Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Subsidiäre Verfassungsbeschwerde 4D.5/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4D_5/2008

Urteil vom 11. März 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
Gerichtsschreiberin Hürlimann.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Suter,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Christoph Waller.

Gegenstand
Kaufvertrag; Randerschliessungskosten,

Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 2. Kammer, vom 10. Dezember 2007.

Sachverhalt:
A.
A.________ (Beklagter und Beschwerdeführer) und die Erbengemeinschaft der
C.________, bestehend aus dem Beschwerdeführer und D.________, verkauften
B.________ (Kläger und Beschwerdegegner) mit öffentlich beurkundetem
Kaufvertrag vom 4. Juli 2002 ein 6,62 Aren grosses Grundstück in E.________ zum
Preis von Fr. 290'000.--, das dieser mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag
vom 9. Juli 2002 zum Kaufpreis von Fr. 297'900.-- an F.________ und G.________
weiterverkaufte.
Am 7. Dezember 2004 forderte der Beschwerdegegner den Beschwerdeführer auf, ihm
die Rechnung von Fr. 13'262.80 für die "Randerschliessungskosten" der
verkauften Parzelle zu bezahlen. Er berief sich dafür auf den Kaufvertrag vom
4. Juli 2002, der in Ziffer 3 der besonderen Vertragsbestimmungen unter dem
Titel "Gewährleistungspflicht" folgenden Absatz 1 enthält, der im Übrigen auch
im Kaufvertrag vom 9. Juli 2002 zwischen dem Beschwerdegegner als Verkäufer und
F.________ und G.________ als Käufer gleichlautend enthalten ist: "Die
Verkäuferschaft verkauft der Käuferschaft das vorbeschriebene Kaufsobjekt als
randerschlossenes Baulandgrundstück, welches im Rahmen der geltenden Bau- und
Zonenordnung der Gemeinde E.________ mit einer Wohnbaute überbaut werden kann.
Sämtliche bis und mit der fertigen Randerschliessung des Kaufsobjektes
angefallenen und noch anfallenden Erschliessungskosten, Perimeterbeiträge,
Honorare und Kosten privat- und öffentlich-rechtlicher Natur trägt die
Verkäuferschaft." Der Beschwerdeführer lehnte in der Folge die Bezahlung der
Rechnung ab und erhob auf die Betreibung vom 19. April 2006 hin rechtzeitig
Rechtsvorschlag.
B.
Mit Klage vom 25. September 2006 stellte der Beschwerdegegner beim
Gerichtspräsidium Bremgarten den Antrag, der Beschwerdeführer sei zu
verpflichten, ihm den Betrag von Fr. 13'262.80 nebst 5 % Verzugszins seit 7.
Dezember 2004 zu bezahlen und der Rechtsvorschlag in der Betreibung Wohlen Nr.
1.________ vom 19. April 2006 sei in diesem Umfang definitiv zu beseitigen.
Mit Urteil vom 20. März 2007 verpflichtete der Präsident I des Bezirksgerichts
Bremgarten den Beschwerdeführer, dem Beschwerdegegner Fr. 13'262.80 nebst Zins
zu 5 % seit dem 24. April 2006 zu bezahlen und beseitigte den vom
Beschwerdeführer in der Betreibung Nr. 1.________ des Betreibungsamtes Wohlen
erhobenen Rechtsvorschlag in diesem Umfang.
C.
Mit Appellation vom 30. August 2007 beantragte der Beschwerdeführer dem
Obergericht des Kantons Aargau, das angefochtene Urteil des Gerichtspräsidiums
vom 20. März 2007 sei aufzuheben und die Klage sei abzuweisen.
Mit Urteil vom 10. Dezember 2007 hiess das Obergericht die Appellation
teilweise gut und fasste Dispositiv-Ziff. 1.1 des Urteils des Präsidenten I des
Bezirksgerichts Bremgarten insofern neu, als der Beschwerdeführer verpflichtet
wurde, dem Beschwerdegegner Fr. 11'665.50 nebst Zins zu 5 % sei 24. April 2006
zu bezahlen. Das Gericht kam in Auslegung des Kaufvertrags vom 4. Juli 2002 zum
Schluss, dass die Erschliessung des Kaufobjekts innerhalb der Parzelle
(Feinerschliessung) sowie der Anschluss an die Haupterschliessungsanlagen von
der Käuferschaft zu bezahlen sei, die Erschliessung ausserhalb der Parzelle
hingegen von der Verkäuferschaft, sofern es sich nicht um Kosten im
Zusammenhang mit dem Anschluss an die Haupterschliessungsanlagen handle. Mit
Bezug auf die Neuerstellung eines Teils des an die Parzellen angrenzenden
Strassenbelags (in der Rechnung der ausführenden Baufirma als "Kleine
Belagsarbeiten" aufgeführt) hielt es fest, diese hätte der Randerschliessung
gedient, weshalb die dafür anfallenden Kosten von der Verkäuferschaft zu tragen
seien. Hinsichtlich der Position "Bauarbeiten für Werkleitungen" habe der
Beschwerdegegner den Beweis nicht erbracht, dass es sich dabei um
Randerschliessungsarbeiten handle, weshalb der Beschwerdeführer für diese
Aufwandposition nicht einstehen müsse.
D.
Mit subsidiärer Verfassungsbeschwerde vom 18. Januar 2008 beantragt der
Beschwerdeführer dem Bundesgericht, der Entscheid des Obergerichts des Kantons
Aargau vom 10. Dezember 2007 sei aufzuheben und die Klage vom 25. September
2006 sei abzuweisen, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen. Er rügt eine Verletzung von Art. 9 BV.
Der Beschwerdegegner schliesst in seiner Vernehmlassung auf Abweisung der
Beschwerde. Das Obergericht verzichtet auf eine Vernehmlassung.

