Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.430/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_430/2008 /len

Urteil vom 24. November 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Luczak.

Parteien
X.________ AG,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Tomas Prachensky,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Arbeitsvertrag; Kündigung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, vom 2. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
Mit Arbeitsvertrag vom 16. Dezember 2003 stellte die X.________ AG
(Beschwerdeführerin) A.________ (Beschwerdegegner) als Leiter
Verkaufsaussendienst und Marketing ein. Am 21. März 2005 schrieb sie ihm, sie
kündige das Arbeitsverhältnis per 31. März 2005, was die Parteien
übereinstimmend als ordentliche Kündigung auf den 31. Juli 2005 auffassten. Am
2. Mai 2005 sprach die Beschwerdeführerin eine fristlose Kündigung aus, über
deren Berechtigung die Parteien in Streit gerieten.

B.
Am 17. März 2006 belangte der Beschwerdegegner die Beschwerdeführerin vor dem
Bezirksgericht Horgen auf Zahlung von insgesamt Fr. 27'821.90, später erweitert
auf Fr. 30'906.10 nebst Zins (Lohn für die Monate April bis Juni 2005,
Ferienentschädigung sowie Ersatz für Unkosten und Spesen). Das Bezirksgericht
schützte die Klage im Umfang von insgesamt Fr. 24'895.65. Auf Berufung der
Beschwerdeführerin verpflichtete das Obergericht des Kantons Zürich diese am 2.
Oktober 2007, dem Beschwerdegegner insgesamt Fr. 24'636.65 nebst Zins zu
bezahlen. Das Kassationsgericht des Kantons Zürich wies die gegen dieses Urteil
geführte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde mit Zirkulationsbeschluss vom 24.
Juli 2008 ab, soweit es darauf eintrat.

C.
Die Beschwerdeführerin ficht das Urteil des Obergerichts mit "zivilrechtlicher
Berufung" (recte: Beschwerde in Zivilsachen) beim Bundesgericht an. Sie
verlangt im Wesentlichen die Abweisung der Klage sowie die Befragung
verschiedener Personen als Zeugen. Der Beschwerdegegner hat sich nicht
vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.
1.1 Der für arbeitsrechtliche Streitigkeiten vorgesehene Streitwert von Fr.
15'000.-- (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG) wird vorliegend überschritten, weshalb
insoweit dem Eintreten auf die Beschwerde nichts entgegensteht.

1.2 Nach Art. 100 Abs. 6 BGG beginnt die Beschwerdefrist, wenn der Entscheid
eines oberen kantonalen Gerichts mit einem Rechtsmittel, das nicht alle Rügen
nach den Artikeln 95-98 zulässt, bei einer zusätzlichen kantonalen
Gerichtsinstanz angefochten worden ist, erst mit der Eröffnung des Entscheids
dieser Instanz. Die innert 30 Tagen seit Eröffnung des
Kassationsgerichtsentscheids eingereichte Beschwerde gegen das Urteil des
Obergerichts hat somit als rechtzeitig zu gelten (BGE 134 III 92 E. 1.1 S. 93
f.).

1.3 Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann unter dieser Voraussetzung das
Urteil der oberen kantonalen Instanz angefochten werden, allerdings nur, soweit
im Rahmen der Beschwerde in Zivilsachen zulässige Rügen dem höchsten kantonalen
Gericht nicht unterbreitet werden konnten. Aus dem Erfordernis der
Letztinstanzlichkeit gemäss Art. 75 Abs. 1 BGG ergibt sich, dass der kantonale
Instanzenzug für die Rügen, die dem Bundesgericht vorgetragen werden,
ausgeschöpft sein muss (BGE 134 III 524 E. 1.3 S. 527 mit Hinweisen; vgl. auch
Peter Reetz, Das neue Bundesgerichtsgesetz unter besonderer Berücksichtigung
der Beschwerde in Zivilsachen, Auswirkungen auf die Anfechtung von Entscheiden
des Zürcher Obergerichts und Handelsgerichts, in SJZ 103 [2007] S. 36 ff.).
Soweit die Vorbringen in der Beschwerde auf Rügen aktenwidriger oder
willkürlicher tatsächlicher Annahmen oder der Verletzung des Gehörsanspruchs
hinauslaufen, sind sie daher nicht zu hören (vgl. § 281 Ziff. 1 und 2 des
Gesetzes über die Zivilprozessordnung vom 13. Juni 1976 [Zivilprozessordnung;
LS 271; ZPO/ZH]). Als Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG, die das
Bundesgericht noch beurteilen kann, kommt demnach einzig eine solche des
materiellen Bundesrechts in Frage, auch soweit eine unrichtige Ermittlung des
Sachverhalts gerügt wird.

