Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

I. Zivilrechtliche Abteilung, Beschwerde in Zivilsachen 4A.122/2008
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Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
4A_122/2008 /len

Urteil vom 16. Juli 2008
I. zivilrechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Corboz, Präsident,
Bundesrichterinnen Klett, Kiss,
Gerichtsschreiberin Sommer.

Parteien
A.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Konrad Jeker,

gegen

Bank X.________,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Fürsprecher Enrico Dalla Bona.

Gegenstand
Hypothekardarlehensvertrag; Aberkennungsklage,

Beschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, vom 25. Januar 2008.

Sachverhalt:

A.
A.________ (Beschwerdeführer) und die Bank X.________ (Beschwerdegegnerin)
schlossen am 27. März 1992 einen Hypothekardarlehensvertrag über einen Betrag
von Fr. 520'000.--. Das Darlehen wurde sichergestellt durch zwei Schuldbriefe
im Nominalwert von Fr. 220'000.-- und Fr. 300'000.--, beide lastend auf
Grundbuch Lengnau Nr. 000.
Die Beschwerdegegnerin leitete im Jahr 2003 gegen den Beschwerdeführer und
dessen Ehefrau B.________ die Betreibung auf Grundpfandverwertung ein. Sowohl
der Beschwerdeführer als auch die Ehefrau erhoben Rechtsvorschlag. Der
Gerichtspräsident 3 des Gerichtskreises III Aarberg-Büren-Erlach erteilte am
10. Juli 2003 in der Betreibung Nr. 000 des Betreibungsamtes Berner
Jura-Seeland, Dienststelle Büren, für den Betrag von Fr. 517'836.50 nebst Zins
die provisorische Rechtsöffnung. Auf die dagegen erhobene Appellation trat der
Appellationshof des Kantons Bern am 3. Dezember 2003 zufolge verspäteter
Einreichung nicht ein.
Am 21. Oktober 2005 wurde dem Beschwerdeführer die Versteigerung seiner
Liegenschaft angezeigt. Die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen
des Kantons Bern stellte auf eine vom Beschwerdeführer eingereichte Beschwerde
hin mit Entscheid vom 21. März 2006 die Nichtigkeit der Fortsetzung der
Betreibung Nr. 000 und der daraufhin erfolgten Betreibungshandlungen fest. Sie
erwog, der Gerichtspräsident habe zum Rechtsbegehren der Beseitigung des
Rechtsvorschlags für das Pfandrecht in den Erwägungen zwar Stellung genommen,
jedoch vergessen, seine Entscheidung ins Dispositiv aufzunehmen. Da der
Rechtsvorschlag betreffend das Pfandrecht somit versehentlich im Dispositiv des
Entscheids vom 10. Juli 2003 nicht beseitigt worden sei, habe diesbezüglich
auch keine Fortsetzung der Betreibung erfolgen können. Gestützt auf diesen
Entscheid der Aufsichtsbehörde berichtigte der Gerichtspräsident mit Verfügung
vom 12. April 2006 den Rechtsöffnungsentscheid vom 10. Juli 2003, indem er die
Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung für das Pfandrecht ins Dispositiv
aufnahm.

