Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.18/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_18/2008 /len

Urteil vom 20. Juni 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Rottenberg Liatowitsch, Kiss,
Gerichtsschreiber Luczak.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Daniel Ordás,

gegen

Y.________ SAD,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Philipp Dickenmann.

Gegenstand
Internationales Schiedsgericht,

Beschwerde gegen den Entscheid des Tribunal
Arbitral du Sport (TAS) vom 4. Dezember 2007.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ ist ein Fussballverein (nachfolgend der Beschwerdeführer) mit
Sitz in Argentinien und ist Mitglied der Asociación del Fútbol Argentino
(nachfolgend AFA). Die Y.________ SAD ist ein als "Sportaktiengesellschaft"
(Sociedad Anónima Deportiva) nach spanischem Recht konstituierter
Fussballverein mit Sitz in Spanien (nachfolgend Beschwerdegegnerin) und ist
Mitglied der Real Federación Española de Fútbol (RFEF). Die AFA und RFEF
ihrerseits sind Mitglieder der FIFA. Die Streitsache hängt mit dem Transfer
eines argentinischen Spitzenspielers zusammen, der gemäss Spielerpass der AFA
von 1990 bis 1996 im Alter von 12 bis 18 Jahren für den Beschwerdeführer
spielte. Im August 2005 wurde er vom FC Z.________ zur Beschwerdegegnerin
transferiert, gemäss Angaben des Beschwerdeführers für eine Gesamtransfersumme
von EUR 7'400'000.--. Deswegen machte der Beschwerdeführer vor der FIFA
gestützt auf den im Reglement bezüglich Status und Transfer von Spielern
(Version 2005) vorgesehenen Solidaritätsmechanismus einen Anspruch auf einen
Solidaritätsbeitrag für die Ausbildung des Spielers geltend.

B.
Die FIFA stellte sich auf den Standpunkt, die Regeln betreffend den
Solidaritätsmechanismus kämen bei einem Transfer innerhalb desselben
Nationalverbandes nicht zur Anwendung. Der Beschwerdeführer sah dies anders und
verlangte von der Beschwerdegegnerin EUR 185'000.--. Die Kammer zur Beilegung
von Streitigkeiten (KBS) der FIFA erachtete sich für die Beurteilung von
Streitigkeiten über den Solidaritätsmechanismus zwischen Parteien, die
verschiedenen Nationalverbänden angehören, für zuständig und wies die Forderung
im Wesentlichen mit derselben Begründung wie die FIFA ab, da für
verbandsinterne Transfers die Bestimmungen des Nationalverbandes gelten würden.
Soweit allerdings ein Nationalverband die Bestimmung betreffend den
Solidaritätsbeitrag in sein nationales Reglement übernehme, müsse dieses System
auch auf Vereine anderer Nationalverbände angewendet werden, welche die
transferierten Spieler ausgebildet haben.

C.
Diesen Entscheid bestätigte das Tribunal Arbitral du Sport (TAS) mit
Schiedsurteil vom 4. Dezember 2007 auf Appellation des Beschwerdeführers, mit
welcher er im Wesentlichen beantragt hatte, den Entscheid der KBS aufzuheben
und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, EUR 184'000.-- nebst Zins zu
bezahlen, beziehungsweise 2.5 % der tatsächlichen Gesamttransfersumme.

D.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht
im Wesentlichen, das Urteil des TAS aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu
verpflichten, ihm Fr. 314'500.-- (EUR 185'000.--) im Sinne des
Solidaritätsbeitrags gemäss FIFA-Reglement nebst Verzugszinsen von 5 % seit dem
30. September 2005 zu bezahlen. Die Beschwerdegegnerin schliesst auf
kostenfällige Abweisung der Beschwerde, soweit überhaupt darauf einzutreten
sei.

Erwägungen:

1.
Der angefochtene Entscheid ist in spanischer Sprache abgefasst. Da es sich
nicht um eine Amtssprache handelt, ergeht der Entscheid des Bundesgerichts in
deutscher Sprache, welche beide Parteien in ihren Rechtsschriften vor
Bundesgericht verwenden (Art. 54 Abs. 1 BGG). Auf die Übersetzung der von einer
Partei eingereichten nicht in einer Amtssprache abgefassten Urkunden kann nach
Art. 54 Abs. 3 BGG mit dem Einverständnis der anderen Partei verzichtet werden.
Da sich die Beschwerdegegnerin hat vernehmen lassen, ohne eine Übersetzung zu
verlangen, ist von einem Verzicht auf die Übersetzung auszugehen. Nach Art. 54
Abs. 4 BGG ordnet das Bundesgericht eine Übersetzung an, wenn dies nötig ist.
Da sich die Unzulässigkeit der Beschwerde unabhängig vom angefochtenen Urteil
bereits aus den in ihr erhobenen Rügen und der unzulänglichen Begründung
ergibt, kann auf eine Übersetzung des angefochtenen Entscheides verzichtet
werden.

