Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.555/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_555/2008 /len
4A_557/2008

Urteil vom 21. Januar 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Corboz,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Luczak.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Flurin Turnes,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Damian Keel.

Gegenstand
Kündigungsanfechtung; Mieterausweisung,

Beschwerden in Zivilsachen gegen die Entscheide des Kantonsgerichts St. Gallen,
Einzelrichter für Rekurse im Obligationenrecht, vom 23. Oktober 2008.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Beschwerdeführerin) mietete von B.________ (Beschwerdegegner) zwei
Liegenschaften in St. Gallen. Nach entsprechender Androhung kündigte der
Beschwerdegegner am 22. Mai 2008 beide Mietverträge wegen Zahlungsverzugs auf
den 30. Juni 2008. Während die Beschwerdeführerin die Kündigungen bei der
Schlichtungsstelle anfocht, klagte der Beschwerdegegner für jedes der
Mietobjekte auf Ausweisung der Beschwerdeführerin.

B.
Mit Urteilen vom 8. September 2008 wies der Kreisgerichtspräsident St. Gallen
in beiden Verfahren die Kündigungsanfechtung und die von der Beschwerdeführerin
gestellten Erstreckungsbegehren ab und befahl ihr, die Mietobjekte zu räumen.
Die gegen diese Urteile erhobenen Rekurse wies das Kantonsgericht St. Gallen
mit zwei Entscheiden vom 23. Oktober 2008 ab. Gegen beide Entscheide hat die
Beschwerdeführerin Beschwerden in Zivilsachen erhoben, mit welchen sie sich der
Ausweisung widersetzt und im Wesentlichen an ihren im kantonalen Verfahren
gestellten Begehren festhält. Zusätzlich beantragt sie, den Beschwerden
aufschiebende Wirkung zukommen zu lassen. Der Beschwerdegegner schliesst auf
kostenfällige Abweisung der Beschwerden, soweit darauf einzutreten ist. Das
Kantonsgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Nach Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdeschrift in gedrängter Form
darzulegen, inwiefern der angefochtene Akt Recht verletzt. Soweit das
Bundesgericht das Recht von Amtes wegen anwendet (Art. 106 BGG), ist zwar eine
ausdrückliche Nennung bestimmter Gesetzesartikel nicht erforderlich, falls aus
den Vorbringen hervorgeht, gegen welche Regeln des Bundesrechts die Vorinstanz
verstossen haben soll. Unerlässlich ist aber, dass auf die Begründung des
angefochtenen Urteils eingegangen und im Einzelnen dargetan wird, worin eine
Verletzung von Bundesrecht liegen soll (BGE 134 II 244 E. 2.1 S. 246; 134 V 53
E. 3.3 S. 60; 133 IV 286 E. 1.4 S. 287).

2.
Vor Bundesgericht sind zwei voneinander unabhängige Mietverhältnisse zu
beurteilen. Die Argumentation, mit welcher die Beschwerdeführerin die
Missbräuchlichkeit der Kündigungen aufzuzeigen versucht, ist aber weitgehend
identisch, so dass sich analoge Rechtsfragen stellen. Dies rechtfertigt, über
beide Beschwerden in demselben Entscheid zu urteilen. Die Beschwerdeführerin
macht allerdings geltend, eine der Kündigungen stütze sich auf Art. 266l OR und
nicht auf einen Zahlungsverzug nach Art. 257d OR. Art. 266l OR regelt indessen
einzig die Form der Kündigung, welche auch bei einer ausserordentlichen
Kündigung wegen Zahlungsverzugs nach Art. 257d OR zu beachten ist (WEBER, in:
Basler Kommentar, 4. Aufl. 2007, N. 8 zu Art. 257d OR und N. 4 zu Art. 266l
OR). Inwiefern der angefochtene Entscheid diesbezüglich Recht verletzen soll,
ist nicht nachvollziehbar, weshalb insoweit nicht auf die Beschwerde
einzutreten ist.

3.
Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen geltend, der Beschwerdegegner habe
ihr bereits vor Jahren zugesagt, sie könne beide Liegenschaften zu einem
bestimmten Preis erwerben. Er habe sie mit diesem Versprechen während Jahren
hingehalten und dazu gebracht, überhöhte Mietzinse zu bezahlen, ohne deren
Herabsetzung zu verlangen. Angesichts des Verdachts betrügerischer
Machenschaften müsse sich der Beschwerdegegner jedenfalls ein Verhalten wider
Treu und Glauben unterstellen lassen. Werde aber festgestellt, dass die
Kündigung missbräuchlich erfolgt sei, lebe auch die Möglichkeit, eine
Erstreckung zu verlangen, wieder auf.

