Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.327/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_327/2008 /ber

Urteil vom 2. Oktober 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Luczak.

Parteien
X.________ GmbH,
Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt
Jean-Christophe Schai,

gegen

Y.________,
Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt
Dr. Franz-Xaver Brücker,

Gegenstand
Rechtliches Gehör,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri,
Zivilrechtliche Abteilung, vom 8. April 2008.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ GmbH (Beschwerdeführerin) verlangte vor dem
Landgerichtspräsidium Uri nach einer ersten Eingabe vom 14. November 2005 mit
Verbesserung vom 28. November 2005 von Y.________ (Beschwerdegegner) Fr.
5'028.85 aus einem Werbevertrag nebst Mahngebühren, Zins und Kosten des
Friedensrichteramtes. Nachdem die Klageantwort eingeholt worden war, wies das
Landgerichtspräsidium die Klage ab. Einen gegen diesen Entscheid erhobenen
Rekurs hiess das Obergericht des Kantons Uri gut, da die Klageantwort der
Beschwerdeführerin nicht zur Kenntnis zugestellt und das rechtliche Gehör
verletzt worden war. Nach Zustellung der Klageantwort wies das
Landgerichtspräsidium die Klage mit Urteil vom 14. Dezember 2006 erneut ab. Die
von der Beschwerdeführerin an der Hauptverhandlung nachgereichten Beweismittel
berücksichtigte es nicht, da im beschleunigten Verfahren Beweisanträge und
Beweismittelofferten mit dem Schriftenwechsel einzureichen seien. Gegen dieses
Urteil ergriff die Beschwerdeführerin erneut Rekurs an das Obergericht des
Kantons Uri, welches diesen am 8. April 2008 abwies und das angefochtene Urteil
bestätigte.

B.
Die Beschwerdeführerin beantragt dem Bundesgericht, den Entscheid des
Obergerichts aufzuheben, und hält mit Ausnahme der schon vor Obergericht
fallengelassenen Forderung für Mahngebühren an ihren vor dem
Landgerichtspräsidium gestellten Begehren fest. Sie führt Beschwerde in
Zivilsachen, welche eventuell als subsidiäre Verfassungsbeschwerde
entgegenzunehmen sei. Der Beschwerdegegner schliesst auf kostenfällige
Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Das Obergericht hat
auf Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Der für die Beschwerde in Zivilsachen notwendige Streitwert von Fr. 30'000.--
(Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG) wird nicht erreicht. Die Beschwerdeführerin ist der
Auffassung, die Beschwerde in Zivilsachen sei nach Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG
dennoch zulässig, da die Frage von grundsätzlicher Bedeutung zur Debatte stehe,
ob das Recht auf Stellungnahme zu neuen Eingaben der Gegenpartei auch das Recht
beinhalte, zu den darin vorgebrachten Noven Gegenbeweise einzureichen. Diese
Frage betrifft verfassungsmässige Rechte, deren Verletzung mit subsidiärer
Verfassungsbeschwerde gleich wie mit der Beschwerde in Zivilsachen gerügt
werden kann (Art. 116 und 117 BGG). Ob Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG unter dieser
Voraussetzung überhaupt Anwendung findet (BGE 134 I 184 E. 1.3.3 S. 188), kann
offen bleiben. Die Vorinstanz hat das Recht, Gegenbeweise einzureichen, nicht
ausgeschlossen, sondern festgehalten, die Beschwerdeführerin habe die
Beweisanträge nicht prozesskonform eingebracht. Die aufgeworfene Rechtsfrage
stellt sich im Beschwerdeverfahren nicht. Die Eingabe ist daher als
Verfassungsbeschwerde entgegenzunehmen.