B.
Der Beschwerdeführer erhob am 8. Mai 2006 Aberkennungsklage beim Richteramt
Solothurn-Lebern. Er stellte das Rechtsbegehren, es sei festzustellen, dass die
in Betreibung gesetzte Forderung sowie die in Betreibung gesetzten Pfandrechte
nicht bestehen und damit abzuerkennen seien. Eventuell sei festzustellen, dass
die in Betreibung gesetzten Pfandrechte nicht bestehen und damit abzuerkennen
seien. Subeventuell sei festzustellen, dass die in Betreibung gesetzten
Pfandrechte, soweit sie im Namenschuldbrief im 2. Rang vom 9. Juni 1989
verbrieft sind, nicht bestehen und damit abzuerkennen seien. Das Amtsgericht
fällte am 13. Juni 2007 folgendes Urteil:
1. Das Subeventualbegehren der Aberkennungsklage ist gutgeheissen.
2. In Bestätigung von Ziffer 1 des Rechtsöffnungsentscheides des
Gerichtspräsidenten 3 des Gerichtskreises III Aarberg-Büren-Erlach vom 12.
April 2006 hat der Aberkennungskläger [Beschwerdeführer] der
Aberkennungsbeklagten [Beschwerdegegnerin] Fr. 517'836.50 nebst Zins zu 5 %
seit 1. Januar 2003 zu bezahlen.
3. Der Rechtsvorschlag des Aberkennungsklägers [Beschwerdeführers] in der
Betreibung Nr. 000 des Betreibungsamtes Berner Jura - Seeland, Dienststelle
Büren, ist für den Betrag von Fr. 517'836.50 nebst Zins zu 5,5 % seit 1. Januar
2003 und in Bezug auf die Pfandrechte, soweit sie im Schuldbrief vom 1. April
1974 im 1. Rang (auf GB Lengnau Nr. 000) verbrieft sind, aufgehoben.
In Bezug auf die Pfandrechte, soweit sie im Namenschuldbrief im 2. Rang vom 9.
Juni 1989 (auf GB Lengnau Nr. 000) verbrieft sind, ist der Rechtsvorschlag
hingegen nicht aufgehoben.
Das Amtsgericht erwog im Wesentlichen, das Grundpfand sei in zwei Schuldbriefen
vom 1. April 1974 verkörpert. Derjenige im 1. Rang sei stets unverändert
geblieben. Der Schuldbrief im 2. Rang sei gemäss Eintrag des zuständigen
Grundbuchverwalters vom 9. Juni 1989 ohne schriftliche Zustimmung der Ehefrau
von Fr. 20'000.-- auf Fr. 300'000.-- erhöht worden. Nach Art. 169 ZGB wäre eine
Zustimmung der Ehefrau erforderlich gewesen, weshalb die Erhöhung der Pfandhaft
nichtig sei.
Sowohl der Beschwerdeführer als auch die Beschwerdegegnerin gelangten gegen
dieses Urteil mit Appellation an das Obergericht des Kantons Solothurn. Der
Beschwerdeführer beantragte die Gutheissung seiner Appellation und stellte im
Wesentlichen die gleichen Rechtsbegehren wie vor dem Amtsgericht. Die
Beschwerdegegnerin beantragte, das Urteil des Amtsgerichts vom 13. Juni 2007
sei aufzuheben und die Aberkennungsklage des Beschwerdeführers sei
vollumfänglich zurückzuweisen, eventuell sei sie abzuweisen. Das Obergericht
wies am 25. Januar 2008 die Aberkennungsklage ab, soweit es darauf eintrat. Es
trat auf die Aberkennungsklage insofern nicht ein, als damit die Aberkennung
der in Betreibung gesetzten Forderung beantragt wurde.

C.
Der Beschwerdeführer beantragt mit Beschwerde in Zivilsachen, das Urteil des
Obergerichts vom 25. Januar 2008 aufzuheben und festzustellen, dass die mit
Zahlungsbefehl Nr. 000 des Betreibungsamts Berner Jura-Seeland, Dienststelle
Büren, in Betreibung gesetzte Forderung über Fr. 517'836.50 nebst Zins sowie
die in Betreibung gesetzten Pfandrechte nicht bestehen und damit abzuerkennen
seien. Eventuell sei festzustellen, dass die mit Zahlungsbefehl Nr. 000 in
Betreibung gesetzten Pfandrechte nicht bestehen und damit abzuerkennen seien.
Subeventuell sei festzustellen, dass die mit Zahlungsbefehl Nr. 000 in
Betreibung gesetzten Pfandrechte - soweit sie im Namenschuldbrief im 2. Rang
vom 9. Juni 1989 verbrieft sind - nicht bestehen und damit abzuerkennen seien.
Als Eventualbegehren zu diesen materiellen Anträgen beantragt er, die Sache zu
neuer Beurteilung an das Obergericht zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde abzuweisen und das Urteil des
Obergerichts zu bestätigen. Das Obergericht schliesst auf Abweisung der
Beschwerde.

D.
Mit Präsidialverfügung vom 8. April 2008 wurde das Gesuch um aufschiebende
Wirkung abgewiesen. Das Gesuch des Beschwerdeführers um unentgeltliche
Rechtspflege wurde mit Verfügung vom 16. Juli 2008 bewilligt.

