Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.71/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_71/2008 /len

Urteil vom 5. Mai 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
Gerichtsschreiber Widmer.

Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Marc Séquin,

gegen

A.B.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Werkvertrag, Bereicherung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Handelsgerichts des Kantons St. Gallen vom
25. Juni 2007.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ AG (Beschwerdeführerin) forderte von A.B.________
(Beschwerdegegner) mit Klage vom 6. Dezember 2006 beim Handelsgericht des
Kantons St. Gallen die Rückzahlung eines von ihr doppelt bezahlten Betrages von
insgesamt Fr. 77'449.95 bzw. Schadenersatz in entsprechender Höhe. Sie legte
ihrer Klage, soweit hier von Bedeutung, folgende Sachverhaltsdarstellung
zugrunde:
Die Beschwerdeführerin habe mit dem Beschwerdegegner am 12./17. Mai 2004 einen
Werkvertrag über die Sanierung der Wohnüberbauung C.________ abgeschlossen. Der
Beschwerdegegner habe sich darin als Unternehmer verpflichtet, verschiedene
Arbeiten zu einem Pauschalpreis von Fr. 238'631.15 auszuführen, zum Teil unter
Beizug von Unterakkordanten. Im Vertrag sei vereinbart worden, dass die
Abrechnungen mit den Unterakkordanten ausschliesslich mit der Bauleitung, d.h.
über den Beschwerdegegner zu erfolgen hätten. Zudem habe sich der
Beschwerdegegner verpflichtet, für sämtliche Forderungen der Unterakkordanten
aufzukommen.
Der Beschwerdegegner habe für seine Leistungen mit Rechnungen vom 31. März 2004
und vom 6. Juni 2004 Fr. 238'631.-- sowie mit zwei weiteren Rechnungen vom 24.
Juli 2004 für Zusatzarbeiten Fr. 57'798.75 gefordert. Diese Rechnungen seien
von der Beschwerdeführerin beglichen worden.
Obwohl sich der Beschwerdegegner vertraglich verpflichtet habe, für sämtliche
Forderungen der Unterakkordanten aufzukommen, habe die Y.B.________ AG der
Beschwerdeführerin für Leistungen als Unterakkordantin im Auftrag des
Beschwerdegegners über einen Gesamtbetrag von Fr. 73'990.70 direkt Rechnung
gestellt: nämlich die Rechnung Nr. 1298 vom 26. Februar 2004 im Betrag von Fr.
30'364.70, die Rechnung Nr. 1455 vom 26. Februar 2004 (recte: 23. Juli 2004) im
Betrag von Fr. 36'137.05 und die Rechnung Nr. 1490 vom 9. Juli 2004 im Betrag
von Fr. 7'488.95. Die Beschwerdeführerin habe sämtliche Rechnungen der
Y.B.________ AG bezahlt, wobei mit Bezug auf die Rechnung Nr. 1490 eine
Bestätigung der Y.B.________ AG vorliege, dass der Beschwerdegegner ihr den
entsprechenden Betrag von Fr. 7'488.95 ebenfalls bezahlt habe, worauf sie ihm
diesen Betrag umgehend rückerstattet habe.
Weiter machte die Beschwerdeführerin geltend, alle ihr von der Y.B.________ AG
in Rechnung gestellten Arbeiten seien bereits in den Rechnungen enthalten, die
der Beschwerdegegner ihr gestellt habe. Aufgrund der Tatsache, dass ihr die
Unterakkordantin deren Arbeiten direkt in Rechnung gestellt habe, sei davon
auszugehen, dass der Beschwerdegegner seiner vertraglichen Verpflichtung, für
die Forderungen der Subunternehmer aufzukommen, nicht nachgekommen sei und dass
er seinerseits der Subunternehmerin Y.B.________ AG dieses Vorgehen nahegelegt
habe, um nicht selber für deren Forderungen aufkommen zu müssen bzw. um eine
Doppelzahlung zu bewirken.

B.
Das Handelsgericht wies die Klage am 25. Juni 2007 ab. Es kam zum Schluss, die
Beschwerdeführerin habe keine Pflichtverletzung des Beschwerdegegners im
Zusammenhang mit der Abrechnung der werkvertraglichen Leistungen zwischen den
Parteien zu beweisen vermocht. Im Übrigen sei es der Beschwerdeführerin auch
verwehrt, die doppelt bezahlten Beträge nachträglich direkt beim
Beschwerdegegner zurückzufordern, weil ihre Bezahlung an diesen rechtlich nicht
die Bezahlung einer Nichtschuld im Sinne von Art. 63 OR gewesen sei, sondern
die Bezahlung des vertraglich geschuldeten Werklohns.
Eine von der Beschwerdeführerin gegen dieses Urteil eingereichte kantonale
Nichtigkeitsbeschwerde wies das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen am 19.
Dezember 2007 ab, soweit es darauf eintrat.

