Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.494/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

[8frIR2ALAGK1]     
{T 0/2}
                   
4A_494/2008

Verfügung und Urteil
vom 7. Oktober 2016

I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Kiss, Präsidentin,
Gerichtsschreiber Th. Widmer.

Verfahrensbeteiligte
1. A.________ AG (ehemals B.________ AG),
2. C.________,
3. D.________,
4. E.________,
alle vier vertreten durch Rechtsanwalt Lorenzo Marazzotta,
Beschwerdeführer,

gegen

1. F.________,
2. G.________,
beide vertreten durch Rechtsanwalt Timm Zahl,
3. H.________ in Liquidation,
4. I.________ GmbH in Liquidation,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
unlauterer Wettbewerb; Persönlichkeitsrecht,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Thurgau vom 15. August 2008.

Sachverhalt:

A.
Das Gerichtspräsidium Arbon verbot der A.________ AG (ehemals B.________ AG),
C.________, D.________ und E.________ (Beschwerdeführer) mit
superprovisorischer Verfügung vom 9. Oktober 2006 auf Begehren von F.________,
G.________, der H.________ und der I.________ GmbH (Beschwerdegegner),
sämtliche Aussagen in einem Artikel von E.________ mit dem Titel "J.________"
einzeln oder in Kombination zu veröffentlichen und die Beschwerdegegner unter
namentlicher Nennung und/oder in anderer Form in Zusammenhang mit 64 einzeln
aufgeführten Aussagen zu bringen.
Am Vormittag des 7. Dezember 2006 waren auf der Webseite der Zeitschrift
K.________ Artikel abrufbar, die am 8. Dezember 2006 erscheinen sollten,
namentlich der Artikel "L.________" sowie das Editorial "M.________". Auf
Begehren der Beschwerdegegner verbot das Gerichtspräsidium Arbon den
Beschwerdeführern gleichentags, d.h. mit Verfügung vom 7. Dezember 2006, die
Veröffentlichung, Verbreitung oder Abgabe der genannten Artikel sowohl in der
Zeitschrift K.________ als auch im Internet. Ferner verbot es den
Beschwerdeführern, die vorgenannte Verfügung vom 9. Oktober 2006 betreffend
Publikationsverbot zu verbreiten oder sonstwie an Dritte abzugeben und
zugänglich zu machen ("Vertriebsverbot").
Mit Verfügung vom 24. Januar 2008 schrieb das Gerichtspräsidium Arbon das
Verfahren bezüglich des Vertriebsverbots (Verfügung vom 7. Dezember 2006)
zufolge Gegenstandslosigkeit ab, unter Kosten- und Entschädigungsfolgen
zulasten der Beschwerdeführer.

B.
Dagegen gelangten die Beschwerdeführer mit Rekurs an das Obergericht des
Kantons Thrugau und verlangten, 1) die Nichtigkeit der Verfügung vom 24. Januar
2008 festzustellen, 2) das Verfahren betreffend Vertriebsverbot zufolge
Gegenstandslosigkeit als erledigt abzuschreiben und festzustellen, dass die
superprovisorische Verfügung vom 7. Dezember 2006 dahinfalle, 3) eventualiter
die angefochtene Verfügung aufzuheben, 4) subeventualiter die Nichtigkeit der
angefochtenen Verfügung festzustellen oder sie aufzuheben und das Verfahren zur
Neubeurteilung an einen unbeteiligten Richter zurückzuweisen und 5)
subsubeventualiter die Gerichtsgebühren vor der Erstinstanz den
Beschwerdegegnern aufzuerlegen und den Beschwerdeführern für das
erstinstanzliche Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zulasten der
Beschwerdegegner zuzusprechen.
Das Obergericht wies den Rekurs mit Entscheid vom 15. August 2008 ab. Es
verneinte eine Nichtigkeit der angefochtenen Verfügung, die von den
Beschwerdeführern mit der Behauptung geltend gemacht worden war, die
Erstinstanz habe in eigener Sache und eigenem Interesse gehandelt. Weiter
bestätigte es die Abschreibung des Verfahrens betreffend Vertriebsverbot wegen
Gegenstandslosigkeit, da die Verfügung vom 7. Dezember 2006 das Erscheinen in
der Zeitschrift K.________ am 8. Dezember 2006 nicht mehr habe verhindern
können und zumal die Beschwerdeführer die Abschreibung wegen
Gegenstandslosigkeit selber verlangten. Schliesslich bestätigte es die
Kostenverlegung durch die Kosten- und Entschädigungsregelung in der Verfügung
vom 24. Januar 2008; die Beschwerdegegner hätten weder die Gegenstandslosigkeit
des betreffenden Verfahrens noch das Verfahren selbst veranlasst und es könne
auch nicht festgestellt werden, sie wären mutmasslich unterlegen; Verursacher
des Verfahrens seien die Beschwerdeführer, die mit ihrem Verhalten das
Vertriebsverbot provoziert hätten, und denen die Kosten des Verfahrens damit zu
Recht auferlegt worden seien.

