Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.130/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_130/2008 /hum

Urteil vom 23. Mai 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Ferrari, Zünd,
Gerichtsschreiberin Arquint Hill.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Robert Frauchiger,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus, 5001 Aarau,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafzumessung (mehrfache einfache Körperverletzung usw.),

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, vom 10. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
Das Obergericht des Kantons Aargau sprach X.________ am 10. Dezember 2007 im
Berufungsverfahren der mehrfachen einfachen Körperverletzung (mit einem
gefährlichen Gegenstand) gemäss Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 aStGB, des Raufhandels
gemäss Art. 133 aStGB, der versuchten Nötigung gemäss Art. 181 i.V.m. Art. 22
aStGB, des Hausfriedensbruchs gemäss Art. 186 aStGB, des Landfriedensbruchs
gemäss Art. 260 Abs. 1 aStGB, der Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte
gemäss Art. 285 Ziff. 2 Abs. 2 aStGB, der Widerhandlungen gegen das
Betäubungsmittelgesetz gemäss Art. 19 Ziff. 1 und 19a BetmG und gegen das
Waffengesetz gemäss Art. 33 Abs. 1 lit. a und 34 Abs. 1 lit. d WG schuldig. Das
Strafverfahren in Bezug auf die einfache Körperverletzung mit einem
gefährlichen Gegenstand zum Nachteil von A.________ im Sinne von Art. 123 Ziff.
2 Abs. 1 aStGB stellte es ein. Es verurteilte X.________ zu einer unbedingten
Gefängnisstrafe von 18 Monaten, teilweise als Zusatzstrafe zum Urteil des
Bezirksgerichts Zürich vom 17. Mai 2006. Die Verfahrenskosten in der Höhe von
Fr. 2'218.-- auferlegte es zur Hälfte dem Angeklagten.

B.
X.________ erhebt Beschwerde in Strafsachen mit den Anträgen, das angefochtene
Urteil sei aufzuheben und er sei mit einer Freiheitsstrafe von 12 Monaten
unbedingt sowie mit einer Busse von Fr. 300.-- bzw. einer Ersatzfreiheitsstrafe
von 3 Tagen zu bestrafen, dies als teilweise Zusatzstrafe zum Urteil des
Bezirksgerichts Zürich vom 17. Mai 2006. Die vorinstanzlichen Verfahrenskosten
von Fr. 2'218.-- seien ihm zu einem Viertel aufzuerlegen.

C.
Vernehmlassungen wurden nicht eingeholt.

Erwägungen:

1.
Der Beschwerdeführer wendet sich ausschliesslich gegen die Strafzumessung. Die
Schuldsprüche wurden nicht angefochten.

2.
2.1 Die Vorinstanz gelangt im zu beurteilenden Fall zum Schluss, das neue Recht
sei nicht milder als das alte, weshalb die Strafe nach Art. 63 ff. aStGB
zuzumessen sei. Der Beschwerdeführer hält diese Auffassung für
bundesrechtswidrig. Er macht im Wesentlichen geltend, er sei unter anderem
wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte und Behörden gemäss Art. 285 Ziff. 2 Abs.
2 StGB verurteilt worden. Unter altem Recht habe es sich dabei um ein
Verbrechen gehandelt, unter neuem Recht sei es nur noch ein Vergehen (Art. 10
Abs. 3 StGB). Insofern erweise sich das neue Recht im Vergleich zum alten als
das mildere. Da das neue Sanktionensystem bei Strafen bis zu einem Jahr
überdies die Ausfällung einer Geldstrafe anstelle einer Freiheitsstrafe zulasse
und den Vollzug der Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr in Form der
Halbgefangenschaft gestatte, hätte die Strafe in Anwendung der für ihn milderen
Bestimmungen des neuen Rechts gemäss Art. 47 ff. StGB zugemessen werden müssen.

2.2 Die Bestimmungen des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches sind durch das
Bundesgesetz vom 13. Dezember 2002 teilweise revidiert worden. Das neue Recht
ist am 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Der Beschwerdeführer hat die ihm zur
Last gelegten strafbaren Handlungen vor dem 1. Januar 2007 verübt. Das
angefochtene Urteil ist nach diesem Zeitpunkt ergangen. Gemäss Art. 2 Abs. 2
StGB gelangt bei dieser Konstellation das neue Recht zur Anwendung, wenn es das
mildere ist. Ob das neue Recht im Vergleich zum alten milder ist, beurteilt
sich nicht aufgrund eines abstrakten Vergleichs. Massgebend ist vielmehr die
konkrete Betrachtungsweise. Das Gericht hat die Tat so-wohl nach altem als auch
nach neuem Recht (hypothetisch) zu prüfen und durch Vergleich der Ergebnisse
festzustellen, nach welchem der beiden Rechte der Täter besser wegkommt (BGE
134 IV 82 E. 6.2.1 mit Hinweisen auf die Rechtsprechung und die Literatur).

