Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.151/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 1/2}
4A_151/2008 /len

Urteil vom 8. Juli 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch, Bundesrichter Kolly,
Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiberin Feldmann.

Parteien
Lancôme Parfums et Beauté & Cie,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Fürsprecher Dr. Jürg Simon,

gegen

Focus Magazin Verlag GmbH,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Urs Leu.

Gegenstand
Markenrecht,

Beschwerde gegen das Urteil des Handelsgerichts
des Kantons Bern vom 6. November 2007.

Sachverhalt:
-
Die Focus Magazin Verlag GmbH, München (Beklagte, Beschwerdegegnerin) ist
Inhaberin der internationalen Marke (IR) Nr. 663 349 FOCUS für Waren der Klasse
3 (savons; parfumerie, huiles essentielles, savons, fards, cosmétiques, lotions
pour les cheveux, produits de soins corporels et de beauté, eaux et crèmes de
rasage, désodorisants à usage personnel; produits de toilette tels que produits
de nettoyage et dentifrices) und der Klasse 5 (produits pharmaceutiques et
hygiéniques; substances diététiques à base de vitamines, d'albumine et/ou à
base d'hydrates de carbone en tant que denrées alimentaires pour l'alimentation
fortifiante, ou substances diététiques réduites en substance nutritives, à
valeur calorifique contrôlée, aliments fortifiants pour le sport, préparations
fortifiantes contenant des vitamines, des minéraux ainsi que des oligoéléments
et des préparations stimulantes, ou similaires; les produits précités à usage
médical). Gegen die am 23. Mai 1996 registrierte deutsche Basismarke wurden in
Deutschland verschiedene Widersprüche eingereicht.
Die Lancôme Parfums et Beauté & Cie, Paris (Klägerin, Beschwerdeführerin)
gelangte am 11. August 2006 an das Handelsgericht des Kantons Bern mit dem
Begehren, der schweizerische Teil der IR-Marke Nr. 663 349 FOCUS der
Beschwerdegegnerin sei nichtig zu erklären. Ausserdem beantragte sie, das
rechtskräftige Urteil sei dem Institut für geistiges Eigentum (IGE)
mitzuteilen. Die Beschwerdeführerin begründete ihr Begehren im Wesentlichen mit
dem Nichtgebrauch der Marke durch die Beschwerdegegnerin während der Frist von
Art. 12 MSchG (SR 232.11).
-
Das Handelsgericht des Kantons Bern wies die Klage auf Nichtigerklärung des
schweizerischen Teils der internationalen Registrierung Nr. 663 349 FOCUS für
die Waren in den Klassen 3 und 5 mit Urteil vom 6. November 2007 ab. Das
Gericht kam zum Schluss, die fünfjährige Benutzungsschonfrist sei bis zum 8.
Oktober 2003 stillgestanden bzw. habe erst ab diesem Zeitpunkt zu laufen
begonnen, da bis dahin ein wichtiger Grund für den Nichtgebrauch vorgelegen
habe, denn im deutschen Widerspruchsverfahren habe noch die Möglichkeit eines
"Zentralangriffs" bestanden, und es liege auch kein Rechtsmissbrauch vor.
-
Mit Beschwerde in Zivilsachen stellt die Beschwerdeführerin die Anträge, das
Urteil des Handelsgerichts des Kantons Bern vom 6. November 2007 sei
aufzuheben, es sei der schweizerische Teil der internationalen Registrierung
Nr. 663 349 FOCUS für Waren in der Klasse 3 und 5 nichtig zu erklären und das
rechtskräftige Urteil sei dem IGE mitzuteilen. Sie rügt die Verletzung von Art.
12 Abs. 1 MSchG und von Art. 2 Abs. 2 ZGB sowie von Art. 6 Abs. 3 des Madrider
Abkommens über die internationale Registrierung von Marken (MMA; SR
0.232.112.3; revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967).
-
Die Beschwerdegegnerin beantragt in der Antwort die Abweisung der Beschwerde,
soweit darauf einzutreten ist.

Erwägungen:
-
Das Handelsgericht hat im angefochtenen Entscheid die Klage abgewiesen und
damit einen Endentscheid gefällt, gegen den die Beschwerde zulässig ist (Art.