C.
Die Beschwerdeführerin erhob gegen das Urteil des Handelsgerichts vom 25. Juni
2007 im Anschluss an das Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde auch Beschwerde
in Zivilsachen. Sie beantragt, es sei das angefochtene Urteil aufzuheben und
der Beschwerdegegner zu verpflichten, ihr den Betrag von Fr. 73'990.70
zuzüglich Zins zu 5 % seit 1. Juni 2005 zu bezahlen. Ferner sei der
Rechtsvorschlag in der Betreibung gegen den Beschwerdegegner aufzuheben.
Eventuell sei die Streitsache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Das Handelsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet. Das
Kassationsgericht und der Beschwerdegegner haben sich zur Beschwerde nicht
vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.
Die Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde in Zivilsachen gegen das Urteil
des Handelsgerichts vom 25. Juni 2007 sind erfüllt, namentlich wurde die
Beschwerde nach den Bestimmungen von Art. 100 Abs. 1 und 6 BGG fristgerecht
erhoben. Die Beschwerde ist insoweit zulässig.

2.
Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhalts kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist oder
auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich"
(BGE 133 II 249 E. 1.2.2).
Nachdem die gegen die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gerichtete
Nichtigkeitsbeschwerde der Beschwerdeführerin an das Kassationsgericht
erfolglos blieb und die Beschwerdeführerin das Urteil des Kassationsgerichts
vorliegend nicht angefochten hat, anerkennt diese den Sachverhalt, wie ihn die
Vorinstanz feststellte, als massgeblich. Sie erhebt keine Sachverhaltsrügen
nach Art. 97 BGG, die es dem Bundesgericht gegebenenfalls erlauben würden, den
vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt zu berichtigen oder zu ergänzen,
namentlich auch keine, die mit solchen Bundesrechtsverletzungen bei der
Sachverhaltsfeststellung begründet würden, die das Kassationsgericht nicht
prüfen konnte, und daher gegen den vorinstanzlichen Entscheid als insoweit
kantonal letztinstanzliches Urteil (Art. 75 Abs. 1 BGG) zulässig wären. Dennoch
stellt sie ihren rechtlichen Vorbringen eine ausführliche eigene
Sachverhaltsdarstellung voran, in der sie - wie auch in ihrer weiteren
Beschwerdebegründung - in verschiedenen Punkten von den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz abweicht oder diese erweitert. So beispielsweise,
wenn sie vorbringt, die Y.B.________ AG habe ihr (alle) ihre Leistungen direkt
in Rechnung gestellt, der Beschwerdegegner habe die Y.B.________ AG für ihre
Arbeiten (vollumfänglich) nicht entschädigt und sie habe die Y.B.________ AG
bezahlt, um einen Baustopp und/oder die Eintragung eines
Bauhandwerkerpfandrechts zu vermeiden.
Soweit die Beschwerdeführerin ihre Vorbringen auf tatsächliche Elemente stützt,
die von der Vorinstanz nicht festgestellt wurden, kann darauf nicht eingetreten
werden.

3.
Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe Art. 97 OR verletzt, indem sie
auf die angeblich nachgewiesene Tatsache hin, dass der Beschwerdegegner in
vertragswidriger Weise die Subunternehmerin Y.B.________ AG nicht bezahlt habe,
nicht auf Schadenersatz erkannt habe.
Auf diese Rüge ist nicht einzutreten, da sie auf einer behaupteten Tatsache
beruht, die im verbindlich festgestellten Sachverhalt im angefochtenen Urteil
nicht enthalten ist. Die Vorinstanz hat hinsichtlich der fraglichen drei
Rechnungen Nrn. 1298, 1455 und 1490 nicht festgestellt, dass der
Beschwerdegegner die Y.B.________ AG nicht bezahlt hätte. Sie hat vielmehr
festgehalten, es sei nicht dargetan, dass die Y.B.________ AG die
Beschwerdeführerin in Verzug gesetzt hätte oder der Beschwerdegegner sich
geweigert hätte, die Rechnungen zu bezahlen. Hinsichtlich der Rechnung Nr. 1490
hat sie gar festgestellt, der Beschwerdegegner habe diese Rechnung der
Y.B.________ AG ebenfalls bezahlt, diese habe ihm den Betrag aber wieder
zurückerstattet, nachdem sie denselben Betrag auch von der Beschwerdeführerin
bezahlt erhalten hatte.
Dementsprechend prüfte die Vorinstanz hinsichtlich der Rechnungen Nrn. 1298,
1455 und 1490 bloss, ob dem Beschwerdegegner die Verletzung einer vertraglichen
Verpflichtung vorzuwerfen ist, weil diese Rechnungen an die Beschwerdeführerin
gelangten, worauf sie diese bezahlte. Sie verneinte indes das Vorliegen einer
entsprechenden Pflichtverletzung bzw. (hinsichtlich Rechnungen Nr. 1455 und
1490) jedenfalls deren Kausalität für den geltend gemachten Schaden und stellte
fest, die Doppelzahlungen der Beschwerdeführerin seien vielmehr auf deren
Unachtsamkeit zurückzuführen. Auf die entsprechenden Erwägungen geht die
Beschwerdeführerin nicht ein.

