Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.350/2008
Zurück zum Index I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2008
Retour à l'indice I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 2008


Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_350/2008 /len

Urteil vom 11. August 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Luczak.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Kaufmann,

gegen

X.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michael Hüppi.

Gegenstand
Arbeitsvertrag; Wiederherstellung,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, III.
Zivilkammer, vom 9. Juni 2008.

Sachverhalt:

A.
Mit Eingabe vom 3. November 2006 beantragte A.________ (Beschwerdeführer) dem
Arbeitsgericht Rorschach, die X.________ AG (Beschwerdegegnerin) wegen
rechtsmissbräuchlicher Kündigung zur Zahlung von Fr. 30'000.-- zuzüglich Zins
zu verpflichten. Mit Entscheid vom 29. Mai 2007 wies das Arbeitsgericht
Rorschach die Klage ab. Gegen diesen Entscheid erhob der Beschwerdeführer mit
Fax vom 17. August 2007 und mit postalisch zugestellter Eingabe (Postaufgabe in
Feldkirch/A am 20. August 2007) beim Kantonsgericht St. Gallen Berufung. Mit
Entscheid vom 3. Januar 2008 trat das Kantonsgericht auf die Berufung nicht
ein, weil diese verspätet erhoben worden sei. Diesen Entscheid schützte das
Bundesgericht mit Urteil 4A_83/2008 vom 11. April 2008.

B.
Der Beschwerdeführer beantragte dem Kantonsgericht die Wiederherstellung der
Berufungsfrist nach Art. 85 Abs. 2 des Gerichtsgesetzes vom 2. April 1987 (sGS
941.1, GerG/SG), da ihn am Fristversäumnis nur ein leichtes Verschulden treffe.
Die bis am 20. August 2007 nicht erfolgte dezidierte Auseinandersetzung mit der
Postaufgabe in Bezug auf die Fristwahrung bei schweizerischen Gerichten stelle
keine grobe Fahrlässigkeit dar, zumal die schweizerische Regelung wenig
sinnvoll erscheine, der österreichischen Rechtslage widerspreche und die
Erbringung von grenzüberschreitenden Dienstleistungen im innereuropäischen Raum
erschwere. Weiter berief sich der Beschwerdeführer darauf, der Konsul des
schweizerischen Konsulats in Bregenz vertrete den Standpunkt, bei ihm könne
keine Briefsendung zur Weiterleitung an ein schweizerisches Gericht aufgegeben
werden, das könne man vielmehr fristwahrend bei jedem österreichischen Postamt.

C.
Das Kantonsgericht wies das Gesuch am 9. Juni 2008 ab, da die Frist gemäss Art.
85 Abs. 1 und 2 GerG/SG nur wiederhergestellt werden könne, wenn der Säumige
ein Hindernis als Ursache der Säumnis glaubhaft mache, an welchem ihn höchstens
ein leichtes Verschulden treffe. Die Unkenntnis der Rechtslage, auf die sich
der Beschwerdeführer berufe, sei allerdings kein Hindernis im Sinne dieser
Bestimmung. Die Auffassung des Konsuls in Bregenz hielt das Kantonsgericht für
unbeachtlich, da die Voraussetzungen, unter denen der Beschwerdeführer
allenfalls Vertrauensschutz hätte beanspruchen können, nicht gegeben seien. Der
Beschwerdeführer habe weder versucht, die Sendung dem Konsulat zu übergeben,
noch im Vertrauen auf eine Auskunft des Konsulats gehandelt. Dieses sei zur
Erteilung derartiger Auskünfte gar nicht zuständig.

D.
Gegen diesen Entscheid führt der Beschwerdeführer Beschwerde in Zivilsachen und
eventuell subsidiäre Verfassungsbeschwerde. Er beantragt dem Bundesgericht, dem
Wiederherstellungsgesuch stattzugeben. Überdies ersucht er um Gewährung der
aufschiebenden Wirkung und der unentgeltlichen Prozessführung sowie um
Anordnung eines weiteren Schriftenwechsels bei Einholung einer Vernehmlassung
nach Art. 102 Abs. 1 BGG.

