Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.123/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_123/2008 /len

Urteil vom 22. Juli 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterin Klett,
nebenamtlicher Bundesrichter Brunner,
Gerichtsschreiber Leemann.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Andreas Bilger,

gegen

Wassergenossenschaft X.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Rechtsanwältin Angela Dillier-Gamma.

Gegenstand
Anfechtung Beschlüsse einer Generalversammlung (Gesellschaftsrecht),

Beschwerde gegen den Entscheid des Obergerichts
des Kantons Uri, Zivilrechtliche Abteilung,
vom 30. Oktober 2007.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Beschwerdeführer) ist Mitglied der am 28. Juli 1966 gegründeten
Wassergenossenschaft X.________ in B.________ (Beschwerdegegnerin) und war
früher zeitweise deren Präsident. In B.________ war schon zuvor am 23. Juni
1937 die "Wassergenossenschaft Y.________" gegründet worden. 1985 befasste sich
eine Studienkommission der Beschwerdegegnerin mit der Planung eines
Wasserversorgungsprojektes (Pumpwerk) und an der ausserordentlichen
Generalversammlung vom 5. Dezember 1986 übernahm der Beschwerdeführer das
Präsidium der Baukommission. Am 27. April 1988 beschloss die
Einwohnerversammlung der Gemeinde B.________ einen Beitrag an den Ausbau des
Pumpwerks unter der Auflage, dass die Beschwerdegegnerin den Anschluss für den
Ortsteil "Y.________" zu gewährleisten habe und dass die Wassergenossenschaft
Y.________ bzw. deren Genossenschafter später in die Beschwerdegegnerin
aufzunehmen seien.
An der Generalversammlung der Beschwerdegegnerin vom 27. März 1998 wurde die
Aufnahme von drei neuen Mitgliedern aus der Region Y.________ beschlossen und
über die Auflösung der Wassergenossenschaft Y.________ orientiert. Der
Beschwerdeführer stimmte gegen dieses Vorgehen mit der Begründung, der
Beschluss der Generalversammlung verstosse gegen das Gesetz und die Statuten
der Beschwerdegegnerin, weil das Gebiet Y.________ nicht zu den "umliegenden
Weilern" gehöre, wie dies gemäss Art. 4 der Statuten festgelegt sei.

B.
B.a Am 7. September 1998 erhob der Beschwerdeführer beim Landgericht Uri Klage,
unter anderem mit den Anträgen, der Beschluss vom 27. März 1998 gemäss Ziffer 5
der Traktandenliste betreffend Aufnahme dreier neuer Mitglieder in die
Genossenschaft sowie der Beschluss gemäss Ziffern 12, 13 und 14 der
Traktandenliste betreffend "Orientierung über Auflösung Wasserregion
Y.________", "Vertragsentwurf für Wasserbezüger Y.________" und
"Vertragsentwurf für Wasserbezüger X.________" seien aufzuheben. Das
Landgericht Uri wies die Klage mit Urteil vom 28. März 2006 ab. Es befand im
Wesentlichen, der Beschwerdeführer habe am 19. Mai 1986 - damals noch als
Präsident der Baukommission - selbst vorgeschlagen, die Wassergenossenschaft
Y.________ als neues Mitglied der Beschwerdegegnerin aufzunehmen.
Widersprüchliches Verhalten finde keinen Rechtsschutz.
B.b Gegen dieses Urteil gelangte der Beschwerdeführer mit kantonaler Berufung
an das Obergericht des Kantons Uri. Dieses wies die Berufung mit Urteil vom 30.
Oktober 2007 ab, soweit es darauf eintrat. Es verneinte zwar das vom
Landgericht angenommene widersprüchliche Verhalten, gelangte jedoch aufgrund
der Auslegung der Statuten zum Ergebnis, die angefochtenen Beschlüsse der
Beschwerdegegnerin vom 27. März 1998 seien rechtmässig erfolgt. Nach Art. 1
Abs. 2 der Statuten sei Zweck der Genossenschaft "die Erstellung und der
Unterhalt einer zuverlässigen Wasserversorgung im Bereich des X.________ und
des C.________ sowie der umliegenden Weiler". Nach Art. 4 könnten Personen
Mitglied werden, die im Bereich des "X.________" und "der umliegenden Weiler"
Grundeigentum haben. Der Ausdruck "umliegende Weiler" sei auslegungsbedürftig
und könne auch unter Berücksichtigung von Art. 1 Abs. 1 der Statuten, der eine
Aufzählung verschiedener Ortsteile enthalte ("X.________, D.________,
E.________, F.________, G.________, H.________ und I.________"), nicht zu eng
aufgefasst werden. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers sei der Ortsteil
"Y.________" durchaus als "umliegender Weiler" im Sinne von Art. 4 der Statuten
zu qualifizieren.