1.4 Grundsätzlich zulässig ist die Rüge der Verletzung des aus Art. 8 ZGB
fliessenden Anspruchs auf Beweisführung, weil dies mit der
Nichtigkeitsbeschwerde nicht gerügt werden kann und das Kassationsgericht
entgegen dem Wortlaut von § 285 Abs. 2 ZPO/ZH auf die Rüge einer Verletzung von
Art. 29 Abs. 2 BV nicht eintritt, soweit die Verletzung des darin enthaltenen
Anspruchs auf Beweisführung vom Bundesgericht unter dem Blickwinkel von Art. 8
ZGB frei geprüft werden kann (Urteil des Bundesgerichts 5A_141/2007 vom 21.
Dezember 2007 E. 2.2; vgl. ZR 106/2007 S. 207 ff. 209). Art. 8 ZGB gibt der
beweispflichtigen Partei aber nur einen bundesrechtlichen Anspruch darauf, zum
Beweis zugelassen zu werden, wenn ihr Beweisantrag rechtserhebliche Tatsachen
betrifft und nach Form und Inhalt den Vorschriften des kantonalen Prozessrechts
entspricht (BGE 133 III 295 E. 7.1 S. 299 mit Hinweisen). Die Zulassung zum
Beweis wird im kantonalen Prozessrecht in § 133 ZPO/ZH geregelt und die
Beschwerdeführerin hat diesbezüglich in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde Rügen
erhoben. Die Frage, ob sich die Beschwerdeführerin bei der Rüge der Verletzung
von Art. 8 ZGB mit den Ausführungen der kantonalen Instanzen zu § 133 ZPO/ZH
näher auseinandersetzen müsste, kann offen bleiben, da die Beschwerdeführerin
nicht im Einzelnen mit Aktenhinweisen darlegt und aus dem angefochtenen
Entscheid auch nicht ersichtlich ist, welche im kantonalen Verfahren
prozesskonform für entscheidrelevante Behauptungen angebotenen Beweismittel die
Vorinstanz nicht berücksichtigt haben soll. Die von der Beschwerdeführerin
erhobenen Rügen der Verletzung ihres Beweisführungsanspruchs gemäss Art. 8 ZGB
sind daher nicht hinreichend begründet, weshalb nicht darauf einzutreten ist.

1.5 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es ist folglich weder an die in der Beschwerde geltend gemachten
Argumente noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden; es kann eine
Beschwerde aus einem anderen als dem angerufenen Grund gutheissen und es kann
eine Beschwerde mit einer von der Argumentation der Vorinstanz abweichenden
Begründung abweisen. Zu beachten ist aber, dass nach Art. 42 Abs. 2 BGG in der
Beschwerdeschrift in gedrängter Form darzulegen ist, inwiefern der angefochtene
Akt Recht verletzt. Zwar ist eine ausdrückliche Nennung bestimmter
Gesetzesartikel nicht erforderlich, falls aus den Vorbringen hervorgeht, gegen
welche Regeln des Bundesrechts die Vorinstanz verstossen haben soll.
Unerlässlich ist aber, dass auf die Begründung des angefochtenen Urteils
eingegangen und im Einzelnen dargetan wird, worin eine Verletzung von
Bundesrecht liegen soll (BGE 133 IV 286 E. 1.4 S. 87; 121 III 397 E. 2a S. 400;
116 II 745 E. 3 S. 748 f.). Auf die Beschwerde ist im Folgenden nur
einzutreten, soweit sie diesen Anforderungen gerecht wird.

