Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.471/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_471/2008

Urteil vom 24. Juni 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Luczak.

Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Züst,

gegen

A.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Arthur Andermatt.

Gegenstand
Mietvertrag; Kündigung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, III.
Zivilkammer, vom 11. August 2008.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Beschwerdegegnerin) schloss zwischen Mai 2002 bis Januar 2003 sechs
Mietverträge mit der X.________ AG (Beschwerdeführerin) ab, mit welchen sie
Gewerberäume in einer Liegenschaft in B.________ mietete. Sie beabsichtigte,
darin eine Brockenstube zu betreiben. Zwischen den Parteien kam es in der Folge
zu Streitigkeiten über angebliche Zahlungsrückstände der Beschwerdegegnerin,
welche ihrerseits behauptete, durch eindringendes Wasser seien gelagerte
Gegenstände beschädigt worden. Zudem bestand Uneinigkeit über die Gültigkeit
von Kündigungen, welche die Beschwerdeführerin ausgesprochen hatte. Im Rahmen
dieser Auseinandersetzungen schlossen die Parteien diverse Vergleiche, und die
Beschwerdegegnerin hinterlegte Fr. 62'460.-- beim Gemeindekassieramt
B.________. Schliesslich wurde vereinbart, sämtliche noch bestehenden
Mietverträge per 30. Juni 2005 zu beenden. Am 9. August 2005 gab die
Beschwerdegegnerin die Räume zurück.

B.
Mit Schreiben vom 8. September 2004 hatte die Beschwerdegegnerin beim
Kreisgericht Rheintal Klage eingereicht, woraufhin die Beschwerdeführerin
Widerklage erhob. Beide Parteien stellten diverse Forderungs- und
Feststellungsbegehren und verlangten die Auszahlung des hinterlegten Betrages.
Das Kreisgericht entschied, der hinterlegte Betrag sei im Umfang von Fr.
47'796.70 an die Beschwerdegegnerin und im Umfang von Fr. 14'663.30 der
Beschwerdeführerin herauszugeben und die aufgelaufenen Zinsen den Parteien je
zur Hälfte auszurichten. Während die Beschwerdegegnerin diesen Entscheid
akzeptierte, erhob die Beschwerdeführerin kantonale Berufung mit dem Antrag,
die Klage abzuweisen und den hinterlegten Betrag zu ihren Gunsten freizugeben.
Am 11. August 2008 entschied das Kantonsgericht St. Gallen im Wesentlichen
gleich wie das Kreisgericht. Es sprach den Parteien allerdings keinen Zins zu,
da die hinterlegte Miete nicht verzinst werde.

C.
Gegen diesen Entscheid erhob die Beschwerdeführerin kantonale
Nichtigkeitsbeschwerde an das Kassationsgericht des Kantons St. Gallen und
Beschwerde in Zivilsachen an das Bundesgericht. Das Kassationsgericht trat mit
Zirkulationsentscheid vom 17. April 2009 auf die Beschwerde nicht ein, da die
Nichtigkeitsbeschwerde nicht gegeben ist, wenn das Bundesrecht wie in Art. 274d
Abs. 1 OR ein rasches Verfahren vorschreibt. Vor Bundesgericht hält die
Beschwerdeführerin im Wesentlichen an ihren vor Kantonsgericht gestellten
Begehren fest, während die Beschwerdegegnerin auf kostenfällige Abweisung der
Beschwerde schliesst, soweit darauf einzutreten ist.

Erwägungen:

1.
Die Vorinstanz erkannte, die Beschwerdegegnerin habe grundsätzlich Anspruch auf
Fr. 36'344.-- Ersatz für Schäden, die durch eindringendes Wasser an den in der
Liegenschaft eingelagerten Gegenständen entstanden seien. Ferner erachtete sie
einen Mietzinsherabsetzungsanspruch von Fr. 12'850.40 als ausgewiesen. Gestützt
auf diese Erkenntnis schützte sie die Verteilung des hinterlegten Betrages (mit
Ausnahme des Zinses) nach Massgabe des Entscheides des Kreisgerichtes, welchen
die Beschwerdegegnerin nicht angefochten hatte. Vor Bundesgericht ist
umstritten, ob der Beschwerdegegnerin diese beiden Ansprüche zustehen.

