Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.145/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_145/2008 /len

Urteil vom 7. April 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Rottenberg Liatowitsch,
Gerichtsschreiber Leemann.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,

gegen

Kantonsgericht St. Gallen, Präsidentin der III. Zivilkammer als
Einzelrichterin.

Gegenstand
Unentgeltliche Rechtspflege,

Beschwerde gegen den Entscheid des Kantonsgerichts St. Gallen, Präsidentin der
III. Zivilkammer als Einzelrichterin, vom 13. Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
A.a X.________ (Beschwerdeführer) wurde am 15. April 1996 am Kantonsspital St.
Gallen am linken Handgelenk operiert. Am 25. November 1997 gelangte er an das
Justizdepartement des Kantons St. Gallen und reichte ein Schadenersatzbegehren
gemäss kantonalem Verantwortlichkeitsgesetz (Gesetz über die Haftung der
öffentlich-rechtlichen Körperschaften und Anstalten und die Verantwortlichkeit
der Behörden, Beamten und öffentlichen Angestellten vom 7. Dezember 1959; sGS
161.1; VG) ein. Dieses Verfahren wurde vom Bezirksamt St. Gallen mit Verfügung
vom 8. Dezember 1997 bis auf weiteres sistiert. Am 27. Oktober 2003 wandte sich
der Beschwerdeführer erneut mit einem Schadenersatzbegehren an das
Justizdepartement. Am 25. November 2003 wurde daraufhin der
Vermittlungsvorstand anbegehrt und am 15. März 2004 die Klage beim Kreisgericht
St. Gallen eingereicht.
A.b Das im Verfahren vor dem Kreisgericht St. Gallen gestellte Gesuch um
unentgeltliche Rechtspflege lehnte die Präsidentin der 2. Abteilung des
Kreisgerichts St. Gallen mit Entscheid vom 2. Juni 2004 wegen
Aussichtslosigkeit ab. Den vom Beschwerdeführer gegen diesen Entscheid
erhobenen Rekurs wies die Präsidentin der III. Zivilkammer mit Entscheid vom
29. Dezember 2004 ab.
Der Beschwerdeführer bezahlte daraufhin die Einschreibgebühr, nicht aber die
ihm in der Folge vom Kreisgericht St. Gallen auferlegte Sicherheitsleistung.
Demzufolge trat das Kreisgericht St. Gallen mit Entscheid vom 28. April 2005
auf die Klage nicht ein.
A.c Am 17. November 2006 ersuchte der Beschwerdeführer das Vermittleramt St.
Gallen um Durchführung eines Vermittlungsvorstands. Dabei verlangte der
Beschwerdeführer, der Kanton St. Gallen sei zu verpflichten, ihm eine
Genugtuung in der Höhe von mindestens Fr. 25'000.-- und Schadenersatz nach
Ausgang des Beweisverfahrens, jedoch mindestens Fr. 35'000.--, beides nebst
Zins, zu bezahlen. Nachdem keine Einigung zustande gekommen war, machte der
Beschwerdeführer am 23. Juli 2007 die Klage beim Kreisgericht St. Gallen
anhängig und stellte gleichzeitig das Begehren um unentgeltliche Prozessführung
und Rechtsverbeiständung für dieses Verfahren.
Mit Entscheid vom 9. November 2007 wies die Präsidentin der 3. Abteilung des
Kreisgerichts St. Gallen das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wegen
Aussichtslosigkeit ab. Gegen diesen Entscheid reichte der Beschwerdeführer beim
Kantonsgericht Rekurs ein.

B.
Die Präsidentin der III. Zivilkammer als Einzelrichterin des Kantonsgerichts
St. Gallen wies den Rekurs mit Entscheid vom 13. Februar 2008 ab. Zur
Begründung der Aussichtslosigkeit erwog das Gericht, der Anspruch sei nach Art.
4 Abs. 1 VG in seiner massgebenden Fassung vor Inkrafttreten des II.
Nachtragsgesetzes vom 26. Mai 2000 (aVG) verwirkt. Da das vom Beschwerdeführer
behauptete schädigende Ereignis mehr als zehn Jahre zurückliege, sei seine
Klagemöglichkeit absolut verwirkt.

