Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.94/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_94/2008 /len

Urteil vom 8. Mai 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Luczak.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Andreas Maeschi,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Jörg Zumstein.

Gegenstand
Haftung aus ärztlicher Tätigkeit,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer,
vom 26. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
B.________ (Beschwerdegegner) führte am 25. Februar 1993 bei A.________
(Beschwerdeführer) eine Nasenoperation durch (Entfernung von Polypen mittels
beidseitiger transnasaler Ethmoidektomie und Eröffnung des Sphenoides
[Keilbein] und der Kieferhöhlen). In der Folge beklagte sich der
Beschwerdeführer über den Verlust des Geruchs- und eine erhebliche
Einschränkung des Geschmackssinns. Eine vorgängige Aufklärung über das
Operationsrisiko des Verlusts des Geruchs- und Geschmackssinns ist nicht
erfolgt.

B.
Der Beschwerdeführer belangte den Beschwerdegegner am 21. Juli 2004 vor dem
Gerichtskreis Bern-Laupen auf Zahlung eines Fr. 8'000.-- übersteigenden
Betrages als Schadenersatz und Genugtuung wegen ärztlichen Fehlverhaltens. Die
Gerichtspräsidentin 2 des angerufenen Gerichts verpflichtete den
Beschwerdegegner am 20. März 2007, dem Beschwerdeführer Fr. 20'000.-- nebst
Zins als Genugtuung zu bezahlen. Soweit weitergehend wies sie die Klage ab. Auf
Appellation des Beschwerdegegners wies der Appellationshof des Kantons Bern die
Klage am 26. Oktober 2007 ab.

C.
Der Beschwerdeführer beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen,
das Urteil des Appellationshofs aufzuheben und die Klage gutzuheissen. Der
Beschwerdegegner schliesst auf kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit
darauf einzutreten ist.

Erwägungen:

1.
1.1 Das Bundesgericht überprüft von Amtes wegen und mit freier Kognition die
Zulässigkeit der ihm unterbreiteten Beschwerden (BGE 133 III 439 E. 2 S. 441,
462 E. 2 S. 465). Dass der Beschwerdegegner die Zulässigkeit der Beschwerde
anerkennt, ist nicht massgeblich.

1.2 Nach Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG ist die Beschwerde in vermögensrechtlichen
Angelegenheiten grundsätzlich nur zulässig, wenn der Streitwert Fr. 30'000.--
beträgt. Der Streitwert bestimmt sich bei Beschwerden gegen Endentscheide nach
den Begehren, die vor der Vorinstanz streitig geblieben waren (Art. 51 Abs. 1
lit. a BGG). Zinsen, Früchte, Gerichtskosten und Parteientschädigungen fallen
bei der Bestimmung des Streitwerts nicht in Betracht, sofern sie als
Nebenrechte geltend gemacht werden (Art. 51 Abs. 3 BGG).
1.2.1 Der Beschwerdeführer ist der Meinung, diese Streitwertgrenze werde
überschritten, denn er habe vor Vorinstanz die Gutheissung der Klage, der
Beschwerdegegner deren Abweisung beantragt. Demnach decke sich das
zweitinstanzliche Rechtsbegehren mit jenem vor erster Instanz, wo er im Rahmen
der Klagebegründung den materiellen Schaden mit Fr. 15'988.-- und die
Genugtuung auf Fr. 15'000.-- bis Fr. 20'000.-- beziffert habe. Die Vorinstanz
habe denn auch in der Rechtsmittelbelehrung auf die Beschwerde in Zivilsachen
beim Bundesgericht hingewiesen, wenngleich sie dabei in Verletzung von Art. 112
Abs. 1 lit. d BGG unterlassen habe, den Streitwert anzugeben.
1.2.2 Richtig ist, dass der Beschwerdeführer vor dem erstinstanzlichen Gericht
den in der Beschwerde genannten Betrag gefordert hat. Zugesprochen wurden ihm
jedoch lediglich Fr. 20'000.-- als Genugtuung, und einzig dieser Betrag lag -
richtig besehen - vor Vorinstanz noch im Streit: Der Beschwerdegegner verlangte
in seiner Appellation die gänzliche Abweisung der Klage und der
Beschwerdeführer die Bestätigung des angefochtenen Urteils und die Gutheissung
der Klage, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zu Lasten des
Beschwerdegegners, wie aus dem Urteil des Appellationshofs hervorgeht. Die
Vorinstanz hat indessen unter Hinweis auf die Lehre (Leuch/Marbach/Kellerhals/
Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern, 5. Auflage, N. 2.a zu
Art. 333) festgehalten, es gelte das Schlechterstellungsverbot, d.h. der
Beschwerdegegner dürfe mit dem Appellationsentscheid nicht schlechter gestellt
werden. Er riskiere schlimmstenfalls die Bestätigung des erstinstanzlichen
Urteils. Über die Zusprechung eines Fr. 20'000.-- übersteigenden Betrags war
demnach aus der Sicht der Vorinstanz von vornherein nicht zu entscheiden. Über
diese Erwägung verliert der Beschwerdeführer kein Wort. Die Rechtsauffassung
der Vorinstanz stimmt aber auch damit überein, dass nach dem einschlägigen
Prozessrecht von der Appellationserklärung nicht erfasste Rechtsbegehren
ausscheiden und in Rechtskraft erwachsen (Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi,
a.a.O., N. 2.a zu Art. 333). Prozessgegenstand ist alsdann nur noch die
Mehrforderung des Klägers, und demgemäss berechnet sich der Streitwert nur noch
nach dieser Mehrforderung (Guldener, Schweizerisches Zivilprozessrecht, 3.
Auflage, S. 111 f.).
1.2.3 Das vom Beschwerdeführer im Appellationsverfahren gestellte Begehren war
offensichtlich nicht geeignet, der Vorinstanz die Frage zu unterbreiten, ob dem
Beschwerdeführer ein Fr. 20'000.-- übersteigender Betrag zusteht, sondern
konnte bestenfalls zur Abweisung der Appellation führen. Wäre der
Beschwerdeführer nicht mit dem erstinstanzlichen Entscheid einverstanden
gewesen, hätte er selbst appellieren und den prozessualen Anforderungen
entsprechend an seinem ursprünglichen Klagebegehren festhalten müssen. Dass er
dies entgegen den Feststellungen im angefochtenen Entscheid getan hätte, macht
er nicht geltend. Damit hat er die Abweisung der Klage im Fr. 20'000.--
übersteigenden Betrag akzeptiert, und war dieser Betrag vor Vorinstanz nicht
mehr streitig. Der Streitwert liegt unter Fr. 30'000.--, weshalb die Beschwerde
in Zivilsachen nicht zur Verfügung steht.