2.
Die Beschwerdeführerin beanstandet zunächst, die Vorinstanz habe Art. 8 ZGB
verletzt, indem sie gestützt auf zwei Privatgutachten der Beschwerdegegnerin
und den Augenschein der ersten Instanz zum Schluss kam, die Dachhaut sei
undicht. Die Vorinstanz habe das von der Beschwerdeführerin beantragte
gerichtliche Gutachten nicht angeordnet und so deren Anspruch auf Zulassung zum
Gegenbeweis verletzt.

2.1 Art. 8 ZGB gibt der beweispflichtigen Partei einen bundesrechtlichen
Anspruch darauf, für rechtserhebliche Vorbringen zum Beweis zugelassen zu
werden, wenn ihr Beweisantrag nach Form und Inhalt den Vorschriften des
kantonalen Rechts entspricht (BGE 133 III 295 E. 7.1 S. 299 mit Hinweisen).
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts gewährleistet Art. 8 ZGB ebenfalls
das Recht zum Gegenbeweis, d.h. er gibt dem Gegner der beweisbelasteten Partei
einen Anspruch darauf, zum Beweis von konkreten Umständen zugelassen zu werden,
die beim Gericht Zweifel an der Richtigkeit der Gegenstand des Hauptbeweises
bildenden Sachbehauptung wach halten und diesen dadurch vereiteln können (BGE
130 III 321 E. 3.4 S. 326; 115 II 305 je mit Hinweisen). Art. 8 ZGB wird
indessen auch hinsichtlich des Gegenbeweises gegenstandslos, wenn das dem
Hauptbeweis unterstellte Tatbestandsmerkmal beweismässig bereits feststeht.
Dies gilt mindestens insoweit, als das Sachgericht seine Feststellungen nicht
allein auf Erfahrungssätze oder mittelbare Indizien stützt (BGE 115 II 305; 120
II 393 E. 4b S. 397). Mithin gibt Art. 8 ZGB keinen Anspruch auf Weiterungen
eines erfolgreichen Beweisverfahrens, weil die Bestimmung stets an den Begriff
und die Folgen der Beweislosigkeit anknüpft.

2.2 Da die Vorinstanz den Beweis in Würdigung der konkreten Umstände für
erbracht erachtete, fällt eine Verletzung von Art. 8 ZGB ausser Betracht und
kann das Bundesgericht lediglich prüfen, ob die Beweiswürdigung willkürlich und
damit offensichtlich unrichtig im Sinne von Art. 97 Abs. 1 und 105 Abs. 2 BGG
ist. Diesbezüglich erhebt die Beschwerdeführerin indessen keine hinreichend
begründete Rüge (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f. mit
Hinweisen) und ist der angefochtene Entscheid im Übrigen auch nicht zu
beanstanden. Die Vorinstanz war sich wohl bewusst, dass sie sich auf die
Würdigung von Privatgutachten einliess. Sie durfte aber in Betracht ziehen,
dass der eine Experte der Beschwerdegegnerin vom erstinstanzlichen Gericht
empfohlen worden war. Zudem hat sie die Gutachten vor dem Hintergrund des
erstinstanzlichen Augenscheines und dem in den Gutachten enthaltenen
Bildmaterial auf ihre Plausibilität überprüft. Von Willkür kann keine Rede
sein.

