Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.423/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_423/2008 /len

Urteil vom 12. November 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Gelzer.

Parteien
1. A.________,
2. B.________,
3. C.________,
4. D.________,
5. E.________,
Beschwerdeführerinnen,
alle vertreten durch Rechtsanwalt Willy Bolliger-Kunz,

gegen

F.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Stefan Galligani.

Gegenstand
Schadenersatz und Genugtuung,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Aargau, Strafgericht, 2. Kammer,
vom 23. Juli 2008.

Sachverhalt:

A.
Am 8. November 2003 fuhr F.________ (Beschwerdegegner) in seinem Privatwagen
aus Muri kommend in Richtung Wohlen. G.________ folgte ihm mit seinem Auto und
begann ihn kurz vor der Signaltafel Muri-Moos zu überholen. Als der
Beschwerdegegner dies bemerkte, beschleunigte er sein Fahrzeug, worauf beide
Autos auf einer Strecke von rund 350 Metern nebeneinander fuhren und dabei
zwischen 104 bis 116 km/h bzw. 102 bis 114 km/h erreichten. Obwohl G.________
nach einer Streifkollision mit dem Auto des Beschwerdegegners eine Vollbremsung
einleitete, konnte er eine Frontalkollision mit einem entgegenkommenden
Fahrzeug nicht mehr verhindern. Dessen Führer und G.________ kamen dabei ums
Leben. Seine Passagiere, d.h. seine Ehefrau (Beschwerdeführerin 1) und seine
vier Töchter (Beschwerdeführerinnen 2-5), wurden verletzt. Der Beschwerdegegner
blieb unverletzt.

B.
Im Strafverfahren gegen den Beschwerdegegner stellten die Beschwerdeführerinnen
beim Bezirksgericht Muri am 8. Juli 2005 die Anträge, der Beschwerdegegner sei
zu verpflichten, ihnen eine Genugtuung nach richterlichem Ermessen zu bezahlen,
und in Bezug auf die weiteren Schadenersatzansprüche habe das Gericht gestützt
auf Art. 9 Abs. 3 OHG dem Grundsatz nach zu entscheiden.
Mit Entscheid vom 8. Juli 2005 erklärte das Bezirksgericht den Beschwerdegegner
der mehrfachen fahrlässigen Tötung, der mehrfachen einfachen, fahrlässigen
Körperverletzung, des Führens eines Motorfahrzeugs ohne Führerausweis und des
Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit schuldig und bestrafte ihn
mit drei Jahren Gefängnis. Die Zivilforderungen wies das Bezirksgericht auf den
Zivilweg. Dieses Urteil fochten alle Parteien beim Obergericht des Kantons
Aargau an. Dessen erstes Urteil kassierte das Bundesgericht am 21. Januar 2007,
worauf das Obergericht am 8. März 2007 ein zweites Urteil fällte, mit dem es
den Beschwerdegegner über das erstinstanzliche Urteil hinausgehend des
Nichtbeherrschens des Fahrzeugs und der Missachtung der Überholvorschriften
schuldig sprach. Zudem wies das Obergericht die Sache im Zivilpunkt zu neuer
Entscheidung an das Bezirksgericht zurück. Dieses verpflichtete am 16. Oktober
2007 den Beschwerdegegner, der Beschwerdeführerin 1 Fr. 34'000.-- und den
Beschwerdeführerinnen 2-5 je Fr. 14'000.--, je plus Zins von 5 % seit 8.
November 2003, als Genugtuung zu bezahlen. Zudem stellte das Bezirksgericht
fest, der Beschwerdegegner hafte den Beschwerdeführerinnen für Versorgerschaden
aus dem Tod von G.________ zu 40 % und für den Personenschaden aus den
Verletzungen der Beschwerdeführerin 1 durch den Verkehrsunfall vom 8. November
2003 zu 100 %.
Auch dieses Urteil wurde von allen Parteien beim Obergericht des Kantons Aargau
angefochten, welches es am 23. Juli 2008 insoweit abänderte, als es die
zugesprochenen Genugtuungen auf Fr. 26'000.-- für die Beschwerdeführerin 1 und
auf je Fr. 12'000.-- für die Beschwerdeführerinnen 2-5, je plus Zins von 5 %
seit 8. November 2003, reduzierte.
Gemäss Ziff. 3 des Dispositivs verpflichtete das Obergericht die
Beschwerdeführerinnen, der Obergerichtskasse 1/5 der richterlich auf Fr.
6'759.10 (inkl. MWSt) festgesetzten zweitinstanzlichen Parteikosten des
Beschwerdegegners zu bezahlen.

