Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.81/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_81/2008 /len

Urteil vom 14. März 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Luczak.

Parteien
Verein X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Ralph D. Braendli.

Gegenstand
Mieterausweisung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Bern, Appellationshof, 2. Zivilkammer,
vom 10. Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
Am 15. Dezember 2006 schloss die Y.________ (Beschwerdegegnerin) als
Vermieterin mit dem Verein X.________ (Beschwerdeführer) als Mieter einen
"Mietvertrag für die Zwischennutzung" von Räumlichkeiten in Bern zu einem
halbjährlichen Mietzins von Fr. 400.-- für die feste Dauer vom 1. Dezember 2006
bis zum 30. Juni 2007. Der Mietvertrag enthält folgenden fett gedruckten
Passus:
"Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es sich bei der Vermietung
eindeutig um eine Zwischennutzung bis zum Erhalt der Baubewilligung resp. Umbau
handelt. Der Vermieter verweist diesbezüglich auf den Art. 272a lit. d OR hin
(sic!): Die Erstreckung ist ausgeschlossen bei Kündigung eines Mietvertrages,
welcher im Hinblick auf einen (sic!) bevorstehendes Umbau- oder Abbruchvorhaben
ausdrücklich nur auf die beschränkte Zeit bis zum Erhalt der erforderlichen
Bewilligungen abgeschlossen wurde."

B.
Nachdem der Beschwerdeführer das Mietobjekt auf Ende der vereinbarten Dauer
nicht verlassen und hernach ergangenen Aufforderungen zur Rückgabe der
Mietsache keine Folge geleistet hatte, stellte die Beschwerdegegnerin am 2.
November 2007 ein Ausweisungsgesuch, welchem die Gerichtspräsidentin 2 des
Gerichtskreises VIII Bern-Laupen am 16. November 2007 entsprach, im
Wesentlichen in der Erwägung, es habe dem übereinstimmend geäusserten,
wirklichen Willen der Parteien entsprochen, dass das Mietverhältnis mit dem 30.
Juni 2007 enden sollte. Ausserdem verwarf die Gerichtspräsidentin die vom
Beschwerdeführer befürwortete Vertragsauslegung, wonach der 30. Juni 2007
lediglich eine Mindestdauer fixiere und sich der Mietvertrag ohne Kündigung
automatisch verlängere, denn bei einer fixen Minimaldauer werde in aller Regel
im Mietvertrag auf die Verlängerungsmodalitäten Bezug genommen und
festgehalten, mit welcher Frist und auf welchen Termin das Mietverhältnis nach
Ablauf der festen Mietdauer gekündigt werden könne. Im zu beurteilenden
Mietvertrag werde dagegen die Möglichkeit, den Mietvertrag zu erstrecken,
ausdrücklich ausgeschlossen.

C.
Auf "Appellation/Nichtigkeitsbeschwerde" des Beschwerdeführers hin erkannte das
Obergericht des Kantons Bern am 10. Januar 2008, auf die Appellation werde
nicht eingetreten und die Nichtigkeitsbeschwerde werde abgewiesen. Der
Beschwerdeführer wurde verpflichtet, das Mietobjekt innert sieben Tagen ab
Erhalt des Entscheides zu räumen und zu verlassen, unter Androhung der Folgen
von Art. 404 des Gesetzes über die Zivilprozessordnung vom 7. Juli 1918 (ZPO/
BE) an die Organe des Vereins. Für den Fall der Widersetzlichkeit des
Beschwerdeführers ordnete das Obergericht ferner an, dass das zuständige
Polizeiorgan die Ausweisung auf Antrag der Beschwerdegegnerin zu vollziehen
habe.

D.
Der Beschwerdeführer beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in Zivilsachen,
den Entscheid des Obergerichts aufzuheben und das Exmissionsgesuch abzuweisen,
eventuell die Sache an die Vorinstanz zwecks Neubeurteilung zurückzuweisen. Die
Beschwerdegegnerin schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
eingetreten werden kann.