90 BGG). Die Streitsache betrifft eine Zivilsache (Art. 72 Abs. 1 BGG); das
Handelsgericht des Kantons Bern hat über die Klage als einzige Instanz gestützt
auf Art. 58 MSchG entschieden und die Beschwerdeführerin ist mit ihren Anträgen
im kantonalen Verfahren unterlegen (Art. 76 BGG). Auf die fristgerecht (Art.
100 in Verbindung mit Art. 44 ff. BGG) eingereichte Beschwerde ist einzutreten,
soweit zulässige Rügen (Art. 95 BGG) erhoben und rechtsgenügend begründet (Art.
42 und 106 BGG) sind.
-
Nach Art. 12 Abs. 1 MSchG kann der Inhaber der Marke sein Markenrecht nicht
mehr geltend machen, wenn er diese während eines ununterbrochenen Zeitraums von
fünf Jahren nach unbenütztem Ablauf der Widerspruchsfrist oder nach Abschluss
des Widerspruchverfahrens nicht gebraucht hat, ausser wenn wichtige Gründe für
den Nichtgebrauch vorliegen. Im vorliegenden Fall ist nicht mehr umstritten,
dass ein wichtiger Grund für den Nichtgebrauch darin zu sehen ist, dass gegen
die Basismarke in Deutschland ein Widerspruchsverfahren hängig war und dass die
Benutzungsschonfrist grundsätzlich während dieses Verfahrens unterbrochen war
(BGE 130 III 371; vgl. dazu David, Bemerkungen zu BGE 130 III 371, in: AJP
2004, S. 1267). Umstritten ist jedoch, wann der wichtige Grund für den
Nichtgebrauch entfallen ist. Die Vorinstanz ist im angefochtenen Urteil zum
Schluss gelangt, der Beschwerdegegnerin sei bis zum 8. Oktober 2003 nicht
zuzumuten gewesen, den Gebrauch der Marke aufzunehmen, da bis zu diesem
Zeitpunkt im Verfahren vor dem deutschen Bundespatentgericht die Möglichkeit
bestanden habe, die Basismarke FOCUS mit einer Anschlussbeschwerde anzugreifen.
Die Beschwerdeführerin hält dagegen, die in der Schweiz eingetragene
internationale Marke FOCUS sei am 23. Mai 2001 - fünf Jahre nach ihrer
Registrierung - unabhängig geworden, weil keine Klage gegen die Basismarke
eingereicht worden sei. Die Vorinstanz habe insoweit Art. 6 Abs. 3 MMA
verletzt.
- Das MMA begründet für die Vertragsstaaten einen besonderen Verband für die
internationale Registrierung von Marken (Art. 1 Abs. 1 MMA). Die Angehörigen
eines jeden Vertragsstaates können sich in allen übrigen Vertragsländern den
Schutz ihrer im Ursprungsland für Waren oder Dienstleistungen eingetragenen
Marken dadurch sichern, dass sie diese Marken durch Vermittlung der Behörde des
Ursprungslandes bei dem im Übereinkommen zur Errichtung der WIPO vorgesehenen
Internationalen Büro für geistiges Eigentum hinterlegen (Art. 1 Abs. 2 MMA).
Das Internationale Büro trägt die hinterlegte Marke sogleich in ein Register
ein (Art. 3 Abs. 4 MMA). Vom Zeitpunkt der im Internationalen Büro vollzogenen
Registrierung an ist die Marke in jedem der beteiligten Vertragsländer ebenso
geschützt, wie wenn sie dort unmittelbar hinterlegt worden wäre und geniesst
das Prioritätsrecht gemäss Art. 4 der Pariser Übereinkunft zum Schutz des
gewerblichen Eigentums, revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967 (PVÜ; SR
0.232.04; vgl. Art. 4 MMA). Sowohl Deutschland wie die Schweiz sind
Vertragsstaaten des MMA, revidiert in Stockholm am 14. Juli 1967. Beide Staaten
sind auch dem Protokoll vom 27. Juni 1989 zum Madrider Abkommen über die
internationale Registrierung von Marken (MMP; SR 0.232.112.4) beigetreten. Art.