C.
Die Beschwerdeführerinnen erheben Beschwerde in Zivilsachen mit den Begehren,
das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 23. Juli 2008 sei
aufzuheben; der Beschwerdegegner sei zu verpflichten, als Genugtuung der
Beschwerdeführerin 1 mindestens Fr. 58'500.-- und den Beschwerdeführerinnen 2-5
mindestens je Fr. 26'250.-- plus 5 % Zins seit dem 8. November 2003 zu
bezahlen. Es sei festzustellen, dass der Beschwerdegegner den
Beschwerdeführerinnen für den Versorgerschaden aus dem Tod von G.________ zu
mindestens 75 % hafte. Ferner sei der Beschwerdegegner zu 100 % haftbar zu
erklären für die durch den Verkehrsunfall vom 8. November 2003 verursachten
Personenschäden der Beschwerdeführerinnen und den Haushaltschaden der
Beschwerdeführerin 1.
Der Beschwerdegegner schliesst auf Abweisung der Beschwerde und stellt ein
Gesuch um unentgeltliche Rechtsverbeiständung. Das Obergericht verzichtet auf
eine Vernehmlassung.

Erwägungen:

1.
1.1 Der angefochtene Entscheid betrifft zivilrechtliche Forderungen, welche im
Rahmen eines Strafverfahrens erhoben wurden. Da im Verfahren vor der oberen
kantonalen Instanz nur noch der Zivilpunkt streitig war, steht nicht die
Beschwerde in Strafsachen, sondern die Beschwerde in Zivilsachen offen (BGE 133
III 701 E. 2.1). Der erforderliche Streitwert und die übrigen
Sachurteilsvoraussetzungen der Beschwerde in Zivilsachen sind gegeben, weshalb
darauf grundsätzlich einzutreten ist.

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Es kann die
Sachverhaltsfeststellung der Vorinstanz nur berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Art. 105 Abs. 2 BGG). Überdies muss die Behebung des Mangels für
den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein (Art. 97 Abs. 1 BGG). Der
Beschwerdeführer, der die Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten
will, muss substantiiert darlegen, inwiefern die Voraussetzungen einer Ausnahme
gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG gegeben sind (BGE 133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350
E. 1.3).

1.3 Soweit die Beschwerdeführerinnen in ihrer Beschwerdebegründung von den
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz abweichen, ohne substantiiert
Ausnahmen von der Sachverhaltsbindung gemäss Art. 105 Abs. 2 BGG geltend zu
machen, haben ihre Vorbringen unbeachtet zu bleiben. Dies gilt für die Angabe,
entgegen den Ausführungen der Vorinstanz habe kein "Kräftemessen" zwischen dem
Beschwerdegegner und G.________ stattgefunden und von "Raserei" könne nicht
ausgegangen werden, weil dieser ein sehr altes und "langsames" Fahrzeug
besessen habe.

