Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1042/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_1042/2008

Urteil vom 30. April 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Wiprächtiger, Mathys,
Gerichtsschreiber Faga.

Parteien
Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz, 6430 Schwyz,
Beschwerdeführerin,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Strafenkombination (Art. 42 Abs. 4 StGB),

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts Schwyz, Strafkammer, vom 18.
November 2008.

Sachverhalt:

A.
Y.________ fuhr am 27. Dezember 2007 mit einem Personenwagen von Freienbach
nach Wollerau. Auf der Fahrt wies sie eine Blutalkoholkonzentration von
mindestens 2.43? auf.

B.
Mit Strafbefehl vom 13. Juni 2008 sprach das Bezirksamt Höfe Y.________ des
vorsätzlichen Führens eines Motorfahrzeuges in qualifiziert angetrunkenem
Zustand schuldig und bestrafte sie mit einer bedingten Geldstrafe von 80
Tagessätzen zu Fr. 110.--, bei einer Probezeit von zwei Jahren, sowie mit einer
Busse von Fr. 1'700.--.

C.
Gegen den Strafbefehl erhob Y.________ Einsprache. Der Einzelrichter des
Bezirkes Höfe erklärte sie mit Urteil vom 18. September 2008 des vorsätzlichen
Führens eines Motorfahrzeuges in qualifiziert angetrunkenem Zustand schuldig
und bestrafte sie mit einer bedingten Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu Fr.
100.-- bei einer Probezeit von drei Jahren.

D.
Die von der Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz gegen diesen Entscheid
erhobene Berufung im Strafpunkt wies das Kantonsgericht Schwyz mit Urteil vom
18. November 2008 ab.

E.
Die Staatsanwaltschaft des Kantons Schwyz führt Beschwerde in Strafsachen. Sie
beantragt, das Urteil des Obergerichts des Kantons Schwyz vom 18. November 2008
sei aufzuheben und die Sache zwecks Ausfällung einer zusätzlichen Busse im
Sinne von Art. 42 Abs. 4 StGB an die Vorinstanz zurückzuweisen.

F.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Strafzumessung der Vorinstanz.
Sie rügt eine Verletzung von Art. 42 Abs. 4 und Art. 47 StGB. Die Vorinstanz
habe der Beschwerdegegnerin nebst der bedingten Geldstrafe zu Unrecht keine
zusätzliche Busse auferlegt. Es lasse sich sachlich nicht rechtfertigen, die
Beschwerdegegnerin, die sich eines Vergehens schuldig gemacht habe, gegenüber
denjenigen Personen zu privilegieren, welche eine Übertretungsbusse zu bezahlen
hätten. Bei Vorliegen einer unechten Gesetzeskonkurrenz gelte es zu verhindern,
dass ein Verurteilter aufgrund der verdrängten Norm - vorliegend Art. 91 Abs. 1
Satz 1 SVG - ohne sachlichen Grund eine Begünstigung erfahre. Selbst wenn man
mit der Vorinstanz davon ausgehen würde, dass es trotz der klaren
bundesgerichtlichen Rechtsprechung auch im Bereich der
Schnittstellenproblematik im Ermessen des Gerichts läge, von der Ausfällung
einer Busse abzusehen, so wären die Voraussetzungen hierfür im konkreten Fall
nicht erfüllt. Die finanziellen Verhältnisse der Beschwerdegegnerin seien
keineswegs so, dass von der Auferlegung einer zusätzlichen Busse abzusehen
wäre. Die von der Vorinstanz angeführten Gründe würden nicht ausreichen, um vom
bundesgerichtlichen Grundsatzentscheid abzurücken (Beschwerde S. 3 ff.).