1.3 Eine Konversion des Rechtsmittels in eine subsidiäre Verfassungsbeschwerde
(Art. 113 ff. BGG) kommt nicht in Frage, da der Beschwerdeführer keine
hinreichend begründeten Rügen der Verletzung verfassungsmässiger Rechte erhebt.

1.4 Daran ändert nichts, dass im Urteil der Vorinstanz die Beschwerde in
Zivilsachen als Rechtsmittel aufgeführt wird. Zwar dürfen den Parteien aus
einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung keine Nachteile erwachsen (Art. 49
BGG). Eine falsche Rechtsmittelbelehrung kann indessen keine
Rechtsmittelmöglichkeit schaffen, die es gemäss Gesetz gar nicht gibt (BGE 125
II 293 E. 1d S. 300, 113 Ib 212 E. 1 S. 213; Amstutz/Arnold, Basler Kommentar,
N. 11 zu Art. 49 BGG). Der unrichtigen Rechtsmittelbelehrung könnte daher nur
insoweit Bedeutung zukommen, als es der Beschwerdeführer im Vertrauen auf die
Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen unterlassen hätte, Rügen der
willkürlichen Anwendung von Bundesrecht zu erheben. Vertrauensschutz geniesst
aber nur, wer die Unrichtigkeit der Rechtsmittelbelehrung nicht kennt und sie
auch bei gebührender Aufmerksamkeit nicht hätte erkennen können. Rechtsuchende
geniessen keinen Vertrauensschutz, wenn der Mangel für sie bzw. ihren
Rechtsvertreter allein schon durch Konsultierung der massgeblichen
Verfahrensbestimmung ersichtlich ist. Dagegen wird nicht verlangt, dass neben
den Gesetzestexten auch noch die einschlägige Rechtsprechung oder Literatur
nachgeschlagen wird (zur Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichts
1C_451/2007 vom 17. März 2008, E. 1.3.1; BGE 127 II 198 E. 2c S. 205, je mit
Hinweisen). Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer hat zutreffend erkannt,
dass die Vorinstanz vorschriftswidrig eine Streitwertangabe unterlassen hat,
und er hat die Streitwertberechnung selbst vorgenommen. Bei gehöriger Sorgfalt
hätte ihm dabei der Hinweis der Vorinstanz auf das Schlechterstellungsverbot
auffallen müssen, so dass er den Streitwert ohne Weiteres korrekt hätte
berechnen und die Unzulässigkeit des ergriffenen Rechtsmittels erkennen können.

2.
Auf die Beschwerde in Zivilsachen kann aus den dargelegten Gründen nicht
eingetreten werden. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer
kosten- und entschädigungspflichtig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Appellationshof, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. Mai 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Luczak