1.1 Mit der Verfassungsbeschwerde kann nur die Verletzung von
verfassungsmässigen Rechten gerügt werden (Art. 116 BGG). Dabei prüft das
Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte
Rügen. Es genügt nicht, wenn der Beschwerdeführer einfach behauptet, der
angefochtene Entscheid sei unter Verletzung seines Gehörsanspruchs zustande
gekommen oder verstosse gegen das Willkürverbot; er hat vielmehr im Einzelnen
zu zeigen, inwiefern sein verfassungsmässiges Mitwirkungsrecht missachtet wurde
oder der Entscheid offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BGE 134 V 138 E. 2.1 S.
143; 133 III 439 E. 3.2 S. 444 mit Hinweis). Im Bereich der
Verfassungsgerichtsbarkeit gilt ein qualifiziertes Rügeprinzip: Das
Bundesgericht untersucht den angefochtenen Entscheid nicht von sich aus
umfassend auf seine Verfassungsmässigkeit, sondern beschränkt sich auf die
Prüfung der in der Beschwerde rechtsgenüglich vorgebrachten Rügen (Art. 106
Abs. 2 i.V.m. 117 BGG; 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254 mit Hinweisen). Auf
ungenügend begründete Rügen und rein appellatorische Kritik am angefochtenen
Entscheid tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 134 V 138 E. 2.1 S. 143; 130 I
258 E. 1.3 S. 261 f. mit Hinweisen). Es legt seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Art. 118 BGG), und kann davon
nur abweichen, wenn die Sachverhaltsfeststellung unter Verletzung eines
verfassungsmässigen Rechts zustande kam (Art. 118 Abs. 2 und Art. 116 BGG), was
der Beschwerdeführer wiederum präzise geltend zu machen hat (Art. 117 i.V.m.
Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 III 439 E. 3.2 S. 445).

1.2 Im mit "II. Materielles" überschriebenen Teil der Beschwerde schildert die
Beschwerdeführerin den Sachverhalt aus ihrer Sicht. Sie geht dabei über die
tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz hinaus, ohne eine substantiierte
Sachverhaltsrüge zu erheben. Derartige Vorbringen kann das Bundesgericht nicht
berücksichtigen (Art. 118 Abs. 2 und Art. 116 BGG).

1.3 Bezüglich der Zulässigkeit neuer Beweismittel bei der Stellungnahme zu
Eingaben der Gegenpartei missversteht die Beschwerdeführerin den angefochtenen
Entscheid. Die Vorinstanz erachtet neue Beweismittelofferten nicht für
unzulässig, sie sind aber nach Art. 219 Abs. 2 lit. c der Zivilprozessordnung
(9.2211; ZPO/UR) des Kantons Uri vom 23. März 1994 im beschleunigten Verfahren
mit dem Schriftenwechsel einzureichen. Die Vorinstanz hält ausdrücklich fest:
"Die Rekurrentin hätte demnach spätestens mit der allfälligen Stellungnahme zur
Klageantwort, weil noch zum Schriftenwechsel gehörend, die Beweismittel
einreichen müssen, zumal ihr diese Möglichkeit von der Vorinstanz bei Verzicht
auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung eingeräumt worden wäre."
(angefochtenes Urteil E. 2 in fine, S. 5). Dabei ist nicht massgebend, dass das
Landgerichtspräsidium eine schriftliche Stellungnahme nur bei Verzicht auf die
Verhandlung vorsah. Wenn durch die Klageantwort neue Vorbringen oder
Beweisanträge notwendig geworden wären, hätte sich die Beschwerdeführerin
angesichts der klaren Regelung in Art. 219 Abs. 2 lit. c ZPO/UR vor der
mündlichen Verhandlung schriftlich vernehmen lassen müssen. An der mündlichen
Verhandlung hätte sie dennoch festhalten können. Eine Verletzung
verfassungsmässiger Rechte ist nicht ersichtlich. Hinzu kommt, dass das
Landgerichtspräsidium zu den an der Hauptverhandlung nachgereichten
Beweismitteln festhält, die Beschwerdeführerin mache zu Recht nicht geltend,
sie sei nicht früher in der Lage gewesen, diese zu beantragen (Urteil des
Landgerichtspräsidiums E. 2 in fine, S. 4). Die Beschwerdeführerin behauptet
zwar vor Bundesgericht, sie habe mit den Einwendungen des Beschwerdegegners in
der Klageantwort nicht rechnen müssen. Sie zeigt aber nicht auf, dass sie vor
erster Instanz mit dieser Begründung die Annahme der an der mündlichen
Verhandlung eingereichten Beweismittel verlangt hätte. Dies wäre aber
notwendig, damit die Beschwerdeführerin aus ihren Ausführungen, erst die
Klageantwort habe Anlass zum Vorbringen der Beweisanträge gegeben, etwas zu
ihren Gunsten ableiten könnte.