3.
Bezüglich der Höhe des Schadens hat die Vorinstanz auf ein von der ersten
Instanz in Auftrag gegebenes gerichtliches Gutachten abgestellt. Auch dies
beanstandet die Beschwerdeführerin. Die Begutachtung habe stattgefunden, als
sich die Gegenstände nicht mehr im Mietobjekt befanden. Die im Mietobjekt
gelagerten Gegenstände seien mit anderen vermischt worden. Dass die
begutachteten Gegenstände je im Mietobjekt gelagert gewesen seien, habe die
Beschwerdegegnerin nicht bewiesen. Daher könne auf das Gutachten nicht
abgestellt werden. Zudem sei nicht erwiesen, dass allfällige Mängel und
Beschädigungen durch in das Mietobjekt eindringendes Wasser entstanden seien.
Indem die Vorinstanz von der Beschwerdeführerin verlange, sich detailliert dazu
zu äussern, welcher Gegenstand sich nicht in den Mieträumlichkeiten befunden
habe, beziehungsweise bei welchem Gegenstand die Schadensschätzung um welchen
Betrag zu korrigieren sei, werde der Beschwerdeführerin diesbezüglich die
Beweislast überbunden und damit Art. 8 ZGB verletzt.

3.1 Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hat ihr die Vorinstanz nicht
die Beweislast dafür auferlegt, dass die begutachteten Gegenstände sich im
massgebenden Zeitpunkt im Mietobjekt befunden haben.
3.1.1 Die Vorinstanz prüfte vielmehr zunächst die Vorbringen der
Beschwerdegegnerin auf ihre Glaubwürdigkeit. Sie hielt fest, im Gutachten sei
bei verschiedenen Gegenständen vermerkt: "kein Wasserschaden", so dass
abgeschätzt werden kann, ob ein Wasserschaden vorliegt. Zwar trifft zu, dass
der Gutachter oftmals nicht mit Sicherheit feststellen konnte, ob es sich um
einen neuen Wasserschaden gehandelt habe, oder ob die Gegenstände aufgrund der
Schäden bereits verbilligt eingekauft worden seien. Damit zeigt der Gutachter
indessen lediglich die Grenzen seines Expertenwissens auf, so dass sich die
Vorinstanz insoweit nicht allein auf das Gutachten stützen konnte. Sie
erachtete es in tatsächlicher Hinsicht aber für erwiesen, dass die
Beschwerdegegnerin einen grossen Bestand an Möbeln, Bildern usw. eingelagert
hatte. Ebenso sah sie den Beweis für das Eindringen des Wassers als erbracht
an. Dass es damit zu Schäden an den eingelagerten Gegenständen kommen konnte,
ist evident. Der Gutachter hat berücksichtigt, dass es sich bei den gelagerten
Gegenständen um Liquidationswaren handelt. Die erste Instanz hatte zusätzlich
einen Abzug von 30 % vorgenommen, da die Beschwerdegegnerin Lagerungs- und
Verkaufskosten eingespart hatte und durch inadäquate Lagerung zusätzlicher
Schaden entstanden sei. Wenn die Vorinstanz vor diesem Hintergrund zur
Überzeugung gelangt, der Schaden sei im von der ersten Instanz angenommenen
Umfang ausgewiesen, handelt es sich dabei um Beweiswürdigung.
3.1.2 Die Beschwerdeführerin macht geltend, zwischen der ersten Kontaktaufnahme
des Gutachters und der eigentlichen Begutachtung seien fast zwei Monate
vergangen, da sich die Beschwerdegegnerin wiederholt und entgegen ihrer Zusagen
nicht beim Gutachter gemeldet habe. Damit habe sie genug Zeit gehabt, die zu
begutachtenden Gegenstände zusammenzustellen. Ob aufgrund dieser Vorbringen
Zweifel an den Behauptungen der Beschwerdegegnerin angebracht sind, ist
ebenfalls eine Frage der Beweiswürdigung.

