Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.132/2008
Zurück zum Index Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008
Retour à l'indice Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 2008


Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_132/2008/bri

Urteil vom 13. Mai 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Ferrari,
Gerichtsschreiber Stohner.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Philipp Studer,

gegen

Generalprokurator des Kantons Bern, Hochschulstrasse 17, 3012 Bern,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Hinderung einer Amtshandlung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Bern, 2. Strafkammer,
vom 20. November 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Bern befand X.________ am 20. November 2007
zweitinstanzlich der Hinderung einer Amtshandlung schuldig und verurteilte sie
zu einer Busse von Fr. 300.--, bedingt löschbar im Strafregister nach Ablauf
einer Probezeit von einem Jahr.

B.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen namentlich mit den Anträgen, das
Urteil des Obergerichts des Kantons Bern vom 20. November 2007 sei aufzuheben,
und sie sei freizusprechen.

Erwägungen:

1.
1.1 Auf die Beschwerde ist einzutreten, da sie unter Einhaltung der
gesetzlichen Frist (Art. 100 Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) von der in
ihren Anträgen unterliegenden beschuldigten Person (Art. 81 Abs. 1 lit. b Ziff.
1 BGG) eingereicht wurde und sich gegen einen von einer letzten kantonalen
Instanz (Art. 80 BGG) gefällten Endentscheid (Art. 90 und 95 BGG) in
Strafsachen (Art. 78 Abs. 1 BGG) richtet.

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG; vgl. auch Art. 97 Abs. 1 BGG). Die Wendung
"offensichtlich unrichtig" entspricht dem Willkürbegriff im Sinne von Art. 9 BV
(Botschaft des Bundesrates vom 28. Februar 2001 zur Totalrevision der
Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4338). Die Rüge der offensichtlich unrichtigen
Feststellung des Sachverhalts, mithin der Verletzung des Willkürverbots, prüft
das Bundesgericht gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nur insoweit, als sie in der
Beschwerde explizit vorgebracht und substantiiert begründet worden ist.

1.3 Gemäss Art. 2 StGB mit der Marginalie "Zeitlicher Geltungsbereich" wird
nach diesem Gesetz beurteilt, wer nach dessen Inkrafttreten ein Verbrechen oder
Vergehen begeht (Abs. 1). Hat der Täter ein Verbrechen oder Vergehen vor
Inkraftreten dieses Gesetzes begangen, erfolgt die Beurteilung aber erst
nachher, so ist dieses Gesetz anzuwenden, wenn es für ihn das mildere ist (Abs.
2).

Die Vorinstanz hat erwogen, vorliegend sei das neue Recht nicht milder, da die
Kombination einer bedingten Geldstrafe mit einer (unbedingten) Busse nach Art.
42 Abs. 4 StGB gesamthaft betrachtet nicht zu einer geringeren Einschränkung
führen würde als die erstinstanzlich gestützt auf Art. 48 und Art. 49 Ziff. 4
StGB a.F. ausgefällte Busse von Fr. 300.-- (angefochtenes Urteil S. 9). Diese
Auffassung ist zutreffend und wird von der Beschwerdeführerin auch nicht
bestritten. Anwendung findet somit bisheriges Recht.

2.
2.1 Die Vorinstanz geht von folgendem Sachverhalt aus (angefochtenes Urteil S.
4 f.):

Am Samstag, den 29. Oktober 2006, nach 17 Uhr rief A.________ die Polizei. Er
berichtete, seine Familie werde in der gemeinsamen Eigentumswohnung an der
C.________strasse 36 in Bern von B.________ belästigt. Die beiden ausgerückten
Polizisten konnten B.________ anhalten, als dieser im Begriff war, das genannte
Haus zu verlassen. Sie begannen, ihn im Hauseingang einer Personenkontrolle zu
unterziehen. A.________ gesellte sich hinzu, und es entwickelte sich zwischen
den Beteiligten ein lautes Gespräch. Dies veranlasste die Beschwerdeführerin,
aus ihrer Eigentumswohnung im Hochparterre zu treten, um sich zu erkundigen,
was los sei. Die Polizisten gingen davon aus, dass die Beschwerdeführerin zur
Bereinigung der Angelegenheit nichts beitragen konnte, und forderten sie
deshalb auf, wieder in ihre Wohnung zurückzugehen, was diese jedoch mit dem
Hinweis auf ihr Stockwerkeigentum und auf ihren Anspruch auf Ruhe im Haus
verweigerte. Es kam zu einer emotional geführten Diskussion zwischen einem der
Polizisten und der Beschwerdeführerin. Nun trat auch deren Sohn hinzu und
mischte sich in die Auseinandersetzung ein. Der (erneuten) Aufforderung der
beiden Polizisten, in ihre Wohnung zurückzutreten, leisteten die
Beschwerdeführerin und ihr Sohn weiterhin keine Folge. Da die
Beschwerdeführerin die Aufmerksamkeit der beiden Polizisten fast vollständig
auf sich zog, sahen sich diese nicht in der Lage, die Personenkontrolle von
B.________ zu Ende zu führen, und forderten Verstärkung an. Nach deren
Eintreffen zogen sich die Beschwerdeführerin und ihr Sohn schliesslich in die
Wohnung zurück.