C.
Die Beschwerdeführer beantragten mit Beschwerde in Zivilsachen und subsidiärer
Verfassungsbeschwerde vom 27. Oktober 2008, es sei das Urteil des Obergerichts
vom 15. August 2008 aufzuheben und es sei festzustellen, dass die
Gerichtskosten vor den Vorinstanzen auf die Staatskasse zu nehmen bzw. von den
Beschwerdegegnern zu begleichen seien und den Beschwerdeführern für die
vorinstanzlichen Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen
sei, alles unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der
Beschwerdegegner. Sie machen die Nichtigkeit der Verfügung des
Gerichtspräsidenten Arbon wegen Befangenheit bzw. Richten in eigener Sache
geltend und bestreiten, das Massnahmeverfahren betreffend Vertriebsverbot zu
verantworten zu haben.
Mit Verfügung vom 7. November 2008 wurde den Beschwerdegegnern und dem
Obergericht Frist zur Einreichung einer Beschwerdeantwort bis 8. Dezember 2008
angesetzt. Der Beschwerdegegner 1 (F.________) stellte darauf hin ein Gesuch um
Gewährung der unentgeltliche Rechtspflege samt Rechtsbeistand für das
bundesgerichtliche Verfahren.
Am 19. November 2008 teilte der Rechtsvertreter der Beschwerdegegnerinnen 3 und
4 (H.________ bzw. I.________ GmbH) mit, dass über diese Gesellschaften der
Konkurs eröffnet worden sei. Mit Verfügung vom 21. November 2008 wurde in der
Folge das bundesgerichtliche Verfahren in Anwendung von Art. 207 SchKG sistiert
und bestimmt, dass das Gesuch des Beschwerdegegners 1 um Gewährung der
unentgeltlichen Rechtspflege später behandelt werde.
Das Konkursamt des Kantons Thurgau teilte am 2. Februar 2011 mit, das
Konkursverfahren über die I.________ gmbh sei am 16. Januar 2009 geschlossen
worden, nachdem auf die Publikation "Einstellung mangels Aktiven" hin niemand
den Kostenvorschuss für die Durchführung geleistet habe. Mit weiterem Schreiben
vom 13. November 2012 teilte das Konkursamt mit, auch der Konkurs über die
H.________ sei geschlossen und der Konkursschluss am 9. März 2012 im SHAB
publiziert worden; die Forderungen der Beschwerdeführerin 1 seien von der
Konkursverwaltung und den Gesellschaftern anerkannt und demzufolge
unbestrittene Verlustscheine ausgestellt worden. Die I.________ gmbh in
Liquidation und die H.________ in Liquidation wurden am 24. März 2009 bzw. am
6. März 2012 aus dem Handelsregister gelöscht.
Das Konkursamt des Kantons Thurgau teilte am 2. Februar 2011 ferner mit, es sei
auch über F.________ privat der Konkurs eröffnet worden. In seinem Schreiben
vom 13. November 2012 vermeldete das Konkursamt, im Privatkonkurs von
F.________ seien die Forderungen der A.________ AG kolloziert worden, wobei der
Konkursit die Forderungen bestritten habe und demzufolge bestrittene
Verlustscheine resultieren würden. Mit weiterem Schreiben vom 6. August 2014
teilte das Konkursamt mit, das Konkursverfahren über F.________ sei am 11.
April 2014 abgeschlossen worden; die A.________ AG habe die entsprechenden
Konkursverlustscheine erhalten; kein Gläubiger habe in das bundesgerichtliche
Verfahren einsteigen wollen.
Das Konkursamt des Kantons Thurgau teilte am 13. August 2013 mit, es sei auch
über G.________ privat der Konkurs eröffnet worden. Am 2. August 2016 teilte
das Konkursamt mit, das Konkursverfahren über G.________ sei am 15. Juli 2016
geschlossen worden.
Mit Präsidialverfügung vom 25. August 2016 wurden die Beschwerdeführer, die
Beschwerdegegner F.________ und G.________ sowie das Obergericht eingeladen,
zur Frage der in der Verfügung in Aussicht gestellten Abschreibung des
Beschwerdeverfahrens bezüglich den Beschwerdegegnern und der Kosten- und
Entschädigungsfolgen und zur Frage der in der Verfügung in Aussicht gestellten
Wiederaufnahme des Verfahrens mit Bezug auf den Kanton Thurgau Stellung zu
nehmen. Innerhalb der angesetzten Frist liessen sich einzig die
Beschwerdeführer mit Eingabe vom 19. September 2016 vernehmen. Sie erklären,
sie hielten an ihren mit Eingabe vom 27. Oktober 2008 gemachten Ausführungen
fest, insbesondere, dass die Gerichtskosten vor den Vorinstanzen auf die
Staatskasse zu nehmen seien und dass den Beschwerdeführern zumindest für das
Verfahren vor den Vorinstanzen, aber auch vor dem Bundesgericht, eine
angemessene Entschädigung aus der Staatskasse zu bezahlen sei; in Bezug auf die
Abschreibung des bundesgerichtlichen Verfahrens überliessen die
Beschwerdeführer die rechtliche Würdigung der eingetretenen Sachumstände dem
Bundesgericht.

