Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.457/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_457/2008

Urteil vom 8. Mai 2009
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, Präsidentin,
Bundesrichter Kolly, Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiber Hurni.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Markus Züst,

gegen

Bank X.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Georg Zondler.

Gegenstand
Bankvollmacht,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, vom 5. September 2008.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Beschwerdeführer) eröffnete im Jahr 1990 bei der Bank X.________
(Beschwerdegegnerin) auf den Namen seiner Schwester ein Sparheft mit der Nr.
001. Als wirtschaftlich Berechtigter wurde der Beschwerdeführer angegeben. Über
das entsprechende Konto erhielt er von seiner Schwester eine Vollmacht.
Über das weitere Schicksal des Kontos ist nichts Genaues bekannt. Im Jahr 2005
gab die Beschwerdegegnerin dem Beschwerdeführer auf Anfrage bekannt, das Konto
existiere seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Am 24. Januar 2006 bestätigte
sie dies und teilte dem Beschwerdeführer mit, sie könne ihm keine weiteren
Auskünfte über das Konto mehr geben, da mit der Saldierung der Kontobeziehung
auch die Vollmacht erloschen sei.
Am selben Tag informierte die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer jedoch
über ein weiteres Konto Nr. 002 mit Schlussaldo von ca. Fr. 40'000.-- und
teilte ihm mit, seine Schwester habe dieses Konto im Jahr 2004 aufgelöst. Der
Beschwerdeführer stellte sich auf den Standpunkt, dass das Konto zwar auf den
Namen seiner Schwester eröffnet worden sei, das einbezahlte Geld jedoch ihm
gehört habe. Er hielt für erwiesen, dass seine Schwester das Geld veruntreut
habe. Da das Bankgeheimnis bei strafbaren Handlungen nicht angerufen werden
könne und die seinerzeit eingeräumte Vollmacht nie widerrufen worden sei,
verlangte er von der Beschwerdegegnerin Auskunft über die beiden Konti, was
diese verweigerte.

B.
B.a Am 20. Juni 2007 reichte der Beschwerdeführer beim Bezirksgericht Zürich
Klage ein mit dem Begehren, die Beschwerdegegnerin sei zu verurteilen, ihm
einen Kontoauszug des Sparheftes Nr. 001 sowie einen Auszug des Kontos Nr. 002
herauszugeben. Ferner habe die Beschwerdegegnerin ihm Kopien der Unterlagen
über die Umwandlung des Sparheftes Nr. 001 in das Konto Nr. 002 sowie über
Bezüge vom Sparheft Nr. 001 und vom Konto Nr. 002 auszuhändigen. Mit Urteil vom
10. März 2008 wies das Bezirksgericht Zürich die Klage ab.
B.b Dagegen appellierte der Beschwerdeführer an das Obergericht des Kantons
Zürich und beantragte die Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und die
Gutheissung der Klage. Mit Urteil vom 5. September 2008 wies das Obergericht
die Appellation ab.
B.c Gegen diesen Entscheid legte der Beschwerdeführer Nichtigkeitsbeschwerde
beim Kassationsgericht des Kantons Zürich ein. Mit Zirkulationsbeschluss vom
24. November 2008 wies das Kassationsgericht die Beschwerde ab, soweit es
darauf eintrat.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 10. Oktober 2008 beantragt der
Beschwerdeführer dem Bundesgericht, es sei das Urteil des Obergerichts des
Kantons Zürich aufzuheben und die Klage gutzuheissen. Eventualiter sei die
Sache an die Vorinstanz zur weiteren Beweiserhebung und Neubeurteilung
zurückzuweisen. Für das bundesgerichtliche Verfahren verlangt der
Beschwerdeführer die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Es wurden keine Vernehmlassungen eingeholt.

Erwägungen:

1.
Die Beschwerde richtet sich gegen einen verfahrensabschliessenden Entscheid
einer kantonalen Letztinstanz (Art. 75 Abs. 1 i.V.m. Art. 90 BGG) in einer
Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG), die Rechtsbegehren des Beschwerdeführers sind
im kantonalen Verfahren nicht vollständig geschützt worden (Art. 76 Abs. 1
BGG), der massgebende Streitwert beträgt mehr als Fr. 30'000.-- (Art. 51 i.V.m.
Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) und die Beschwerdefrist ist eingehalten (Art. 100
Abs. 1 BGG). Auf die Beschwerde ist damit grundsätzlich einzutreten.

