Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

Strafrechtliche Abteilung, Beschwerde in Strafsachen 6B.1022/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
6B_1022/2008

Urteil vom 31. März 2009
Strafrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Favre, Präsident,
Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger,
Gerichtsschreiber Störi.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau,
Frey-Herosé-Strasse 12, Wielandhaus,
5001 Aarau, Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Wiederaufnahme des Verfahrens,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, Strafgericht,
1. Kammer, vom 30. Oktober 2008.

Sachverhalt:

A.
Das Bezirksgericht Baden verurteilte X.________ am 21. September 2000 zu einer
bedingten Gefängnisstrafe von 13 Monaten.
Am 14. Juni 2006 verurteilte das Obergericht des Kantons Bern X.________ zu
einer unbedingten Gefängnisstrafe von 12 Monaten, teilweise als Zusatzstrafe zu
der vom Bezirksgericht Baden ausgefällten bedingten Gefängnisstrafe von 13
Monaten. Gleichentags widerrief es die bedingte Gefängnisstrafe des
Bezirksgerichts Baden.
Am 25. September 2006 stellte X.________ beim Kassationshof des Berner
Obergerichts ein Revisionsgesuch mit dem Antrag, die beiden obergerichtlichen
Urteile vom 14. Juni 2006 aufzuheben. Zur Begründung führte er an, die von ihm
begonnene Psychotherapie habe ergeben, dass er zur Tatzeit an einer schweren
Störung der charakterlichen Konstitution und des Verhaltens gelitten habe. Dies
sei eine neue Tatsache, die im Sinne von Art. 368 Abs. 1 Ziff. 1 StrV zu einer
erheblich geringeren Bestrafung oder einem Freispruch führen könne.
Gestützt auf ein von Dr. A.________ verfasstes und von Prof. Dr. B.________
inhaltlich gutgeheissenes Gutachten des forensisch-psychiatrischen Dienstes der
Universität Bern (FPD) vom 27. April 2007 kam der Kassationshof zum Schluss,
bei X.________ habe zur Tatzeit zwar eine dissoziale Persönlichkeitsstörung
(ICD-10 F 60.2) vorgelegen, seine Schuldfähigkeit sei hingegen voll erhalten
gewesen, und wies das Revisionsgesuch am 14. August 2007 ab.
Am 28. September 2007 verurteilte das Kriminalgericht des Kantons Luzern
X.________ unter Annahme einer leicht verminderten Schuldfähigkeit zu einer
Freiheitsstrafe von 20 Monaten, wovon 4 Monate unbedingt und 16 Monate bedingt,
als Zusatzstrafe zum Urteil des Berner Obergerichts vom 14. Juni 2006.
Am 1. Februar 2008 wies das Bundesgericht die Beschwerde von X.________ gegen
das Urteil des Berner Kassationshofes vom 14. August 2007 ab.

B.
Am 12. August 2008 wurde X.________ von der Sektion Straf- und
Massnahmenvollzug des Departements Volkswirtschaft und Inneres des Kantons
Aargau zum Antritt der von dem Aargauer und dem Berner Gericht ausgesprochenen
Strafen aufgeboten.
Am 21. August 2008 stellte X.________ beim Obergericht des Kantons Aargau ein
Wiederaufnahmegesuch mit dem Antrag, das Urteil des Bezirksgerichts Baden vom
21. September 2000 aufzuheben.

Das Obergericht wies das Wiederaufnahmegesuch am 30. Oktober 2008 ab. Es kam
zum Schluss, das als neues Beweismittel beigebrachte psychiatrische Gutachten
von Dr. C.________ vom 10. März 2008 sei nicht geeignet, eine verminderte
Schuldfähigkeit von X.________ für den Tatzeitraum nachzuweisen.

