Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.602/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_602/2008 /len

Urteil vom 12. März 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Hurni.

Parteien
A.________,
B.________,
C.________,
Beschwerdeführer,
alle drei vertreten durch Rechtsanwalt Jürg Federspiel,

gegen

D.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Peter Philipp.

Gegenstand
Zivilprozessrecht; Abwesenheitsurteil,

Beschwerde gegen die Verfügung des Kantonsgerichts von Graubünden,
Kantonsgerichtspräsidium,
vom 27. November 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Kontumaz-Urteil vom 10. September 2008 verurteilte das Bezirksgericht
Landquart A.________, B.________ und C.________ (Beschwerdeführer) zur
Bezahlung von Fr. 300'000.-- zuzüglich Zins an D.________ (Beschwerdegegner).
Das Urteil erging im Kontumazverfahren, weil die Beschwerdeführer den mehrfach
eingeforderten Gerichtskostenvorschuss trotz entsprechendem Hinweis auf die
Säumnisfolgen nicht geleistet hatten.

B.
Gegen dieses Kontumaz-Urteil erhoben die Beschwerdeführer Berufung an das
Kantonsgericht von Graubünden mit dem Antrag, Ziff. 1 und 3 des angefochtenen
Urteils seien aufzuheben und die Klage abzuweisen. Das Kantonsgericht wies die
Berufung als offensichtlich unzulässig zurück und schrieb sie mit Verfügung vom
27. November 2008 gestützt auf Art. 224 Abs. 1 ZPO/GR ab.
Das Kantonsgericht kam zum Schluss, dass die säumige Partei nach Art. 133 Abs.
2 ZPO/GR lediglich die Durchführung des Kontumazverfahrens mittels Beschwerde
an den Kantonsgerichtsausschuss anfechten könne. Das Abwesenheitsurteil sei
nicht mittels Berufung in der Sache anfechtbar. Die Beschwerdeführer hätten
zunächst eine Wiederherstellung nach Art. 130 ZPO/GR innerhalb der einmonatigen
Frist gemäss Ziff. 4 des Kontumaz-Urteils verlangen müssen.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 26. Dezember 2008 beantragen die
Beschwerdeführer dem Bundesgericht, es sei die Verfügung des Kantonsgerichts
Graubünden vom 27. November 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Eventualiter sei die Sache zu neuer Beurteilung an das Kantonsgericht
zurückzuweisen. Weiter sei der Beschwerde aufschiebende Wirkung zu erteilen.
Der Beschwerdegegner und das Kantonsgericht schliessen in ihren
Vernehmlassungen auf Abweisung der Beschwerde, sofern auf sie einzutreten sei.

D.
Mit Präsidialverfügung vom 30. Dezember 2008 wurde der Beschwerde
superprovisorisch die aufschiebende Wirkung erteilt.
Erwägungen:

1.
Mit vorliegendem Entscheid wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung
gegenstandslos.

2.
2.1 Gegenstand des Verfahrens bildet eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG); die
Beschwerde richtet sich gegen einen verfahrensabschliessenden Entscheid einer
kantonalen Letztinstanz (Art. 75 Abs. 1 i.V.m. Art. 90 BGG); die Rechtsbegehren
der Beschwerdeführer sind im kantonalen Verfahren nicht geschützt worden (Art.
76 Abs. 1 BGG); der massgebende Streitwert beträgt mehr als Fr. 30'000.-- (Art.
51 i.V.m. Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) und die Beschwerdefrist ist eingehalten
(Art. 100 Abs. 1 i.V.m. Art. 45 Abs. 1 BGG).

2.2 Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdeschrift in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Soweit das
Bundesgericht das Recht von Amtes wegen anwendet (Art. 106 BGG), ist zwar eine
ausdrückliche Nennung bestimmter Gesetzesartikel nicht erforderlich, falls aus
den Vorbringen hervorgeht, gegen welche Regeln des Bundesrechts die Vorinstanz
verstossen haben soll. Unerlässlich ist aber, dass auf die Begründung des
angefochtenen Urteils eingegangen und im Einzelnen dargetan wird, worin eine
Verletzung von Bundesrecht liegen soll (BGE 134 V 53 E. 3.3 S. 60; 133 IV 286
E. 1.4; 116 II 745 E. 3 S. 748 f.). Eine qualifizierte Rügepflicht gilt
hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und
interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur insofern,
als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art.
106 Abs. 2 BGG).