2.
2.1 Gemäss Art. 47 OR kann der Richter bei Tötung eines Menschen oder
Körperverletzung dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten unter
Würdigung der besonderen Umstände eine angemessene Geldsumme als Genugtuung
zusprechen. Die Genugtuung bezweckt den Ausgleich für erlittene Unbill, indem
das Wohlbefinden anderweitig gesteigert oder die Beeinträchtigung erträglicher
gemacht wird. Bemessungskriterien sind vor allem die Art und Schwere der
Verletzung, die Intensität und Dauer der Auswirkungen auf die Persönlichkeit
des Betroffenen, der Grad des Verschuldens des Haftpflichtigen sowie ein
allfälliges Selbstverschulden des Geschädigten (BGE 132 II 117 E. 2.2.2 S. 119;
127 IV 215 E. 2a S. 216; je mit Hinweisen). Bei der Bestimmung der Genugtuung
kann in einem ersten Schritt gestützt auf ähnlich gelagerte Fälle ein
Basisbetrag bestimmt werden, der anschliessend unter Berücksichtigung der
Umstände des Einzelfalls angepasst wird (vgl. BGE 132 II 117 E. 2.2.3 S. 120;
124 III 182 E. 5 S. 187; je mit Hinweisen). Den kantonalen Behörden steht bei
der Festsetzung der Höhe der Genugtuung ein weiter Ermessensspielraum zu, in
den das Bundesgericht nur eingreift, wenn grundlos von den in Lehre und
Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen abgewichen wird, wenn Tatsachen
berücksichtigt werden, die für den Entscheid im Einzelfall keine Rolle spielen
dürfen oder wenn umgekehrt Umstände ausser Betracht geblieben sind, die hätten
beachtet werden müssen, oder wenn sich der Entscheid als offensichtlich
ungerecht erweist (BGE 132 II 117 E. 2.2.5 S. 121 mit Hinweis).

2.2 Das Bezirksgericht ging bezüglich der Genugtuung der Beschwerdeführerin 1
für den Verlust des Ehemannes von einem Basisbetrag von Fr. 35'000.-- aus, den
es unter Berücksichtigung erschwerender Umstände auf Fr. 70'000.-- erhöhte.
Bezüglich der Beschwerdeführerinnen 2-5 legte das Bezirksgericht für den
Verlust des Vaters den Basisbetrag auf Fr. 25'000.-- fest und erhöhte diesen
auf Fr. 35'000.--. Diese Beträge kürzte es wegen Selbstverschuldens des
G.________ um 60 %.

2.3 Vor dem Obergericht waren die vom Bezirksgericht auf Fr. 35'000.-- bzw. Fr.
25'000.-- festgelegten Basisgenugtuungen von den Parteien nicht bestritten. Der
Beschwerdegegner verlangte jedoch eine kleinere Erhöhung dieser Beträge und
eine Reduktion seiner verschuldensmässigen Haftungsquote von 40 auf 20 %. Die
Beschwerdeführerinnen verlangten eine Erhöhung dieser Quote auf 75 %.

2.4 Das Obergericht nahm an, das Bezirksgericht habe die Faktoren, welche die
Genugtuung erhöhen oder vermindern, zutreffend dargestellt. Das erhebliche
Verschulden des Beschwerdegegners wirke sich genugtuungserhöhend aus. So habe
er fahrlässig einen schweren Verkehrsunfall verursacht, indem er G.________
ohne Veranlassung am Überholen gehindert und sich trotz des nahenden
Gegenverkehrs auf ein Kräftemessen mit ihm eingelassen habe. Erschwerend komme
hinzu, dass der Tod von G.________ leicht vermeidbar gewesen sei und von den
Beschwerdeführerinnen miterlebt wurde. Diese hätten nicht dargelegt, dass eine
besonders enge Beziehung zum Ehemann bzw. zum Vater oder eine harmonische
Familienbeziehung bestanden hätte. Eine Erhöhung der Genugtuung aus diesem
Grund falle daher nicht in Betracht. Hingegen sei zu berücksichtigen, dass die
Beschwerdeführerin 1 seit dem Unfall zu 100 % arbeitsunfähig und in ständiger
ärztlicher Betreuung sei. Den Beschwerdeführerinnen 2-5 gehe es den Umständen
entsprechend gut. In Anbetracht dieser Umstände sei die von der Vorinstanz
vorgenommene Erhöhung der Basisgenugtuung auf Fr. 70'000.-- bzw. Fr. 35'000.--
nicht gerechtfertigt. Ohne Verschuldensabzug sei eine Genugtuung für die
Beschwerdeführerin 1 von Fr. 50'000.-- und eine solche von je Fr. 30'000.-- für
die Beschwerdeführerinnen 2-5 angemessen.