Erwägungen:

1.
Da keine Vernehmlassung eingeholt wurde, ist das für diesen Fall gestellte
Gesuch um Anordnung eines weiteren Schriftenwechsels, welches ohnehin verfrüht
gewesen wäre (vgl. BGE 133 I 98 E. 2.2 S. 99 f.), gegenstandslos. Da mit Blick
auf den Streitwert grundsätzlich die Beschwerde in Zivilsachen offen steht,
erweist sich die subsidiäre Verfassungsbeschwerde als unzulässig (Art. 113
BGG).

1.1 Mit der Beschwerde in Zivilsachen kann die Verletzung von Bundesrecht
gerügt werden (Art. 95 lit. a BGG). Der Begriff des Bundesrechts umfasst die
von den Bundesorganen erlassenen Rechtsnormen aller Erlassstufen, insbesondere
die Bundesverfassung, die Bundesgesetze sowie die verschiedenen Arten von
Verordnungen. Die Anwendung kantonalen Rechts prüft das Bundesgericht
grundsätzlich nicht (vgl. zu den Ausnahmen Art. 95 lit. c, d und e BGG), es sei
denn, sie führe zu einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 Abs. lit. a und
b BGG, namentlich zu einem Verstoss gegen das in Art. 9 BV verankerte
Willkürverbot (BGE 133 I 201 E. 1 S. 203). Hinsichtlich der Verletzung von
Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem Recht gilt das Rügeprinzip.
Das Bundesgericht prüft eine solche Rüge nur, wenn sie in der Beschwerde
präzise vorgebracht und begründet worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 III
393 E. 6 S. 397; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen).

1.2 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zu Grunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat. Wer sich auf eine Ausnahme von der Bindung des
Bundesgerichts an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz beruft und
den Sachverhalt gestützt darauf berichtigt oder ergänzt wissen will, hat im
Einzelnen aufzuzeigen, dass die Voraussetzungen gemäss Art. 97 Abs. 1 und Art.
105 Abs. 2 BGG gegeben sind (BGE 133 III 462 E. 2.4 S. 466) und mit
Aktenhinweisen darzulegen, dass er entsprechende rechtsrelevante Tatsachen und
taugliche Beweismittel bereits bei den Vorinstanzen genannt hat (vgl. Botschaft
zur Totalrevision der Bundesrechtspflege, BBl 2001 S. 4339). Neue Vorbringen
sind nur zulässig, soweit erst der angefochtene Entscheid dazu Anlass gibt
(Art. 99 Abs. 1 BGG), was wiederum näher darzulegen ist (BGE 133 III 393 E. 3
S. 395).

2.
Die Vorinstanz ging davon aus, Unkenntnis der Rechtslage stelle kein Hindernis
im Sinne von Art. 85 GerG/SG dar. Der Beschwerdeführer führt unter Hinweis auf
einen Entscheid des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs aus, auch ein
Rechtsirrtum oder ein Irrtum über die richtige Einbringungsstelle (Poststelle)
könne ein "unverschuldetes" Hindernis darstellen. Damit genügt er indessen den
Anforderungen an die Beschwerdebegründung gemäss Art. 106 Abs. 2 BGG
offensichtlich nicht. Denselben juristischen Begriffen kann in
unterschiedlichen Gesetzen, erst recht in verschiedenen Rechtsordnungen eine
unterschiedliche Tragweite zukommen. Entscheide, die zu analog formulierten
Bestimmungen in einer anderen Rechtsordnung ergehen, sind daher grundsätzlich
nicht geeignet, die Anwendung des kantonalen Rechts durch die Vorinstanz als
verfassungswidrig auszuweisen. Selbst wenn eine andere Auslegung denkbar oder
gar vorzuziehen wäre, macht dies den Entscheid der Vorinstanz noch nicht
willkürlich (BGE 132 III 209 E. 2.1 S. 211 mit Hinweisen). Der Beschwerdeführer
müsste vielmehr aufzeigen, dass und inwiefern die Auslegung der Vorinstanz zu
völlig unhaltbaren Ergebnissen führt, seine verfassungsmässigen Rechte
beeinträchtigt oder sonst gegen Bundesrecht verstösst. Willkür käme überdies in
Betracht, wenn die Vorinstanz selbst die entsprechende Bestimmung in konstanter
Praxis anders ausgelegt hat und weiterhin auslegt. Entsprechende Ausführungen
fehlen, weshalb insoweit auf die Beschwerde nicht einzutreten ist.

