Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.166/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_166/2008 /len

Urteil vom 7. August 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiber Luczak.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Neese,

gegen

B.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Ulrich,
X.________ AG,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christian Wenger,
Y.________ AG im Konkurs,
vertreten durch das Konkursamt Grüningen,
Z.________ s.r.l.,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Fabio Delcò,
alle drei Nebenintervenientinnen.

Gegenstand
Werkvertrag,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts
des Kantons Zug, Zivilrechtliche Abteilung,
vom 4. März 2008.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Beschwerdeführer) ist Eigentümer einer im Jahre 2001 erstellten
Liegenschaft. Im Oktober 2001 schloss er mit B.________ (Beschwerdegegner)
einen Werkvertrag betreffend Verlegung eines Parkettbodens in der Liegenschaft
ab. Nachdem es bereits vor Einzug des Beschwerdeführers zu einer starken
Rissbildung am Parkett gekommen war, trat im Herbst 2002 ein so genannter
Nachklebeeffekt auf. Im Rahmen einer vorsorglichen Beweisaufnahme kam der
gerichtlich bestellte Experte zum Schluss, im Gegensatz zu den Rissen, Fugen
und Farbveränderungen am Parkett müsse der Nachklebeeffekt von der
Bauherrschaft nicht akzeptiert werden. Es liege offenkundig ein Materialfehler
im Klebstoff vor. Eine technisch einwandfreie Korrektur erfordere den Ersatz
des gesamten Parketts.

B.
Am 4. April 2005 belangte der Beschwerdeführer den Beschwerdegegner auf Zahlung
von Fr. 275'475.20, wovon Fr. 5'192.70 durch Verrechnung mit einer
Gegenforderung getilgt seien. Der Beschwerdegegner erklärte der X.________ AG
(Nebenintervenientin 1) den Streit, diese der Y.________ AG im Konkurs
(Nebenintervenientin 2) und diese der Z.________ s.r.l. (Nebenintervenientin 3)
als jeweiligen Lieferanten des Parketts. Sowohl das Kantonsgericht als auch das
Obergericht des Kantons Zug wiesen die Klage ab. Zwar ging dieses entgegen dem
Kantonsgericht davon aus, der Beschwerdegegner habe sich zur Stofflieferung
verpflichtet und den Werkstoff nicht bloss in indirekter Stellvertretung für
den Beschwerdeführer bezogen. Der Beschwerdeführer habe aber den Mangel durch
seine Weisung bezüglich des zu verwendenden Stoffes und die Bezugsquelle
verursacht. Da er von einem Aussendienstmitarbeiter der Nebenintervenientin 1
fachmännisch beraten worden sei, entfalle die Haftung des Beschwerdegegners,
obwohl keine Abmahnung erfolgte.

C.
Mit Beschwerde in Zivilsachen beantragt der Beschwerdeführer dem Bundesgericht
im Wesentlichen, den Beschwerdegegner zur Zahlung von Fr. 275'475.20 zu
verpflichten und eventuell die Sache an das Obergericht zurück zu weisen. Sein
Gesuch um aufschiebende Wirkung wies das Bundesgericht am 8. Mai 2008 ab. Der
Beschwerdegegner, die Nebenintervenientin 3 und das Obergericht schliessen auf
Abweisung der Beschwerde, während sich die Nebenintervenientinnen 1 und 2 nicht
haben vernehmen lassen.

Erwägungen:

1.
Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Abs. 2). Die Voraussetzungen für eine Sachverhaltsrüge nach Art.
97 Abs. 1 BGG und für eine Berichtigung des Sachverhalts von Amtes wegen nach
Art. 105 Abs. 2 BGG stimmen im Wesentlichen überein. Soweit es um die Frage
geht, ob der Sachverhalt willkürlich oder unter verfassungswidriger Verletzung
einer kantonalen Verfahrensregel ermittelt worden ist, sind strenge
Anforderungen an die Begründungspflicht der Beschwerde gerechtfertigt.
Entsprechende Beanstandungen sind nach Massgabe von Art. 106 Abs. 2 BGG zu
begründen. Demzufolge genügt es nicht, einen von den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr
ist in der Beschwerdeschrift nach den erwähnten gesetzlichen Erfordernissen
darzulegen, inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung
einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind.
Andernfalls können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der von den
Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt
werden. Vorbehalten bleiben offensichtliche Sachverhaltsmängel im Sinne von
Art. 105 Abs. 2 BGG, die dem Richter geradezu in die Augen springen (BGE 133 II
249 E. 1.4.3 S. 254 f. mit Hinweisen).

1.1 Die Vorinstanz ging davon aus, der Beschwerdegegner habe sich zur
Stofflieferung verpflichtet und das Material nicht als indirekter
Stellvertreter für den Beschwerdeführer beschafft. Sie berücksichtigte dabei
die Art der Rechnungstellung und damit das nachträgliche Parteiverhalten,
welches nur Rückschlüsse auf den tatsächlichen Willen der Parteien zulässt (BGE
133 III 61 E. 2.2.1 S. 67; 132 III 626 E. 3.1 S. 632).