2.5 Die Beschwerdeführerinnen rügen, das Obergericht habe das ihr bei der
Bemessung der Genugtuung zustehende Ermessen überschritten. Sie bringen vor,
für eine überlebende Ehefrau werde in der Regel ein Genugtuungsbetrag von rund
Fr. 50'000.-- zugesprochen, der zu erhöhen sei, wenn der Ehepartner bei der
strafbaren Handlung ebenfalls verletzt wurde. Für den Verlust des Vaters würden
die Kinder in der Regel eine Genugtuung von Fr. 30'000.-- erhalten, die erhöht
werde, wenn die Kinder mit dem Getöteten im gleichen Haushalt lebten oder
selber verletzt worden seien. Die von der ersten Instanz zugesprochenen
Genugtuungen seien korrekt und die Verdoppelung der Basisgenugtuung für die
Beschwerdeführerin 1 von Fr. 35'000.-- auf Fr. 70'000.-- sei gerechtfertigt
gewesen. Der Unfall habe sie traumatisiert und ihr Leben persönlich, psychisch,
physisch und auch wirtschaftlich äusserst hart getroffen. Sie habe zusehen
müssen, wie ihr Ehemann auf der Unfallstelle verblutete. Dasselbe gelte auch
für die vier Kinder, wenngleich deren physische Verletzungen weitaus geringer
ausgefallen seien. Weiter sei zu beachten, dass die Beschwerdeführerin 1 über
10 Jahre mit ihrem verstorbenen Ehemann verheiratet gewesen sei, mit ihm vier
Kinder gehabt und immer im gleichen Haushalt gelebt habe. Die Erwägung des
Obergerichts bezüglich der fehlenden harmonischen Familienbeziehung sei daher
unverständlich.

2.6 Gestützt auf die Analyse zahlreicher Entscheide kommen KLAUS HÜTTE/PETRA
DUCKSCH/GUERRERO KAYUM (Die Genugtuung, 3. Aufl. 2005) zum Ergebnis, für den
Zeitraum 2003-2005 dürfe man im Zivilrecht bei Verlust eines Ehegatten von
einer Basis- oder Regelgenugtuung von Fr. 30'000.-- bis 40'000.-- (Ziff. II/1)
und bei Verlust eines Elternteils von einer Basis- oder Regelgenugtuung von
etwa Fr. 25'000.-- ausgehen (Ziff. IV/1). Auf die abweichenden allgemeinen
Angaben der Beschwerdeführerinnen kann nicht abgestellt werden, weil sie dafür
keine Grundlage nennen und eine solche auch nicht erkennbar ist. Demnach
verstossen die auf Fr. 35'000.-- bzw. Fr. 25'000.-- festgesetzten - und vor
Obergericht von den Parteien anerkannten - Basisgenugtuungen nicht gegen
Bundesrecht. Bezüglich der Anpassung dieser Beträge an die Umstände des
Einzelfalls ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Obergericht
daraus, dass die Beschwerdeführerinnen keine besondere Intensität ihrer
Beziehung zum verstorbenen Ehemann bzw. Vater geltend machten, ableitete, die
Basisgenugtuung dürfe um diesen Faktor nicht erhöht werden (vgl. Urteil 6S.700/
2001 vom 7. November 2002 E. 4.3). Dem vom Obergericht verwendeten Begriff der
harmonischen Familienbeziehung kommt keine selbständige Bedeutung zu, denn aus
dem Zusammenhang ergibt sich, dass das Obergericht bloss eine besonders
intensive bzw. besonders harmonische Familienbeziehung verneinte. Im Übrigen
zeigen die Beschwerdeführerinnen weder auf noch ist ersichtlich, welche
massgebenden Kriterien das Obergericht bei der Bemessung der Genugtuungen nicht
beachtet hat. Die zugesprochenen Gesamtbeträge beruhen damit nicht auf
unmassgeblichen Kriterien und erscheinen auch im Ergebnis nicht als
unangemessen, wenn berücksichtigt wird, dass das Bundesgericht im Jahr 2006
eine Genugtuung von Fr. 40'000.-- für eine im siebten Monat schwangere Ehefrau
als bundesrechtskonform qualifizierte, und festhielt, in den letzten zehn
Jahren seien Fr. 40'000.-- übersteigende Beträge für den Verlust eines
Ehegatten vornehmlich bei vorsätzlicher Tötung zugesprochen worden (vgl. Urteil
4C.435/2005 vom 5. Mai 2006 E. 4.2.2 und 6.2). Damit ist in diesem Zusammenhang
eine Ermessensüberschreitung des Obergerichts zu verneinen.