2.
2.1 Das Obergericht stellte im Zusammenhang mit der Prüfung der Rechtmässigkeit
der fristlosen Kündigung fest, zunächst sei unklar gewesen, wie bzw. in welchem
Umfang sich der Beschwerdegegner bis zu seinem Weggang der Beschwerdeführerin
habe zur Verfügung halten müssen. Spätestens mit dem Schreiben vom 23. April
2005 habe die Beschwerdeführerin klargestellt, welche Anwesenheiten und
Leistungen vom Beschwerdegegner erwartet worden seien. Soweit die
Beschwerdeführerin Vorfälle vor diesem Datum geltend mache und daraus Vorwürfe
betreffend Absenzen und mangelhafte Auftragsausführung ableite, könne daher
nicht von einer groben Pflichtverletzung die Rede sein, zumal nicht allein dem
Beschwerdegegner angelastet werden könne, dass eine klare Regelung der weiteren
Arbeitsleistung auf Abruf bzw. der Arbeitsbereitschaft unterblieben sei.

2.2 Die Beschwerdeführerin stellt in Abrede, dass bis zum 23. April 2005 unklar
gewesen sei, in welchem Umfang sich der Beschwerdegegner zur Verfügung halten
musste. Sie weist in der Beschwerde auf diverse Aktenstellen hin, aus denen
sich entsprechende Anweisungen ergeben sollten und rügt, das Obergericht habe
ihren Beweisführungsanspruch nach Art. 8 ZGB verletzt, indem es ihr keine
Gelegenheit zum Nachweis ihrer "richtigen und unmissverständlichen
Instruktionen" gegeben habe.

2.3 Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin ging das Obergericht nicht von
einer unbewiesenen Sachlage aus, sondern es schloss aus den Parteivorbringen
und den Akten auf das Vorliegen der erwähnten Unklarheit. Insoweit ist Art. 8
ZGB gegenstandslos geworden, gibt diese Bestimmung doch keinen Anspruch auf
Weiterungen eines erfolgreichen Beweisverfahrens, weil sie stets an den Begriff
und die Folgen der Beweislosigkeit anknüpft (BGE 130 III 591 E. 5.4 S. 601 f.
mit Hinweisen).

3.
3.1 Was das Verhalten des Beschwerdegegners nach Klärung seiner Pflichten
anbelangt, erwog das Obergericht, die Beschwerdeführerin lege nicht näher dar,
welche Arbeiten der Beschwerdegegner in der massgeblichen Zeit ab dem 25. April
2005 nicht erledigt, verweigert oder schwerwiegend vernachlässigt habe. Sie
habe auch nicht vorgebracht, dass bzw. welche Arbeiten der Beschwerdegegner
ihrer Meinung nach nicht ausgeführt hatte, als sie die fristlose Entlassung
aussprach.

3.2 Die Beschwerdeführerin legt dem Bundesgericht unter beliebiger Einfügung
von Tatsachen, die im angefochtenen Urteil keine Stütze finden, ihre eigene von
jener des Obergerichts abweichende Sicht der Dinge dar und folgert, der
Beschwerdegegner habe sich trotz mehrfacher mündlicher Abmahnung der
wiederholten Pflichtverletzung schuldig gemacht. Damit genügt die Beschwerde
den Begründungsanforderungen nicht und ist insoweit unbeachtlich.