1.2 Die Vorinstanz hat erwogen, eine Verbindungsbusse sei nicht stets und
ungeachtet der konkreten Umstände auszusprechen. Insbesondere sei sie dann
nicht aufzuerlegen, wenn eine solche, wie vorliegend, für die
Wiedereingliederung gar hinderlich wäre. Mit der ausgefällten bedingten
Geldstrafe sei die Schuld abgegolten, wenn dem erlittenen Verlust des
Arbeitsplatzes, den auferlegten Verfahrenskosten und der freiwillig
angetretenen Therapie Rechnung getragen werde. Im vorliegenden Fall sei kein
zusätzlicher Denkzettel in Form einer Busse nötig (angefochtenes Urteil S. 3
f.).

2.
2.1 Gemäss Art. 42 Abs. 4 StGB kann eine bedingte Strafe mit einer unbedingten
Geldstrafe oder mit einer Busse nach Art. 106 StGB verbunden werden. Die
Bestimmung dient in erster Linie dazu, die Schnittstellenproblematik zwischen
der Busse (für Übertretungen) und der bedingten Geldstrafe (für Vergehen) zu
entschärfen. Auf Massendelikte, die im untersten Bereich bloss mit Bussen
geahndet werden, soll - auch - mit einer unbedingten Sanktion reagiert werden
können, wenn sie die Schwelle zum Vergehen überschreiten. Insoweit, also im
Bereich der leichteren Kriminalität, verhilft Art. 42 Abs. 4 StGB zu einer
rechtsgleichen Sanktionierung und übernimmt die Bestimmung auch Aufgaben der
Generalprävention. Darüber hinaus erhöht die Strafenkombination ganz allgemein
die Flexibilität des Gerichts bei der Auswahl der Strafart. Sie kommt in
Betracht, wenn man dem Täter den bedingten Vollzug der Freiheitsstrafe gewähren
möchte, ihm aber dennoch in gewissen Fällen mit der Auferlegung einer zu
bezahlenden Geldstrafe oder Busse einen spürbaren Denkzettel verabreichen
möchte. Die Strafenkombination dient hier spezialpräventiven Zwecken (BGE 134
IV 60 E. 7.3.1 S. 74 f., 1 E. 4.5 S. 8, 82 E. 8 S. 95 f.). Das Bundesgericht
hat die Grundsätze der Bemessung von Verbindungsgeldstrafe und Verbindungsbusse
bereits dargelegt. Darauf kann verwiesen werden (BGE 134 IV 60 E. 7.3.2 S. 75
f.).

In BGE 134 IV 82 - auf den die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde und die
Vorinstanz im angefochtenen Urteil verweisen - war der Fall eines Chauffeurs zu
beurteilen, der mit einem Sattelschlepper die Lenkerin eines überholenden
Personenwagens fahrlässig verletzt und sich gleichzeitig einer
Verkehrsregelverletzung im Sinne von Art. 90 Ziff. 1 SVG schuldig gemacht
hatte, welche aber durch das Verletzungsdelikt gemäss Art. 125 Abs. 1 StGB
konsumiert worden war. Das Bundesgericht hat im erwähnten Entscheid die
Anwendung von Art. 42 Abs. 4 StGB im Sanktionsbereich der
Schnittstellenproblematik namentlich im Strassenverkehrsstrafrecht dargelegt.
Es hat erwogen, eine Schnittstellenproblematik bestehe bei der gleichzeitigen
Sanktionierung von Übertretungs- und Vergehenstatbeständen, die in unechter
Gesetzeskonkurrenz stünden. In den Fällen, in denen die Strafe für ein Vergehen
eine Übertretung konsumiere, also sowohl ein Vergehen als auch eine Übertretung
vorlägen, letztere aber durch die Vergehensstrafe als abgegolten gelte, würden
die gesetzgeberische Zielsetzung, der Normzweck und die Rechtsgleichheit dafür
sprechen, einen Teil der schuldangemessenen Geldstrafe als unbedingte
Geldstrafe oder als Busse auszuscheiden und zu verhängen. Wer das Vergehen
begehe, solle nicht besser wegkommen als derjenige, welcher sich lediglich der
(konsumierten) Übertretung strafbar mache. Auch materiell erscheine es
ungerecht, wenn im Ergebnis die Übertretung strenger bestraft werde als das
auch noch die Übertretung konsumierende Vergehen. Die neben der Primärstrafe
übliche Sanktionierung einer zusätzlichen Übertretung mit einer Busse (BGE 102
IV 242 E. 5 S. 245) gelte daher auch im Anwendungsbereich von Art. 42 Abs. 4
StGB bei unechter Gesetzeskonkurrenz (BGE 134 IV 82 E. 8.3 S. 95 f.). Eine
Busse ist hier trotz der Formulierung von Art. 42 Abs. 4 StGB als
Kann-Vorschrift obligatorisch (Hans Wiprächtiger, Die Sanktionen des
Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches - taugliche Instrumente?, ZStrR 126/
2008 S. 378 f.).