C.
Gegen den Entscheid der Präsidentin der III. Zivilkammer als Einzelrichterin
des Kantonsgerichts St. Gallen vom 13. Februar 2008 hat der Beschwerdeführer
beim Bundesgericht Beschwerde in Zivilsachen erhoben. Er beantragt, der
Entscheid der Vorinstanz sei aufzuheben und dem Beschwerdeführer sei im
Verfahren vor dem Kreisgericht St. Gallen die unentgeltliche Prozessführung und
Rechtsverbeiständung zu gewähren. Ausserdem beantragt er die Gewährung der
unentgeltlichen Prozessführung auch für das Verfahren vor Bundesgericht.
Die kantonalen Akten wurden beigezogen. Vernehmlassungen wurden keine
eingeholt.

Erwägungen:

1.
Angefochten ist ein in einem hängigen kantonalen Verfahren ergangener
letztinstanzlicher Zwischenentscheid über die unentgeltliche Rechtspflege.
Solche Entscheide bewirken in der Regel einen nicht wiedergutzumachenden
Nachteil im Sinne von Art. 93 Abs. 1 lit. a BGG (vgl. BGE 129 I 129 E. 1.1 S.
131 mit Hinweis). Bei Zwischenentscheiden folgt der Rechtsweg jenem der
Hauptsache (Urteile des Bundesgerichts 5A_108/2007 vom 11. Mai 2007, E. 1.2;
5A_85/2007 vom 17. April 2007, E. 1.2). Der Streitwert bestimmt sich dabei nach
den Begehren, die vor der Instanz streitig sind, wo die Hauptsache hängig ist
(Art. 51 Abs. 1 lit. c BGG). Im vorliegenden Fall betrifft die Hauptsache eine
Angelegenheit medizinischer Staatshaftung (Art. 31 Abs. 1 lit. d des Reglements
für das Bundesgericht, BGerR [173.110.131]), die in unmittelbarem Zusammenhang
mit Zivilrecht steht (Art. 72 Abs. 2 lit. b BGG). Der Streitwert beträgt über
Fr. 30'000.--, weshalb die Beschwerde in Zivilsachen zulässig ist (Art. 74 Abs.
1 lit. b BGG). Diese steht damit auch gegen den Zwischenentscheid über die
unentgeltliche Rechtspflege offen. Auf die fristgerecht eingereichte Beschwerde
(Art. 100 Abs. 1 BGG) ist daher unter Vorbehalt zulässiger Rügen (Art. 95 ff.
BGG) und gehöriger Begründung (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG) einzutreten.

2.
2.1 Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106 Abs. 1
BGG). Es prüft, unter Berücksichtigung der allgemeinen Begründungspflicht der
Beschwerde (Art. 42 Abs. 1 und 2 BGG), grundsätzlich nur die geltend gemachten
Rügen, sofern die rechtlichen Mängel nicht geradezu offensichtlich sind. Es ist
jedenfalls nicht gehalten, wie eine erstinstanzliche Behörde alle sich
stellenden rechtlichen Fragen zu untersuchen, wenn diese vor Bundesgericht
nicht mehr vorgetragen werden (BGE 133 II 249 E. 1.4.1 mit Hinweisen). Eine
qualifizierte Rügepflicht gilt hinsichtlich der Verletzung von Grundrechten und
von kantonalem und interkantonalem Recht. Das Bundesgericht prüft eine solche
Rüge nur insofern, als sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet
worden ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2).

2.2 Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung von Art. 30 Abs. 1 BV sowie
Art. 6 Ziff. 1 EMRK vorbringt, kann darauf nicht eingetreten werden, da diese
Rügen nicht näher begründet werden.
Auch die Rüge, die Vorinstanz habe Art. 4 VG willkürlich ausgelegt bzw.
angewendet, wird nicht rechtsgenügend begründet. So wirft der Beschwerdeführer
der Vorinstanz unter anderem vor, widersprüchlich entschieden zu haben, ohne
dies jedoch unter Bezugnahme auf die Erwägungen des angefochtenen Entscheids
näher darzulegen.

3.
3.1 Die Vorinstanz hat dem Beschwerdeführer die unentgeltliche Rechtspflege mit
der Begründung verweigert, seine Klage sei aussichtslos. Sie ist davon
ausgegangen, dass nach der Rechtsprechung Prozessbegehren als aussichtslos
anzusehen sind, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als
die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden
können. Sie hat dargelegt, dass ein Begehren dagegen nicht als aussichtslos
gelte, wenn sich die Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage
halten oder jene nur wenig geringer sind als diese. Massgebend sei demnach, ob
eine Partei, die über die nötigen Mittel verfüge, sich bei vernünftiger
Überlegung zu einem Prozess entschliessen oder davon absehen würde.
Der Beschwerdeführer beanstandet diese zutreffende Wiedergabe der
Rechtsprechung zu Art. 29 Abs. 3 BV zu Recht nicht. Er bringt hingegen vor, die
Vorinstanz habe seine Klage zu Unrecht als von vornherein aussichtslos
angesehen. Zu beurteilen ist demnach, ob die Vorinstanz unzutreffend angenommen
hat, eine Partei mit den nötigen Mitteln hätte die Klage bei vernünftiger
Überlegung nicht angestrengt.