1.4 Auf die in den Ziffern 6 und 7 der Beschwerde erhobenen Rügen ist nicht
einzutreten, da die Beschwerdeführerin darin einzig den Entscheid des
Landgerichtspräsidiums kritisiert. Objekt der Verfassungsbeschwerde können aber
nur Entscheide letzter kantonaler Instanzen sein (Art. 75 Abs. 1 i.V.m. Art.
114 BGG). Die Beschwerdeführerin müsste daher darlegen, inwiefern es ihre
verfassungsmässigen Rechte verletzt, wenn die Vorinstanz das Urteil des
Landgerichtspräsidiums schützt. In diesem Rahmen kann eine Auseinandersetzung
mit dem Urteil des Landgerichtspräsidiums geboten sein. Soweit die
Beschwerdeführerin aber Kritik am Urteil des Landgerichtspräsidiums übt, ohne
sich gleichzeitig mit dem Entscheid der Vorinstanz auseinanderzusetzen, genügt
sie den Begründungsanforderungen der Verfassungsbeschwerde nicht und ist nicht
zu hören.

1.5 Zu behandeln bleibt die Rüge des "aktenwidrigen Verhaltens" (Beschwerde
Ziff. 8 S. 11 f.), welche die Beschwerdeführerin sowohl gegenüber dem
Landgerichtspräsidium als auch der Vorinstanz erhebt. Sie verweist auf ein vom
Beschwerdegegner eingereichtes Schreiben, in dem dieser bedaure, den Vertrag
kündigen zu müssen, und sich für die unüberlegte Unterzeichnung entschuldige.
Angesichts dieses Schreibens verstosse es gegen das Willkürverbot (Art. 9 BV),
wenn die kantonalen Instanzen von der Richtigkeit der vom Beschwerdegegner
geltend gemachten Einwendungen (Irrtum, Täuschung, Übervorteilung) ausgingen.
Die Beschwerdeführerin verkennt, dass das Landgerichtspräsidium ihre Klage
nicht wegen der Einwendungen des Beschwerdegegners abwies, sondern weil es die
Klage seitens der Beschwerdeführerin für nicht hinreichend begründet erachtete,
um Aussagen über den Vertragsinhalt machen zu können (Urteil des
Landgerichtspräsidiums E. 4.3 S. 6 f.). Da die Einwendungen des
Beschwerdegegners nicht entscheidrelevant sind, geht der diesbezüglich erhobene
Vorwurf der Aktenwidrigkeit beziehungsweise der Willkür ins Leere (BGE 134 II
124 E. 4.1 S. 133).

2.
Damit erweist sich die Beschwerde in Zivilsachen als unzulässig und die
subsidiäre Verfassungsbeschwerde als unbegründet, soweit auf sie einzutreten
ist. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird die Beschwerdeführerin
kosten- und entschädigungspflichtig. Der obsiegenden Partei werden die
notwendigen Kosten nach Massgabe des Tarifs des Bundesgerichts ersetzt (Art. 68
Abs. 2 BGG). Bei Streitsachen mit Vermögensinteressen richtet sich das Honorar
in der Regel nach dem Streitwert und innerhalb des bei einem Streitwert bis Fr.
20'000.-- vorgesehenen Rahmenbetrages von Fr. 600.-- bis Fr. 4'000.-- nach der
Wichtigkeit der Streitsache, ihrer Schwierigkeit sowie dem Umfang der
Arbeitsleistung und dem Zeitaufwand des Anwaltes oder der Anwältin (Art. 3 und
Art. 4 des Reglements über die Parteientschädigung und die Entschädigung für
die amtliche Vertretung im Verfahren vor dem Bundesgericht vom 31. März 2006;
SR 173.110.210.3). Angesichts der Einfachheit des zu beurteilenden Falles
erscheinen die vom Vertreter des Beschwerdegegners ohne Nachweis des konkreten
Zeitaufwands geforderten Fr. 4'000.-- als offensichtlich übersetzt und sind
angemessen zu reduzieren.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde in Zivilsachen wird nicht eingetreten.

2.
Die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen, soweit
darauf einzutreten ist.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Die Beschwerdeführerin hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 1'500.-- zu entschädigen.

5.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Uri,
Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 2. Oktober 2008

Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Luczak