Erwägungen:

1.
Die I.________ gmbh in Liquidation (Beschwerdegegnerin 4) und die H.________ in
Liquidation (Beschwerdegegnerin 3) wurden am 24. März 2009 bzw. am 6. März 2012
aus dem Handelsregister gelöscht. Damit haben sie ihre Rechtspersönlichkeit
verloren, und die strittigen Ansprüche und Verpflichtungen der genannten
Gesellschaften können keinem Rechtssubjekt mehr zugeordnet werden. Infolge
dessen besteht kein Rechtsschutzinteresse mehr an deren Beurteilung. Das
Beschwerdeverfahren ist daher mit Bezug zu diesen Beschwerdegegnerinnen
praxisgemäss als gegenstandslos abzuschreiben (Art. 32 Abs. 2 BGG).

2.

2.1.
Weder die Masse noch einzelne Gläubiger in den Privatkonkursen über F.________
(Beschwerdegegner 1) und G.________ (Beschwerdegegner 2) haben gegenüber dem
Bundesgericht erklärt, den Prozess fortzuführen. Die genannten Konkursverfahren
wurden am 11. April 2014 bzw. am 15. Juli 2016 geschlossen.
Der Verzicht der Masse auf Fortführung eines Passivprozesses führt zur
Anerkennung einer Klage und Beendigung des Prozesses mit Rechtskraftwirkung
gegenüber der Masse (Art. 63 Abs. 2 KOV; WOHLFART/MEYER, Basler Kommentar,
SchKG, 2. Aufl. 2011, N. 22 und 24 zu Art. 207 SchKG). Die Anerkennung durch
die Gläubigerversammlung und die Bestreitung der Forderung durch die
Konkursiten werden auf dem Konkursverlustschein vermerkt. Dieser ermächtigt den
Gläubiger zu einer neuen Betreibung, wenn der Schuldner zu neuem Vermögen
gekommen ist; der Gläubiger muss im Falle der Erhebung eines Rechtsvorschlages
Rechtsöffnung verlangen oder den ordentlichen Rechtsweg beschreiten. Diese
bundesrechtliche Ordnung schliesst es aus, dass die Konkursiten den von der
jeweiligen Masse nicht durchgeführten Prozess selbständig weiterführen können
(WOHLFART/MEYER, a.a.O., N. 25 zu Art. 207 SchKG; JAEGER/WALDER/ KULL/KOTTMANN,
SchKG, 4. Aufl. 1997/99, N. 9 zu Art. 207 SchKG; a.M. FELIX ADDOR, Die
Gegenstandslosigkeit des Rechtsstreits, Bern 1997, S. 89 bei Fn 407).
Beim vorliegenden Beschwerdeverfahren handelt es sich für die konkursiten
Beschwerdegegner 1 und 2 um einen Passivprozess; die Beschwerdeführer fordern
mit ihren Beschwerdebegehren, "es sei festzustellen, dass die Gerichtskosten
vor den Vorinstanzen auf die Staatskasse zu nehmen bzw. von den
Beschwerdegegnern zu begleichen seien und den Beschwerdeführern für die
vorinstanzlichen Verfahren eine angemessene Parteientschädigung zuzusprechen
sei." Bei den so formulierten Beschwerdebegehren fällt eine rechtswirksame
Anerkennung einer Forderung der Beschwerdeführer gegen die Beschwerdegegner 1
und 2 allerdings ausser Betracht.
Das Verfahren ist damit gegenüber den Beschwerdegegnern 1 und 2, mit denen eine
Weiterführung des Verfahrens ausgeschlossen ist, ohne weitere Folge
abzuschreiben (Art. 32 Abs. 2 BGG).