C.
Der Beschwerdeführer erhob gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Uri
vom 30. Oktober 2007 Beschwerde in Zivilsachen. Er beantragt, der Entscheid der
Vorinstanz sei aufzuheben und die nachfolgenden Rechtsbegehren seien
gutzuheissen: (1.1) der Beschluss zu Traktandum Ziffer 5 betreffend Aufnahme
dreier neuer Mitglieder in die Genossenschaft und (1.2) die Beschlüsse zu den
Traktanden Ziffern 12, 13 und 14 seien aufzuheben.
Die Beschwerdegegnerin beantragt in ihrer Beschwerdeantwort die Abweisung der
Beschwerde, soweit darauf infolge Unzulässigkeit überhaupt eingetreten werden
könne. Die Vorinstanz hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob ein
Rechtsmittel zulässig ist (BGE 133 III 489 E. 3 S. 489).

1.1 Die Beschwerde in Zivilsachen steht in vermögensrechtlichen Angelegenheiten
grundsätzlich nur ab einem Streitwert von Fr. 30'000.-- zur Verfügung (Art. 74
Abs. 1 lit. b BGG). Vorliegend macht der Beschwerdeführer keinerlei Angaben zum
möglichen Streitwert seiner Rechtsbegehren. Dass es sich indessen um eine
vermögensrechtliche Angelegenheit handelt, ist angesichts der angefochtenen
Beschlüsse der Generalversammlung, die Verträge für Wasserbezug in den
Ortsteilen Y.________ und X.________ zum Inhalt haben, ohne weiteres zu
bejahen. Lautet ein Begehren wie vorliegend nicht auf Bezahlung einer
bestimmten Geldsumme, so setzt das Bundesgericht den Streitwert gemäss Art. 51
Abs. 2 BGG nach Ermessen fest.
Handelt es sich wie hier um eine Beschwerde gegen einen Endentscheid, so
bestimmt sich der Streitwert nach den Begehren, die vor der Vorinstanz streitig
geblieben waren (Art. 51 Abs. 1 lit. a BGG). Dabei werden mehrere in einer
vermögensrechtlichen Sache von der gleichen Partei geltend gemachte Begehren
zusammengerechnet, sofern sie sich nicht gegenseitig ausschliessen (Art. 52
BGG). Streitig waren vor der Vorinstanz die angefochtenen Beschlüsse der
Beschwerdegegnerin betreffend Aufnahme dreier neuer Genossenschafter sowie
betreffend die Verträge für Wasserbezüge. Wie bereits festgestellt, macht der
Beschwerdeführer indessen keine Angaben über die Höhe eines Streitwertes. Es
ist nicht Sache des Bundesgerichts, Erwägungen darüber anzustellen, inwiefern
auch ohne hinreichende Vorbringen einer Partei der in Art. 74 Abs. 1 lit. b BGG
bestimmte Streitwert erreicht sein könnte. Der Ermessensentscheid nach Art. 51
Abs. 2 BGG ist nur mit zumindest nachvollziehbaren Vorbringen in der
Beschwerdebegründung möglich.
Der Beschwerdeführer stützt sich denn auch nicht auf einen Streitwert von über
Fr. 30'000.-- für die Frage der Zulässigkeit der Beschwerde in Zivilsachen,
sondern unvermittelt auf eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im
Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG.

1.2 Gemäss Art. 42 Abs. 2 BGG ist in der Beschwerdeschrift darzutun, dass und
inwiefern die Voraussetzung des Vorliegens einer Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung erfüllt ist, widrigenfalls auf das Rechtsmittel nicht
eingetreten wird (BGE 133 III 439 E. 2.2.2.1, 645 E. 2.4 S. 648). Dabei ist zu
beachten, dass der Begriff der Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im
Sinne von Art. 74 Abs. 2 lit. a BGG sehr restriktiv auszulegen ist, wobei auf
die in der Botschaft enthaltene Umschreibung nicht abgestellt werden kann, da
diese die Möglichkeit nicht berücksichtigte, subsidiäre Verfassungsbeschwerde
zu ergreifen (BGE 133 III 493 E. 1.1 mit Hinweisen). Es muss sich um eine
Rechtsfrage handeln, deren Entscheid für die Praxis wegleitend sein kann und
von ihrem Gewicht her nach einer höchstrichterlichen Klärung ruft. Soweit es
bei der aufgeworfenen Frage lediglich um die Anwendung von Grundsätzen der
Rechtsprechung auf einen konkreten Fall geht, handelt es sich nicht um eine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (BGE 133 III 493 E. 1.2). Die
Abweichung von einem höchstrichterlichen Präjudiz allein macht noch keine
grundsätzliche Bedeutung aus (Rudin, Basler Kommentar, N. 44 zu Art. 74 BGG).