Erwägungen:

1.
Nach dem angefochtenen Urteil liegt der Streitwert unter Fr. 8'000.--, bemessen
nach dem Bruttoentgelt, das für die im Streit liegende Periode geschuldet wäre.
Behaupte der Vermieter, der Mieter verfüge über keinen Rechtstitel mehr, könne
er jederzeit die Exmission verlangen. In derartigen Fällen bilde der
hypothetisch geschuldete bzw. marktübliche Mietzins für den im Normalfall zur
speditiven Durchführung des Exmissionsverfahrens erforderlichen Zeitraum von
zwei Monaten den Streitwert. Da der jährliche Mietzins Fr. 800.-- betrage,
werde der für die Appellation erforderliche Streitwert von Fr. 8'000.-- (Art.
335 Abs. 1 ZPO/BE) bei Weitem nicht erreicht. Wollte man den Streitwert nach
dem Erstreckungsbegehren des Mieters bestimmen, läge die maximale
Erstreckungsdauer bei sechs Jahren, was einen Streitwert von Fr. 4'800.--
ergäbe. Eine Kapitalisierung, wie sie Art. 138 Abs. 2 ZPO/BE vorsehe, komme bei
Mietverträgen lediglich bei Geltendmachung eines lebenslänglichen Wohnrechts
zur Anwendung. Im Übrigen sei sie auf gänzlich andere Verhältnisse gemünzt
(Leuch/Marbach/Kellerhals/Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton Bern,
5. Auflage, N. 3b und 4 zu Art. 138 ZPO/BE).

1.1 Mit dieser Berechnung des Streitwerts verletzt die Vorinstanz nach
Auffassung des Beschwerdeführers "klares Recht", nämlich Art. 138 ZPO/BE.

1.2 Nach Art. 138 Abs. 1 ZPO/BE ist der Wert des Streitgegenstandes im
Grundsatz nach dem zu bestimmen, was der Kläger in seinem Klagebegehren
fordert. Inwiefern es vor diesem Hintergrund unhaltbar sein soll, für die
Berechnung des Streitwerts auf die klägerische Behauptung des Fehlens eines
Rechtstitels für den Besitz an der Mietsache und die für die Durchsetzung des
behaupteten Anspruchs notwendige Zeitspanne, bzw. das dafür geschuldete Entgelt
abzustellen, geht aus den Vorbringen des Beschwerdeführers nicht hervor. Aus
der Lehrmeinung, auf die sich der Beschwerdeführer beruft, kann er nichts zu
seinen Gunsten ableiten. Danach bemisst sich der Streitwert bei einem Streit um
den Bestand eines Miet- und Pachtvertrages oder die Ausweisung eines Mieters
nach dem auf die umstrittene Vertragsdauer entfallenden Miet- oder Pachtzins
(Leuch/Marbach/Kellerhals/ Sterchi, Die Zivilprozessordnung für den Kanton
Bern, 5. Auflage, N. 3b zu Art. 138 ZPO/BE mit Hinweisen). Im Ergebnis
willkürlich könnte die Annahme eines Streitwerts von unter Fr. 8'000.-- bei
einem jährlichen Mietzins von Fr. 800.-- danach nur sein, wenn die umstrittene
Vertragsdauer mindestens 10 Jahre beträgt. Der Beschwerdeführer selbst
behauptet, die Vermietung hätte so lange dauern sollen, bis auf dem Areal
Vorbereitungs- bzw. Bauarbeiten ausgeführt werden könnten. Woraus zu schliessen
sein soll, dass dieser Zeitpunkt bei Einreichung der Klage mehr als 10 Jahre
entfernt sein soll, legt der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht
ersichtlich. Insgesamt genügt der Beschwerdeführer seiner Begründungspflicht,
die im Rahmen der Rüge der Verletzung verfassungsmässiger Rechte durch die
Anwendung kantonalen Rechts zu beachten ist (Art. 106 Abs. 2 BGG), nicht,
weshalb auf seine Rüge nicht einzutreten ist. Somit bleibt es dabei, dass der
Streitwert vorliegend Fr. 8'000.-- nicht erreicht. Dass die Vorinstanz
diesfalls sein Rechtsmittel zu Recht als Nichtigkeitsklage entgegennahm, stellt
der Beschwerdeführer nicht in Abrede.