3.
Die Beschwerdeführer stellen in der Beschwerde den Antrag auf Feststellung,
dass die Gerichtskosten vor den Vorinstanzen auf die Staatskasse zu nehmen
seien und den Beschwerdeführern für das Verfahren vor den Vorinstanzen eine
angemessene Entschädigung zu bezahlen sei.
Auf diese Anträge kann nicht eingetreten werden. Den weitergehenden Antrag, es
sei den Beschwerdeführern für das Verfahren vor den Vorinstanzen eine
angemessene Entschädigung  aus der Staatskasse zu bezahlen, stellten die
Beschwerdeführer erst in ihrer Eingabe vom 19. September 2016, und damit lange
nach Ablauf der Beschwerdefrist, und damit verspätet (Art. 100 Abs. 1 und Art.
42 Abs. 1 BGG). Bei diesem Antrag, aber auch, soweit in der Beschwerde vom 27.
Oktober 2008 die Übernahme der Gerichtskosten des kantonalen Verfahrens durch
die Staatskasse verlangt wird, handelt es sich überdies um unzulässige neue, da
im kantonalen Verfahren noch nicht gestellte Anträge (Art. 99 Abs. 2 BGG).
Zudem sind sie nicht beziffert und jedenfalls in der Beschwerde nicht als
Leistungsbegehren gegenüber einer bestimmten Person formuliert (Art. 42 Abs. 1
und Art. 107 Abs. 2 BGG). Sie erweisen sich damit als offensichtlich unzulässig
und es kann darauf nicht eingetreten werden (Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG).

4.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens rechtfertigt es sich, auf die Erhebung von
Kosten für das bundesgerichtliche Verfahren zu verzichten (Art. 66 Abs. 1 Satz
2 BGG) und die Parteikosten für das bundesgerichtliche Verfahren wettzuschlagen
(Art. 68 Abs. 2 BGG).
Nachdem der Beschwerdegegner 1 keine Beschwerdeantwort erstattete und auch
nicht zur Verfügung vom 25. August 2016 Stellung nahm, ist ihm im
bundesgerichtlichen Verfahren kein Aufwand erwachsen, für den sein
Rechtsvertreter im Rahmen der unentgeltlichen Rechtspflege gegebenenfalls nach
Art. 64 Abs. 2 BGG zu entschädigen sein könnte (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).
Infolgedessen und infolge des Verzichts auf die Erhebung von Gerichtskosten ist
das Gesuch des Beschwerdegegners 1 um Gewährung der unentgeltlichen
Rechtspflege für das bundesgerichtliche Verfahren gegenstandslos.

 Demnach verfügt und erkennt die Präsidentin:

1.
Das Beschwerdeverfahren wird, soweit die Beschwerdegegner betreffend,
abgeschrieben.

2.
Auf die gegen den Staat (Kanton Thurgau) gerichteten Anträge wird nicht
eingetreten.

3.
Es werden keine Gerichtskosten erhoben.

4.
Die Parteikosten für das bundesgerichtliche Verfahren werden wettgeschlagen.

5.
Dieser Entscheid wird den Beschwerdeführern, den Beschwerdegegnern 1 und 2, dem
Obergericht des Kantons Thurgau und dem Konkursamt des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Oktober 2016

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Die Präsidentin: Kiss

Der Gerichtsschreiber: Widmer

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