Erwägungen:

1.
Von der Anordnung eines zweiten Schriftenwechsels, wie sie der Beschwerdeführer
mit Schreiben vom 4. Juli 2008 beantragte, ist mit Blick auf den
Verfahrensausgang abzusehen. Ohnehin war es dem Beschwerdeführer nicht
verwehrt, sich nach der Zustellung der Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin am
7. Mai 2008 nochmals zur Sache zu äussern, was er aber unverzüglich hätte tun
oder beantragen müssen (BGE 133 I 100 E. 4.8 S. 105).

2.
Der Beschwerdeführer rügt, die Vorinstanz habe Art. 83 Abs. 2 SchKG verletzt,
indem sie auf die Aberkennungsklage betreffend die in Betreibung gesetzte
Forderung nicht eingetreten sei.

2.1 Die Vorinstanz trat auf die Aberkennungsklage insofern nicht ein, als damit
die Aberkennung der in Betreibung gesetzten Forderung beantragt wurde. Sie
erwog, die Frist von zwanzig Tagen nach Art. 83 Abs. 2 SchKG sei zwar
eingehalten, wenn man vom berichtigten Rechtsöffnungsurteil des
Gerichtspräsidenten vom 12. April 2006 ausgehe. Der allgemeine Grundsatz,
wonach eine Partei nur dann ein Rechtsmittel ergreifen könne, wenn sie durch
den angefochtenen Entscheid beschwert sei, müsse jedoch analog auch für die
Einreichung einer Aberkennungsklage gelten. Da der Gerichtspräsident am 12.
April 2006 das Dispositiv seines Rechtsöffnungsentscheids vom 10. Juli 2003
insofern berichtigte, als er die provisorische Rechtsöffnung neu auch für das
Pfandrecht erteilte, sei der Beschwerdeführer nur in Bezug auf diese Ergänzung
neu beschwert. Soweit die Berichtigung vom 12. April 2006 auch die
Rechtsöffnung für die Forderung von Fr. 517'836.50 nebst Zins wiedergebe,
entspreche sie wortwörtlich dem Urteilsdispositiv vom 10. Juni 2003.
Hinsichtlich der provisorischen Rechtsöffnung für die in Betreibung gesetzte
Forderung sei die Frist zur Einreichung eines Rechtsmittels und einer
Aberkennungsklage mit Zustellung des Entscheids vom 10. Juli 2003 ausgelöst
worden. Die Berichtigung vom 12. April 2006 vermöge daran nichts zu ändern.
Andernfalls würde die Berichtigung zu einer unzulässigen Fristverlängerung
führen.

2.2 Der Beschwerdeführer bringt vor, entgegen der Annahme der Vorinstanz sei
Ziffer 1 des Rechtsöffnungsentscheids vom 10. Juli 2003, in der für die
Forderung von Fr. 517'836.50 nebst Zins die provisorische Rechtsöffnung erteilt
wurde, nie in Rechtskraft erwachsen, da diese nicht als selbständiger Teil
betrachtet werden könne. Durch die Ergänzung habe die Ziffer 1 als Ganzes eine
Berichtigung erfahren. Er sei daher sowohl in Bezug auf die in Betreibung
gesetzte Forderung als auch im Zusammenhang mit der Ergänzung auf das
Pfandrecht beschwert. Es könne nicht sein, dass er zwei Aberkennungsklagen
hätte einreichen müssen, nämlich eine gegen die Erteilung der Rechtsöffnung für
die in Betreibung gesetzte Forderung sowie eine andere gegen die Erteilung der
Rechtsöffnung für das in Betreibung gesetzte Pfandrecht.

