Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.363/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_363/2008 /len

Urteil vom 14. Oktober 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Gelzer.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jean-Pierre Menge,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Ernst Sax.

Gegenstand
Arbeitsvertrag; Überstundenentschädigung,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts
von Graubünden, Zivilkammer, vom 5. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Arbeitnehmerin) absolvierte vom 9. August 1999 bis zum 8. August
2003 bei B.________ (Arbeitgeber) in Flims eine Lehre als Zahntechnikerin. Sie
bestand die Lehrabschlussprüfung erst beim zweiten Mal und arbeitete danach
beim Arbeitgeber als Zahntechnikerin. Am 25. Juli 2004 kündigte sie das
Arbeitsverhältnis per Ende September 2004.

B.
Nach erfolgloser Sühneverhandlung klagte die Arbeitnehmerin (Klägerin) am 17.
November 2006 beim Bezirksgericht Imboden gegen den Arbeitgeber (Beklagter) auf
Zahlung von Fr. 24'354.00 nebst Zins zu 5 % seit dem 30. September 2004. Die
Klägerin verlangte damit ausstehenden Lohn, insbesondere für von ihr geleistete
Sonntagsarbeit. Der Beklagte schloss auf Abweisung der Klage und erhob
Widerklage auf Zahlung von Fr. 18'865.00 bzw. später Fr. 7'865.50 zuzüglich 5 %
Zins seit 18. Mai 2006. Zur Begründung brachte er namentlich vor, vom Lohn sei
der monatliche Mietzins von Fr. 600.-- abzuziehen.
Mit Urteil vom 2. Oktober 2007 hiess das Bezirksgericht die Klage im Umfang von
Fr. 10'347.30 brutto zuzüglich 5 % Zins seit 30. September gut und wies die
Widerklage ab.
Dagegen erhob der Beklagte Berufung beim Kantonsgericht Graubünden. Dieses kam
- anders als das Bezirksgericht - zum Ergebnis, die Klägerin habe die von ihr
geltend gemachten 67 Stunden "Sonntagsarbeit" nicht nachweisen können und habe
auch nicht dargetan, dass sie allgemein regelmässig über die ordentliche
Arbeitszeit tätig gewesen sei. Damit komme auch eine Schätzung der Überstunden/
Sonntagsarbeit in Analogie zu Art. 42 Abs. 2 OR nicht in Frage. Ebenfalls in
Abweichung vom erstinstanzlichen Urteil ging das Kantonsgericht davon aus, der
Beklagte habe einen Mietvertrag mit der Klägerin nachweisen können.
Entsprechend hiess das Kantonsgericht die Berufung mit Urteil vom 5. Mai 2008
teilweise gut, hob den erstinstanzlichen Entscheid auf, hiess die Klage im
Umfang von Fr. 2'223.50 netto zuzüglich 5 % Zins seit 30. September 2004 gut
und wies sie im Übrigen ab.

C.
Die Klägerin (Beschwerdeführerin) erhebt Beschwerde in Zivilsachen und
subsidiäre Verfassungsbeschwerde mit den Anträgen, die Ziffern 1, 2, 5 und 6
des Urteils des Kantonsgerichts vom 5. Mai 2008 seien aufzuheben und das Urteil
des Bezirksgerichts vom 2. Oktober 2007 sei zu bestätigen. Zudem stellte die
Beschwerdeführerin ein Gesuch um aufschiebende Wirkung, das mit
Präsidialverfügung vom 12. August 2008 abgewiesen wurde.
Das Kantonsgericht schliesst auf Abweisung der Beschwerde, soweit darauf
einzutreten sei. Der Beklagte (Beschwerdegegner) beantragt, die Beschwerde in
Zivilsachen sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei; die subsidiäre
Verfassungsbeschwerde sei abzuweisen.

Erwägungen:

1.
1.1 In arbeitsrechtlichen Fällen ist die Beschwerde in Zivilsachen
grundsätzlich nur zulässig, wenn der Streitwert mindestens Fr. 15'000.--
beträgt (Art. 74 Abs. 1 lit. a BGG). Dies trifft im vorliegenden Fall nicht zu,
da bei der Streitwertberechnung der Betrag einer Widerklage nicht mit
demjenigen der Hauptklage zusammengerechnet wird (Art. 53 Abs. 1 BGG), und
weder die Haupt- noch die Widerklage den erforderlichen Streitwert erreicht
(Art. 53 Abs. 2 BGG).

1.2 Wird der massgebende Streitwert nicht erreicht, ist die Beschwerde
ausnahmsweise dennoch zulässig, wenn sich eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung stellt (Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG).
Die Beschwerdeführerin macht geltend, von grundsätzlicher Bedeutung seien die
Fragen, ob am Samstag geleistete Arbeit ebenfalls als Sonntagsarbeit zu gelten
habe, und, ob der Arbeitgeber der Arbeitnehmerin ohne nachgewiesene Einigung
über einen Mietvertrag Mietzinse vom Lohn abziehen dürfe.
Diese Rechtsfragen sind jedoch nicht entscheiderheblich, da das Kantonsgericht
die Überstunden nicht nur am Sonntag, sondern generell nicht als nachgewiesen
erachtete, und es annahm, der Beschwerdegegner habe den behaupteten Mietvertrag
beweisen können. Somit stellen sich keine relevanten Rechtsfragen von
grundsätzlicher Bedeutung, weshalb die Beschwerde in Zivilsachen unzulässig
ist. Gestützt auf Art. 113 und Art. 119 BGG ist damit grundsätzlich auf die
gleichzeitig erhobene subsidiäre Verfassungsbeschwerde einzutreten.