2.1 Soweit der Beschwerdeführer die verspätete Postaufgabe nicht mit der
Unkenntnis der Rechtslage begründet, sondern sich auf ein einmaliges Versagen
des ansonsten zuverlässigen Sekretariats durch die Postaufgabe bei der
österreichischen Post am 20. August 2007, beziehungsweise die Nichtaufgabe
schon am 17. August 2007 beruft, unterbreitet er dem Bundesgericht einen von
den Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt, ohne darzulegen,
dass er entsprechende Behauptungen prozesskonform ins kantonale Verfahren
eingebracht hätte oder die Voraussetzungen für die Berücksichtigung neuer
Tatsachen vor Bundesgericht gegeben wären (Art. 99 BGG). Damit erweisen sich
seine Vorbringen als unzulässig. Auch diesbezüglich kann auf die Beschwerde
nicht eingetreten werden.

2.2 Nicht einzutreten ist sodann auf die vom Beschwerdeführer zum Verschulden
gemachten Ausführungen, in denen er sich auf internationale Abkommen beruft,
gemäss welchen die Aufgabe bei der österreichischen Post als fristwahrend
anzusehen sei, oder auf die angebliche Pflicht der Vorinstanz oder die Praxis
anderer Gerichte, bei rechtzeitiger Übermittlung der Eingabe per Fax eine
Nachfrist zur Einreichung eines unterzeichneten Exemplars anzusetzen. Diese
Ausführungen gehen insofern an der Sache vorbei, als die Vorinstanz die
Wiederherstellung nicht mit Blick auf das Verschulden, sondern mit Blick auf
die Tatsache, dass Rechtsunkenntnis kein Hindernis im Sinne von Art. 85 GerG/SG
bilde, verweigerte. Zudem konnte die Frage, ob die Vorinstanz verpflichtet
gewesen wäre, die Eingabe als rechtzeitig entgegenzunehmen oder dem
Beschwerdeführer eine Nachfrist anzusetzen, mit Beschwerde gegen den
Nichteintretensentscheid dem Bundesgericht unterbreitet werden, was der
Beschwerdeführer getan hat. Nachdem das Bundesgericht die Beschwerde gegen den
Nichteintretensentscheid behandelt hat, ist auf diese Fragen nicht
zurückzukommen.

3.
Da der Beschwerdeführer bezüglich der Auslegung von Art. 85 GerG/SG keine
hinreichend begründete Rüge erhebt, und die Frage, ob die Eingabe als
rechtzeitig hätte entgegengenommen werden müssen, nicht Gegenstand dieses
Verfahrens bildet, ist insgesamt auf die Beschwerde nicht einzutreten. Diese
scheitert daran, dass der Beschwerdeführer den Begründungsanforderungen nicht
hinreichend nachkommt und muss daher von Vornherein als aussichtslos betrachtet
werden. Damit fällt die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ausser
Betracht. Dem Verfahrensausgang entsprechend wird der Beschwerdeführer
kostenpflichtig. Da die Beschwerdegegnerin nicht zur Vernehmlassung eingeladen
wurde, hat sie keinen Anspruch auf Parteientschädigung. Mit dem Entscheid in
der Sache selbst, wird das Gesuch um aufschiebende Wirkung gegenstandslos.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche Rechtspflege wird
abgewiesen.

2.
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde und die Beschwerde in Zivilsachen wird
nicht eingetreten.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 300.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht St. Gallen, III.
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 11. August 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:

Klett Luczak