Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.155/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_155/2008 /len

Urteil vom 24. April 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichterin Klett, präsidierendes Mitglied,
Bundesrichterin Rottenberg Liatowitsch,
Bundesrichter Kolly,
Gerichtsschreiberin Hürlimann.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Hans Ulrich Grauer,

gegen

Erbengemeinschaft B.________,
bestehend aus:
1. C.________,
2. D.________,
3. E.________,
4. F.________,
Beschwerdegegner,
alle vier vertreten durch Rechtsanwalt Martin Keiser.

Gegenstand
Mäklervertrag; Provision,

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Thurgau vom 29. Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
Die Liegenschaftenmäklerin B.________ (Klägerin) versuchte seit 1994, einen
Kaufvertrag über eine im Eigentum von A.________ (Beklagte und
Beschwerdeführerin) stehende Liegenschaft zu vermitteln. Obwohl die
Beschwerdeführerin den von B.________ im Oktober 1994 entworfenen schriftlichen
Vermittlungsvertrag nicht unterzeichnet hatte, entwickelte B.________ auf die
Vermittlung gerichtete Tätigkeiten. Im Frühsommer 2001 führte sie G.________
durch die Liegenschaft, der von seiner Tochter H.K.________, einer Architektin,
begleitet wurde. Das von ihm unterbreitete Angebot lag allerdings unter dem von
der Beschwerdeführerin genannten Mindestpreis, weshalb kein Kaufvertrag
zustande kam. Im August 2001 wurde die Liegenschaft an L.________ verkauft.
Dieser übte nach einigen Monaten ein vertraglich vorbehaltenes Rücktrittsrecht
aus. Als H.K.________ davon erfuhr, wandte sie sich an B.________, um nunmehr
nicht mehr das Interesse ihrer Eltern, sondern ihr eigenes am Kauf der
Liegenschaft kundzutun. Im August 2002 verkaufte die Beschwerdeführerin - ohne
die Beteiligung von B.________ - die Liegenschaft an das Ehepaar H.K.________
und I.K.________.

B.
Mit Weisung des Friedensrichteramts Steckborn vom 16. Februar 2005 erhob
B.________ beim Bezirksgericht Steckborn Klage gegen die Beschwerdeführerin auf
Zahlung von Fr. 77'706.-- zuzüglich 5 % Zins seit dem 16. September 2003. Sie
verlangte damit die Zahlung einer Provision von 3 % für den Verkauf der
Liegenschaft an H.K.________ und I.K.________.
Mit Urteil vom 22. Juni 2006 wies das Bezirksgericht Steckborn die Klage ab. Es
kam zum Schluss, zwischen B.________ und der Beschwerdeführerin habe nur bis
zum Verkauf der Liegenschaft an L.________ ein Mäklervertrag bestanden und der
Verkauf an das Ehepaar K.________ könne, selbst wenn zu diesem Zeitpunkt noch
ein Mäklerverhältnis bestanden hätte, nicht auf eine massgebliche und damit
provisionsauslösende Tätigkeit von B.________ zurückgeführt werden.

C.
Gegen dieses Urteil erhoben C.________, D.________, E.________ und F.________
(Beschwerdegegner), die Erben der am 20. August 2007 verstorbenen B.________,
Berufung und beantragten dem Obergericht des Kantons Thurgau die Gutheissung
der Klage. Mit Urteil vom 29. Januar 2008 schützte das Obergericht die Klage
und verpflichtete die Beschwerdeführerin, den Beschwerdegegnern Fr. 77'706.--
zuzüglich 5 % Zins seit dem 16. September 2003 zu bezahlen. Es kam zum Schluss,
dass zwischen B.________ und der Beschwerdeführerin im Verlauf der 1990er Jahre
ein Vertrag über die Vermittlung der fraglichen Liegenschaft zustande gekommen
sei. Dieser sei zwar mit dem Abschluss des Kaufvertrags zwischen der
Beschwerdeführerin und L.________ beendet worden, es bestehe aber ein
psychologischer Zusammenhang zwischen den Bemühungen von B.________ und dem
Verkauf an das Ehepaar H.K.________ und I.K.________. Das Gericht bejahte
deshalb den Anspruch auf einen Mäklerlohn.