2.3 Die Beschwerdegegnerin hat gegen den Beschwerdeführer Betreibung auf
Grundpfandverwertung eingeleitet. Im angefochtenen Entscheid wird nicht
ausgeführt, ob die Beschwerdegegnerin die Grundforderung aus dem
Darlehensvertrag oder die Grundpfandforderung in Betreibung gesetzt hat. Im
Verfahren auf Grundpfandverwertung fällt allerdings nur Letzteres in Betracht
(BGE 134 III 71 E. 3 S. 74). Nicht ausgeführt im angefochtenen Entscheid wird
ferner, ob es sich um eine direkte Grundpfandbestellung mit Tilgung der
Grundforderung durch Novation (Art. 855 Abs. 1 ZGB) oder um eine
Sicherungsübereignung (Art. 855 Abs. 2 ZGB) handelt. In beiden Fällen bildet
bei der Betreibung auf Grundpfandverwertung der Schuldbrief den
Rechtsöffnungstitel (BGE 134 III 71 E. 3 S. 73 f.; Staehelin, Betreibung und
Rechtsöffnung beim Schuldbrief, AJP 1994, S. 1262).
Die Grundpfandforderung und das Grundpfandrecht bilden beim Schuldbrief eine
strikte Einheit; sie werden durch den Grundbucheintrag und die Verbriefung in
einem Wertpapier in identischem Betrag erzeugt und sind fortan untrennbar
verbunden; keines der beiden Elemente kann ohne das andere oder in ungleicher
Höhe bestehen; vielmehr bilden sie eine notwendige Schicksalsgemeinschaft (BGE
134 III 71 E. 3 S. 75 mit Hinweisen). Daher ist es ausgeschlossen, dass die
Rechtsöffnung für das eine Element vor der Rechtsöffnung für das andere Element
in Rechtskraft treten kann (BGE 134 III 71 E. 3 S. 75). Der Entscheid des
Gerichtspräsidenten vom 10. Juli 2003 mit dem lediglich für die Forderung die
Rechtsöffnung erteilt wurde, erwuchs demzufolge nicht in Rechtskraft. Gestützt
auf diesen Entscheid konnte die Betreibung auf Grundpfandverwertung nicht
fortgesetzt werden, da der Rechtsvorschlag für das Pfandrecht nicht beseitigt
war. Es bestand daher für den Beschwerdeführer kein Anlass, nach Ergehen des
Entscheids vom 10. Juli 2003 gemäss Art. 83 Abs. 2 SchKG Klage auf Aberkennung
der Forderung zu erheben.
Mit Verfügung des Gerichtspräsidenten vom 12. April 2006 wurde der
Rechtsöffnungsentscheid vom 10. Juli 2003 insofern berichtigt, als auch die
Erteilung der provisorischen Rechtsöffnung für das Grundpfandrecht ins
Dispositiv aufgenommen wurde. Erst mit Erlass dieser Verfügung kam dem
Beschwerdeführer ein Interesse zu, Aberkennungsklage nach Art. 83 Abs. 2 SchKG
zu erheben und geltend zu machen, es sei festzustellen, dass die in Betreibung
gesetzte Forderung sowie die in Betreibung gesetzten Pfandrechte nicht bestehen
würden und damit abzuerkennen seien. Wegen der untrennbaren Einheit von
Grundpfandforderung und Grundpfandrecht war der Beschwerdeführer durch die
Berichtigungsverfügung vom 12. April 2006 sowohl bezüglich der Forderung als
auch bezüglich des Grundpfandrechts beschwert. Indem die Vorinstanz zum Schluss
kam, auf die im Anschluss an die Berichtigungsverfügung erhobene
Aberkennungsklage sei nicht einzutreten, soweit diese die Forderung betreffe,
hat sie Bundesrecht verletzt.

3.
Da die Vorinstanz auf die Aberkennungsklage betreffend die in Betreibung
gesetzte Forderung zu Unrecht nicht eingetreten ist und demnach insoweit keine
Beurteilung vorgenommen hat, ist in Gutheissung des Eventualantrags des
Beschwerdeführers der angefochtene Entscheid aufzuheben und die Sache zur
Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dabei ist es aufgrund der
Untrennbarkeit von Grundpfandforderung und Grundpfandrecht nicht angezeigt,
dass das Bundesgericht die Vorbringen des Beschwerdeführers gegen die Abweisung
der Aberkennungsklage betreffend die in Betreibung gesetzten Pfandrechte
gesondert prüfen würde.

4.
Die Beschwerde ist somit gutzuheissen und die Beschwerdegegnerin wird daher
kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 66 Abs. 1 und Art. 68 Abs. 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen. Das angefochtene Urteil vom 25. Januar 2008
wird aufgehoben und die Sache wird zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz
zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 8'000.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 9'000.-- zu entschädigen. Für den Fall der Uneinbringlichkeit
wird dieses Honorar dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers zufolge
Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege aus der Bundesgerichtskasse
bezahlt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht des Kantons Solothurn,
Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
Lausanne, 16. Juli 2008
Im Namen der I. zivilrechtlichen Abteilung des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:

Corboz Sommer