4.
Die Beschwerdeführerin macht sodann geltend, die Vorinstanz habe Bundesrecht,
insbesondere die Art. 62 ff. OR verletzt, indem sie einen Bereicherungsanspruch
mit der Begründung abgelehnt habe, die Zahlungen der Beschwerdeführerin an den
Beschwerdegegner stellten nicht die irrtümliche Zahlung einer Nichtschuld,
sondern die Bezahlung von Werklohn dar.
Auch auf diese Rüge kann nicht eingetreten werden, da die Beschwerdeführerin
ihr im Wesentlichen tatsächliche Elemente zugrunde legt, die im angefochtenen
Urteil keine Stütze finden:
So macht sie geltend, der Werklohn habe sich um den Betrag von Fr. 73'990.70
reduziert, da sie nach dem Vertrag zur direkten Zahlung an die Y.B.________ AG
berechtigt gewesen sei, zumal sie diese Subunternehmerin bezahlt habe, um nicht
unter den Druck eines Bauhandwerkerpfandrechts und eines drohenden Baustopps zu
gelangen, nachdem der Beschwerdegegner seine werkvertraglich geschuldete
Leistung eigenmächtig reduziert habe.
Die Vorinstanz hat indessen gegenteils festgestellt, dass nach dem Werkvertrag
die "Zahlungen der Bauherrschaft nur auf Anweisung der Bauleitung" erfolgten,
die Beschwerdeführerin mithin nicht zur direkten Zahlung der Subunternehmer
befugt war bzw. solche dem Beschwerdegegner grundsätzlich nicht entgegenhalten
kann. Auch die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie habe die Y.B.________ AG
zur Vermeidung eines Bauhandwerkerpfandrechts oder eines Baustopps bezahlt,
findet in den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz keine Stütze, zumal
die Vorinstanz festgehalten hat, es sei hinsichtlich der Rechnungen Nrn. 1298,
1455 und 1490 nicht dargetan, dass die Y.B.________ AG die Beschwerdeführerin
in Verzug gesetzt hätte. Keine Stütze im angefochtenen Urteil findet sodann die
Behauptung, der Beschwerdegegner habe seine vertraglichen Leistungen
eigenmächtig reduziert, womit die Beschwerdeführerin offenbar geltend machen
will, er habe die Y.B.________ AG nicht bezahlt (vgl. die vorstehende Erwägung
3).
Inwiefern die Vorinstanz Bundesrecht verletzt haben soll, wenn sie aufgrund des
von ihr festgestellten Sachverhalts nicht auf eine Reduktion des Werklohnes und
auf Bezahlung einer Nichtschuld schloss, tut die Beschwerdeführerin nicht dar.
Es erübrigt sich damit auch auf deren Vorbringen einzugehen, wonach ihre
Zahlung irrtümlich erfolgt sei.

5.
Die Beschwerdeführerin hält weiter dafür, der Beschwerdegegner sei nach Art. 62
OR auch unabhängig von der Irrtümlichkeit und der Unfreiwilligkeit der Zahlung
an ihn zur Rückerstattung des Betrages von Fr. 73'990.70 zu verpflichten.

5.1 Sie stützt diese Auffassung wiederum auf die Behauptung, der
Beschwerdegegner habe die Y.B.________ AG nicht bezahlt. Da dem angefochtenen
Urteil keine entsprechende Feststellung zu entnehmen ist (Erwägung 3 vorne),
fehlt es indessen von vornherein an der tatsächlichen Grundlage, um vorliegend
auf den geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Anspruch infolge der
behaupteten Bereicherung des Beschwerdegegners schliessen zu können. Auf den
entsprechenden Rechtsstandpunkt der Beschwerdeführerin ist daher nicht weiter
einzugehen.

5.2 Immerhin hat die Vorinstanz hinsichtlich der Rechnung Nr. 1490
festgestellt, dass der betreffende Betrag von Fr. 7'488.95 vom Beschwerdegegner
an die Y.B.________ AG bezahlt, ihm von dieser aber wieder zurückerstattet
wurde, nachdem sie denselben Betrag auch von der Beschwerdeführerin bezahlt
erhalten hatte (Erwägung 3 vorne).
Dass die Vorinstanz aus diesem Umstand nach Art. 62 OR hätte ableiten müssen,
dass der Beschwerdeführerin ein Bereicherungsanspruch gegen den
Beschwerdegegner zusteht, macht die Beschwerdeführerin nicht geltend und ist
daher nicht zu prüfen; ein entsprechender Anspruch ist jedenfalls nicht
offensichtlich (Art. 42 Abs. 2 BGG; vgl. BGE 133 II 249 E. 1.4.1).

6.
Auf die Beschwerde kann somit nicht eingetreten werden. Bei diesem
Verfahrensausgang wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1
BGG). Der Beschwerdegegner hat keinen Anspruch auf eine Parteientschädigung, da
ihm aus dem bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand entstanden ist (Art. 68
Abs. 1 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Handelsgericht des Kantons St. Gallen und
dem Kassationsgericht des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 5. Mai 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Widmer