3.2 Was der Beschwerdeführer gegen die rechtliche Beurteilung seiner Klage
einwendet, überzeugt nicht. Die Vorinstanz hat mit ausführlicher Begründung
dargelegt, dass es sich bei den in Art. 4 Abs. 1 aVG festgesetzten Fristen um
Verwirkungsfristen handelt, die - anders als Verjährungsfristen - nicht
unterbrochen werden können. Dabei hat sich die Vorinstanz auf die bisherige
Rechtsprechung sowohl des Kantonsgerichts (Urteil vom 10. Mai 1984, GVP 1984
Nr. 2 E. 2) als auch des Kassationsgerichts (Urteil vom 23. Mai 1996, GVP 1996
Nr. 5) zu dieser Frage gestützt. Nach einem früher ergangenen
Bundesgerichtsentscheid, auf den sich die Vorinstanz beruft, handelt es sich
bei der Frist von Art. 4 aVG eher um eine Verjährungsfrist. Das Bundesgericht
hat die Frage im konkreten Fall zwar offen gelassen, jedoch entscheidend darauf
abgestellt, dass nach dem Verantwortlichkeitsgesetz des Kantons St. Gallen auf
jeden Fall der unbenützte Ablauf der Frist materiell auf die Forderung einwirkt
und eine Unterbrechung nicht möglich ist (Urteil des Bundesgerichts vom 10.
Dezember 1982, GVP 1982 Nr. 3 E. 4c).
Der Beschwerdeführer hält dem angefochtenen Entscheid diesbezüglich lediglich
entgegen, es stehe im Verantwortlichkeitsgesetz nirgends, dass Art. 4 aVG eine
Verwirkung vorsehe; vielmehr handle es sich um eine Verjährungsfrist, die
mehrfach unterbrochen worden sei. Angesichts der bestehenden kantonalen Praxis,
wonach es sich bei den Fristen von Art. 4 Abs. 1 aVG um Verwirkungsfristen
handelt, die nicht unterbrochen werden können, hat die Vorinstanz die Klage des
Beschwerdeführers zutreffend für aussichtslos erklärt und ihm die
unentgeltliche Rechtspflege ohne Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV verweigert.
Auch der sinngemäss geäusserte Einwand des Beschwerdeführers, die Höhe des
Schadens stehe noch gar nicht fest, da er bei seinem Unfallversicherer erst
letztes Jahr eine Rente beantragt habe, ist unbehelflich. Seine Auffassung,
wonach ein Schadenersatzanspruch erst dann verjährt bzw. verwirkt sein könne,
wenn die Höhe des Schadens feststehe, trifft nicht zu. Beginnt die absolute
Frist nämlich mit dem Eintritt des schädigenden Ereignisses, so kann die
Verjährung bzw. Verwirkung mit Ablauf dieser Frist auch dann eintreten, wenn
der Geschädigte seinen Schaden noch gar nicht wahrgenommen hat (BGE 126 II 145
E. 2b S. 151 E. 3a S. 152; 106 II 134 E. 2c S. 138).

4.
Die Beschwerde ist demnach abzuweisen, soweit die Begründung den formellen
Anforderungen überhaupt genügt. Mit dem Entscheid in der Sache wird das Gesuch
um Gewährung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos.
Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend, wird der Beschwerdeführer
kostenpflichtig (Art. 66 Abs. 1 BGG). Nach Art. 64 BGG wird die unentgeltliche
Rechtspflege auch im Verfahren vor Bundesgericht davon abhängig gemacht, dass
das Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Die Vorinstanz hat klar und
zutreffend dargestellt, aus welchen Gründen die Klage des Beschwerdeführers als
aussichtslos zu erachten ist. Die Beschwerde gegen die Verweigerung der
unentgeltlichen Rechtspflege erschien von Anfang an als aussichtslos. Das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist daher abzuweisen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.

2.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Kantonsgericht St. Gallen,
Präsidentin der III. Zivilkammer als Einzelrichterin, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 7. April 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Leemann