1.3 Festzuhalten bleibt, dass der Beschwerdeführer ausdrücklich keine
subsidiäre Verfassungsbeschwerde im Sinne von Art. 113 ff. BGG erhebt.

2.
Zu prüfen ist demnach ausschliesslich, ob eine Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung geltend gemacht wird.

2.1 Zur Begründung des Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher
Bedeutung bringt der Beschwerdeführer vor, es gehe ihm vor allem darum, die
Streitsache dem Bundesgericht zur Kenntnis zu bringen, da er die Ansicht
vertrete, er sei in der vorliegenden Angelegenheit während Jahren durch die
Beschwerdegegnerin ungerecht behandelt worden, was von den Vorinstanzen nur zu
Teilen zu seinen Gunsten gewürdigt worden sei. Es gehe um die Anwendung von
Art. 891 Abs. 1 OR, wonach die Verwaltung und jeder Genossenschafter von der
Generalversammlung gefasste Beschlüsse, die gegen das Gesetz oder die Statuten
verstossen, beim Richter mit Klage gegen die Genossenschaft anfechten kann. Der
Beschluss, die Wasserbezüger im Gebiet Y.________ in die Wassergenossenschaft
X.________ aufzunehmen, sei unter Missachtung gesellschaftsrechtlicher
Grundsätze und in Verletzung von Bundesrecht erfolgt. Durch den
letztinstanzlichen kantonalen Entscheid sei der Beschwerdeführer rechtlich
benachteiligt und beschwert.

2.2 Der Beschwerdeführer verkennt, dass die Voraussetzungen für die Anwendung
von Art. 891 Abs. 1 OR vorliegend völlig unbestritten sind. Die Streitsache
dreht sich denn auch nicht um die Frage, ob der Beschwerdeführer die Beschlüsse
der Genossenschaft anfechten dürfe oder nicht, sondern um den Inhalt der in der
Generalversammlung ergangenen Beschlüsse und deren Konformität mit den Statuten
der Beschwerdegegnerin. Die Rechtsfrage, die im vorliegenden Rechtsstreit zu
beantworten war, betrifft demnach die Auslegung der Statuten (insbesondere Art.
1 und Art. 4), die umschreiben, wer in die Genossenschaft aufgenommen werden
kann und wer nicht. Das Obergericht des Kantons Uri hat im Rahmen seines
pflichtgemässen Ermessens Art. 1 und Art. 4 der Statuten der Beschwerdegegnerin
in einem weiten Sinne ausgelegt und die auslegungsbedürftige Umschreibung des
Grundeigentums "im Bereich ... der umliegenden Weiler" dahingehend
konkretisiert, dass auch Grundeigentümer des Ortsteils Y.________ rechtmässig
in die Wassergenossenschaft X.________ aufgenommen werden konnten. Was der
Beschwerdeführer diesbezüglich vorbringt, erscheint als Wiederholung der
Einwendungen vor der Vorinstanz und vermag ein Eintreten zufolge einer
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht zu untermauern.

2.3 Zur Frage der Auslegung von Gesetz, Vertrag und Statuten besteht eine
reichhaltige bundesgerichtliche Rechtsprechung. Vorliegend geht es lediglich um
die Anwendung der Grundsätze dieser Rechtsprechung auf den konkreten Fall. Dass
der Entscheid des Obergerichts des Kantons Uri den Beschwerdeführer auch
persönlich angeht, wie in der Beschwerde geltend gemacht wird, betrifft
ausschliesslich sein persönliches Interesse und macht die zu beurteilende
Rechtsfrage nicht zu einer solchen von allgemeiner Tragweite. Die Beschwerde in
Zivilsachen ist unzulässig.

3.
Nach dem Dargelegten kann auf die Beschwerde in Zivilsachen nicht eingetreten
werden. Dem Ausgang des Verfahrens entsprechend wird der Beschwerdeführer
kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Auf die Beschwerde in Zivilsachen wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 4'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Der Beschwerdeführer hat die Beschwerdegegnerin für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 5'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Uri,
Zivilrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 22. Juli 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Corboz Leemann