Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.126/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_126/2008 /len

Urteil vom 9. Mai 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichter Kolly,
Bundesrichterin Kiss,
Gerichtsschreiberin Sommer.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Fürsprecher Cornel Quinto,

gegen

A.________,
Beschwerdegegner,
vertreten durch Rechtsanwalt Sven Heller.

Gegenstand
Internationales Schiedsgericht; Frist,

Beschwerde gegen den Entscheid des Tribunal Arbitral du Sport (TAS) vom 4.
Februar 2008.

Sachverhalt:

A.
Der X.________ (Beschwerdeführer) ist ein türkischer Fussballklub mit Sitz in
B.________, Türkei. Der Fussballspieler A.________ (Beschwerdegegner) stand mit
dem Beschwerdeführer in einer vertraglichen Beziehung.
In einem Entscheid vom 8. Juni 2007 verurteilte die "FIFA Dispute Resolution
Chamber" den Beschwerdeführer, dem Beschwerdegegner USD 394'242.-- zu bezahlen.

B.
B.a Gegen diesen Entscheid legte der Beschwerdeführer am 31. Oktober 2007 beim
Tribunal Arbitral du Sport (TAS) einen "Appeal" ein. Die entsprechende Eingabe
war überschrieben mit "demande d'arrestation d'application du jugement".
Am 9. November 2007 setzte das TAS dem Vertreter des Beschwerdeführers Frist
bis 15. November 2007, um den "Appeal" den formellen Voraussetzungen
anzupassen, ansonsten dieser als zurückgezogen betrachtet werde.
Nachdem der Beschwerdeführer innert Frist dieser Aufforderung nicht
nachgekommen war, teilte der Generalsekretär des TAS dem Vertreter des
Beschwerdeführers mit Schreiben vom 23. November 2007 mit, dass der "Appeal"
des Beschwerdeführers gegen den Entscheid der "FIFA Dispute Resolution Chamber"
vom 8. Juni 2007 als zurückgezogen gelte und kein Verfahren vor dem TAS
eröffnet werde.
B.b Am 25. Januar 2008 gelangte der neue Vertreter des Beschwerdeführers an das
TAS und machte geltend, das Schreiben des TAS vom 9. November 2007 sei an eine
falsche Faxnummer übermittelt worden und demzufolge dem Beschwerdeführer nicht
zugekommen. Er habe daher von der ihm angesetzten Frist zur Verbesserung des
"Appeal" und den angedrohten Folgen im Nichtbeachtungsfall keine Kenntnis
erhalten. Er ersuchte deshalb um Wiederaufnahme des Appellationsverfahrens und
um Ansetzung einer neuen Frist zur Vervollständigung des "Appeal".
Mit Schreiben vom 4. Februar 2008 bestätigte der Generalsekretär des TAS den
Erhalt der Eingabe vom 25. Januar 2008 und antwortete, dass es sich bei der
angeblich falschen Faxnummer um eben diese Faxnummer handle, von welcher aus
sämtliche Eingaben des Beschwerdeführers an das TAS gefaxt worden seien.
Jedenfalls habe der "Appeal" den formellen Anforderungen nicht entsprochen,
weshalb - wie mit Schreiben vom 23. November 2007 mitgeteilt - kein
Appellationsverfahren habe eröffnet werden können. Da nach R32 der Statuten der
Institutionen für die Beilegung von Streitigkeiten im Sportbereich (Statuten)
eine Wiederherstellung der Frist für die Einlegung des "Appeal" ausser Betracht
falle, könne dem Ersuchen um Wiederaufnahme des Appellationsverfahrens nicht
entsprochen werden.

C.
Der Beschwerdeführer beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, den Entscheid des
TAS vom 4. Februar 2008 aufzuheben und das TAS anzuweisen, im Sinne der
Erwägungen des Bundesgerichts neu zu entscheiden. Er beruft sich auf Art. 190
Abs. 2 lit. d IPRG (Verletzung des rechtlichen Gehörs) und Art. 190 Abs. 2 lit.
e IPRG (Verletzung des formellen Ordre public).
Der Beschwerdegegner beantragt, die Beschwerde abzuweisen. Er legt dar, dass er
keine Kenntnis von den Akten habe, da kein Verfahren eröffnet worden sei. Es
seien ihm in jedem Fall keine Kosten aufzuerlegen.
Das TAS weist in seiner Vernehmlassung darauf hin, dass es in dieser Sache kein
Verfahren eröffnet habe, da der Beschwerdeführer die hierfür geltenden
Voraussetzungen nicht erfüllt habe. Dies sei dem Beschwerdeführer mit Schreiben
vom 23. November 2007, das dieser erhalten habe, mitgeteilt worden. Das
Schreiben vom 4. Februar 2008 sei kein Entscheid des TAS, sondern eine
nochmalige Bestätigung an den neuen Vertreter des Beschwerdeführers, dass in
dieser Sache kein Verfahren eröffnet worden sei.