2.
2.1 Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, das
Kantonsgericht sei in Willkür verfallen, indem es bezüglich des Nachweises von
Überstunden Beweise und Behauptungen als untauglich zurückgewiesen habe. Damit
habe es auch das rechtliche Gehör gemäss Art. 29 BV verletzt.

2.2 Die Verletzung von Grundrechten muss in der Beschwerde vorgebracht und
begründet werden (Art. 106 Abs. 2 BGG). Für solche Rügen gelten die gleichen
Begründungsanforderungen, wie sie gestützt auf Art. 90 Abs. 1 lit. b OG für die
staatsrechtliche Beschwerde gegolten haben (BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit
Hinweisen). Demnach prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene
und, soweit möglich, belegte Rügen. Auf rein appellatorische Kritik am
angefochtenen Entscheid tritt es nicht ein. Wird eine Verletzung des
Willkürverbots geltend gemacht, muss anhand der angefochtenen Subsumtion im
Einzelnen dargelegt werden, inwiefern der Entscheid an einem qualifizierten und
offensichtlichen Mangel leidet (BGE 130 I 258 E. 1.3 S. 261 mit Hinweisen).
Dabei ist zu beachten, dass dem Sachgericht im Bereich der Beweiswürdigung ein
erheblicher Ermessensspielraum zusteht. Die Beweiswürdigung ist daher nur
willkürlich, wenn das Sachgericht sein Ermessen missbraucht, indem es zum
Beispiel offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht oder erhebliche Beweise
übersieht (BGE 129 I 8 E. 2.1. S. 9; 120 Ia 31 E. 4b S. 40, mit Hinweisen).

2.3 Die Vorbringen der Beschwerdeführerin zur gerügten Verletzung von Art. 9
und Art. 29 BV im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung bezüglich der
Überstunden erschöpfen sich in appellatorischer Kritik am angefochtenen Urteil
und vermögen den genannten Begründungsanforderungen nicht zu genügen. Auf diese
Rügen ist daher nicht einzutreten.

2.4 Schliesslich rügt die Beschwerdeführerin, das Kantonsgericht sei in Willkür
verfallen, indem es den vom Beschwerdegegner behaupteten Mietvertrag als
nachgewiesen erachtete. Die Beschwerdeführerin habe in einer Wohnung gelebt,
welche anerkanntermassen auch als Arbeitsstätte gedient habe. Zudem habe sich
die Beschwerdeführerin an den Wochenenden, an denen sie nicht gearbeitet habe,
bei ihren Eltern in Thusis aufgehalten. Unter diesen Umständen sei es
unhaltbar, von ihr für lediglich eine Schlafstelle monatlich Fr. 600.-- zu
verlangen. Daraus, dass ihr Nachfolger, C.________, mit dem Beschwerdegegner
einen vom Lohn abzuziehenden Mietzins vereinbart haben soll, könne nichts zu
Gunsten des Beschwerdegegners abgeleitet werden.

2.5 Ob diese Angaben den Begründungsanforderungen gerecht werden, kann offen
bleiben, weil die Rüge unbegründet ist. Das Kantonsgericht hat durchaus
berücksichtigt, dass die Wohnung auch als Arbeitsstätte benutzt wurde. Zudem
bestreitet die Beschwerdeführerin nicht, dass sie von C.________ für die
Überlassung der Wohnung während der zweiten Hälfte des Monats September 2004
Fr. 300.-- verlangte. Weshalb das Kantonsgericht diesen Umstand nicht als
gewichtiges Indiz dafür werten durfte, dass die Parteien einen monatlichen
Mietzins von Fr. 600.-- vereinbarten, legt die Beschwerdeführerin nicht dar und
ist auch nicht ersichtlich. Als weiteres Indiz dafür, dass die
Beschwerdeführerin einen Mietzins schuldete, wertete das Kantonsgericht sodann
den Umstand, dass ihr ein marktüblicher, GAV-konformer Lohn ausgerichtetet
wurde. Dass dies unzutreffend sein soll, legt die Beschwerdeführerin nicht dar.
Damit ist eine willkürliche Beweiswürdigung zu verneinen, zumal ein
Indizienbeweis zulässig ist.

3.
Nach dem Gesagten ist auf die Beschwerde in Zivilsachen nicht einzutreten und
die subsidiäre Verfassungsbeschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig
(Art. 65 Abs. 4 lit. c und Art. 66 Abs. 1 BGG). Sie hat zudem den
Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 68
Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde in Zivilsachen wird nicht eingetreten.

2.
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten
ist.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'000.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Oktober 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Gelzer