Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.69/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_69/2008 /len

Urteil vom 28. März 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Mazan.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Beat Hess,

gegen

B.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Studer.

Gegenstand
Deponievertrag,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Luzern, I. Kammer als
Appellationsinstanz,
vom 5. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
Am 31. Juli 1992 schlossen A.________ (Beschwerdeführer) und die C.D.________
AG einen Deponievertrag ab zur Auffüllung der im Grenzgebiet zwischen den
Parzellen Nr. 291 (Eigentum des Beschwerdeführers) und Nr. 315 (Eigentum der
Einwohnergemeinde X.________) liegenden Kiesgrube "F.________". Am 28. August
1995 trat anstelle der C.D.________ AG die C.E.________ AG und am 19. Januar
1999 an deren Stelle G.________ in diesen Deponievertrag ein. G.________
verstarb am 2. Oktober 2004, weshalb aufgrund der Universalsukzession
B.________ (Beschwerdegegnerin) Vertragspartnerin wurde.
Am 16. Dezember 1996 erteilte der Gemeinderat der Gemeinde X.________ der
C.E.________ AG die Baubewilligung für die Aufschüttung der Kiesgrube
"F.________". Auf Verlangen der Gemeinde X.________ berechnete das
Ingenieurbüro H.________ am 3. März 1997 für die Parzelle Nr. 291 ein
Auffüllvolumen von 205'811 m³. Am 5. Juni 1997 begann die C.E.________ AG mit
der Auffüllung der Kiesgrube. Am 18. März 1999, ergänzt am 30. September 1999,
übertrug G.________ der J.________ AG das Recht, die Kiesgrube "F.________" mit
zulässigem Material aufzufüllen (Ziff. 1). Im Gegenzuge verpflichtete sich die
J.________ AG, G.________ pro m³ loses Auffüllmaterial zu entschädigen (Ziff.
2).
Ab 2001 kam es auf den Nachbargrundstücken Nr. 292 (Eigentum von K.________)
und Nr. 234 (Eigentum von L.________) bei starken Regenfällen zu
Überschwemmungen. In der Folge reichte die J.________ AG im August 2001 ein
Gesuch um Geländeanpassung "F.________" ein, mit dem Antrag, auf der Parzelle
Nr. 291 (im Eigentum des Beschwerdeführers) 6'700 m³ und auf der Parzelle Nr.
292 (im Eigentum von K.________) 18'900 m³ aufzuschütten. Am 27. August 2001
schlossen der Beschwerdeführer und die J.________ AG eine Vereinbarung, gemäss
welcher sich die J.________ AG verpflichtete, dem Beschwerdeführer für die
Aufschüttung von 6'700 m³ eine Pauschalentschädigung von Fr. 33'500.-- zu
bezahlen. Im November 2002 reichte die J.________ AG ein neues Gesuch um
Erweiterung der Deponie "F.________" ein, welches das Gesuch vom August 2001
ersetzte. Mit Entscheid vom 14. Januar 2004 bewilligte der Gemeinderat der
Gemeinde X.________ Zusatzaufschüttungen auf der Parzelle Nr. 291 (im Eigentum
des Beschwerdeführers) und weiteren Parzellen im Umfang von rund 57'000 m³. Im
Jahr 2005 schloss die J.________ AG die Rekultivierung der Deponie ab. Auf
Gesuch des Beschwerdeführers vom 11. Juli 2007 bewilligte der Gemeinderat der
Gemeinde X.________ am 22. August 2007 nachträglich die Höheraufschüttung im
Bereich des ursprünglichen Deponieperimeters von 80'500 m³.