Erwägungen:
1.
1.1 Nach Art. 113 BGG beurteilt das Bundesgericht Verfassungsbeschwerden,
soweit keine Beschwerde nach den Art. 72-89 BGG zulässig ist. Dies ist
vorliegend der Fall, da der für die Beschwerde in Zivilsachen erforderliche
Streitwert von Fr. 30'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) nicht gegeben ist.
1.2 Nach Art. 118 Abs. 1 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den
Sachverhalt zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat. Eine Berichtigung
oder Ergänzung der Sachverhaltsfeststellungen kommt gemäss Abs. 2 der Norm nur
dann in Frage, wenn die kantonale Instanz verfassungsmässige Rechte verletzt
hat. Wird letzteres geltend gemacht, ist neben der Erheblichkeit der gerügten
Tatsachenfeststellung für den Ausgang des Verfahrens klar und detailliert
darzutun, inwiefern diese verfassungswidrig sein soll (BGE 133 III 439 E. 3.2
S. 445).
Soweit der Beschwerdegegner von dem im angefochtenen Entscheid festgestellten
Sachverhalt abweicht, ohne eine substantiierte Rüge zu erheben, ist er nicht zu
hören.
2.
Der Beschwerdeführer rügt in erster Linie die Annahme des Obergerichts als
willkürlich, es sei notorisch, dass der Anschluss einer Parzelle an die
Haupterschliessungsanlagen keine ausgedehnten bzw. grossflächigen
Belagsarbeiten erfordere.
2.1 Über allgemein bekannte Tatsachen braucht nicht Beweis geführt zu werden
(BGE 117 II 321 E. 2 S. 323). Allgemein bekannt sind insbesondere amtlich
bekanntgegebene, durch die Medien verbreitete oder sonstwie zu allgemeiner
Kenntnis gelangte Tatsachen, an denen vernünftigerweise nicht gezweifelt werden
kann (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton
Bern, 5. Aufl. 2000, N. 1b zu Art. 218 ZPO BE).
2.2 Willkürlich ist ein Entscheid nach konstanter Rechtsprechung nicht schon
dann, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erscheint oder gar
vorzuziehen wäre. Das Bundesgericht hebt einen kantonalen Entscheid wegen
Willkür vielmehr nur auf, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, mit der
tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen
unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem
Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211; 131 I 57 E.
2 S. 61, 467 E. 3.1 S. 473 f.; 129 I 8 E. 2.1 S. 9; 127 I 54 E. 2b S. 56; 126
III 438 E. 3 S. 440; 125 I 166 E. 2a, je mit Hinweisen). Dabei genügt es nicht,
wenn sich nur die Begründung des angefochtenen Entscheides als unhaltbar
erweist. Eine Aufhebung rechtfertigt sich nur dann, wenn der Entscheid auch im
Ergebnis verfassungswidrig ist (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211; 131 I 217 E. 2.1
S. 219; 129 I 8 E. 2.1 S. 9; 128 I 177 E. 2.1 S. 182; 127 I 38 E. 2a S. 41 mit
Hinweisen).
2.3 Das Obergericht hielt mit Bezug auf die Position "Kleine Belagsarbeiten" in
Höhe von brutto Fr. 11'665.50 zunächst fest, die Behauptungen des
Beschwerdegegners zur Frage, ob es sich dabei um Arbeiten handle, die der
Randerschliessung dienten, seien wenig substantiiert, und er habe weder in der
Klage noch in der Replik dargelegt, um was für Arbeiten es sich im Detail
gehandelt habe. Es sei aber aufgrund der mit der Replik eingereichten Fotos
offensichtlich, dass die vorgenommenen Belagsarbeiten angesichts deren Grösse
nicht durch den "Anschluss des Kaufsobjekts an die Haupterschliessungsanlagen"
bedingt sein könnten, da ein solcher Anschluss notorischerweise keine derart
ausgedehnten bzw. grossflächigen Belagsarbeiten erfordere. Die Belagsarbeiten
müssten daher ihren Grund in der Randerschliessung haben. Mit Bezug auf die
Position "Bauarbeiten für Werkleitungen" hielt es fest, der Beschwerdegegner
habe es unterlassen, substantiiert darzulegen, worum es bei dieser Position
gegangen sei. Der Beschwerdegegner habe damit den Beweis nicht erbracht, dass