2.
Der Beschwerdeführer bringt selbst vor, das TAS sei ein internationales
Schiedsgericht, dessen Entscheide nur unter den Voraussetzungen von Art. 190
Abs. 2 IPRG und Art. 77 BGG angefochten werden könnten. Zulässig sind allein
die Rügen, die in Art. 190 Abs. 2 IPRG abschliessend aufgezählt sind. Nach Art.
77 Abs. 3 BGG prüft das Bundesgericht nur die Rügen, die in der Beschwerde
vorgebracht und begründet worden sind; dies entspricht der in Art. 106 Abs. 2
BGG für die Verletzung von Grundrechten und von kantonalem und interkantonalem
Recht vorgesehenen Rügepflicht (BGE 134 III 186 E. 5 S. 187 mit Hinweisen).

2.1 Der Bedschwerdeführer behauptet, der angefochtene Entscheid verletze das
rechtliche Gehör und den schweizerischen Ordre public. Zur Begründung führt er
aber im Wesentlichen nur an, die zuständigen Instanzen würden das
FIFA-Reglement falsch auslegen, indem sie davon ausgingen, der darin
vorgesehene Solidaritätsmechanismus komme nur bei Transfers zwischen Vereinen
unterschiedlicher Nationalverbände zur Anwendung. Die vom TAS vertretene
Auffassung führe zu unpraktikablen und damit willkürlichen Ergebnissen.

2.2 Selbst eine offensichtlich falsche Rechtsanwendung stellt für sich allein
keinen ausreichenden Grund dar, um ein Schiedsurteil aufzuheben. Die
materiellrechtliche Überprüfung durch das Bundesgericht ist vielmehr auf die
Frage begrenzt, ob der Schiedsentscheid vor dem Ordre public standhält. Dabei
verstösst die materielle Beurteilung einer Schiedssache gemäss Rechtsprechung
nur dann gegen diese öffentliche Ordnung, wenn sie fundamentale
Rechtsgrundsätze verletzt und daher mit der schweizerischen Rechts- und
Wertordnung schlechthin unvereinbar ist. Damit auf die Rüge nach Art. 190 Abs.
2 lit. e IPRG eingetreten werden könnte, müsste der Beschwerdeführer dies im
Einzelnen aufzeigen (BGE 117 II 604 E. 3 S. 606). Diesen Anforderungen genügen
die Ausführungen in der Beschwerdeschrift in keiner Weise, weshalb nicht darauf
einzutreten ist. So ist beispielsweise mit der blossen Behauptung, es verstosse
gegen elementare juristische Prinzipien, wenn die FIFA die Anwendbarkeit
nationaler Reglemente auf ausländische Vereine ausdehne, nicht dargetan,
inwiefern es fundamentale Rechtsgrundsätze verletzen sollte, wenn die FIFA
ihren Mitgliedern vorschreibt, Vereine anderer Nationalverbände in gewissen
Bereichen wie die eigenen zu behandeln.

2.3 Der Beschwerdeführer behauptet, die KBS habe bezüglich des
Solidaritätsbeitrags bis zum Jahre 2004 die Auffassung des Beschwerdeführers
geteilt und sei dann aus unerklärlichen rechtlich nicht fundierten Gründen ab
Juli 2004 von dieser Praxis zu der jetzt geltenden abgeschwenkt. Diese
Praxisänderung verletze das Gleichheitsprinzip und den Grundsatz der
Rechtssicherheit.
2.3.1 Auch damit erhebt der Beschwerdeführer keine nach Art. 190 IPRG
zulässige, hinreichend begründete Rüge, sondern unterbreitet dem Bundesgericht
die Frage, ob die Praxisänderung zu Recht erfolgte. Darauf ist nicht
einzutreten.
2.3.2 Soweit der Beschwerdeführer sinngemäss geltend machen wollte, eine
grundlose Praxisänderung verletze seine durch Art. 190 IPRG geschützten Rechte,
ist seine Rüge nicht hinreichend begründet. Der Beschwerdeführer setzt sich
nicht mit dem angefochtenen Entscheid auseinander, sondern beschränkt sich
darauf, dem Bundesgericht seine abweichende Meinung vorzutragen. Damit verfehlt
er die Begründungsanforderungen, ganz unabhängig von der Zulässigkeit der
erhobenen Rüge. Der angefochtene Entscheid lässt sich überdies auf den Wortlaut
des Reglements abstützen, gemäss welchem dieses Bestimmungen über Transfers
zwischen Vereinen unterschiedlicher Verbände enthält (Art. 1 Abs. 1) und die
Nationalverbände anweist, den Transfer zwischen Spielern eigener Vereine in
einem verbandsinternen Reglement zu regeln. Dieses interne Reglement hat zwar
auch ein System zur Entschädigung von Vereinen vorzusehen, die in die
Ausbildung und Förderung junger Spieler investieren (Art. 1 Abs. 2). Der
Solidaritätsmechanismus gemäss FIFA-Reglement wird aber gerade nicht unter den
Bestimmungen aufgezählt, welche ohne jegliche Änderungen in das nationale Recht
überführt werden müssen (vgl. Art. 1 Abs. 3 lit. a sowie Art. 21 des
Reglements).