1.2 Diese tatsächliche Feststellung der Vorinstanz wird vom Beschwerdegegner
und der Nebenintervenientin 3 zwar in Zweifel gezogen. Dass sie offensichtlich
unrichtig und damit willkürlich wäre, wird aber nicht aufgezeigt. Damit
scheidet eine Korrektur bezüglich der Sachverhaltsfeststellung von Vornherein
aus, und die entsprechenden Vorbringen sind nicht zu hören.

2.
Der Beschwerdeführer wendet sich zunächst dagegen, dass ihm das Wissen des
Aussendienstmitarbeiters der Nebenintervenientin 1 zugerechnet wird. Er ist der
Auffassung, eine Zurechnung dürfe nur mit Bezug auf Personen erfolgen, die sich
als eigentliche Hilfspersonen des Bestellers erweisen.

2.1 Die Sachgewährleistung des Unternehmers entfällt nach Art. 369 OR im
allgemeinen bloss, wenn der Besteller trotz Abmahnung an seiner Weisung
festhält. Die gesetzliche Regelung beruht dabei auf der Vorstellung, dass im
Werkvertragsrecht die Sachkenntnis beim Unternehmer liegt. Sie ist folgerichtig
für den Fall einzuschränken, dass die konkreten Verhältnisse dieser Vorstellung
nicht entsprechen, die Weisungen des Bestellers ihrerseits sachverständig
erteilt werden, sei es, dass der Besteller selbst sachverständig ist oder sich
seinerseits fachmännisch beraten lässt. Verfügt der Besteller über den
erforderlichen Sachverstand, wird der Unternehmer von seiner Haftung auch dann
befreit, wenn er eine Abmahnung unterlassen hat, es sei denn, er habe die
Fehlerhaftigkeit der Weisung erkannt oder hätte sie erkennen müssen (BGE 116 II
454 E. 2c/aa S. 456 mit Hinweisen).

2.2 Für eine Haftungsbefreiung trotz fehlender Abmahnung ist massgeblich, ob
der Besteller über jene fachlichen Kenntnisse verfügt, die es ihm gestatten,
die erteilte Weisung auf ihre Richtigkeit hin zu durchschauen und eine
Fehlerhaftigkeit zu erkennen (BGE 116 II 454 E. 2c aa S. 456). Wie er sich
diese Kenntnis erwirbt, ist nicht wesentlich. Daher spielt keine Rolle, ob ein
Vertrag mit der beratenden Person besteht, oder ob diese als Hilfsperson des
Beschwerdeführers anzusehen ist.

3.
Der Beschwerdeführer macht geltend, es fehle an der Kausalität der Weisung für
den aufgetretenen Mangel. Massgeblich für den Mangel sei nicht die Weisung des
Beschwerdeführers, sondern ein Herstellungsfehler. Die Weisung des
Beschwerdeführers hätte den Beschwerdegegner nur zu entlasten vermocht, wenn
das vom Beschwerdeführer gewählte Material an sich für den vorgesehenen
Verwendungszweck nicht geeignet wäre. Liegt dagegen bei einem an sich
geeigneten Material ein Herstellungsfehler vor, haftet nach Meinung des
Beschwerdeführers der Unternehmer, es sei denn, der Besteller hätte Bedenken
gegen den vorgeschriebenen Lieferanten haben müssen.

3.1 Mit Bezug auf die Vorschrift des Bestellers, ein bestimmtes Material zu
verwenden, werden in der Literatur zwei Konstellationen unterschieden. Ist das
durch den Besteller vorgeschriebene Material zur Herstellung eines mängelfreien
Werks nicht geeignet, wird der Unternehmer, der den Mangel nicht erkannt hat
und nicht hätte erkennen müssen, befreit, sofern er abgemahnt hat oder keine
Abmahnungspflicht bestand. Demgegenüber bleibt die Haftung des Unternehmers
grundsätzlich bestehen, wenn der vorgeschriebene Stoff seiner Art nach für die
Herstellung eines mängelfreien Werkes geeignet ist, und der vom Unternehmer
konkret verwendete Stoff einen individuellen Qualitätsfehler aufweist (Heribert
Trachsel, Die Verantwortlichkeit des Bestellers bei Werkmängeln, Diss. St.
Gallen 2000, N. 425 ff. S. 212; Gauch, Der Werkvertrag, 4. Aufl., N. 2017 ff.
S. 531 f.).

3.2 Gesondert wird der Fall behandelt, in welchem der Besteller dem Unternehmer
nicht nur das Material, sondern auch den Hersteller oder Lieferanten
vorgeschrieben hat. So wird die Meinung vertreten, der Unternehmer könne sich
von der Haftung befreien, wenn er Bedenken gegen den Lieferanten hat und
diesbezüglich den Besteller abmahnt, oder auch ohne Abmahnung, wenn der
Besteller, nicht aber der Unternehmer kraft seiner besonderen Erfahrung
Bedenken gegen den vorgeschriebenen Zulieferer oder Hersteller hätte haben
müssen (Gauch, a.a.O., N. 2021 S. 532). In kantonalen Gerichtsentscheiden wird
auch die Auffassung vertreten, bei einer doppelten Weisung bezüglich des zu
verwendenden Stoffes und des Lieferanten treffe den Unternehmer auch bei
individueller Fehlerhaftigkeit des Stoffes keine Haftung (Trachsel, a.a.O., N.
428 S. 213).