3.
Die Beschwerdeführer sind der Auffassung, die Vorinstanz hätte gestützt auf
Art. 111 Abs. 3 BGG mindestens die Rügen nach den Art. 95 - 98 BGG prüfen
müssen. Sie habe daher Bundesrecht verletzt, indem sie ihre Kognition nur auf
die Anwendung von kantonalem Prozessrecht beschränkt habe. Weiter verletze der
angefochtene Entscheid Art. 75 Abs. 2 BGG, da den Beschwerdeführern durch das
Nichteintreten auf die Berufung die Anrufung einer Rechtsmittelinstanz
verweigert worden sei.
Diese Rügen laufen von vornherein ins Leere. Gemäss Art. 75 Abs. 2 BGG haben
die Kantone zwar grundsätzlich zwei Instanzen vorzusehen, wobei der
unmittelbaren Vorinstanz des Bundesgerichts mindestens die gleiche Kognition
wie dem Bundesgericht zukommen muss (Art. 111 Abs. 3 BGG). Zur notwendigen
Anpassung des Verfahrens vor den Vorinstanzen in Zivilsachen steht den Kantonen
aber eine Übergangsfrist zu, die noch nicht abgelaufen ist (Art. 130 Abs. 2
BGG). Die von den Beschwerdeführern angerufenen Normen sind somit für das
kantonale Zivilverfahren vorläufig noch ohne Wirkung.

4.
Weiter rügen die Beschwerdeführer eine Verletzung der derogatorischen Kraft des
Bundesrechts gemäss Art. 49 Abs. 1 BV. Das Abwesenheitsverfahren nach Bündner
Zivilprozessordnung, das für die zu Recht kontumazierte Partei keine materielle
Überprüfungsmöglichkeit durch eine Rechtsmittelinstanz mit voller Kognition
vorsehe, sei bundesrechtswidrig, da es an die Säumnis infolge Nichtleistens des
Kostenvorschusses letztlich den Verlust des materiellen Rechts knüpfe.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts sind kantonale Vorschriften
bundesrechtswidrig und damit nichtig, die an prozessuale Säumnis den Verlust
des materiellen Rechts oder des Klagerechts knüpfen (BGE 118 II 479 E. 2g S.
485; Urteil 5A_660/2008 vom 19. Juni 2008 E. 1.2). Von dieser Rechtsprechung
unberührt bleiben indessen die Folgen prozessualer Säumnisse in jenen
Verfahren, die - wie hier - durch ein Sachurteil erledigt werden (BGE 118 II
479 E. 2i S. 486; Urteil 5A_660/2008 vom 19. Juni 2008 E. 1.2; 2.5 ). Wie
ausgeführt, verlangt das Bundesrecht vorläufig in zivilrechtlichen Verfahren
noch keine kantonale Rechtsmittelinstanz. Dem bündnerischen Kontumazverfahrens
steht damit keine bundesrechtliche Vorschrift entgegen.

5.
Schliesslich werfen die Beschwerdeführer der Vorinstanz auch die Verletzung von
Art. 8 BV, Art. 9 BV und Art. 29 BV vor, indem sie die Berufung materiell nicht
behandelte. Dabei gehen sie jedoch in keiner Weise auf die Begründung des
angefochtenen Urteils ein und tun auch nicht im Einzelnen dar, worin die
Verletzung der genannten Normen liegen soll. Auf diese Rügen kann deshalb nicht
eingetreten werden.

6.
Aus diesen Gründen ist die offensichtlich unbegründete Beschwerde im
vereinfachten Verfahren nach Art. 109 BGG abzuweisen, soweit darauf einzutreten
ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführer kosten- und
entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'500.-- werden den Beschwerdeführern (unter
solidarischer Haftbarkeit und intern zu gleichen Teilen) auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführer haben den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren (unter solidarischer Haftbarkeit und intern zu gleichen Teilen) mit
Fr. 7'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden,
Kantonsgerichtspräsidium, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. März 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Hurni