3.
3.1 Das Obergericht ging mit dem Bezirksgericht davon aus, G.________ sei ein
überwiegendes Selbstverschulden von 60 % am Unfall anzulasten, was zu einer
entsprechenden Reduktion der Genugtuungen führe. Zwar hätte der
Beschwerdegegner das Überholmanöver nicht behindern dürfen, doch hätte primär
G.________ dieses abbrechen sollen, was ohne weiteres möglich gewesen wäre. Er
sei nicht überfordert gewesen, sondern habe sich in ein "Kräftemessen" mit dem
Beschwerdegegner darüber eingelassen, welcher der beiden Raser angesichts des
nahenden Gegenverkehrs als Erster aufgeben werde.

3.2 Die Beschwerdeführerinnen rügen, das Obergericht habe das Verschulden des
Beschwerdegegners zu wenig stark gewichtet. Es habe nicht gewürdigt, dass sich
dessen fahrlässiges Verhalten lediglich auf den Tatbestand der Tötung und der
Körperverletzung beziehen könne. Die weiteren Delikte, wie das Führen eines
Motorfahrzeuges ohne Führerausweis, das Überschreiten der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit etc. habe er vorsätzlich begangen. G.________ sei zum
Überholen berechtigt gewesen. Zwar habe er dabei die zulässige Geschwindigkeit
überschritten und das Überholmanöver nicht rechtzeitig abgebrochen. Dieses
Fehlverhalten sei jedoch vom Beschwerdegegner provoziert worden, indem dieser
G.________ grundlos am Überholen gehindert habe. Das Obergericht habe zudem
nicht berücksichtigt, dass der Beschwerdegegner nie im Besitze eines
Führerausweises gewesen sei. Weiter müsse sich verschuldensmässig auswirken,
dass G.________ seinen Fehler mit dem Leben bezahlt habe. Auch habe sich das
Obergericht nicht damit auseinandergesetzt, dass die SUVA die Renten der
Beschwerdeführerinnen nicht gemäss Art. 37 Abs. 2 UVG bzw. Art. 21 Abs. 2 ATSG
gekürzt und damit das Verschulden anders bewertet habe. Unter Würdigung
sämtlicher verschuldensrelevanter Umstände trage der Beschwerdegegner
mindestens 75 % und G.________ nur 25 % des Verschuldens am Unfall.