2.
Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 34 Abs. 1 OR
und Art. 400 OR vor. Gemäss BGE 101 II 117 ff. habe ein Bevollmächtigter
Anspruch auf Auskunftserteilung durch die Bank, der erst mit dem Widerruf der
Vollmacht dahinfalle.

2.1 Beim Widerruf einer Vollmacht handelt es sich um eine einseitige
empfangsbedürftige Gestaltungserklärung, die auch konkludent oder
stillschweigend erfolgen kann (Alfred Koller, Schweizerisches
Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 3. Aufl. 2009, § 18 Rz. 20; ROGER ZÄCH,
in: Berner Kommentar, 1990, N. 3 zu Art. 34 OR; PETER JUNG, in: Heinrich
Honsell [Hrsg.], Kurzkommentar OR, 2008, N. 1 zu Art. 34 OR). Von einem
konkludenten Widerruf wird im Bankverkehr etwa ausgegangen, wenn ein
Kontoinhaber eine Vollmacht für ein bestimmtes Konto erteilt hat und dieses
später aufhebt (EMCH/RENZ/ARPAGAUS, Das Schweizerische Bankgeschäft, 6. Aufl.
2004, Rz. 694; FELIX ERB, Die Bankvollmacht, 1974, S. 253). Bei Kundgabe des
Widerrufs nur an die Bank besteht die interne Vollmacht so lange fort, bis der
Bevollmächtigte durch die Bank als Botin oder durch den Vollmachtgeber über den
Widerruf informiert wird (ERB, a.a.O., S. 246). Nach dem Erlöschen der
Vollmacht haben Banken gegenüber dem früheren Bevollmächtigten wieder das
Bankgeheimnis zu wahren und zwar auch bezüglich Vorgängen während der Zeit, als
die Vollmacht bestand (vgl. BGE 101 II 117 E. 4 S. 119; ZÄCH, a.a.O., N. 9 zu
Art. 34 OR; ERB, a.a.O., S. 247).

2.2 Ob die Vollmacht des Beschwerdeführers nach Auflösung des Sparheftes Nr.
001 auch für das Konto Nr. 002 bestand und ob die Auskunftspflicht der Bank
allenfalls bereits mit Saldierung des Sparheftes bzw. Kontos dahinfiel, kann
offen bleiben, da dem Beschwerdeführer jedenfalls am 24. Januar 2006 die
konkludente Erklärung des Widerrufs seiner Vollmacht zugegangen ist. Somit
bestand bei Klageeinreichung am 20. Juni 2007 keine Vollmacht mehr, aus welcher
der Beschwerdeführer allenfalls ein Recht auf Auskunft hätte herleiten können.

3.
Weiter wirft der Beschwerdeführer der Vorinstanz eine Verletzung von Art. 47
BankG vor. Aus dieser Bestimmung ergebe sich e contrario, dass die Bank den vom
Kontoinhaber beauftragten Personen Auskunft zu erteilen habe.
Auch diese Rüge geht fehl. Der Beschwerdeführer verkennt, dass Art. 47 BankG
eine Strafnorm ist, die als solche keine Anspruchsgrundlage für einen
privatrechtlichen Auskunftsanspruch bildet.

4.
Der Beschwerdeführer macht weiter eine Verletzung von Art. 2 Abs. 2 ZGB
geltend. Die Beschwerdegegnerin habe sich ihm gegenüber auf das Bankgeheimnis
berufen, dann aber gleichwohl Auskünfte über Vorgänge erteilt, die unter das
Bankgeheimnis fielen. Ein solches Verhalten stelle ein venire contra factum
proprium dar.