3.2 Soweit die Beschwerdeführerin die Beweiswürdigung der Vorinstanz sinngemäss
als offensichtlich unrichtig und damit willkürlich ausgeben wollte, genügt sie
wiederum den strengen Begründungsanforderungen nicht (BGE 133 II 249 E. 1.4.3
S. 254 f. mit Hinweisen) und ist überdies keine Willkür ersichtlich. Ihre
Vorbringen laufen darauf hinaus, einen Prozessbetrug zu behaupten. Wenn die
Vorinstanz dies nicht genügen lässt, um Zweifel an der Version der
Beschwerdegegnerin aufkommen zu lassen, ist dies nicht offensichtlich
unhaltbar. Eine Verletzung von Art. 8 ZGB liegt nicht vor.

4.
Die Beschwerdeführerin ist der Auffassung, die Beschwerdegegnerin habe ihre
Schadenminderungspflicht verletzt, indem sie die Prämien für die von ihr
abgeschlossene Versicherung nicht bezahlt habe. Die Vorinstanz ist indessen der
Auffassung, die Versicherung hätte auf die Beschwerdeführerin zurückgreifen
können, so dass der Abschluss der Versicherung nicht zur Schadenminderung
beigetragen hätte. Inwiefern diese Auffassung Recht verletzt, zeigt die
Beschwerdeführerin nicht auf und genügt damit den Anforderungen an die
Begründung der Beschwerde (Art. 42 Abs. 2 BGG) nicht. Ebenso legt die
Beschwerdeführerin nicht dar, inwiefern die Annahme, die Beschwerdegegnerin sei
nach dem Mietvertrag nicht verpflichtet gewesen, eine Versicherung
abzuschliessen, Recht verletzt. Schliesslich verkennt die Beschwerdeführerin,
dass grundsätzlich niemand gehalten ist, sich gegen bloss abstrakte
Möglichkeiten rechtswidriger Eingriffe in sein Vermögen zu sichern (BGE 97 II
221 E. 6 S. 229 f.). Dass die Beschwerdeführerin die Versicherungsprämien nicht
bezahlte und keine Versicherungsdeckung bestand, genügt nach dem Gesagten
nicht, um eine Verletzung der Schadenminderungspflicht aufzuzeigen (vgl. BREHM,
Berner Kommentar, 3. Aufl. 2006, N. 52 ff. zu Art. 44 OR).

5.
Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Vorinstanz habe offen gelassen, ob
die Hagelzüge im Juni 2002 höhere Gewalt darstellten, mit der Begründung,
solche seien jedenfalls nicht die alleinige Ursache des Schadens. Die
Mitwirkung höherer Gewalt hätte nach Auffassung der Beschwerdeführerin aber zu
einer Reduktion des Schadens führen müssen. Der Richter kann mitwirkenden
Zufall bei der Festsetzung des Schadenersatzes zwar berücksichtigen (Art. 43 in
Verbindung mit Art. 99 OR). Voraussetzung ist indessen, dass der Schaden ohne
den Zufall nicht oder nicht im gleichen Ausmass eingetreten wäre. Die
Vorinstanz hält indessen fest, Wasser sei nicht nach einem bestimmten Ereignis,
sondern fortwährend in das Gebäude eingedrungen. Unter diesen Umständen hätte
die Beschwerdeführerin darlegen müssen, dass gewöhnliche Schauer oder Gewitter
den Schaden nicht oder nicht im gleichen Ausmass verursacht hätten. Dass die
Vorinstanz für entsprechende Behauptungen prozesskonform angebotene
Beweismittel nicht abgenommen hätte, zeigt die Beschwerdeführerin nicht
hinreichend auf. Allein mit Amtsberichten der meteorologischen Zentralanstalt,
die nach Auffassung der Beschwerdeführerin hätten eingeholt werden müssen,
liesse sich der entsprechende Beweis nicht führen. Eine Bundesrechtsverletzung
ist nicht ersichtlich.

6.
Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet und ist
abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens
wird die Beschwerdeführerin kosten- und entschädigungspflichtig und kommt der
von der Beschwerdegegnerin aufgeworfenen Frage, ob die Beschwerde rechtzeitig
aufgegeben wurde, keine massgebende Bedeutung zu.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 2'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, III.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. Juni 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Luczak