Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.10/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_10/2008/bri

Urteil vom 15. April 2008
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Schneider, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiberin Binz.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich, Florhofgasse 2, 8001 Zürich,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Friedensbürgschaft (Art. 66 StGB),

Beschwerde gegen den Beschluss des Obergerichts
des Kantons Zürich, III. Strafkammer, vom 13. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
X.________, Mitglied der Konzernleitung der A.________ AG, erstattete
Strafanzeige gegen Unbekannt, nachdem in der Nacht vom 12. auf den 13. März
2006 gegen seine Liegenschaft ein Farbanschlag verübt worden war. In der
Anzeige hielt er fest, dass vermutungsweise Mitglieder der Organisation
B.________ beteiligt gewesen seien. Die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat
verfügte zwar am 20. April 2006 die Ablage der Akten im Fahndungsarchiv.
Trotzdem gingen in Zürich die Ermittlungen weiter, als die Staatsanwaltschaft
Basel-Stadt der Kantonspolizei Zürich mitteilte, militante Tierschützer und
möglicherweise Mitglieder der Organisation C.________ bzw. der Organisation
B.________ hätten verschiedene Liegenschaften in Basel durch Farbsprayereien
und Säureanschläge beschädigt. Bei den Eigentümern der Liegenschaften handle es
sich um Mitglieder der A.________ AG oder Angehörige der Gründerfamilie. Mit
Schreiben vom 11. Mai 2006 nahm X.________ Bezug auf die Verfügung vom 20.
April 2006 und berichtete dem zuständigen Staatsanwalt, im Kanton
Basel-Landschaft seien Aktivisten der vermutlichen Täterschaft gefasst worden.
Zudem beantragte er, gegen diese Personen sei eine Friedensbürgschaft im Sinne
von Art. 66 StGB anzuordnen. Nachdem in der Nacht vom 18. auf den 19. Juni 2006
zwei Fahrzeuge der Miteigentümer von X.________ sowie die Briefkästen der
Liegenschaft verschmiert wurden, erstattete er erneut Strafanzeige gegen
Unbekannt und beantragte wiederum die Anordnung einer Friedensbürgschaft. Als
es zu telefonischen Belästigungen und weiteren Anschlägen mit Farben und
Chemikalien sowie zu Nachtruhestörung durch mutwillige Lärmverursachung kam,
erhob X.________ ein weiteres Mal Strafanzeige bzw. beantragte die Anordnung
einer Friedensbürgschaft. In der Folge ermittelte die Polizei Basel-Landschaft
zwar zwei verdächtige Personen, eine konkrete Verbindung zwischen diesen und
den Anschlägen in Zürich konnte jedoch nicht hergestellt werden. Deshalb
stellte die Staatsanwaltschaft Zürich-Limmat die Untersuchungen mit Verfügung
vom 22. März 2007 ein. Über die Frage der Friedensbürgschaft wurde keine
Anordnungen getroffen. X.________ hielt an seinem Antrag fest, welchen die
Einzelrichterin des Bezirksgerichts Zürich mit Verfügung vom 27. Juli 2007
abwies.

B.
Gegen diese Verfügung rekurrierte X.________. Zudem erhob er Beschwerde gegen
die am Verfahren beteiligten Staatsanwälte und Justizorgane wegen
Rechtsverweigerung. Das Obergericht des Kantons Zürich, III. Strafkammer, wies
den Rekurs mit Beschluss vom 13. Dezember 2007 ab. Die Beschwerde übermittelte
es den zuständigen Behörden sowie der Verwaltungskommission des Obergerichtes
und der Oberstaatsanwaltschaft des Kantons Zürich.

C.
X.________ führt Beschwerde in Strafsachen mit dem Antrag, der Beschluss des
Obergerichts des Kantons Zürich sei aufzuheben. Die Verfügung der
Einzelrichterin vom 27. Juli 2007 sei zur Durchführung eines ordentlichen
"Zweiparteienprozesses" zurückzuweisen.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde richtet sich gegen die Abweisung des Antrages auf Anordnung
einer Friedensbürgschaft (Art. 66 StGB).

1.1 Besteht die Gefahr, dass jemand ein Verbrechen oder Vergehen ausführen
wird, mit dem er gedroht hat, oder legt jemand, der wegen eines Verbrechens
oder eines Vergehens verurteilt wird, die bestimmte Absicht an den Tag, die Tat
zu wiederholen, so kann ihm das Gericht auf Antrag des Bedrohten das
Versprechen abnehmen, die Tat nicht auszuführen, und ihn anhalten, angemessene
Sicherheit dafür zu leisten (Art. 66 Abs. 1 StGB).