9sexies Abs. 1 MMP sieht vor, dass dieses Protokoll keine Wirkung im
Hoheitsgebiet eines Staates hat, der sowohl Vertragspartei des MMA (Stockholmer
Fassung) wie des MMP ist, wenn die Ursprungsbehörde einer bestimmten
internationalen Registrierung ebenfalls einer Vertragspartei sowohl des MMP wie
des MMA (Stockholmer Fassung) angehört. Diese Klausel wird aufgehoben und durch
eine neue Fassung ersetzt, die am 1. September 2008 in Kraft tritt (vgl. http:/
/www.wipo.int/edocs/ notdocs/en/madridp-gp/treaty_madridp_gp_178.html). Danach
sind für Staaten, die sowohl an das MMA als auch an das MMP gebunden sind, nur
noch die Bestimmungen des MMP anwendbar; der Vorrang des MMA wird durch den
Vorrang des MMP ersetzt. Im vorliegenden Fall stellen die Parteien zu Recht
nicht in Frage, dass noch das MMA anwendbar ist.
- Art. 6 MMA regelt die Dauer der Gültigkeit einer internationalen
Registrierung, die Unabhängigkeit der internationalen Registrierung und die
Folgen des Erlöschens des Schutzes im Ursprungsland. Nach Art. 6 Abs. 2 MMA
wird die internationale Registrierung unter Vorbehalt der nachfolgenden
Bestimmungen mit dem Ablauf einer Frist von fünf Jahren von der vorher im
Ursprungsland eingetragenen nationalen Marke unabhängig. Art. 6 Abs. 3 MMA
bestimmt: "Der durch die internationale Registrierung erlangte Schutz ... kann
... nicht mehr in Anspruch genommen werden, wenn innerhalb von fünf Jahren vom
Zeitpunkt der internationalen Registrierung an die vorher im Ursprungsland im
Sinn des Artikels 1 eingetragene nationale Marke in diesem Land den
gesetzlichen Schutz ganz oder teilweise nicht mehr geniesst. Das gleiche gilt,
wenn dieser gesetzliche Schutz später infolge einer vor Ablauf der Frist von
fünf Jahren erhobenen Klage erlischt." Die Vorinstanz hat das
verwaltungsrechtliche Widerspruchsverfahren insofern einer zivilrechtlichen
Klage gleichgesetzt und angenommen, dass ein vor Ablauf der Frist von fünf
Jahren eingeleitetes Widerspruchsverfahren gegen die im Ursprungsland
eingetragene nationale Marke bei Gutheissung des Widerspruchs auch nach Ablauf
der Frist von fünf Jahren zum Dahinfallen des Schutzes der internationalen
Registrierung führt.
- Das Bundesgericht hat im die Parteien betreffenden Urteil vom 20. Februar
2004 in der - in BGE 130 III 371 nicht publizierten - Erwägung 1.4 obiter dictu
bemerkt, dass ein Widerspruchsverfahren wohl nicht als Klage im Sinne von Art.
6 Abs. 3 MMA qualifiziert werden könne. Diese Auffassung ist kritisiert worden
(vgl. David, a.a.O., S. 1269) und die Vorinstanz hat insbesondere gestützt
darauf an ihrer Ansicht festgehalten, dass eine internationale Registrierung
nach Ablauf der Frist von fünf Jahren ihren Schutz auch dann in Abhängigkeit
von der Eintragung im Ursprungsland verliert, wenn die Basismarke im
Widerspruchsverfahren ganz oder teilweise gelöscht wird.
- Das Widerspruchsverfahren wird als Grund für eine über die fünfjährige Frist
hinausreichende Abhängigkeit der internationalen Registrierung von der Basis
ausdrücklich erwähnt in Art. 6 Abs. 3 MMP; dieses Abkommen ist zwar in hohem
Masse am MMA orientiert und soll die Mitglieder zu einer speziellen Madrider
Union für die Markenregistrierung verbinden (vgl. Dirk Christian Schlei, Das
Protokoll betreffend das Madrider Abkommen über die internationale
Registrierung von Marken, Bern 1993, S. 35 mit Hinweis auf die
Entstehungsgeschichte). Es unterscheidet sich jedoch - trotz der Gemeinsamen
Ausführungsordnung (Gemeinsame Ausführungsordnung vom 18. Januar 1996 zum
Madrider Abkommen über die internationale Registrierung von Marken und zum
Protokoll zu diesem Abkommen; SR 0.232.112.21) - in gewissen Fragen, um den
Vorbehalten insbesondere von Staaten angelsächsischer Tradition Rechnung zu
tragen (vgl. Gerd F. Kunze, Die neueren Entwicklungen auf dem Gebiet des
internationalen Markenschutzes, insbesondere: Das Protokoll betreffend das
Madrider Markenabkommen für die internationale Eintragung von Marken vom 27.
