Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.88/2008
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


2C_88/2008/leb

Urteil vom 7. Februar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Müller,
Bundesrichterin Yersin,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

A. ________,
Beschwerdeführerin, vertreten durch
Fürsprecherin Anna Hofer,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Bern,
Brünnenstrasse 66, 3018 Bern.

Revision des Urteils der Steuerrekurskommission des Kantons Bern vom 15.
August 2006 (7607W/7607WDB) betreffend direkte Bundessteuer 1995/96
(Steuerbusse),

Beschwerde gegen die Verfügung der Steuerrekurskommission des Kantons Bern
vom 13. November 2007 betr. unentgeltliche Prozessführung.

Sachverhalt:
Mit Urteil 2A.480/2005 vom 23. Februar 2006 wies das Bundesgericht die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde von A.________ (Beschwerdeführerin) gegen den
Entscheid der Steuerrekurskommission des Kantons Bern vom 21. Juni 2005 ab.
Die für die direkte Bundessteuer 1995/96 verfügte Nachsteuer im Betrag von
Fr. 4'065.60 (gemäss Einspracheentscheid vom 15. Februar 2002) wurde damit
rechtskräftig. Die beim Verwaltungsgericht des Kantons Bern betreffend
Nachsteuer für die Staats-, Gemeinde- und Kirchensteuer erhobene Beschwerde
zog die Beschwerdeführerin zurück.

In der Folge bestätigte die Steuerrekurskommission des Kantons Bern im
getrennt geführten Strafsteuerverfahren die Steuerbussen in der Höhe der
einfachen Beträge der Nachsteuern für die direkte Bundessteuer und für die
Kantons-, Gemeinde- und Kirchensteuer (Entscheid 7607W/7607WDB vom 15. August
2006).

Mit Eingabe vom 1. Oktober 2007 ersuchte die Beschwerdeführerin die
Steuerrekurskommission um Revision des Entscheides vom 15. August 2006. Mit
Schreiben vom 30. Oktober 2007 stellte sie das Gesuch, um unentgeltliche
Prozessführung und Verbeiständung durch ihre Rechtsanwältin.

Der Präsident der Steuerrekurskommission des Kantons Bern wies mit Verfügung
vom 13. November 2007 das Gesuch um unentgeltliche Prozessführung und
Verbeiständung wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels ab und forderte die
Beschwerdeführerin unter Androhung der Säumnisfolgen auf, die einverlangten
Prozesskostenvorschüsse innert Nachfrist zu bezahlen.
Gegen diese Verfügung erhob die Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgericht
des Kantons Bern Beschwerde. Dieses überwies die Beschwerde, soweit sie die
direkte Bundessteuer betrifft, zuständigkeitshalber dem Bundesgericht.
Erwägungen:

1.
Die Beschwerde gegen die Verfügung, mit welcher der Präsident der
Steuerrekurskommission die unentgeltliche Rechtspflege und
Rechtsverbeiständung abgelehnt und die Behandlung des Rechtsmittels von der
rechtzeitigen Bezahlung des Kostenvorschusses abhängig gemacht hat, folgt dem
Rechtsweg der Hauptsache. Die sich nach der Rechtsprechung aus der
Steuerharmonisierung ergebende Verpflichtung der Kantone, für Beschwerden
betreffend die direkte Bundessteuer eine zweite kantonale Gerichtsinstanz
vorzusehen, wenn - wie im Kanton Bern - für die direkten kantonalen Steuern
ein zweifacher kantonaler Instanzenzug besteht (vgl. BGE 130 II 65 ff.),
kommt im vorliegenden Fall noch nicht zur Anwendung. Die Frist von acht
Jahren, die den Kantonen gemäss Art. 72 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember
1990 über die Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden
(StHG, SR 642.14) offen stand, war in der hier in Frage stehenden
Steuerperiode 1995/96 noch nicht abgelaufen. Die Instruktionsrichterin des
Verwaltungsgerichts des Kantons Bern hat die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu
Recht an das Bundesgericht überwiesen. Die Beschwerde ist zulässig.

2.
Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege und Rechtsverbeiständung wird
durch das kantonale Prozessrecht geregelt. Unabhängig davon besteht nach Art.
29 Abs. 3 BV ein Mindestanspruch der bedürftigen Partei auf unentgeltliche
Rechtspflege in einem nicht aussichtslosen Prozess. Dieser Anspruch umfasst
auch die Befreiung von den Verfahrenskosten und der Sicherstellung von
Verfahrenskosten (BGE 122 I 8 E. 2a S. 9, 322 E. 2b S. 324). Das
Bundesgericht prüft frei, ob der verfassungsmässige Anspruch gemäss Art. 29
Abs. 3 BV verletzt ist, während es die Anwendung des kantonalen
Gesetzesrechts nur unter dem Gesichtswinkel der Willkür prüft (BGE 129 I 129
E. 2.1 S. 133, 127 I 202 E. 3a S. 204 f.). Der angefochtene Entscheid stützt
sich auf Art. 111 Abs. 1 und 2 des Berner Verwaltungsrechtspflegegesetzes
(VRPG). Sowohl nach dieser Vorschrift wie auch nach dem
verfassungsrechtlichen Mindestanspruch (Art. 29 Abs. 3 BV) ist für die
Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege oder Verbeiständung erforderlich,
dass das Rechtsmittel nicht als aussichtslos erscheint.