B.
Infolge dieser Mehraufschüttung verlangte der Beschwerdeführer mit Klage vom
23. Januar 2006 von der Beschwerdegegnerin die Bezahlung von Fr. 481'840.--.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Klageabweisung. Mit Urteil vom 1. Juni
2007 wies das Amtsgericht Luzern-Stadt die Klage ab.
Das Obergericht des Kantons Luzern trat auf die gegen das Urteil des
Amtsgerichts erhobene Appellation mit Urteil vom 5. Dezember 2007 nicht ein.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 7. Februar 2008 beantragt der
Beschwerdeführer dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts des Kantons
Luzern vom 5. Dezember 2007 sei aufzuheben und die Beschwerdegegnerin sei zur
Bezahlung von Fr. 365'321.35 zuzüglich Zins zu verpflichten; eventualiter sei
das Verfahren zur Beweisabnahme und zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin und das Obergericht des Kantons Luzern beantragen die
Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
1.1 Das Amtsgericht Luzern hielt in seinem Urteil vom 1. Juni 2007 im
Wesentlichen fest, gemäss dem zwischen dem Beschwerdeführer und der
C.D.________ AG (Rechtsvorgängerin der Beschwerdegegnerin) abgeschlossenen
Deponievertrag sei eine Pauschaldeponiegebühr vereinbart worden. In Auslegung
des Vertrages nach dem Vertrauensprinzip kam das Amtsgericht zum Schluss, dass
diese Pauschale aufgrund des Auffüllvolumens gemäss dem bewilligten - und nicht
gemäss dem ausgeführten - Projekt zu berechnen sei. Die Schätzung des
Grundbuchgeometers für das bewilligte Projekt habe ein Auffüllvolumen von
205'811 m³ ergeben. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers berechne sich
die Entschädigung nicht anhand des tatsächlich eingebrachten Volumens, sondern
aufgrund des bewilligten Projekts, welchem ein geschätztes Volumen von 205'811
m³ zu Grunde liege.

1.2 Im kantonalen Appellationsverfahren akzeptierte der Beschwerdeführer die
Auffassung des Amtsgerichts, wonach für die Berechnung der Entschädigung nicht
das tatsächlich eingebrachte, sondern das bewilligte Volumen von 205'811 m³
massgebend ist. Hingegen machte er neu geltend, aufgrund einer nachträglichen
Projektausweitung sei zusätzliches Auffüllvolumen in die ehemalige Kiesgrube
"F.________" eingebracht worden. Gemäss dem nachträglich bewilligten Bauprojekt
habe der zuständige Grundbuchgeometer das mögliche Auffüllvolumen auf insgesamt
287'000 m³ festgesetzt. Nach Abzug der in einem früheren Projekt bewilligten
Mehrmenge von 7'430 m³, welche die J.________ AG direkt vergütet habe,
verbleibe noch ein bewilligtes Auffüllvolumen von 279'570 m³, welches die
Beschwerdegegnerin (als Rechtsnachfolgerin der C.D.________ AG) dem
Beschwerdeführer unter Berücksichtigung der bereits geleisteten Entschädigung
zu vergüten habe.
Dagegen wendete die Beschwerdegegnerin im kantonalen Appellationsverfahren in
erster Linie ein, dass sie mit der nachträglichen Projektausweitung, aufgrund
welcher zusätzliches Auffüllvolumen in die Kiesgrube "F.________" deponiert
worden sei, nichts zu tun habe, und dass diese Projektausweitung auch in keinem
Zusammenhang zum ursprünglichen Deponievertrag zwischen den Prozessparteien vom
31. Juli 1992 stehe. Die Beschwerdegegnerin sei an dieser nachträglichen
Projektausweitung in keiner Weise beteiligt gewesen und habe von der J.________
AG für das zusätzlich aufgeschüttete Volumen auch keine Entschädigung erhalten.
Beide Parteien verzichteten auf die Durchführung einer Appellationsverhandlung
mit Replik bzw. Duplik.