Juni 1989, in: Marke und Marketing, Bern 1990, S. 393; Schlei, a.a.O., S. 31
f.; Marbach, Markenrecht, in: Schweizerisches Immaterialgüter- und
Wettbewerbsrecht [SIWR], Bd. III, Basel 1996, S. 9; vgl. auch Cottier/Germann,
Bedeutung und Wirkung der Staatsverträge im Immaterialgüterrecht, in: SIWR, Bd.
I/1, 2. Aufl., Basel 2002, S. 106).
- Die Abhängigkeit der internationalen Registrierung von der nationalen oder
regionalen Basismarke während fünf Jahren ist in Art. 6 Abs. 3 MMP
grundsätzlich parallel zu Art. 6 Abs. 3 MMA formuliert. Allerdings bildete der
Vorbehalt gegen den sogenannten Zentralangriff gerade einen der Gründe für den
fehlenden Erfolg des MMA bzw. für die abweichende Regelung der internationalen
Registrierung durch das MMP (vgl. Kunze, a.a.O., S. 393). So sieht Art.
9quinquies MMP im Gegensatz zum MMA für den Fall der Löschung der
internationalen Registrierung wegen der Löschung oder fehlenden Registrierung
der Basismarke vor, dass die internationale Registrierung in nationale oder
regionale Gesuche umgewandelt werden kann, wobei die Priorität gewahrt bleibt
(vgl. dazu Schlei, a.a.O., S. 45; Kunze, a.a.O., S. 398 f.). Im Verhältnis
unter Vertragsstaaten des MMA gilt diese Regelung nach Art. 9sexies MMP aber
gerade nicht. Vielmehr hat hier der erfolgreiche "Zentralangriff" auf die
Basismarke nach Art. 6 Abs. 3 MMA den ersatzlosen Verlust der internationalen
Registrierung zur Folge.
- Als nationale oder regionale Basis der internationalen Registrierung kommt
nach dem MMA nur eine im Ursprungsland bereits registrierte Marke in Betracht,
während nach dem MMP die Anmeldung genügt (vgl. Schlei, a.a.O., S. 73 f.). Die
Abhängigkeit der internationalen Registrierung von der Basis (Marke oder
Anmeldung) ist dementsprechend in Art. 6 MMP eingehender geregelt, um
insbesondere Missbräuchen vorzubeugen. So soll etwa ausgeschlossen werden, dass
eine Zurückweisung der Registrierung im Ursprungsland mit Rechtsmitteln
angefochten werden kann, um mit Ablauf der Fünfjahresfrist die Unabhängigkeit
der internationalen Registrierung zu erreichen; die zeitliche Abhängigkeit wird
daher ausgedehnt auf Rechtsmittelverfahren im Eintragungsverfahren und
entsprechend auf verwaltungsrechtliche Widerspruchsverfahren (vgl. dazu Kunze,
a.a.O., S. 400 f.). Die Fünfjahresfrist wird allerdings nach dem MMP nicht
verlängert, wenn das Amt des Ursprungslandes das Prüfungsverfahren über die
Basisanmeldung in dieser Zeit nicht abgeschlossen hat (vgl. Kunze, a.a.O., S.
401).
- Nach dem Wortlaut von Art. 6 Abs. 3 MMA entfällt der Schutz der
internationalen Registrierung, wenn der gesetzliche Schutz der Basismarke
später infolge einer vor Ablauf der Frist von fünf Jahren erhobenen Klage
erlischt. Der massgebende französische Text lautet: "Il en sera de même lorsque
cette protection légale aura cessé ultérieurement par suite d'une action
introduite avant l'expiration du délai de cinq ans". Unter "action" ist eine
zivilrechtliche Klage, nicht aber ein verwaltungsrechtlicher Einspruch bzw. die
Beteiligung an einem Verwaltungsverfahren zu verstehen; nach Art. 6 Abs. 4 MMA
handelt es sich ausdrücklich um eine "action judiciaire". Dem Wortlaut der
Bestimmung entsprechend haben die Vertragsstaaten darunter keine Beteiligung an
einem Verwaltungsverfahren gemeint; das wird in der Kritik an der beiläufigen
Bemerkung im Urteil vom 20. Februar 2004 nicht in Frage gestellt, wenn
angeführt wird, dass der Widerspruch den Vertragsstaaten mit Ausnahme
Deutschlands bis in die 90er Jahre unbekannt war (David, a.a.O., S. 1269). Da
die Abhängigkeit der internationalen Registrierung von der Basismarke nach der
ausdrücklichen Bestimmung von Art. 6 Abs. 2 MMA im Grundsatz gerade auf fünf
Jahre begrenzt ist, bedürfte es gewichtiger Gründe, um den im Staatsvertrag
verwendeten, eindeutigen Begriff der (zivilrechtlichen) Klage auf das
verwaltungsrechtliche Institut des Widerspruchs auszudehnen (vgl. zur Auslegung
von Staatsverträgen BGE 122 II 234 E. 4c S. 238).