es sich bei den ausgeführten Arbeiten um Randerschliessungsarbeiten gehandelt
habe.
2.4 Das Obergericht hat die mit der Replik eingereichten Fotos hinsichtlich der
Beurteilung der Position "Kleine Belagsarbeiten" nur insoweit herangezogen, als
es damit die Breite des nachträglich neu erstellten Strassenbelags feststellte.
Dass die Belagsarbeiten ihren Grund in der Randerschliessung haben müssten,
begründete es ausschliesslich damit, es sei notorisch, dass ein Anschluss einer
Parzelle an die Haupterschliessungsanlage keine derart ausgedehnten bzw.
grossflächigen Belagsarbeiten erfordere. Diese Annahme ist offensichtlich
unhaltbar. Wie der Beschwerdeführer zu Recht darlegt, kommt es für die Frage,
wie weit eine bereits asphaltierte Strasse für die Verlegung der Leitung
aufgebrochen werden muss, die ab Hausanschluss bis zum Anschluss an die in der
Strasse verlegte gemeindeeigene Hauptversorgungsleitung notwendig ist, auf die
Gegebenheiten im Einzelfall an, da es keine "Normdistanz" zwischen
Hausanschluss und Anschluss an die Haupterschliessungsanlagen gibt. Es kann
damit in Bezug auf die Frage, wie weit die Strasse aufgebrochen werden muss,
von vorneherein eine allgemein bekannte Tatsache, wie sie das Obergericht
annimmt, nicht vorliegen.
2.5 Während das Obergericht mit Bezug auf die Position "Bauarbeiten für
Werkleitungen" den Beweis, dass es sich um Randerschliessungsarbeiten handelte,
mangels hinreichender Substantiierung nicht für erbracht hielt, hiess es die
Klage hinsichtlich der Position "Kleine Belagsarbeiten", deren Inhalt der
Beschwerdegegner ebenso wenig im Einzelnen dargelegt hat, gestützt auf eine
offensichtlich unhaltbare Annahme von Notorietät gut. Der Entscheid ist damit
auch im Ergebnis willkürlich. Die Rüge der Verletzung von Art. 9 BV ist
begründet.
3.
Heisst das Bundesgericht die Beschwerde gut, entscheidet es gemäss Art. 107
Abs. 2 BGG in der Sache selbst oder weist diese zu neuer Beurteilung an die
Vorinstanz zurück. Der Beschwerdegegner hat nicht substantiiert dargelegt, um
was für Arbeiten es unter der Position "Kleine Belagsarbeiten" im Detail ging,
obwohl es nach den Feststellungen des Obergerichts ein Leichtes gewesen wäre,
den Werkvertrag und die detaillierte Schlussabrechnung ins Recht zu legen. Nach
§ 321 Abs. 1 ZPO AG sind im Rahmen der Appellation neue Angriffs- und
Verteidigungsmittel nur zulässig, wenn eine Partei dartut, dass sie diese im
erstinstanzlichen Verfahren nicht mehr hat vorbringen können. Besteht -
entgegen der Annahme des Obergerichts - keine Notorietät hinsichtlich der
Breite der für den Anschluss an die Haupterschliessungsanlagen erforderlichen
Belagsarbeiten, bleibt unbewiesen, dass die Arbeiten der Randerschliessung
dienten. Es erübrigt sich damit, die Sache zu neuem Entscheid an die Vorinstanz
zurückzuweisen (BGE 133 III 507 E. 5.4 S. 510 f.). Die Klage des
Beschwerdegegners ist abzuweisen.
4.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde gutzuheissen und die Klage des
Beschwerdegegners abzuweisen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird der
Beschwerdegegner kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art.
68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Verfassungsbeschwerde wird gutgeheissen und die Klage des Beschwerdegegners
wird abgewiesen.
2.
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des kantonalen Verfahrens an die
Vorinstanz zurückgewiesen.
3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdegegner auferlegt.
4.
Der Beschwerdegegner hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.
5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Zivilgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. März 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Corboz Hürlimann