2.2 Die Beschwerdeführerin rügt diese Sachverhaltsfeststellung als
offensichtlich unrichtig, da sie auf einer willkürlichen Beweiswürdigung
beruhe.

Die einzelnen Vorbringen erschöpfen sich jedoch in einer unzulässigen
appellatorischen Kritik am angefochtenen Urteil, wiederholt die
Beschwerdeführerin doch in ihrer Beschwerdeschrift über weite Strecken einzig
ihre bereits im kantonalen Verfahren erhobenen Tatsachenbehauptungen und stellt
damit der Würdigung der Vorinstanz lediglich ihre eigene Sicht der Dinge
gegenüber, ohne zu erörtern, inwiefern der Entscheid (auch) im Ergebnis
verfassungswidrig sein sollte. Dies betrifft namentlich ihre Behauptungen, sie
habe sich nicht im Eingangsbereich des Treppenhauses, sondern bei ihrer Wohnung
befunden, und die Personenkontrolle sei ruhig verlaufen (Beschwerde S. 4; S. 6
- 9). Ihre Rügen genügen mithin den Begründungsanforderungen gemäss Art. 106
Abs. 2 BGG nicht, so dass auf die Beschwerde insoweit nicht eingetreten werden
kann.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin wirft der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 286
StGB a.F. vor. Sie macht geltend, vom Begriff der Amtshandlung würden unnötige
Begleithandlungen nicht erfasst. Vorliegend sei die Amtshandlung, d.h. die
Personenkontrolle von B.________, bereits beendet gewesen, als sie aus ihrer
Wohnung getreten sei, weshalb sie diese Handlung auch nicht mehr habe stören
können. Es sei einzig noch darum gegangen, dass B.________ Frau A.________ ein
Video habe überbringen wollen. Allfällige Kurier- oder Botendienste der Polizei
aber fielen nicht in den Schutzbereich von Art. 286 StGB a.F. Im Übrigen sei
die blosse Nichtbefolgung einer Anordnung - vorliegend der Anweisung, in die
Wohnung zurückzugehen - ohnehin nicht strafbar.

Zudem sei sie der Auffassung gewesen, als Stockwerkeigentümerin gegenüber den
beiden Beamten weisungsberechtigt zu sein. Sie sei deshalb davon ausgegangen,
die beiden Polizisten hielten sich ohne ihre Einwilligung unberechtigterweise
im Gebäude auf und handelten rechtswidrig, zumal die Amtshandlung, wie
dargelegt, mit dem Abschluss der Personenkontrolle bereits beendet gewesen sei.
Sie sei mithin einem Sachverhaltsirrtum unterlegen, weshalb ihr kein
vorsätzliches Handeln angelastet werden könne (Beschwerde S. 10 f.).

3.2 Die Vorinstanz hat demgegenüber erwogen, gemäss Art. 3 des Benutzungs- und
Verwaltungsreglements der Stockwerkeigentümergemeinschaft C.________strasse 36
würden der Hauseingang und das Treppenhaus sowie die Treppenpodeste als
gemeinschaftliche Teile gelten (angefochtenes Urteil S. 7 mit Hinweis auf die
vorinstanzlichen Akten act. 48). Die Polizisten seien von A.________ explizit
herbeigerufen worden und hätten sich folglich mit dessen Einwilligung im
gemeinschaftlichen Treppenhaus aufgehalten. Schliesslich habe es die
Beschwerdeführerin durch ihre verbale Einmischung den beiden Beamten
verunmöglicht, die Amtshandlung zu Ende zu führen (angefochtenes Urteil S. 7
f.).

3.3 Gemäss Art. 286 StGB a.F. wird mit Gefängnis bis zu einem Monat oder mit
Busse bestraft, wer eine Behörde, ein Mitglied einer Behörde oder einen Beamten
an einer Handlung hindert, die innerhalb ihrer Amtsbefugnisse liegt.

