand in den Schnee hinausgefahren, um eine
Frontalkollision zu vermeiden (angefochtenes Urteil S. 4; Anklageschrift S. 2).

3.
3.1 Der Beschwerdeführer macht geltend, bei der polizeilichen Beweiserhebung
sei die Aufnahme wesentlicher objektiver Beweise zur Absicherung der
Zeugenaussage unterblieben (Beschwerde S. 11). Auf den von der Polizei vom Ort
des Geschehens angefertigten Fotografien seien keine Spuren im Schnee erkennbar
und es sei bei dem angeblichen Ausweichmanöver des entgegenkommenden Fahrzeugs
auch kein einziger Leitpfosten umgefahren worden. Die belastenden Aussagen der
Zeugin würden durch die Fotos somit nicht bekräftigt (Beschwerde S. 2, 5). Die
Strafverfolgungsbehörden hätten es auch unterlassen, die Reifeneindruckspuren
im Schnee auf dem Fahrradweg bzw. in der Wiese und auf der Sperrfläche zu
sichern (Beschwerde S. 6 f.). Damit sei ein möglicher Entlastungsbeweis nicht
beigebracht worden, so dass für ihn ein eigentlicher Beweisnotstand entstanden
sei. Es müsse daher zu seinen Gunsten angenommen werden, dass die rechtzeitige
Beweisabnahme eine Bestätigung der Entlastungsbehauptung gebracht hätte
(Beschwerde S. 5, 7, 10). Indem die Behörden schliesslich den Zeugenaufruf nur
in der Lokalpresse publiziert hätten, sei er um die Möglichkeit gebracht
worden, den angeblich durch sein Fahrmanöver gefährdeten Verkehrsteilnehmer
gegebenenfalls als Entlastungszeugen zu beantragen (Beschwerde S. 8 f.).
Aufgrund des Beweismangels, der zwingend zur Bestätigung der
Entlastungsbehauptung führen müsse, könne auf die Aussagen der Zeugin somit
nicht abgestellt werden (Beschwerde S. 9 f.).

3.2 Die Vorinstanz nimmt an, auf den von der Polizei spätestens am 6. Februar
2006 vom Ort des Vorfalls angefertigten Fotos seien die Sperrfläche und der
Schneestreifen zwischen Strasse und Radweg nur andeutungsweise erkennbar. Die
Fotografien vermittelten lediglich einen Gesamtüberblick über die Örtlichkeit
und seien zur Analyse von Detailspuren im Bereich des Bildhintergrunds
offensichtlich nicht geeignet. Selbst wenn sich Fahrzeugspuren ausmachen
liessen, könnte nicht abschliessend festgestellt werden, dass diese vom
fraglichen Ausweichmanöver stammten, zumal zu Fahrzeug und Bereifung jegliche
Anhaltspunkte fehlten, die Reppischtalstrasse eine rege befahrene Strasse sei
und mangels Schneefalls in den ersten Februartagen 2006 das Alter einer
allfälligen Spur schwerlich zu klären wäre (angefochtenes Urteil S. 7 f.).

Im Rahmen der Beweiswürdigung gelangt die Vorinstanz zum Schluss, die Aussagen
der Belastungszeugin seien glaubhaft und nachvollziehbar, so dass auf sie
abzustellen sei (angefochtenes Urteil S. 11 ff.). Demgegenüber qualifiziert die
Vorinstanz die Aussagen des Beschwerdeführers zur Sache grösstenteils als
ausweichend, widersprüchlich oder realitätsfern. Seine zahlreichen Beteuerungen
und Verharmlosungen vermöchten die überzeugenden Schilderungen der
Belastungszeugin nicht zu entkräften. Insgesamt erachtet die Vorinstanz das dem
Beschwerdeführer vorgeworfene Überholmanöver als mit rechtsgenügender
Sicherheit nachgewiesen (angefochtenes Urteil S. 15 f.).

4.
4.1 Die Beschwerde richtet sich gegen den Schuldspruch der groben
Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 35 Abs. 2
SVG in Bezug auf das zweite Überholmanöver, bei welchem der entgegenkommende
Fahrzeuglenker über den Strassenrand hinaus ausweichen musste, um eine
Frontalkollision zu vermeiden. Hinsichtlich des Schuldspruchs der groben
Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 2 SVG i.V.m. Art. 34 Abs. 2
SVG, dem ersten Überholmanöver mit Überquerung der Sicherheitslinie, ficht er
das vorinstanzliche Urteil nicht an.

4.2 Der Schluss der Vorinstanz, am Wahrheitsgehalt der von der Zeugin gemachten
Aussagen bestünden keine begründeten Zweifel, ist mit sachlichen Gründen
haltbar. Wie die Vorinstanz zutreffend erwägt, zeichnen sich die Bekundungen
durch innere Geschlossenheit und Folgerichtigkeit in der Darstellung der
Geschehensabläufe aus. Sie erkennt zu Recht, dass die Zeugin das Erlebte
konkret, detailliert, in sich stimmig und gleichbleibend geschildert hat und
dass ihre örtlich-geografische Darstellung mit der Basiskarte und den Fotos
übereinstimmt. Die vorhandenen geringfügigen Differenzen in den einzelnen
Formulierungen der verschiedenen Einvernahmen erachtet die Vorinstanz zu Recht
als unschädlich (angefochtenes Urteil S. 13 f.). Der Beschwerdeführer wendet
sich denn auch gar nicht ausdrücklich gegen die Würdigung dieser Aussagen,
sondern dagegen, dass die Belastungen durch die Anzeigestellerin nicht durch
weitere Erhebungen bestätigt worden sind. Entgegen der Auffassung des
Beschwerdeführers lässt sich der Schuldspruch indes ohne weiteres auf die
Aussagen der Belastungszeugin abstützen und bedarf er keiner weiteren
Bekräftigung durch zusätzliche Beweise. Schon von daher hat kein Anlass für
eine Sicherung von allfällig noch sichtbaren Reifenabdruckspuren im Schnee
bestanden. Solche Pneuspuren hätten sich überdies, wie die Vorinstanz
zutreffend annimmt, angesichts des Umstands, dass die Reppischtalstrasse eine
rege befahrene Strasse ist, ohnehin nur schwer zuordnen lassen. Der Verzicht
auf nähere Abklärungen in dieser Richtung und die Beschränkung des
Zeugenaufrufs auf die Lokalpresse kann jedenfalls nicht dazu führen, dass die
klaren Aussagen der Zeugin in ihrem Überzeugungswert entkräftet würden. Etwas
anderes ergibt sich auch nicht aus der Bestimmung von § 31 StPO/ZH, nach
welcher der Untersuchungsbeamte den belastenden und entlastenden Tatsachen mit
gleicher Sorgfalt nachforschen soll, auf welche sich der Beschwerdeführer
sinngemäss beruft (vgl. Niklaus Schmid, in: Donatsch/Schmid [Hrsg.], Kommentar
zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich 1996 ff., §. 31 N 6 f.). Aus
dem Fehlen dieser zusätzlichen Beweise erwachsen auch keine erheblichen und
nicht zu unterdrückenden Zweifel zugunsten des Beschwerdeführers, die in
Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo" zu einem Freispruch hätten führen
müssen. Jedenfalls ist die Auffassung der Vorinstanz nicht schlechterdings
unhaltbar.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, soweit sie sich nicht in
einer unzulässigen appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil erschöpft.

5.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten
werden kann. Bei diesem Ausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten des
bundesgerichtlichen Verfahrens (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 17. Juni 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Boog