1.2 Die Vorinstanz führt aus, die Einzelrichterin habe die Anordnung einer
Friedensbürgschaft abgelehnt, weil die drohende(n) Person(en) nicht bekannt sei
(en). Da die Einzelrichterin davon ausgegangen sei, die Drohung komme unter
anderem konkludent in den mehrfachen, gegenüber dem Beschwerdeführer begangenen
Straftaten zum Ausdruck, sei die Täterschaft hinsichtlich der begangenen
Straftaten und hinsichtlich der Drohungen identisch. Wenn die Einzelrichterin
von unbekannter Täterschaft gesprochen habe, beziehe sich diese Aussage deshalb
sowohl auf die Straftaten als auch auf die darin erblickten Drohungen. Von wem
die Drohungen ausgingen, müsse bei der Anordnung einer Friedensbürgschaft
erstellt sein. Es mache keinen Sinn, von einer anderen Person als von der
drohenden das Versprechen abzunehmen, die Drohung nicht wahrzumachen. Was die
ausdrücklichen, über das Internet verbreiteten Drohungen betreffe, habe
ebenfalls keine verantwortliche Person ermittelt werden können. Dass die
entsprechenden Seiten aus dem Umfeld von militanten Tierschutzorganisationen
stammten, genüge nicht, die Drohungen irgendwelchen Verdächtigten anzulasten.
Die Auffassung, wonach bekennende Sympathisanten einer Organisation ebenfalls
von der Friedensbürgschaft erfasst würden, erscheine rechtsstaatlich als nicht
vertretbar. Entsprechende Bekenntnisse und Unterstützungen müssten so weit
gehen, dass sie als solche selber als Drohungen gegenüber einem bestimmten
Adressaten einzustufen wären. Die polizeilichen Ermittlungen hätten indes keine
konkreten Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die in Basel verhafteten Ausländer
D.________ und E.________ die in Zürich gegen den Beschwerdeführer verübten
Delikte begangen hätten. Zwar seien die namentlich Genannten inzwischen für die
in Basel begangenen Sprayereien verurteilt worden. Sie hätten jedoch die
Aussage verweigert, so dass sich keine neuen Erkenntnisse zur Täterschaft der
in Zürich begangenen Straftaten bzw. Drohungen ergeben hätten (angefochtenes
Urteil E. II. 4 S. 6 ff.).

1.3 Der Beschwerdeführer bringt vor, die nach Art. 66 StGB geforderte Drohung
werde nicht als "Tat" gewertet, weshalb eine Vorladung vor Gericht nicht
bereits eine Art "Strafe" darstelle. Auch wenn die von ihm genannten Person zum
Zeitpunkt seines Antrages auf Anordnung einer Friedensbürgschaft noch nicht
verurteilt gewesen seien, hätte sie der Richter vorladen und wenigstens
befragen können. Die Abnahme eines Friedensversprechens stelle keineswegs eine
Strafe dar und die dabei entstandenen Kosten würden dem Antragsteller
auferlegt, so dass die Durchführung eines solchen Verfahrens zweifellos
rechtsstaatlichen Kriterien genügen würde. Der zuständige Staatsanwalt habe
erst rund ein Jahr nach seinem Antrag auf Erlass einer Friedensbürgschaft den
Richter eingeschaltet. Das Bezirksgericht sei in seiner Verfügung vom 27. Juli
2007 davon ausgegangen, dass die Untersuchungen in Basel "offenbar jedenfalls
nicht zu einem verwertbaren Ergebnis" geführt hätten. Wie das in der
Zwischenzeit publizierte Urteil gegen die von ihm genannten Personen zeige,
habe sich weder die Staatsanwaltschaft noch die Einzelrichterin nach dem
Verlauf des Verfahrens in Basel erkundigt. Die Ausführung der Vorinstanz, die
in der Zwischenzeit Verurteilten hätten die Aussage verweigert, weshalb sein
Antrag auf Friedensbürgschaft nicht zu behandeln sei, sei rechtsstaatlich nicht
haltbar. Der Beschwerdeführer macht geltend, bei korrekter Anwendung von Art.
66 StGB hätte der Anschlag auf seine Liegenschaft vom 19. Juni 2006 verhindert
werden können.

1.4 Der von der Friedensbürgschaft bezweckte Schutz ist auf Verhältnisse
zugeschnitten, in denen der potentielle Täter und sein Opfer durch die
Zugehörigkeit zur selben überschaubaren sozialen Gruppe miteinander verbunden
sind. Deshalb versagt die Massnahme von vornherein bei anonymen Drohungen, und
die Garantien, die sie schafft, sind nicht sehr effektiv (Günter Stratenwerth,
Strafen und Massnahmen, 2. Auflage Bern 2006, § 13 N 4; Erich Züblin, Basler
Kommentar, Strafrecht I, 2. Aufl. Basel 2007, Art. 66 StGB N 3). Demgegenüber
vertritt René Kissling die Auffassung, wenn eine Drohung von einer anonymen
Organisation z.B. übers Internet ausgehe, so müssten erkennbare und sich
bekennende Sympathisanten dieser Organisation, welche deren Anliegen
unterstützen, ebenfalls von der verbrechensverhütenden Friedensbürgschaft
erfasst werden (René Kissling, Friedensbürgschaft und Zwangsmassnahmen, in: SJZ
103/ 2007 S. 199).