1.3 Aber auch mit Bezug auf die Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen ist
nach dem Gesagten davon auszugehen, das der Streitwert von Fr. 15'000.-- (Art.
74 Abs. 1 lit. a BGG) nicht erreicht wird, weshalb dieses Rechtsmittel
grundsätzlich nicht offen steht. Der Beschwerdeführer macht aber geltend, es
stelle sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, so dass die
Beschwerde in Zivilsachen dennoch zulässig sei (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG).

1.4 Der Begriff der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Art.
74 Abs. 2 lit. a BGG ist sehr restriktiv auszulegen, wobei auf die in der
Botschaft enthaltene Umschreibung nicht abgestellt werden kann, da diese die
Möglichkeit, subsidiäre Verfassungsbeschwerde zu ergreifen, nicht
berücksichtigte. Soweit es bei der aufgeworfenen Frage lediglich um die
Anwendung von Grundsätzen der Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht,
handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (BGE
133 III 493 E. 1 S. 494 ff. mit Hinweisen). Nach ihrem Wortlaut ("wenn sich
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt") kann die Bestimmung nur
greifen, wenn die Beantwortung der vorgelegten Rechtsfrage im betreffenden
Verfahren unerlässlich ist, wenn also das Bundesgericht den Rechtsstreit ohne
deren Beantwortung nicht beurteilen könnte, denn an der abstrakten Erörterung
einer Rechtsfrage besteht kein Rechtsschutzinteresse.

1.5 Die Vorinstanz erkannte, der Exmissionsrichter sei im gegebenen Fall für
die Beurteilung der Erstreckung nicht zuständig und trat auf das entsprechende
Begehren nicht ein. Nach Auffassung der Vorinstanz bildet die Auslegung des von
den Parteien abgeschlossenen "Mietvertrages für Zwischennutzung" den zentralen
Streitpunkt. Der Beschwerdeführer ist der Auffassung, es stelle sich in diesem
Zusammenhang folgende Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung: Darf bei
befristeten Mietverträgen, die als Endpunkt ein fixes Datum aufführen, die
Erstreckungsmöglichkeit nach Art. 272a Abs. 1 lit. d OR ausgeschlossen werden
oder privilegiert dieser Artikel nur Mietverträge, die als Endpunkt entweder
Baubeginn oder Erhalt der erforderlichen Baubewilligung wählen?

1.6 Die Vorinstanz hat nur beurteilt, ob der Mietvertrag bis zum 30. Juni 2007
befristet war oder bis zu Beginn der Bauarbeiten beziehungsweise der
entsprechenden Vorbereitungsarbeiten. Sie hat diesbezüglich aus den Umständen
des Vertragsschlusses und dem nachträglichen Parteiverhalten auf den
tatsächlichen Willen der Parteien geschlossen. Die Beweiswürdigung im konkreten
Einzelfall wirft keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Auf das
Erstreckungsbegehren ist die Vorinstanz gar nicht eingetreten. Unter diesen
Umständen kommt der Frage, ob der vertraglich vorgesehene Ausschluss der
Erstreckung zulässig ist, keine Bedeutung zu.

1.7 Damit erweist sich die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage als
für den Ausgang des Verfahrens unerheblich, weshalb sich Erörterungen zu deren
Grundsätzlichkeit erübrigen (vgl. immerhin BGE 121 III 260; 105 II 197). Die
Beschwerde in Zivilsachen ist nicht zulässig. Eine Entgegennahme der Beschwerde
als subsidiäre Verfassungsbeschwerde kommt mangels hinreichend begründeter
Rügen der Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 116 BGG) nicht in Frage.

2.
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde nicht einzutreten. Mit dem heutigen
Entscheid wird das mit der Beschwerde gestellte Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos. Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der Beschwerdeführer
kosten- und entschädigungspflichtig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Bern,
Appellationshof, 2. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 14. März 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Luczak