D.
Mit Präsidialverfügung vom 19. März 2008 wurde das Gesuch des Beschwerdeführers
um Erteilung der aufschiebenden Wirkung abgewiesen.

Erwägungen:

1.
Unter den Voraussetzungen der Art. 190-192 IPRG ist gegen Entscheide von
Schiedsgerichten die Beschwerde in Zivilsachen zulässig (Art. 77 Abs. 1 BGG).
Vorliegend ist vorab fraglich, ob das angefochtene Schreiben des
Generalsekretärs des TAS vom 4. Februar 2008 überhaupt einen Entscheid
darstellt. Mit besagtem Schreiben orientierte der Generalsekretär des TAS den
neuen Vertreter des Beschwerdeführers, dass mangels formell zulässigen "Appeal"
kein Appellationsverfahren vor dem TAS eröffnet worden war und nach R32 der
Statuten eine Wiederherstellung der Appellationsfrist ausgeschlossen ist.
Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers beinhaltet dieses Schreiben nicht
selbst die Einstellung des Appellationsverfahrens. Die Nichteröffnung eines
Appellationsverfahrens wurde vielmehr mit Schreiben vom 23. November 2007
angeordnet und mitgeteilt. Im Schreiben des Generalsekretärs des TAS vom 4.
Februar 2008 wurde dagegen über den "Appeal" weder materiell entschieden noch
wurde ein Nichteintreten oder die Nichteröffnung eines Verfahrens beschlossen.
Es wurde lediglich orientiert, dass Letzteres - wie mit Schreiben vom 23.
November 2007 mitgeteilt - bereits erfolgt sei. Das Schreiben des
Generalsekretärs des TAS vom 4. Februar 2008 brachte den Beschwerdeführer somit
nicht, wie von diesem ausgeführt, um die Beurteilung seines Rechtsbegehrens. Es
stellt demnach insofern keinen anfechtbaren Entscheid eines Schiedsgerichts
dar, weshalb auf die dagegen gerichteten Vorbringen nicht eingetreten werden
kann.
Hätte sich der Beschwerdeführer gegen die Nichtbehandlung seines "Appeal"
wehren und die Ansetzung einer neuen Frist für die Verbesserung des "Appeal"
verlangen wollen, hätte er dies gegebenenfalls mit einer Beschwerde gegen die
Mitteilung vom 23. November 2007 tun müssen, mit der festgehalten wurde, dass
der "Appeal" zufolge verpasster Frist zur Verbesserung als zurückgezogen gelte
und kein Verfahren eröffnet werde. Dieses Schreiben wurde mittels Fax und DHL
(privater Postdienst) übermittelt. Es ging dem damaligen Vertreter des
Beschwerdeführers zugestandenermassen zu. Dagegen hat er jedoch kein
Rechtsmittel ergriffen.

2.
Soweit im Schreiben des Generalsekretärs des TAS vom 4. Februar 2008 die
Abweisung eines Gesuchs des Beschwerdeführers um Wiederherstellung der
Appellationsfrist zu erblicken ist, kann es als anfechtbarer Endentscheid
betrachtet werden (vgl. Urteil 5A_729/2007 vom 29. Januar 2008, E. 1).
Der Beschwerdeführer bringt jedoch spezifisch dagegen nichts vor. Zu Recht,
schliesst doch R32 Abs. 2 der Statuten eine Wiederherstellung der
Appellationsfrist aus. Die Neuansetzung der mit dem angeblich nicht erhaltenen
Schreiben vom 9. November 2007 angesetzten Frist zur Verbesserung des "Appeal"
hätte der Beschwerdeführer hingegen, wie bereits ausgeführt (Erwägung 1), im
Rahmen einer Beschwerde gegen das Schreiben vom 23. November 2007 geltend
machen müssen.

3.
Auf die Beschwerde kann nicht eingetreten werden. Bei diesem Verfahrensausgang
wird der Beschwerdeführer kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1
und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 7'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat den Beschwerdegegner für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 8'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Tribunal Arbitral du Sport (TAS)
schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 9. Mai 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Corboz Sommer