- Die Gemeinsame Ausführungsordnung schreibt in Regel 22 der Ursprungsbehörde
vor, das Internationale Büro zu benachrichtigen, wenn die Artikel 6 Absätze 3
und 4 des Abkommens (MMA) und/oder Artikel 6 Absätze 3 und 4 des Protokolls
(MMP) Anwendung finden. Insbesondere schreibt Regel 22 Abs. 1 lit. b der
Gemeinsamen Ausführungsordnung die Benachrichtigung vor, wenn "ein in Artikel 6
Absatz 4 des Abkommens genanntes gerichtliches Verfahren oder ein in Artikel 6
Absatz 3 Ziffer i, ii oder iii des Protokolls genanntes Verfahren vor Ablauf
der Frist von fünf Jahren begonnen, ... aber vor Ablauf dieser Frist nicht zu
dem in Artikel 6 Absatz 4 des Abkommens genannten rechtskräftigen Urteil oder
zu der in Artikel 6 Absatz 3 Satz 2 des Protokolls genannten rechtskräftigen
Entscheidung oder zu der Rücknahme oder dem Verzicht nach Artikel 6 Absatz 3
Satz 3 des Protokolls geführt" hat. Die Gemeinsame Ausführungsordnung behandelt
damit zwar die Pflicht zur Information des Internationalen Büros durch die
Ursprungsbehörden für die in Art. 6 MMA und Art. 6 MMP vorgesehenen Verfahren
gleich, unterscheidet jedoch deutlich und ausdrücklich zwischen den in Art. 6
Abs. 4 MMA genannten rechtskräftigen Urteilen und den in Art. 6 Abs. 3 Satz 3
MMP erwähnten rechtskräftigen Entscheiden. Es verpflichtet weder die
Ursprungsbehörden, im Rahmen von Art. 6 Abs. 3 MMA allfällige
Widerspruchsverfahren zu melden, noch das Internationale Büro, einem Antrag auf
Löschung unter dieser Voraussetzung stattzugeben (Regel 22 Abs. 2 der
Gemeinsamen Ausführungsordnung). Aus der Gemeinsamen Ausführungsordnung ergibt
sich daher nur die Bestätigung, dass vor Ablauf der Fünfjahresfrist
eingereichte gerichtliche Klagen zur Verlängerung der Abhängigkeit der
internationalen Registrierung nach MMA führen. Es ergibt sich daraus nichts für
eine Gleichstellung der in Art. 6 Abs. 3 MMA erwähnten gerichtlichen Klage mit
dem verwaltungsrechtlichen Widerspruch.