4.
4.1 Zum Vorwurf der privaten Nutzung von Telefon und Internet durch den
Beschwerdegegner erwog das Obergericht, der Arbeitgeber sei grundsätzlich
befugt, die Nutzung dieser Kommunikationsmittel am Arbeitsplatz zu privaten
Zwecken zu reglementieren oder - ausser in Notfällen - gänzlich zu verbieten,
was die Beschwerdeführerin aber nicht getan habe. Übermässiges privates Surfen
auf Internet könne auch Anlass für eine Verwarnung bilden. Das Obergericht
prüfte daher, ob in der erneuten Nutzung des Internets zu privaten Zwecken
durch den Beschwerdegegner nach dessen Verwarnung vom 28. April 2005 eine
gravierende, die fristlose Entlassung rechtfertigende Pflichtverletzung gelegen
habe, wobei sie anführte, ein Verbot jeglicher privater Tätigkeit während der
Arbeitszeit, wie es die Beschwerdeführerin erlassen haben wolle, wäre
angesichts der Pflicht des Arbeitgebers, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers
zu achten und zu schützen (Art. 328 Abs. 1 OR), unzulässig. Das Obergericht
stellte fest, die Verwarnung habe sich auf die Weigerung, zumutbare Arbeit
ordnungsgemäss auszuführen und auf stundenlanges Surfen im Internet bezogen.
Sie stufte das erneute weisungswidrige Verhalten aber nicht als derart schwer
ein, dass es ohne erneute Verwarnung einen wichtigen Grund für eine fristlose
Entlassung hätte darstellen können, selbst wenn entgegen der Behauptung des
Beschwerdegegners für die nachgewiesene Internetkonsultation des Wetterberichts
kein dringendes privates Bedürfnis vorgelegen und diese nicht bloss ein oder
zwei Minuten gedauert haben sollte. Selbst wenn im Surfen eine grobe
Pflichtverletzung läge, wäre der Beschwerdeführerin nach Auffassung des
Obergerichts die Fortsetzung des bereits gekündigten Arbeitsverhältnisses für
die verbleibenden zwei Monate zumutbar.

4.2 Die Beschwerdeführerin bringt vor, es sei ihr versagt worden, die mehrfach
begangenen schwerwiegenden Pflichtverletzungen und die mehrfachen
unmissverständlichen mündlichen Abmahnungen nachzuweisen. Sie legt aber nicht
dar, welche prozesskonform angebotenen Beweismittel die Vorinstanz nicht
abgenommen hat, weshalb sie mit ihrer Rüge nicht zu hören ist (vgl. E. 1.4
hiervor).

4.3 Die Beschwerdeführerin ist schliesslich der Auffassung, die Vorinstanz
argumentiere widersprüchlich, wenn sie die Fortführung des Arbeitsverhältnisses
für untragbar erachte und darin trotzdem keinen hinreichenden Grund zur
fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses erkannte. Die Ausführungen der
Vorinstanz über die Zumutbarkeit der Weiterbeschäftigung erfolgten indessen nur
eventualiter, falls im Surfen auf dem Internet eine grobe Pflichtverletzung zu
sehen wäre. Davon ist gestützt auf die Feststellungen im angefochtenen
Entscheid nicht auszugehen. Im Übrigen hielt die Vorinstanz fest, nicht das
Surfen auf dem Internet, sondern das unmotivierte Verhalten des
Beschwerdeführers sei Ursache der Kündigung gewesen. Dadurch sei die
Weiterbeschäftigung generell je länger desto weniger tragbar gewesen. Wenn die
Vorinstanz eine langfristige Weiterbeschäftigung für unzumutbar hält, nicht
aber eine kurzfristige bis zum Ende des bereits gekündigten
Arbeitsverhältnisses, ist dies in sich nicht widersprüchlich. Die Annahme, das
unmotivierte Verhalten bilde keinen hinreichenden Grund für eine fristlose
Kündigung, verletzt kein Bundesrecht.

5.
Die Beschwerde ist insgesamt abzuweisen, soweit überhaupt darauf einzutreten
ist. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin
kostenpflichtig. Die Zusprechung einer Entschädigung an die Gegenpartei
entfällt, da sich diese nicht hat vernehmen lassen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zürich, I.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 24. November 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Luczak