2.3 Diese Grundsätze wendet die Vorinstanz vorliegend an. Sie zeigt in
Anwendung der massgeblichen Strafzumessungsgrundsätze auf, zu welchen konkreten
Ergebnissen sie im zu beurteilenden Fall bei der Strafzumessung einerseits nach
dem alten Recht und andererseits nach dem neuen Recht gelangt. Unter Verweis
auf die Erwägungen der ersten Instanz hält sie zusammenfassend fest, dass der
Beschwerdeführer auch bei Anwendung des neuen Rechts mit 18 Monaten
Freiheitsstrafe bestraft worden wäre, wobei der ihm vorgeworfene
Betäubungsmittelkonsum im Sinne von Art. 19a BetmG und die Widerhandlung gegen
das Waffengesetz gemäss Art. 34 Abs. 1 lit. d WG, beides Übertretungen, nach
neuem Recht zwingend zur Ausfällung einer zusätzlichen Busse geführt hätten,
wohingegen diese Taten nach altem Recht in der ausgefällten Freiheitsstrafe
aufgingen, ohne dabei faktisch straferhöhend ins Gewicht zu fallen. Da dem
Beschwerdeführer insbesondere aufgrund seiner zahlreichen Vorstrafen und seiner
Unbelehrbarkeit überdies eine ungünstige Prognose gestellt werden müsse,
entfalle auch die Möglichkeit eines bedingten bzw. teilbedingten Vollzugs im
Sinne von Art. 42 und 43 StGB. Das neue Recht sei demnach nicht das mildere,
weswegen das alte Recht anzuwenden sei (vgl. angefochtenen Entscheid, S. 18 und
23, erstinstanzliches Urteil, S. 30 f.). Diese Einschätzung ist nicht zu
beanstanden. Dass und inwiefern die Vorinstanz dabei den Grundsatz der "lex
mitior" verletzt haben sollte, ist nicht ersichtlich und wird auch vom
Beschwerdeführer nicht dargetan, erschöpfen sich seine hiergegen erhobenen
Einwände doch in rein abstrakten Vergleichen zwischen altem und neuem Recht.
Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich anhand des Vergleichs der konkret
ermittelten Sanktionen ohne weiteres, dass der Beschwerdeführer bei Anwendung
des neuen Rechts nicht besser weggekommen wäre. Da sich das neue im Vergleich
zum alten nicht als das mildere Recht erweist, hat die Vorinstanz die
Strafzumessung deshalb zu Recht nach Art. 63 ff. aStGB vorgenommen. Die
Beschwerde erweist sich in diesem Punkt damit als unbegründet.

3.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Dauer der von der Vorinstanz
ausgesprochenen Strafe von 18 Monaten Gefängnis. Unter Berücksichtigung der
Regeln für die Strafzumessung nach Art. 63 und 68 Ziff. 2 aStGB erscheine
vielmehr eine Bestrafung mit 12 Monaten Gefängnis als angemessen.

3.1 Das Bundesgericht hat die Grundsätze der Strafzumessung unter Einschluss
der Festsetzung der Strafe bei teilweiser retrospektiver Konkurrenz und die
Anforderungen an die Begründung wiederholt dargelegt. Darauf kann verwiesen
werden (vgl. nur BGE 129 IV 6 E. 6.1; 116 IV 14 E. 2b; 115 IV 17 E. 5b/bb;
Urteile des Bundesgerichts vom 7. April 2006, 6S.22/2006, E. 4.1 sowie vom 3.
Februar 2006, 6S.388/2005, E. 2).