- Das Widerspruchsverfahren ist ein Verwaltungsverfahren, das unmittelbar an
das Verfahren der Eintragung der Marke anschliesst. Nach dem schweizerischen
Recht ist der Widerspruch innerhalb von drei Monaten nach Veröffentlichung der
Eintragung einzureichen (Art. 31 Abs. 2 MSchG), der erfolgreiche Widerspruch
führt zum Widerruf der Eintragung (Art. 33 MSchG). Entsprechend kann nach § 42
des deutschen Markengesetzes innerhalb einer Frist von drei Monaten nach dem
Tage der Veröffentlichung der Eintragung der Marke gemäss § 41 vom Inhaber
einer Marke mit älterem Zeitrang gegen die Eintragung der Marke Widerspruch
erhoben werden. Der erfolgreiche Widerspruch führt zur Löschung der Eintragung
(§ 43 Abs. 2 Markengesetz; vgl. dazu etwa Ströbele, in: Ströbele/Hacker,
Markengesetz, 8. Aufl., Köln/Berlin/München 2006, N. 57 zu § 43 DMarkenG). Auch
wenn das Widerspruchsverfahren - fristgebunden - erst im Anschluss an die
Eintragung der Marke eingeleitet werden kann, bildet es eigentlich Teil der
Registrierung, indem es besser berechtigten Markeninhabern ermöglicht, ihre
Interessen schon im Rahmen des verwaltungsrechtlichen Verfahrens der
Registrierung einzubringen. Die Gutheissung des Widerspruchs führt zwar zur
Löschung der Marke durch die Registerbehörde; die Abweisung des Widerspruchs
schliesst indes die zivilrechtliche Nichtigkeitsklage nicht aus. Nach § 44 des
deutschen Markengesetzes kann der Inhaber der Marke überdies im Wege der Klage
gegen den Widersprechenden geltend machen, dass ihm trotz der Löschung der
Eintragung nach § 43 ein Anspruch auf Eintragung zusteht. Damit soll verhindert
werden, dass eine Marke gelöscht wird, obwohl dies der materiellen Rechtslage
nicht entspricht (vgl. Hacker, in: Ströbele/Hacker, a.a.O., N. 2 zu § 44
DMarkenG; vgl. schon Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., München 2001, N. 1 zu § 44
DMarkenG).
- Es ist nachvollziehbar, dass besser berechtigte Markeninhaber ein Interesse
daran haben können, die Löschung internationaler Registrierungen durch einen
verwaltungsrechtlichen Widerspruch gegen die Basismarke auch nach Ablauf von
fünf Jahren unbesehen davon zu erreichen, ob die Registrierung nach MMA oder
nach MMP erfolgt ist. Für eine Gleichstellung des verwaltungsrechtlichen
Widerspruchs mit der gerichtlichen Klage mag auch angeführt werden, dass das
Widerspruchsverfahren als Streit zwischen den privaten Beteiligten verstanden
werden kann und dass diesen das hängige Verfahren auch nach Ablauf der
fünfjährigen Frist bekannt sein muss. Eine Verlängerung der Fünfjahresfrist
nach Art. 6 Abs. 3 MMA nicht nur für Klagen, sondern auch für den Fall des
Widerspruchs über den Wortlaut dieser Bestimmung hinaus erscheint jedoch
ausgeschlossen. Die Rechtswirkungen einer zivilrechtlichen Klage unterscheiden
sich von denjenigen des Widerspruchs, der letztlich Teil der
verwaltungsrechtlichen Registrierung bildet und materiell keine
Rechtskraftwirkung entfaltet. Dies gilt erst recht für das Verfahren in
Deutschland, wo auch der im Widerspruchsverfahren unterlegene Markeninhaber
nach der Löschung die gerichtliche Eintragung erwirken kann; würde eine solche
Klage nach Ablauf der Fünfjahresfrist gemäss Art. 6 Abs. 3 MMA eingereicht und
gutgeheissen, so würde die "Basismarke" unter Wahrung der ursprünglichen
Priorität zwar im Ursprungsland wieder eingetragen, aber die internationale
Registrierung wäre endgültig gelöscht, da für eine neue Registrierung mit
Wahrung der Priorität keine staatsvertragliche Grundlage ersichtlich ist.
Schliesslich ist auch zu beachten, dass sich die Rechtswirkungen der Löschung
der internationalen Registrierung nach MMA einerseits und MMP anderseits
unterscheiden; während die Löschung der internationalen Registrierung nach MMP
die Priorität der Anmeldung in den betreffenden Staaten nicht notwendigerweise
zerstört, weil nach Art. 9quinquies MMP unter Wahrung dieser Priorität eine
Umwandlung in eine nationale Anmeldung möglich ist, führt die Löschung der
Basismarke nach MMA zum Verlust der durch die internationale Registrierung
erlangten Priorität in den Verbandsstaaten, da ein Ersatz durch eine nationale
Anmeldung im Unterschied zum MMP gerade nicht vorgesehen ist. Es erscheint
daher nicht angebracht, die ausdrückliche Verlängerung der Abhängigkeit durch
das Widerspruchsverfahren im MMP sinngemäss auf Art. 6 Abs. 3 MMA anzuwenden.