1.3 Das Obergericht des Kantons Luzern führte im angefochtenen Urteil im
Hauptstandpunkt aus, dass auf die Appellation nicht einzutreten sei, weil sich
der Beschwerdeführer nicht mit dem erstinstanzlichen Urteil auseinandersetze.
Im Sinn einer Alternativbegründung hielt das Obergericht sodann fest, dass die
Appellation abzuweisen wäre, selbst wenn die Appellation als rechtsgenüglich
angesehen werden müsste. Dazu führte das Obergericht im Wesentlichen aus, dass
für die Berechnung der Pauschalentschädigung das bewilligte Auffüllvolumen von
205'811 m³ - und nicht das effektiv eingebrachte Volumen - massgebend sei.
Hinsichtlich der Mehraufschüttungen, die im Rahmen der Projektausweitung
eingebracht worden seien, bestreite die Beschwerdegegnerin zu Recht, diese
vorgenommen zu haben und dem Beschwerdeführer dafür etwas zu schulden. Aus den
Akten ergebe sich, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der
Mehraufschüttungen mit der J.________ AG neue Deponieverträge abgeschlossen
habe. Bereits im August 2001 habe die J.________ AG eine zusätzliche
Aufschüttung von 6'700 m³ vorgenommen und den Beschwerdeführer dafür mit
pauschal Fr. 33'500.-- entschädigt. Wäre diese Mehraufschüttung unter den
Deponievertrag mit der Beschwerdegegnerin gefallen, hätte diese (die
Beschwerdegegnerin) mit der J.________ AG eine entsprechende Vereinbarung
schliessen müssen, da ihr (der Beschwerdegegnerin) das alleinige Recht zur
Auffüllung der Deponie zugestanden habe. Auch die weiteren Baugesuche für die
zusätzlichen Aufschüttungen seien von der J.________ AG eingereicht worden.
Wären sie unter den strittigen Deponievertrag gefallen, hätte die
Beschwerdegegnerin diese Baubewilligungen beantragen müssen.

2.
Wenn das angefochtene Urteil auf mehreren selbständigen Begründungen beruht,
die je für sich den Ausgang des Rechtsstreits besiegeln, muss der
Beschwerdeführer darlegen, dass jede von ihnen Recht verletzt (BGE 133 IV 119
mit Hinweisen auf die Rechtsprechung zum OG). Wenn eine der alternativen
Begründungen einer Überprüfung im Beschwerdeverfahren stand hält, erübrigt es
sich, auf die Beanstandungen einzugehen, welche gegen die andere Begründung
vorgebracht werden.