2.2 Die Beschwerdegegnerin wurde eines Vergehens schuldig gesprochen. Sie
beging, im Unterschied zum Beschuldigten in dem BGE 134 IV 82 zugrunde
liegenden Fall, nebst dem Fahren in qualifiziert angetrunkenem Zustand (Art. 91
Abs. 1 Satz 2 SVG) keine zusätzliche Übertretung, die grundsätzlich zu
sanktionieren, jedoch durch die Vergehensstrafe abgegolten worden wäre. Mithin
hat sie nicht gegen mehrere Strafvorschriften verstossen, und es liegt keine
unechte Gesetzeskonkurrenz vor. Deshalb gelangt die von der Beschwerdeführerin
und der Vorinstanz zitierte Rechtsprechung hier nicht zur Anwendung.

Erfüllt der Täter einen Tatbestand, der bei geringer Schuld und Tatfolgen als
Übertretung, bei höherer Schuld aber als Vergehen ausgestaltet ist, wie
beispielsweise bei Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit (Art. 90
Ziff. 1 und Ziff. 2 SVG) oder - wie vorliegend - bei Fahren in angetrunkenem
Zustand (Art. 91 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 SVG), so liegt es im Ermessen des
Gerichts, die Strafenkombination von Art. 42 Abs. 4 StGB anzuwenden, wenn die
Schwelle zum Vergehen überschritten wurde. Eine Pflicht, in den genannten
Fällen eine Verbindungsgeldstrafe respektive eine Verbindungsbusse stets
auszusprechen, stünde im Widerspruch zur Formulierung von Art. 42 Abs. 4 StGB
als Kann-Vorschrift und besteht nicht. Der Richter hat somit die Möglichkeit,
die Schnittstellenproblematik zwischen der unbedingten Übertretungsstrafe und
der bedingten Strafe für ein Vergehen zu entschärfen. Anders zu entscheiden
bedeutete beispielsweise, dass eine grobe Verkehrsregelverletzung stets - auch
- mit einer unbedingten Sanktion geahndet werden müsste. Dies trifft nicht zu.
Gemäss Art. 90 Ziff. 2 SVG ist die Sanktion wahlweise Freiheitsstrafe bis zu
drei Jahren oder Geldstrafe. Ebenso wenig muss beispielsweise dem Täter, der
eine schwere oder einfache Körperverletzung im Sinne von Art. 122 f. StGB
begangen hat, unter Hinweis auf Art. 126 StGB, der für Tätlichkeiten Busse
androht, nebst einer bedingten Strafe in Anwendung von Art. 42 Abs. 4 StGB
zwingend eine unbedingte Geldstrafe oder Busse auferlegt werden mit der
Begründung, der schweren respektive einfachen Körperverletzung gehe eine
Tätlichkeit als Durchgangsstadium vor.