D.
Mit Beschwerde in Zivilsachen vom 31. März 2008 beantragt die
Beschwerdeführerin dem Bundesgericht, das Urteil des Obergerichts des Kantons
Thurgau vom 29. Januar 2008 sei aufzuheben und die Klage sei abzuweisen.
Eventualiter sei das Urteil aufzuheben und die Streitsache an die kantonalen
Vorinstanzen zu weiteren Beweisabnahmen und zur Neuentscheidung zurückzuweisen.
In prozessualer Hinsicht verlangt die Beschwerdeführerin die Erteilung der
aufschiebenden Wirkung.
Die Beschwerdegegner beantragen in ihrer Vernehmlassung die Abweisung der
Beschwerde und die Bestätigung des angefochtenen Urteils. Das Obergericht des
Kantons Thurgau beantragt unter Hinweis auf die Erwägungen im angefochtenen
Urteil die Abweisung der Beschwerde.

E.
Mit Verfügung vom 2. April 2008 wurde der Beschwerde superprovisorisch die
aufschiebende Wirkung erteilt.
Erwägungen:

1.
Mit vorliegendem Entscheid wird das Gesuch um Erteilung der aufschiebenden
Wirkung hinfällig.

2.
Nach Art. 105 BGG legt das Bundesgericht seinem Urteil den Sachverhalt
zugrunde, den die Vorinstanz festgestellt hat (Abs. 1). Es kann diese
Sachverhaltsfeststellung von Amtes wegen berichtigen oder ergänzen, wenn sie
offensichtlich unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruht (Abs. 2). Die Voraussetzungen für eine Sachverhaltsrüge nach Art.
97 Abs. 1 BGG und für eine Berichtigung des Sachverhalts von Amtes wegen nach
Art. 105 Abs. 2 BGG stimmen im Wesentlichen überein. Soweit es um die Frage
geht, ob der Sachverhalt willkürlich oder unter verfassungswidriger Verletzung
einer kantonalen Verfahrensregel ermittelt worden ist, sind strenge
Anforderungen an die Begründungspflicht der Beschwerde gerechtfertigt.
Entsprechende Beanstandungen sind vergleichbar mit den in Art. 106 Abs. 2 BGG
genannten Rügen. Demzufolge genügt es nicht, einen von den tatsächlichen
Feststellungen der Vorinstanz abweichenden Sachverhalt zu behaupten. Vielmehr
ist in der Beschwerdeschrift nach den erwähnten gesetzlichen Erfordernissen
darzulegen, inwiefern diese Feststellungen willkürlich bzw. unter Verletzung
einer verfahrensrechtlichen Verfassungsvorschrift zustande gekommen sind.
Andernfalls können Vorbringen mit Bezug auf einen Sachverhalt, der von den
Feststellungen im angefochtenen Entscheid abweicht, nicht berücksichtigt werden
(BGE 133 II 249 E. 1.4.3 S. 254 f.).

3.
Die Beschwerdeführerin rügt, die Vorinstanz habe nicht beachtet, dass der
Kontakt zwischen G.________ und der Beschwerdeführerin auch ohne B.________
zustande gekommen wäre und es deshalb bereits an einem Kausalzusammenhang
zwischen den Besichtigungen bzw. den Vertragsverhandlungen mit G.________ und
der Mäklertätigkeit von B.________ fehle. Weiter habe die Vorinstanz zu Unrecht
einen psychologischen Zusammenhang zwischen der Mäklertätigkeit und dem
Vertragsabschluss bejaht.