Amtshandlung ist jede Betätigung in der Funktion als Beamter. Innerhalb der
Amtsbefugnisse liegt die Handlung, wenn der Beamte dafür zuständig ist (Stefan
Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Kurzkommentar, 2. Aufl., 1997, vor
Art. 285 N. 5 ff.). Der Schutz erstreckt sich auf alle Teilakte der
Amtstätigkeit, auch auf Vorbereitungs- und Begleithandlungen (Günter
Stratenwerth, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil II, 5. Aufl., 2000, §
50 N. 5). Bei Begleithandlungen ist entscheidend, dass diese amtlichen
Charakter haben, d.h. in Zusammenhang mit der Erfüllung einer
öffentlichrechtlichen Funktion stehen, was der Fall ist, wenn die Handlung für
die Amtsausübung notwendig ist (Stefan Heimgartner, Basler Kommentar,
Strafgesetzbuch II, 2. Aufl., 2007, vor Art. 285 N. 9).

Der Tatbestand der Hinderung einer Amtshandlung ist ein Erfolgsdelikt. Dabei
ist nicht erforderlich, dass der Täter die Handlung einer Amtsperson überhaupt
verunmöglicht; es genügt, dass er deren Ausführung erschwert, verzögert oder
behindert (BGE 127 IV 115 E. 2; 124 IV 127 E. 3c). Art. 286 StGB a.F. wird vor
allem den passiven Widerstand betreffen, wobei der blosse Ungehorsam gegenüber
einer Amtshandlung nicht genügt. Völlige Passivität, zum Beispiel in Form der
blossen Nichtbefolgung einer Verhaltensanweisung, ist demzufolge nicht strafbar
(Trechsel, a.a.O., Art. 286 N. 2 f.). Der passive Widerstand muss vielmehr dazu
führen, dass die Amtshandlung nicht reibungslos durchgeführt werden kann. Dies
setzt somit auch beim passiven Widerstand ein aktives Störverhalten mit einer
gewissen Intensität voraus (Heimgartner, a.a.O., Art. 286 N. 8 ff.).

Der subjektive Tatbestand verlangt Vorsatz, wobei Eventualvorsatz genügt. Der
Vorsatz muss sich auch auf die Amtshandlung beziehen, d.h. der Täter muss um
das mögliche Vorliegen einer Amtshandlung, die nicht nichtig ist, wissen. Ein
diesbezüglicher Irrtum ist als Sachverhaltsirrtum gemäss Art. 19 StGB a.F. zu
beurteilen. Ist der Täter der irrigen Meinung, die Amtshandlung sei nichtig,
ist sein Verhalten demnach mangels Vorliegen des subjektiven Tatbestands als
nicht tatbestandsmässig zu qualifizieren (Heimgartner, a.a.O., Art. 286 N. 15;
BGE 116 IV 155). Der Vorsatz wird somit einzig durch die Annahme der völligen
Unbeachtlichkeit des gehinderten Amtsakts berührt, was in der Praxis selten
sein wird (Stratenwerth, a.a.O., § 50 N. 13).

3.4 Die Polizei wurde von A.________ benachrichtigt, weil seine Familie
(angeblich) von B.________ belästigt wurde. Das Eingreifen der beiden
Polizisten lag innerhalb ihrer Amtsbefugnisse. Zum Zeitpunkt als die
Beschwerdeführerin aus ihrer Wohnung trat, war die Angelegenheit zwischen
A.________ und B.________ noch nicht bereinigt. Es bedurfte somit weiterhin der
polizeilichen Vermittlung zur Beilegung der Streitigkeit. Diese Tätigkeit ist
entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin als Amtshandlung zu
qualifizieren.

Die Vorinstanz ist in tatsächlicher Hinsicht willkürfrei davon ausgegangen,
dass die verbale Einmischung der Beschwerdeführerin vorliegend eine solche
Intensität erreicht habe, dass die beiden Polizisten ihren Auftrag nicht mehr
ungestört zu Ende führen konnten und daher zur Gewährleistung der eigenen
Sicherheit Verstärkung anfordern mussten. Der objektive Tatbestand des Hinderns
einer Amtshandlung ist folglich erfüllt.

Zu bejahen ist auch der subjektive Tatbestand. Selbst wenn die
Beschwerdeführerin geglaubt haben sollte, die beiden Polizisten hielten sich
unberechtigterweise im Gebäude auf und handelten rechtswidrig, so genügt dies
zur Annahme eines den Vorsatz ausschliessenden Sachverhaltsirrtums nicht. Ein
solcher läge nach dem Gesagten einzig vor, wenn die Beschwerdeführerin von der
völligen Unbeachtlichkeit des gehinderten Amtsakts ausgegangen wäre. Dies ist
nicht der Fall und wird von ihr auch nicht behauptet.

4.
Die Beschwerde ist folglich vollumfänglich abzuweisen, soweit darauf
eingetreten werden kann. Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die
bundesgerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern, 2.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 13. Mai 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Schneider Stohner