3.3 Die zuletzt genannte Auffassung geht zu weit. Übernimmt der Unternehmer die
Lieferung des Materials, hat er grundsätzlich auch für dessen Mängelfreiheit
einzustehen, auch wenn der Besteller vorschreibt, welches Material von welchem
Hersteller verwendet werden soll, jedenfalls wenn keine grundsätzlichen
Bedenken gegen den Lieferanten im Raum stehen. Ein Ausschluss der Haftung
rechtfertigt sich unter diesen Umständen nur dort, wo die Weisung des
Bestellers sich als alleinmassgebliche adäquat kausale Mangelursache erweist
(Trachsel, a.a.O., N. 428 S. 213). Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn es
dem Unternehmer in Befolgung der Weisung überhaupt nicht möglich ist,
mangelfreies Material zu beschaffen, etwa wenn der vorgeschriebene Lieferant im
Moment des Stoffbezuges nur über fehlerhaftes Material verfügt, weil ihm eine
ganze Ausreisserserie geliefert wurde (Trachsel, a.a.O., N. 428 S. 213) oder
wenn der fachkundig beratene Besteller sich eine bestimmte einzelne Partie des
zu verwendenden Materials selbst ausgesucht hat (Trachsel, a.a.O., N. 427 S.
212 inkl. Fn. 947 mit Hinweis). Ausschlaggebend ist, wie intensiv der
Unternehmer durch die Weisung zum Bezug des (vorgeschriebenen) Stoffes bei
einem bestimmten Lieferanten in seiner Entscheidungsfreiheit eingeschränkt
worden ist (Trachsel, a.a.O., N. 428 S. 213).

3.4 Der Beschwerdeführer behauptet, es liege offenkundig ein individueller
Qualitätsfehler vor. Massgebend ist nach dem Gesagten nicht, ob das vom
Beschwerdeführer ausgewählte Parkett mit einem anderen Klebstoff mangelfrei
verlegt werden kann, sondern ob der Beschwerdegegner im massgebenden Zeitpunkt
von der Nebenintervenientin 1 das vom Beschwerdeführer gewählte Produkt in
ausreichender Menge mängelfrei hätte beziehen können. Nur wenn der
Beschwerdegegner tatsächlich statt des gelieferten mangelhaften einen
mangelfreien Parkettboden hätte erwerben können, ist der aufgetretene Mangel
Folge eines Qualitätsfehlers im Einzelfall, für welchen der Beschwerdegegner
haftbar bleibt, und nicht Folge der Weisung des Beschwerdeführers.

3.5 Die Vorinstanz erkannte, der Gutachter halte im Rahmen der vorsorglichen
Beweisabnahme fest, die Ursache des Mangels liege beim Parketthersteller, da
offenkundig ein Materialfehler im Klebstoff vorliege. Sie gibt ausserdem die
Erwägung der ersten Instanz wieder, wonach der Gutachter die Ursache für den
Nachklebeeffekt zu 100 % im Klebestoffbereich ortet. Daraus lässt sich indessen
nicht mit Sicherheit ableiten, dass der Beschwerdegegner den Weisungen des
Beschwerdeführers entsprechend tatsächlich von der Nebenintervenientin 1
Material für einen mangelfreien Parkettboden hätte erhalten können. Insoweit
erweisen sich die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid als
unvollständig. Die Vorinstanz wird abzuklären haben, ob die Nebenintervenientin
1 in der Lage gewesen wäre, mangelfreie Ware zu liefern. Sollte dies der Fall
sein, wird die Vorinstanz zudem Feststellungen zu den weiteren Voraussetzungen
und gegebenenfalls zum Umfang der Haftung zu treffen haben.

4.
Die Beschwerde ist teilweise gutzuheissen und die Angelegenheit zur weiteren
Abklärung und neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Der
Beschwerdeführer verlangt vor Bundesgericht Fr. 275'475.20. Er dringt aber nur
mit seinem Eventualantrag auf Rückweisung der Sache zu neuer Entscheidung
durch, während der Beschwerdegegner die Abweisung der Beschwerde beantragt hat.
Vor diesem Hintergrund erscheint es gerechtfertigt, die Gerichtskosten je zur
Hälfte dem Beschwerdeführer und dem Beschwerdegegner aufzuerlegen und die
Parteikosten wettzuschlagen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und die Sache zur Vervollständigung
der tatsächlichen Feststellungen an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 6'500.-- werden zur Hälfte dem Beschwerdeführer und
zur Hälfte dem Beschwerdegegner auferlegt.

3.
Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Zug,
Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. August 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Der Gerichtsschreiber:

Klett Luczak