4.1 Art. 2 Abs. 2 ZGB sanktioniert Handlungen, die zwar im Einklang mit der
entsprechenden gesetzlichen Norm oder einer privatautonomen Vertragsbestimmung
stehen, aber objektiv eine Verletzung des Redlichkeitsstandards von Treu und
Glauben darstellen und damit das Vertrauen der Rechtsgenossen auf redliches und
sachangemessenes Verhalten enttäuschen (BGE 125 III 257 E. 2a S. 259; BRUNO
HUWILER, Aequitas und bona fides als Faktoren der Rechtsverwirklichung, Beiheft
16 zur ZSR 1994, S. 57 f.). Als Fallgruppe des Rechtsmissbrauchs erfasst Art. 2
Abs. 2 ZGB auch das widersprüchliche Verhalten (venire contra factum proprium).
Nach bundesgerichtlicher Rechtsprechung gibt es allerdings keinen Grundsatz der
Gebundenheit an das eigene Handeln. Setzt sich jemand zu seinem früheren
Verhalten in Widerspruch, ist darin nur dann ein Verstoss gegen Treu und
Glauben zu erblicken, wenn das frühere Verhalten ein schutzwürdiges Vertrauen
begründet hat, welches durch die neuen Handlungen enttäuscht würde (BGE 129 III
493 E. 5.1 S. 497; BGE 125 III 257 E. 2a S. 259; BGE 121 III 350 E. 5b S. 353;
BGE 115 II 331 E. 5a S. 338; MERZ, Berner Kommentar, N. 401 f. zu Art. 2 ZGB).
Der Vertrauende muss aufgrund des geschaffenen Vertrauens Dispositionen
getroffen haben, die sich nun als nachteilig erweisen (BGE 125 III 257 E. 2a S.
259).

4.2 Inwiefern das Verhalten der Beschwerdegegnerin beim Beschwerdeführer ein
schutzwürdiges Vertrauen begründet hat, das durch neue Handlungen enttäuscht
wurde und welche Dispositionen er gestützt darauf getroffen haben soll, legt
der Beschwerdeführer nicht dar und ist auch nicht ersichtlich. Eine Verletzung
des Rechtsmissbrauchsverbots liegt nicht vor.

5.
Schliesslich wirft der Beschwerdeführer der Vorinstanz eine formelle
Rechtsverweigerung und damit sinngemäss eine Verletzung des rechtlichen Gehörs
vor, indem sie einen der in der Berufungsreplik gestellten Anträge nicht
beurteilt habe. Mit diesem Antrag hat der Beschwerdeführer verlangt, die
Berufungsantwort sei an die Beschwerdegegnerin zur Überarbeitung zurückzuweisen
mit der Auflage, zu den Vorbringen des Beschwerdeführers in der
Berufungsschrift Stellung zu nehmen und anzugeben, welche Noven geltend gemacht
würden und warum die Voraussetzungen dazu gegeben seien.

5.1 Der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 29 Abs. 2 BV umfasst
insbesondere das Recht des Betroffenen, sich zur Sache zu äussern, erhebliche
Beweise beizubringen, Einsicht in die Akten zu nehmen, mit erheblichen
Beweisanträgen gehört zu werden und an der Erhebung wesentlicher Beweise
entweder mitzuwirken oder sich zumindest zum Beweisergebnis zu äussern, wenn
dieses geeignet ist, den Entscheid zu beeinflussen (BGE 129 II 497 E. 2.2 S.
504 f.; BGE 127 I 54 E. 2b S. 56; BGE 126 I 15 E. 2a/aa S. 16; BGE 118 Ia 17 E.
1c S. 19).

5.2 Beim fraglichen Antrag handelt es sich um ein prozessuales Begehren, dessen
Behandlung keinen wesentlichen Einfluss auf den Entscheid der Vorinstanz gehabt
hätte, zumal die Vorinstanz ihren Entscheid nicht auf die Vorbringen der
Beschwerdegegnerin gestützt hatte. Die stillschweigende Ablehnung des Antrags
durch die Vorinstanz stellt keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar.

6.
Die Begehren des Beschwerdeführers erschienen von vornherein aussichtslos,
weshalb dem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege nicht entsprochen werden kann
(Art. 64 Abs. 1 BGG). Da nach dem Gesagten auch die Beschwerde abzuweisen ist,
wird der Beschwerdeführer kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Eine
Parteientschädigung ist hingegen nicht geschuldet, da beim Beschwerdegegner
keine Vernehmlassung eingeholt wurde (vgl. Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.

2.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, II.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. Mai 2009
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Die Präsidentin: Der Gerichtsschreiber:

Klett Hurni