3.
Ein rechtskräftiger Entscheid kann revidiert werden, wenn erhebliche
Tatsachen oder entscheidende Beweismittel entdeckt werden (Art. 147 Abs. 1
lit. a DBG). Die Revision ist jedoch ausgeschlossen, wenn der Antragsteller
als Revisionsgrund vorbringt, was er bei der ihm zumutbaren Sorgfalt schon im
ordentlichen Verfahren hätte geltend machen können (Abs. 2).
Die Beschwerdeführerin begründet das Revisionsgesuch damit, dass sie in den
Besitz eines neuen erheblichen Beweismittels in Form des Briefes von
B.X.________ vom 29. Juni 2007 gelangt sei, welcher geeignet sei, ihre
Unschuld zu beweisen. Der Präsident der Steuerrekurskommission wies das
Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ab, weil dieser Beweis schon im
ordentlichen Verfahren hätte beigebracht werden können.

Letztere Feststellung trifft zu. Die Einvernahme des Ehepaares X.________
durch die Steuerverwaltung in der vorliegenden Sache stand schon im September
2001 zur Diskussion. Damals musste die Steuerverwaltung den Einvernahmetermin
für das Ehepaar X.________ kurzfristig absagen, weil die Ehefrau infolge
einer Wanderwoche abwesend war und der Ehemann in Kanada weilte. Die
Steuerverwaltung behielt sich aber vor, die Ehegatten X.________ in einem
späteren Zeitpunkt einzuvernehmen, sofern sich das als nötig erweisen sollte
(Schreiben der Steuerverwaltung des Kantons Bern vom 14. September 2001).
Eine Kopie des Schreibens der Steuerverwaltung ging auch an die
Beschwerdeführerin bzw. an deren Anwalt. Sofern die Sachdarstellung der
Beschwerdeführerin zutrifft und das Ehepaar X.________ ihre Unschuld
bestätigen kann, hätte die Beschwerdeführerin im ordentlichen Verfahren
darauf bestehen müssen, dass diese Zeugen einvernommen werden. Zum Nachholen
solcher Versäumnisse steht das Revisionsverfahren nicht offen.

Dass die Beschwerdeführerin zur Zeit des ordentlichen Verfahrens (2006/2007)
angeblich nicht genau gewusst haben will, ob nur der Ehemann oder auch die
Ehefrau in Kanada weilte, vermag dieses Versäumnis nicht zu entschuldigen.
Die diesbezüglichen Ausführungen im Revisionsgesuch (S. 5 f.) sind zu vage,
als dass sich daraus ergäbe, dass sowohl der Ehemann wie auch die Ehefrau in
der Schweiz nicht mehr erreichbar waren. Es sind auch keinerlei
Nachforschungen seitens der Beschwerdeführerin belegt. Im Schreiben vom 29.
Juni 2007 bestätigte B.X.________ ausdrücklich, dass sie jetzt schon bald
neun Jahre in Neuenburg lebt. Sie wohnte offenbar immer an der gleichen
Adresse. Unbehelflich ist der Einwand der Beschwerdeführerin, die Behörde
hätte von Amtes wegen für die Vorladung von Frau X.________ besorgt sein
müssen. Zur Rüge derartiger Unterlassungen stehen eben die ordentlichen
Rechtsmittel offen.

Wenn daher der Präsident der Steuerrekurskommission in einer vorläufigen
Beurteilung das Revisionsgesuch als chancenlos beurteilte, hat er weder
kantonales Verfahrensrecht willkürlich angewendet noch den
verfassungsmässigen Anspruch verletzt.

4.
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und im vereinfachten Verfahren
nach Art. 109 BGG zu erledigen. Da die Beschwerde von vornherein als
aussichtslos erschien, kann auch für das bundesgerichtliche Verfahren die
unentgeltliche Rechtspflege nicht bewilligt werden (Art. 64 Abs. 1 und 2
BGG). Die bundesgerichtlichen Kosten sind der Beschwerdeführerin
aufzuerlegen.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird abgewiesen.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, der Steuerrekurskommission des Kantons Bern,
der Eidgenössischen Steuerverwaltung und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Februar 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Wyssmann