3.2 Vorliegend sind Straftaten zu beurteilen, die der Beschwerdeführer teils
vor und teils nach der Verurteilung vom 17. Mai 2006 durch das Bezirksgericht
Zürich wegen mehrfacher Brandstiftung sowie Vergehen gegen das Waffengesetz und
Übertretungen gegen das Betäubungsmittelgesetz begangen hat. Mithin liegt auf
der einen Seite retrospektive Konkurrenz vor, auf der andern eine neue Tat bzw.
neue Taten; beide Delikte oder Deliktsgruppen bilden Gegenstand desselben
Urteils. Nach der Rechtsprechung zu Art. 68 aStGB ist in solchen Fällen eine
Gesamtstrafe, teilweise als Zusatzstrafe zum früheren Urteil auszufällen.
Die Vorinstanz ist methodisch korrekt vorgegangen (vgl. angefochtenen
Entscheid, S. 19 ff.). Davon scheint grundsätzlich auch der Beschwerdeführer
auszugehen. Er rügt indes, es bleibe im Dunkeln, welche Strafe die Vorinstanz
für die noch nicht beurteilten, vor der Verurteilung vom 17. Mai 2006 verübten
Delikte für angemessen halte. Dieses Vorbringen zielt an der Sache vorbei. Die
Vorinstanz hat für die besagten Straftaten, namentlich die Übertretungen gegen
das Waffengesetz, den Landfriedensbruch sowie die Gewalt und Drohung gegen
Behörden und Beamte, zusammen mit der bereits ausgefällten Strafe vom 17. Mai
2006 eine hypothetische Gesamtstrafe gebildet und diese in den
Strafzumessungserwägungen im Rahmen ihres weiten Ermessens unter
Berücksichtigung der straferhöhenden und strafmindernden Faktoren mit 28
Monaten beziffert (vgl. angefochtenen Entscheid, S. 20 und 21 mit Verweis auf
die Erwägungen im erstinstanzlichen Urteil, S. 34 und 36 ff.). Davon in Abzug
gebracht hat sie in der Folge die im rechtskräftigen Entscheid ausgefällte
Strafe von 18 Monaten. Die verbleibenden zehn Monate bilden - was sich aus dem
angefochtenen Entscheid denn auch ohne weiteres ergibt - die (Zusatz-)Strafe
für die vor der Verurteilung vom 17. Mai 2006 verübten Straftaten.
Soweit der Beschwerdeführer die Strafzumessung in Bezug auf die nach der
Verurteilung vom 17. Mai 2006 begangenen Delikte (namentlich Raufhandel,
mehrfache einfache Körperverletzung mit einem gefährlichen Gegenstand,
versuchte Nötigung, Hausfriedensbruch sowie Widerhandlung gegen das Waffen- und
Betäubungsmittelgesetz) beanstandet, ist der Beschwerde ebenfalls kein Erfolg
beschieden. Die Vorinstanz hat für diese Delikte eine hypothetische Strafe von
zehn Monaten festgesetzt. Ausgehend von der schwersten Strafandrohung der
gefährlichen Körperverletzung im Sinne von Art. 123 Ziff. 2 Abs. 1 aStGB ist
sie von einem Strafrahmen von drei Tagen bis drei Jahren Gefängnis ausgegangen.
Als zumindest straferhöhend zu berücksichtigenden Strafschärfungsgrund führt
sie die Tatmehrheit an (Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 aStGB; BGE 121 IV 49 E. 1b S.
55; 116 IV 300 E. 2b/aa). Innerhalb des massgeblichen Strafrahmens hat sie die
Strafe nach Art. 63 aStGB zugemessen. Dass sich die Vorinstanz dabei von
rechtlich nicht massgeblichen Kriterien hätte leiten lassen oder wesentlichen
Gesichtspunkten nicht Rechnung getragen hätte, ist nicht ersichtlich.
Insbesondere trifft entgegen einem Einwand des Beschwerdeführers nicht zu, dass
die Vorinstanz nirgends berücksichtigte, dass er sich zwischen den zu
beurteilenden Delikten und dem Strafurteil erstmals in seinem Leben rund zehn
Monate im Strafvollzug befunden habe. Die Vorinstanz würdigt diesen
Gesichtspunkt zu seinen Gunsten im Rahmen der Täterkomponente unter Verweis auf
die Ausführungen der ersten Instanz (vgl. dazu erstinstanzliches Urteil, S.
38). Dass und inwieweit sodann die Entlassung des Beschwerdeführers aus dem
Strafvollzug auf den Zweidrittelstermin einen Einfluss auf dessen festgestellte
Unbelehrbarkeit hinsichtlich der Regelungen des Waffengesetzes haben sollte,
bleibt unerfindlich. Insgesamt hat die Vorinstanz alle wesentlichen
Strafzumessungsfaktoren berücksichtigt und in nicht zu beanstandender Weise
gewichtet. Eine Ermessensverletzung hierbei ist zu verneinen.
Weil die mit der Zusatzstrafe zu ahndenden Straftaten nach den Feststellungen
der Vorinstanz schwerer wiegen, hat sie ausgehend von dieser Zusatzstrafe eine
Erhöhung für die nach der Verurteilung begangenen Taten vorgenommen. Diese
Erhöhung darf nur angemessen sein (Art. 68 Abs. 1 StGB), d.h. sie muss geringer
ausfallen als die Strafe, die für die nach der Verurteilung begangenen
Straftaten bei selbständiger Betrachtung ausgefällt worden wäre. Davon wird
auch im angefochtenen Entscheid ausgegangen. Die Vorinstanz hat die
Zusatzstrafe von 10 Monaten (lediglich) um 8 Monate auf insgesamt 18 Monate
erhöht. Da dieses Strafmass auch im Ergebnis nicht als übertrieben erscheint,
ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

4.
Entsprechend dem Verfahrensausgang trägt der Beschwerdeführer die Kosten für
das bundesgerichtliche Verfahren (Art. 66 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 23. Mai 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Arquint Hill