1.5 Das Gesetz muss in erster Linie aus sich selbst heraus, das heisst nach
Wortlaut, Sinn und Zweck und den ihm zugrunde liegenden Wertungen auf der Basis
einer teleologischen Verständnismethode ausgelegt werden. Die Gesetzesauslegung
hat sich vom Gedanken leiten zu lassen, dass nicht schon der Wortlaut die
Rechtsnorm darstellt, sondern erst das an Sachverhalten verstandene und
konkretisierte Gesetz. Gefordert ist die sachlich richtige Entscheidung im
normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio
legis (zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil B 134/06 vom 12. März 2008, E.
4.1, mit Hinweis; BGE 133 III 175 E. 3.3.1 S. 178, mit Hinweisen).
Laut Art. 66 Abs. 1 StGB muss "jemand" mit einem Verbrechen oder Vergehen
drohen. Die Anordnung einer Friedensbürgschaft, daher das Abnehmen des
Versprechens, eine Tat nicht auszuführen, ist nur sinnvoll, wenn die
Täterschaft bekannt ist. Deshalb führt die teleologische Auslegung zum Schluss,
dass mit "jemand" eine bekannte Täterschaft gemeint ist. Die Vorinstanz hat zu
Recht auf eine Anordnung verzichtet, weil nicht erstellt ist, von wem die
Drohungen ausgingen. Die Rüge des Beschwerdeführers erweist sich folglich als
unbegründet.

2.
Der Beschwerdeführer beantragt weiter, ihm sei Einblick in den Antrag der
Staatsanwaltschaft an das Einzelrichteramt sowie in sämtliche Akten und
Befragungsprotokolle, welche die mit einer Friedensbürgschaft zu belastenden
Personen betreffen, zu gewähren. Er führt dazu aus, gemäss § 10 Abs. 3 der
Zürcher Strafprozessordnung sei dem Geschädigten Gelegenheit zu geben, Einsicht
in die Akten zu nehmen und den Einvernahmen des Angeschuldigten beizuwohnen.
Diese Gelegenheit sei ihm nie offeriert worden. Anlässlich einer der
nächtlichen Belästigungen sei der im gleichen Haus wohnhafte F.________ auf die
Strasse gegangen und habe einem Mitglied die Maske vom Gesicht gezogen. Er
verlange Einsicht in das Protokoll der Befragung von F.________ und dessen
Antwort auf die Frage, ob er E.________ oder D.________ wiedererkenne
(Beschwerde Ziff. 2.5.3 und 2.5.4 S. 4).
Nach Art. 99 Abs. 2 BGG sind im Verfahren vor Bundesgericht neue Begehren
unzulässig. Weil der Beschwerdeführer im Rahmen des Rekurses keinen Antrag auf
Akteneinsicht stellte, ist sein heutiges Begehren neu. Auf die Beschwerde ist
insoweit nicht einzutreten.

3.
Schliesslich beantragt der Beschwerdeführer, dem Kanton Zürich seien die Kosten
der nicht ordentlich geführten Verfahren aufzuerlegen.

3.1 Die Vorinstanz führt zur Kostenregelung aus, beim Verfahren um Anordnung
einer selbständigen Friedensbürgschaft handle es sich wie beim
Ehrverletzungsprozess um einen Zweiparteienprozess. Deshalb sei § 293 der
Zürcher Strafprozessordnung analog anzuwenden, wonach die Verfahrenskosten der
unterliegenden Partei aufzuerlegen seien. Besondere Verhältnisse, welche ein
Abweichen von dieser Regel rechtfertigten, würden keine vorliegen. Weil der
Beschwerdeführer Kenntnis von der Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft
gehabt habe, habe er davon ausgehen müssen, dass die Urheber der Straftaten und
der Drohungen nicht ermittelt werden konnten und folglich ein Begehren um
Anordnung einer Friedensbürgschaft aussichtslos war (angefochtenes Urteil E.
III. S. 8 f.).

3.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, beim Verfahren um Anordnung einer
Friedensbürgschaft handle es sich um einen "Zweiparteienprozess". Weil er die
beteiligten Personen klar benannt habe, hätten bei einer ordentlichen
Durchführung die Verfahrenskosten diesen Antragsgegnern auferlegt werden
müssen. Trotzdem hätten das Bezirksgericht und die Vorinstanz den Antragsgegner
als "Unbekannt" bezeichnet. Die Urteile seien in dieser Hinsicht zu korrigieren
und die Kosten dem Kanton Zürich zu überbinden (Beschwerde Ziff. 2.6.1 S. 5).

3.3 Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Eine qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung
von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht. Das
Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde
präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG). Im
Anwendungsbereich dieser Bestimmung ist die Praxis zum Rügeprinzip gemäss Art.
90 Abs. 1 lit. b aOG (vgl. dazu BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 f.) weiterzuführen
(BGE 134 I 23 E. 5.2 S. 30, mit Hinweisen).

3.4 Der Beschwerdeführer begründet nicht, inwiefern die Kostenverteilung der
Vorinstanz gegen ein verfassungsmässiges Recht verstösst. Auf die Beschwerde
ist auch in diesem Punkt nicht einzutreten.

4.
Demgemäss ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei
diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten dem Beschwerdeführer
aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, III.
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 15. April 2008
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Schneider Binz