2.1 Der Beschwerdeführer kritisiert sowohl den von der Vorinstanz im
Hauptstandpunkt gefällten Nichteintretensentscheid als auch den im
Eventualstandpunkt gefällten Abweisungsentscheid. Im Folgenden rechtfertigt es
sich, zunächst die Frage zu prüfen, ob das Obergericht zu Recht zum Ergebnis
gelangte, dass die Appellation jedenfalls - mit der oben erwähnten Begründung
(E. 1.3) - abzuweisen wäre, wenn sie rechtsgenügend erhoben worden wäre.
2.2
2.2.1 Das Obergericht hat zutreffend und unangefochten festgehalten, dass im
Rahmen des ursprünglichen Deponievertrags vom 31. Juli 1992 für das
eingebrachte Auffüllvolumen eine Pauschalentschädigung berechnet auf dem
bewilligten Volumen vereinbart war (Ziff. 7 Abs. 2 des Deponievertrages).
Dieses bewilligte Volumen wurde vom zuständigen Geometer auf 205'881 m³
festgesetzt. Unbestritten wurde der Beschwerdeführer für dieses bewilligte
Auffüllvolumen von der Beschwerdegegnerin bereits vollständig entschädigt. Das
im Rahmen des ursprünglichen Projektes eingebrachte effektive Auffüllvolumen
ist für die Berechnung der Entschädigung irrelevant, weil ausschliesslich das
bewilligte Volumen von 205'881 m³ massgebend ist.
2.2.2 Eine Grundlage für eine zusätzliche Entschädigung sieht der
Beschwerdeführer jedoch darin, dass im Rahmen eines Erweiterungsprojektes
zusätzliches Auffüllvolumen in die ehemalige Kiesgrube "F.________" eingebracht
worden sei. Dieser Auffassung hielt die Beschwerdegegnerin in der
Appellationsantwort, wie ausführlich erläutert, entgegen, dass sie mit der
nachträglichen Projektausweitung nichts zu tun habe. Sie sei an dieser
nachträglichen Projektausweitung in keiner Weise beteiligt gewesen und habe von
der J.________ AG für das zusätzlich aufgeschüttete Volumen auch keine
Entschädigung erhalten. Diese Darstellung blieb im kantonalen
Appellationsverfahren unbestritten, nachdem beide Parteien auf die Durchführung
einer Appellationsverhandlung verzichtet hatten. Die Behauptung der
Beschwerdegegnerin wird durch die Vereinbarung zwischen dem Beschwerdeführer
und der J.________ AG vom 27. August 2001 gestützt, gemäss welcher sich die
J.________ AG verpflichtete, dem Beschwerdeführer als Entschädigung für die
Berechtigung, ein (zusätzliches) Schüttvolumen von 6'700 m³ einzubringen, den
Pauschalbetrag von Fr. 33'500.-- zu bezahlen; die Beschwerdegegnerin - bzw. ihr
Rechtsvorgänger - ist in dieser Vereinbarung weder als Vertragspartner noch als
Schuldner der Pauschalentschädigung aufgeführt. Ferner wird die Darstellung der
Beschwerdegegnerin, sie sei ins Erweiterungsprojekt nicht involviert gewesen,
dadurch bestätigt, dass der Gemeinderat der Gemeinde X.________ in seinem
Entscheid vom 14. Januar 2004 der J.________ AG als "Bauherrschaft/
Gesuchstellerin" die Baubewilligung für die "Erweiterung der Deponie auf den
Grundstücken Nrn. 291 etc." erteilte. Aus diesen Gründen ist die von der
Vorinstanz in der Alternativbegründung vertretene Auffassung, die im Rahmen des
Erweiterungsprojektes erfolgten Aufschüttungen hätten nichts mit der
Beschwerdegegnerin zu tun und diese schulde für das angeblich zusätzlich
eingebrachte Auffüllvolumen keine Entschädigung, nicht zu beanstanden. Daran
vermag insbesondere der in der Beschwerde vor Bundesgericht vorgebrachte
Einwand nichts zu ändern, die J.________ AG habe als Hilfsperson der
Beschwerdegegnerin gehandelt. Unstreitig hat die Beschwerdegegnerin bzw. deren
Rechtsvorgängerin die J.________ AG zur Erfüllung des Deponievertrages vom 31.
Juli 1992 als Hilfsperson beigezogen. Demgegenüber hat die Beschwerdegegnerin
im kantonalen Appellationsverfahren vorgebracht, sie habe mit der
nachträglichen Projektausweitung nichts zu tun gehabt und sei dafür von der
J.________ AG auch nicht entschädigt worden. Diese Darstellung hat der
Beschwerdeführer, obwohl er in der Replik dazu Gelegenheit gehabt hätte, nicht
bestritten. Aufgrund dieser unbestrittenen Behauptung und der erwähnten
Dokumente (Vereinbarung vom 27. August 2001 und Entscheid vom 14. Januar 2004)
durfte das Obergericht ohne Bundesrechtsverletzung darauf schliessen, die im
Rahmen des Erweiterungsprojektes erfolgten Aufschüttungen hätten nichts mit der
Beschwerdegegnerin zu tun.

2.3 Das Obergericht ging in seiner Eventualbegründung somit zutreffend davon
aus, dass der Beschwerdeführer von der Beschwerdegegnerin für allfällige
Mehraufschüttungen, welche über das im ursprünglichen Deponievertrag vom 31.
Juli 1992 bewilligte Volumen von 205'881 m³ hinausgingen, keine Ansprüche
geltend machen könne.

2.4 Unter diesen Umständen muss nicht weiter geprüft werden, ob der im
Hauptstandpunkt gefällte Nichteintretensentscheid einer Überprüfung im
Beschwerdeverfahren standhalten würde.

3.
Aus diesen Gründen ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Ausgang des
Verfahrens wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art.
66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

4.
Mit dem heutigen Urteil wird das Gesuch um Gewährung der aufschiebenden Wirkung
gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 7'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Luzern, I.
Kammer als Appellationsinstanz, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 28. März 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Mazan