- Der Vorinstanz kann aus diesen Gründen nicht beigepflichtet werden, wenn sie
annimmt, die Abhängigkeit der internationalen Registrierung Nr. 663 349 FOCUS
der Beschwerdegegnerin sei wegen des im Ursprungsland Deutschland hängigen
Widerspruchsverfahrens über die Fünfjahresfrist hinaus verlängert worden. Die
Abhängigkeit ist vielmehr am 23. Mai 2001 - fünf Jahre nach der Registrierung -
entfallen, wie die Beschwerdeführerin zu Recht vorbringt. Da die
Markenregistrierung in der Schweiz seit diesem Zeitpunkt nicht mehr von der
Basismarke in Deutschland abhängig ist, besteht seither kein wichtiger Grund
mehr für die Beschwerdegegnerin, die Marke für die beanspruchten Waren der
Klassen 3 und 5 hier nicht zu gebrauchen. Sie hat ihre Marke nach den
verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz für diese Waren in der Schweiz nie
in Gebrauch genommen. Da seit dem Wegfall des wichtigen Grundes mehr als fünf
Jahre vergangen sind, kann die Beschwerdegegnerin den Schutz nach Art. 12 MSchG
dafür nicht mehr beanspruchen.
-
Die Beschwerde ist gutzuheissen, weil die Beschwerdegegnerin ihre IR-Marke Nr.
663 349 FOCUS für Waren der Klassen 3 und 5 in der Schweiz während einer
ununterbrochenen Frist von fünf Jahren nicht gebraucht hat, obwohl ein
wichtiger Grund dafür seit dem 23. Mai 2001 nicht mehr besteht. Es kann daher
offen bleiben, ob die Vorinstanz bei weiterbestehender Abhängigkeit von der
Basismarke die Erfolgsaussichten des Widerspruchs im Ursprungsland hätte prüfen
müssen und ob gewichtige Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die
Beschwerdegegnerin gar nicht beabsichtigt, ihre Marke für diese Waren zu
gebrauchen, wie die Beschwerdeführerin ebenfalls vorbringt. Immerhin sei
beiläufig bemerkt, dass zwar der blosse Zeitablauf innerhalb der Schonfrist von
Art. 12 MSchG regelmässig allein als Hinweis auf eine Defensivmarke nicht
genügen dürfte, dass aber nach allgemeiner Lebenserfahrung davon ausgegangen
werden darf, dass ein Markeninhaber sofort nach Wegfall eines Hindernisses
Anstalten trifft, um den Gebrauch mindestens vorzubereiten, wenn er daran
ernsthaft interessiert ist.

-
Das Urteil des Handelsgerichts ist in Gutheissung der Beschwerde aufzuheben. Da
die Sache spruchreif ist (Art. 107 Abs. 2 BGG) ist der schweizerische Teil der
IR-Marke 663 349 FOCUS für die in Klassen 3 und 5 beanspruchten Waren
antragsgemäss nichtig zu erklären, wobei die Mitteilung dieses Entscheides auch
an das IGE geht. Bei diesem Ausgang des Verfahrens wird die Beschwerdegegnerin
kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:
-
Die Beschwerde wird gutgeheissen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons
Bern vom 6. November 2007 wird aufgehoben. Der schweizerische Teil der
internationalen Registrierung Nr. 663 349 FOCUS für die Waren in der Klasse 3
(savons; parfumerie, huiles essentielles, savons, fards, cosmétiques, lotions
pour les cheveux, produits de soins corporels et de beauté, eaux et crèmes de
rasage, désodorisants à usage personnel; produits de toilette tels que produits
de nettoyage et dentifrices) und der Klasse 5 (produits pharmaceutiques et
hygiéniques; substances diététiques à base de vitamines, d'albumine et/ou à
base d'hydrates de carbone en tant que denrées alimentaires pour l'alimentation
fortifiante, ou substances diététiques réduites en substance nutritives, à
valeur calorifique contrôlée, aliments fortifiants pour le sport, préparations
fortifiantes contenant des vitamines, des minéraux ainsi que des oligoéléments
et des préparations stimulantes, ou similaires; les produits précités à usage
médical) wird nichtig erklärt.
-
Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten des kantonalen Verfahrens an die
Vorinstanz zurückgewiesen.
-
Die Gerichtskosten von Fr. 5'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.
-
Die Beschwerdegegnerin hat die Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 6'000.-- zu entschädigen.
-
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Handelsgericht des Kantons Bern sowie dem
Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 8. Juli 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Corboz Feldmann