3.1 Der Mäklerlohn ist gemäss Art. 413 Abs. 1 OR verdient, sobald der Vertrag
infolge der Vermittlung des Mäklers zustande gekommen ist. Dafür genügt es,
dass diese den Dritten bloss mitbestimmt hat, den Vertrag abzuschliessen. Auch
braucht der Abschluss nicht die unmittelbare Folge der Mäklertätigkeit zu sein;
es reicht aus, wenn diese lediglich zu einer entfernteren Ursache des
Entschlusses des Dritten geworden ist. Es muss nur dargetan werden, dass
überhaupt ein psychologischer Zusammenhang zwischen den Bemühungen des Mäklers
und diesem Entschluss besteht (Urteil 4C.259/2005 vom 14. Dezember 2005 E. 2,
publ. in SJ 2006 I 216; BGE 84 II 542 E. 5 S. 548 f., je mit Hinweisen). Der
ursächliche Zusammenhang zwischen Vermittlung und Abschluss genügt; der
Zeitpunkt des Abschlusses ist bedeutungslos (BGE 84 II 542 E. 3 S. 546).
Ein rechtlich erheblicher Zusammenhang ist in der Regel zu verneinen, wenn der
Vertrag nicht mit dem vom Mäkler bearbeiteten Interessenten zustande kommt,
sondern mit einem Dritten; denn in einem solchen Fall fehlt es an der
erforderlichen aktiven Einwirkung des Mäklers auf den Willensentschluss des
Vertragskontrahenten. Das gilt grundsätzlich auch dort, wo der Dritte durch den
vom Mäkler bearbeiteten ursprünglichen Interessenten veranlasst wird, den
Vertrag zu schliessen. Doch können in derartigen Fällen besondere Umstände den
Zusammenhang erstellen, so wenn zwischen dem ersten Interessenten und dem
Dritten ein besonders enger menschlich-sozialer Zusammenhang besteht und sie
darum gewissermassen eine Einheit bilden. Diese Voraussetzung ist
beispielsweise erfüllt, wenn der Bearbeitete und der Dritte der gleichen
Familie angehören. Hier darf infolge der persönlichen Verbundenheit zwischen
Bearbeitetem und Abschliessendem nach der Erfahrung des Lebens davon
ausgegangen werden, dass die Tätigkeit des Mäklers auf die übrigen Glieder der
Gemeinschaft ausgestrahlt habe. Eine scharfe Begrenzung des Zusammenhanges auf
die Person des Bearbeiteten erschiene daher unbillig und würde Missbräuchen zum
Nachteil des Mäklers Tür und Tor öffnen (BGE 76 II 378 E. 3 S. 382 f.).

3.2 Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz zeigte B.________ die
fragliche Liegenschaft dem Interessenten G.________ mindestens einmal im
Beisein von H.K.________. Diese Besichtigung ging auf ihre Mäklertätigkeit
zurück. H.K.________ wandte sich, als sie vom Rücktritt von L.________ vom
Kaufvertrag erfahren hatte, zuerst und ganz spontan an B.________, um ihr
Interesse am Kauf der Liegenschaft kundzutun. Ihr Kaufentschluss hatte seinen
Ursprung in der seinerzeitigen Vermittlungstätigkeit, die B.________ nur
deshalb nicht zu Ende führen konnte, weil die Beschwerdeführerin ihr das
untersagt hatte. Unter diesen besonderen Umständen ist der psychologische
Zusammenhang zwischen der Mäklertätigkeit und dem Vertragsschluss zu bejahen.
Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin setzt die bundesgerichtliche
Rechtsprechung nicht zwingend voraus, dass der Vertragsschluss mit dem Dritten
im Interesse der vom Mäkler ursprünglich bearbeiteten Person liegt. Soweit die
Beschwerdeführerin ihren Ausführungen einen anderen Sachverhalt als den im
angefochtenen Entscheid festgestellten zugrunde legt, ohne eine qualifizierte
Rüge zu erheben, ist sie nicht zu hören (vgl. E. 2). Die Vorinstanz hat kein
Bundesrecht verletzt, wenn sie den Anspruch auf Mäklerlohn als gegeben ansah.

4.
Aus den genannten Gründen ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf
einzutreten ist. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdeführerin
kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Thurgau
schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 24. April 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Das präsidierende Mitglied: Die Gerichtsschreiberin:

Klett Hürlimann