3.1 Die Vorbringen der Beschwerdeführerin gehen an der Sache vorbei. Die
ausserordentliche Kündigung infolge Zahlungsverzugs schützt den Vermieter vor
der Weitergeltung des Mietvertrages, wenn der Mieter seiner vertraglichen
Pflicht zur Mitzinszahlung nicht nachkommt. Dass sich der Vermieter dem Mieter
gegenüber allenfalls treuwidrig verhalten hat, bedeutet nicht, dass der Mieter
das Fortbestehen des Mietverhältnisses beanspruchen kann, wenn er keinen
Mietzins mehr bezahlt. Selbst wenn ihm durch das Verhalten des Vermieters ein
Schaden entstanden sein sollte, kann er nicht einfach die Mietzinszahlungen
einstellen, sondern er müsste allfällige Schadenersatzansprüche rechtzeitig zur
Verrechnung bringen. Sind die Mietobjekte mangelhaft, wie die
Beschwerdeführerin behauptet, kann der Mieter zwar eine Herabsetzung des
Mietzinses verlangen und den Mietzins allenfalls hinterlegen. Die Einstellung
der Mietzinszahlungen ist aber nur statthaft, wenn überhaupt kein Mietzins mehr
geschuldet ist.

3.2 Unter den Parteien ist umstritten, in welchem Umfang Mietzins geschuldet
ist. Um die Kündigung als missbräuchlich auszuweisen, müsste die
Beschwerdeführerin zumindest darlegen, dass sie den gestützt auf ihre eigenen
Vorbringen geschuldeten Mietzins bezahlt hat. Entsprechende Ausführungen
fehlen. Damit wird nicht ersichtlich, inwiefern die angefochtenen Entscheide
Recht verletzen sollen, so dass beide Beschwerden den Begründungsanforderungen
nicht genügen (Art. 42 Abs. 2 BGG).
3.2.1 Bei einem der beiden Mietobjekte verlangte die Beschwerdeführerin zwar,
den Mietzins ab 9. August 2007 auf Fr. 0.-- herabzusetzen. Sie geht aber auf
die Erwägungen der Vorinstanz, welche nur für eine bestimmte Zeitspanne völlige
Unbrauchbarkeit annahm, nicht hinreichend ein. Da die Beschwerdeführerin nach
den Feststellungen der Vorinstanz bereits ab Juni 2007 für dieses Mietobjekt
keinen Mietzins mehr bezahlte, ändern ihre Vorbringen nichts daran, dass ein
Mietzinsausstand bestehen bleibt.
3.2.2 Beim anderen Mietobjekt hat die Beschwerdeführerin selbst nur eine
angemessene Herabsetzung des Mietzinses verlangt und nicht bestritten, dass sie
das Parterre noch nutzt, so dass auch für dieses Mietobjekt ein
Mietzinsrückstand gegeben ist.

3.3 Die Beschwerdeführerin rügt in beiden Beschwerden eine Verletzung ihres
Anspruchs auf rechtliches Gehör, weil die Vorinstanz den beantragten
Augenschein nicht angeordnet und keine Berichte bei der Bau-, Feuerschutz- und
Gesundheitspolizei eingeholt habe. Sie führt in ihren Beschwerden aus, sie
prosequiere diese Anträge in aller Form, zeigt aber nicht mit Aktenhinweisen
auf, wo sie im kantonalen Verfahren entsprechende Beweisanträge prozesskonform
gestellt hat. Dies wäre aber notwendig, um aufzuzeigen, dass die Nichtabnahme
der entsprechenden Beweismittel Recht verletzt (Art. 42 Abs. 2 BGG).

3.4 Aber auch sonst setzt sich die Beschwerdeführerin in beiden Beschwerden mit
den Erwägungen der Vorinstanz nicht hinreichend auseinander. Sie ergänzt die
tatsächlichen Feststellungen und weicht von diesen ab, ohne hinreichend
begründete Sachverhaltsrügen (Art. 97 Abs. 1 BGG) zu erheben. Auch insoweit
genügt sie den Begründungsanforderungen an eine Beschwerde in Zivilsachen in
keiner Weise (Art. 42. Abs. 2 BGG). Daher ist auf beide Beschwerden nicht
einzutreten. Auf die weiteren Vorbringen, gestützt auf welche der
Beschwerdegegner beantragt, nicht auf die Beschwerden einzutreten, braucht
damit nicht eingegangen zu werden.

4.
Damit ist auf beide Beschwerden nicht einzutreten. Mit dem Entscheid in der
Sache selbst, wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos. Dem
Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin kosten- und
entschädigungspflichtig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf beide Beschwerden wird nicht eingetreten.

2.
Die Prozesskosten von insgesamt Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin
auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit insgesamt Fr. 5'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen,
Einzelrichter für Rekurse im Obligationenrecht, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 21. Januar 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Luczak