Ist somit nur ein Vergehen zu beurteilen, so liegt es im Ermessen des Richters,
ob und wie die Strafenkombination im Sinne von Art. 42 Abs. 4 StGB zur
Anwendung gelangt. Diese Regelung erhöht, unabhängig von einer konkreten
Strafdrohung im Besonderen Teil des Strafgesetzbuches oder im Nebenstrafrecht,
die Flexibilität des Gerichts bei der Auswahl der Strafart. Allerdings sehen
die Empfehlungen der Konferenz der Strafverfolgungsbehörden der Schweiz, auf
welche die Beschwerdeführerin verweist, eine allgemeine Anwendung der
Verbindungsbusse vor (Ziff. 4 der Zusatzempfehlungen der Konferenz der
Strafverfolgungsbehörden der Schweiz vom 3. November 2006 zur Strafzumessung).
Damit würde aber die Entscheidung des Gesetzgebers, auch bei der Geldstrafe den
bedingten Vollzug als Regel zuzulassen, weitgehend unterlaufen: Jede bedingte
Geldstrafe wäre immer in Verbindung mit einer Busse und damit faktisch
teilbedingt auszusprechen. Das ist contra legem (vgl. Max Imfeld, in: Variatio
delectat? Die neue Verbundsstrafe nach Art. 42 Abs. 4 StGB, ZStrR 126/2008 S.
58).

2.3 Die Vorinstanz hat erwogen, die Beschwerdegegnerin habe ihre Arbeitsstelle
verloren, weshalb - auch unter Berücksichtigung der auferlegten
Verfahrenskosten und der durch die Beschwerdegegnerin freiwillig angetretenen
Therapie - die "Deliktsschuld" abgegolten und nebst der bedingten Geldstrafe
von 80 Tagessätzen zu Fr. 100.-- keine zusätzliche Busse auszusprechen sei
(angefochtenes Urteil S. 4). Indem die Vorinstanz von der Auferlegung einer
Busse abgesehen hat, hat sie ihr Ermessen nicht verletzt und Art. 42 Abs. 4
StGB bundesrechtskonform angewendet. Die Beschwerde erweist sich als
unbegründet.

3.
3.1
Weiter rügt die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Art. 47 StGB. Die
finanzielle Situation der Beschwerdegegnerin würde sich nicht so darstellen,
dass von der Auferlegung einer Busse abzusehen wäre. Auch würden die von der
Vorinstanz angeführten Gründe nicht ausreichen, um vom bundesgerichtlichen
Grundsatzentscheid abzuweichen (Beschwerde S. 5 f.).

3.2 Gemäss Art. 47 Abs. 1 StGB misst das Gericht die Strafe nach dem
Verschulden des Täters zu. Es berücksichtigt das Vorleben, die persönlichen
Verhältnisse sowie die Wirkung der Strafe auf das Leben des Täters. Die
Bewertung des Verschuldens wird in Art. 47 Abs. 2 StGB dahingehend präzisiert,
dass dieses nach der Schwere der Verletzung oder Gefährdung des betroffenen
Rechtsguts, nach der Verwerflichkeit des Handelns, den Beweggründen und Zielen
des Täters sowie danach bestimmt wird, wie weit der Täter nach den inneren und
äusseren Umständen in der Lage war, die Gefährdung oder Verletzung zu
vermeiden.

Soweit die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die finanzielle Situation der
Beschwerdegegnerin eine Verletzung von Art. 47 StGB geltend macht, geht die
Rüge fehl. Die finanzielle Situation der Beschwerdegegnerin stellt das
Kriterium für die Bemessung der Höhe des Tagessatzes dar (Art. 34 Abs. 2 StGB),
das vom Verschuldenskriterium zu trennen ist. Im Übrigen verweist die
Beschwerdeführerin auf den BGE 134 IV 82, ohne sich mit den relevanten
Strafzumessungskriterien im Sinne von Art. 47 StGB in rechtsgenügender Weise
auseinanderzusetzen. Ihre Vorbringen genügen den Begründungsanforderungen
gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG nicht. Die Beschwerde ist in diesem Punkt
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

4.
Zusammenfassend ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Kosten zu erheben (Art. 66 Abs. 4
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Es werden keine Kosten erhoben.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht des Kantons Schwyz,
Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 30. April 2009

Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Favre Faga