3.3 Fahrzeuge müssen grundsätzlich rechts fahren (Art. 34 Abs. 1 SVG). Wird von
dieser Regel beim Überholen abgewichen, ist gegenüber allen Strassenbenützern
ausreichend Abstand zu wahren (Art. 34 Abs. 4 SVG), wobei sowohl auf den
Gegenverkehr als auch auf die nachfolgenden Fahrzeuge Rücksicht zu nehmen ist
(Art. 34 Abs. 3 SVG). Gemäss dieser Pflicht hat der Überholende das
Überholmanöver bei herannahendem Gegenverkehr unverzüglich abzubrechen, erst
recht, wenn das zu überholende Fahrzeug vorschriftswidrig beschleunigt wurde.
Die kantonalen Instanzen haben daher zu Recht angenommen, dass G.________ ein
schwereres Verschulden als den Beschwerdegegner am Unfall trifft. An der
Hauptverantwortung von G.________ vermag entgegen der Annahme der
Beschwerdeführerinnen nichts zu ändern, dass er beim Unfall ums Leben kam und
der Beschwerdegegner ohne gültigen Führerausweis fuhr. Unbeachtlich ist, dass
die SUVA ihre Leistungen an die Beschwerdeführerinnen nicht kürzte, weil gemäss
Art. 21 Abs. 2 ATSG eine solche Kürzung voraussetzt, dass die Angehörigen oder
Hinterlassenen den Versicherungsfall vorsätzlich oder bei Ausübung eines
Verbrechens oder Vergehens herbeigeführt haben, was vorliegend nicht zutrifft.
Demnach hat das Obergericht mit der Verschuldensaufteilung von 60 zu 40 % zu
Lasten von G.________ kein Bundesrecht verletzt.

3.4 Aus dem Gesagten folgt, dass auch die vom Beschwerdeführer erhobene Kritik
an der vom Obergericht nach dem Verschulden bestimmten Haftungsquote des
Beschwerdegegners für den Versorgerschaden von 40 % unbegründet ist.

4.
4.1 Die Beschwerdeführerinnen machen geltend, das Obergericht habe
bundesrechtswidrig angeordnet, sie müssten einen Fünftel der Anwaltskosten des
Beschwerdegegners dem Kanton Aargau bezahlen. Wenn schon hätten sie einen Teil
dem Beschwerdegegner bezahlen müssen, mit der Möglichkeit der Verrechnung mit
Gegenforderungen aus früheren Verfahren.

4.2 Die Frage, an wen der teilweise Ersatz des vom Kanton geleisteten
Armenanwaltshonorars zu bezahlen ist, wird nicht vom Bundesrecht, sondern vom
kantonalen Prozessrecht beantwortet. Dessen Anwendung prüft das Bundesgericht
nur bezüglich der Verletzung des verfassungsmässigen Willkürverbots. Da in der
Beschwerde eine solche Rüge weder vorgebracht noch begründet wurde, ist die
Anwendung kantonalen Rechts nicht zu prüfen (vgl. Art. 106 Abs. 2 BGG).

5.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind die Gerichtskosten den
Beschwerdeführerinnen aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 5 BGG). Diese haben
zudem dem Beschwerdegegner eine Parteientschädigung zu bezahlen (Art. 68 Abs. 2
und 4 BGG). Dessen Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist gutzuheissen, da
er bedürftig ist und sich sein Standpunkt nicht als aussichtslos erwies (Art.
64 Abs. 1 BGG). Ferner ist er für das vorliegende Verfahren auf rechtskundige
Vertretung angewiesen, weshalb Rechtsanwalt Stefan Galligani als
unentgeltlicher Rechtsvertreter zu bestimmen ist. Im Fall der
Uneinbringlichkeit der zugesprochenen Entschädigung ist ihm diese aus der
Bundesgerichtskasse zu entrichten (Art. 64 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Das Gesuch des Beschwerdegegners um unentgeltliche Rechtspflege wird
gutgeheissen, und Rechtsanwalt Stefan Galligani wird als unentgeltlicher
Rechtsvertreter ernannt.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden den Beschwerdeführerinnen unter
solidarischer Haftung auferlegt.

4.
Die Beschwerdeführerinnen haben den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren unter solidarischer Haftung mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen. Bei
Uneinbringlichkeit wird dieser Betrag Rechtsanwalt Stefan Galligani aus der
Bundesgerichtskasse ausgerichtet.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Aargau,
Strafgericht, 2. Kammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 12. November 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Gelzer