2.4 Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung seines Anspruchs auf
rechtliches Gehör rügt, weil das TAS seine Argumente nicht gewürdigt habe, ist
zu beachten, dass sich aus dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs im Sinne von
Art. 190 Abs. 2 lit. d IPRG nach ständiger Rechtsprechung kein Anspruch auf
Begründung des Entscheids ergibt (BGE 134 III 186 E. 6.1 S. 187 mit Hinweis).
Dass er seinen Standpunkt nicht in das Verfahren hätte einbringen können, zeigt
der Beschwerdeführer nicht auf, sondern bemängelt in Tat und Wahrheit, dass das
TAS seiner Argumentation nicht gefolgt ist. Eine Verletzung des rechtlichen
Gehörs oder des Ordre public ist auch insoweit nicht dargetan, so dass auf die
Rüge nicht einzutreten ist.

2.5 Neben Rügen der falschen oder willkürlichen Rechtsanwendung, die im Rahmen
der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ohnehin nicht zu hören sind (Art. 77
BGG und Art. 190 Abs. 2 IPRG), beruft sich der Beswerdeführer zwar auf an sich
zulässige Rügegründe, wie die Verletzung des Ordre public und des rechtlichen
Gehörs. Die Begründung dieser Vorwürfe erschöpft sich aber in einer
appellatorischen Kritik des angefochtenen Entscheides. Auf derartige Vorbringen
ist nicht einzutreten.

3.
Der Beschwerdeführer ist allerdings der Auffassung, das Bundesgericht müsse den
zu beurteilenden Fall frei prüfen, um dem EMRK-geschützten Anspruch auf einen
unabhängigen Richter zu genügen. Wegen des faktischen Zwangs zum Beitritt in
den Nationalverband, der zwangsläufig Mitglied bei der FIFA sei, könne dem
Beschwerdeführer die Schiedsabrede nicht entgegengehalten werden.
3.1
Die Vorbringen des Beschwerdeführers sind nicht nachvollziehbar. Fehlte es an
einer gültigen Schiedsabrede, könnte dies nach Art. 190 Abs. 2 lit. b IPRG vor
Bundesgericht zwar gerügt werden, hätte aber keinesfalls zur Folge, dass das
Bundesgericht den angefochtenen Entscheid materiell frei überprüft. Erwiese
sich das Schiedsgericht als unzuständig, würde dessen Entscheid vom
Bundesgericht vielmehr aufgehoben. Alsdann könnte die Streitsache den
zuständigen staatlichen Gerichten unterbreitet werden.

3.2 Aber auch mit der Rüge, die Schiedsabrede könne ihm nicht entgegen gehalten
werden, ist der Beschwerdeführer nicht zu hören. Nach dem Grundsatz von Treu
und Glauben und dem Verbot des Rechtsmissbrauchs ist es nicht zulässig,
formelle Rügen, die in einem früheren Prozessstadium hätten geltend gemacht
werden können, bei ungünstigem Ausgang noch später vorzubringen (BGE 132 II 485
E. 4.3 S. 496; 124 I 121 E. 2 S. 123). Dieser Grundsatz hat in Art. 186 Abs. 2
IPRG ausdrücklich Niederschlag gefunden und muss um so mehr für den
Beschwerdeführer gelten, welcher die Verfahren vor den entsprechenden
Entscheidgremien selbst eingeleitet hat. Der angefochtene Entscheid hält im
Übrigen ausdrücklich fest, die Zuständigkeit des TAS sei von keiner Partei
thematisiert worden (angefochtener Entscheid Ziff. 40 S. 10).

3.3 Der Hinweis des Beschwerdeführers auf das Urteil des Bundesgerichts 4P.172/
2006 (BGE 133 III 235) vermag an der Unzulässigkeit der von ihm erhobenen Rüge
nichts zu ändern. Dieser Entscheid betrifft den Verzicht auf Rechtsmittel gegen
den Schiedsentscheid nach Art. 192 IPRG im Zusammenhang mit gegenüber einem
Einzelsportler vom Verband verhängten Sanktionen, die keines Exequaturs
bedürfen, und nicht die Frage der Zuständigkeit des Schiedsgerichts. Das
Bundesgericht hält überdies ausdrücklich fest, an die Gültigkeit einer
Schiedsklausel (und damit an den Verzicht auf die staatlichen Gerichte und die
entsprechende Überprüfungsbefugnis des Bundesgerichts) seien nicht gleich
strenge Anforderungen zu stellen wie an einen Rechtsmittelverzicht nach Art.
192 IPRG (BGE 133 III 235 E. 4.3.2.3 S. 245). Insoweit gehen die Vorbringen des
Beschwerdeführers an der Sache vorbei.

4.
Mit seiner appellatorischen Kritik am angefochtenen Entscheid erhebt der
Beschwerdeführer keine zulässigen und hinreichend begründeten Rügen. Auf die
Beschwerde ist daher insgesamt nicht einzutreten, ohne dass die Zulässigkeit
der vom Beschwerdeführer gestellten Rechtsbegehren im Einzelnen geprüft werden
muss. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer kosten-
und entschädigungspflichtig.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'500.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 7'500.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Tribunal Arbitral du Sport (TAS)
schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 20. Juni 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Luczak