C.
Mit Beschwerde in Strafsachen beantragt X.________, dieses Urteil des Aargauer
Obergerichts aufzuheben.
Vernehmlassungen wurden keine eingeholt.
Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht hatte sich bereits im Urteil 6B_547/2007 mit der
Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers für seine vom Obergericht des Kantons
Bern am 14. Juni 2006 beurteilten, zwischen März 2000 und März 2001 begangenen
Taten zu befassen. Es kam dabei zum Schluss, dass der Kassationshof des
Obergerichts des Kantons Bern gestützt auf das von ihm beim FPD eingeholte
Gutachten vom 27. April 2007 zu Recht davon ausgegangen ist, dass beim
Beschwerdeführer im Tatzeitraum zwar eine dissoziale Persönlichkeitsstörung
(ICD-10 F 60.2) vorlag, seine Schuldfähigkeit indessen voll erhalten war.

2.
Im vorliegend zu beurteilenden Wiederaufnahmeverfahren macht der
Beschwerdeführer wiederum gestützt auf ein neues psychiatrisches Gutachten -
dasjenige von Dr. C.________ vom 10. März 2008 - geltend, er sei für die vom
Bezirksgericht Baden am 21. September 2000 beurteilten, zwischen dem 7.
November 1998 und dem 9. November 1999 begangenen Taten vermindert schuldfähig
gewesen.
Die vom Bezirksgericht Baden und die vom Obergericht Bern beurteilten
Tatzeiträume schliessen praktisch nahtlos aneinander. Es weist nichts darauf
hin, dass sich der psychische Zustand des Beschwerdeführers in dieser Zeit
erheblich verändert hätte. Die Gutachten A.________ und C.________ beziehen
sich somit auf die gleiche Lebenssituation des Beschwerdeführers und sind ohne
Einschränkung direkt vergleichbar. Das Obergericht weist im angefochtenen
Entscheid in sorgfältiger und zutreffender Weise nach (E. 3.7 S. 8 ff.), dass
und weshalb das Gutachten C.________ nicht geeignet ist, die Schlussfolgerungen
des Gutachtens A.________ zu widerlegen, wonach weder die Einsichtsfähigkeit
noch die Steuerungsfähigkeit des Beschwerdeführers eingeschränkt waren. Das
Gutachten A.________ hält, wie das Bundesgericht bereits im Urteil 6B_547/2007
festgestellt hat, der vom Richter vorzunehmenden Plausibilitätskontrolle ohne
weiteres stand. Es kann sowohl darauf als auch auf den angefochtenen Entscheid
verwiesen werden.
Zutreffend ist, dass das Kriminalgericht des Kantons Luzern in seinem Urteil
vom 28. September 2007 dem Beschwerdeführer für seine von ihm zwischen Mai 2001
und 16. April 2002 verübten Taten eine leicht verminderte Schuldfähigkeit
strafmindernd anrechnet. Es gelangte zur Auffassung, das die volle
Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers bejahende Gutachten hätte seinem
Drogenkonsum zu wenig Rechnung getragen (Urteil S. 52). Dieses Urteil des
Kriminalgerichts ist indessen einerseits nicht Gegenstand des vorliegenden
Verfahrens und damit nicht zu prüfen. Vor allem aber lässt sich daraus für die
Schuldfähigkeit des Beschwerdeführers im hier relevanten Tatzeitraum nichts
ableiten, da er nach seinen eigenen, ins Gutachten C.________ eingeflossenen
Angaben (Ziff. 2.4 "Suchtanamnese") in den Jahren 1998 bis 2001 weder Drogen
noch Alkohol konsumierte.

3.
Das Obergericht hat das Wiederaufnahmegesuch des Beschwerdeführers somit zu
Recht abgewiesen. Es kann keine Rede davon sein, dass er auf Grund seines auf
"-ic" endenden Namens aus fremdenfeindlichen Motiven keinen fairen Prozess
erhalten hat. Für seine diesbezügliche Unterstellung gibt es keine
Anhaltspunkte.
Die Beschwerde ist abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der
Beschwerdeführer die Kosten (Art. 66 Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 1. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 31. März 2009
Im Namen der Strafrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Favre Störi