Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.883/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_883/2008

Urteil vom 18. Mai 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Karlen, Zünd,
Gerichtsschreiber Merz.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jean-Pierre Menge,

gegen

Ausländeramt St. Gallen,
Sicherheits- und Justizdepartement
des Kantons St. Gallen.

Gegenstand
Aufenthaltsbewilligung (Scheinehe),

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom
5. November 2008.

Erwägungen:

1.
1.1 Der indische Staatsangehörige X.________ (geb. 1983) heiratete im Juni 2004
in seiner Heimat die Schweizer Bürgerin Y.________ (geb. 1971). Am 14. Januar
2005 reiste er in die Schweiz ein und erhielt in der Folge eine
Jahresaufenthaltsbewilligung im Rahmen des Familiennachzugs für den Kanton St.
Gallen. Mit Verfügung vom 8. Mai 2008 wies das kantonale Ausländeramt St.
Gallen das Gesuch von X.________ vom 15. November 2007 um Verlängerung seiner
Aufenthaltsbewilligung ab. Zur Begründung führte es aus, X.________ sei eine
Scheinehe eingegangen; im Übrigen erweise sich das Festhalten an der nur (noch)
formal bestehenden Ehe als rechtsmissbräuchlich. Die von X.________ dagegen im
Kanton erhobenen Rechtsmittel blieben erfolglos.

1.2 Mit als Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und
staatsrechtlicher Beschwerde bezeichneter Eingabe vom 9. Dezember 2008
beantragt X.________ dem Bundesgericht, das in dieser Sache zuletzt ergangene
Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 5. November 2008
aufzuheben und ihm die Aufenthaltsbewilligung zu verlängern. Eventualiter sei
die Sache an die Vorinstanz zur erneuten Beurteilung zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht stellt den Antrag, die Beschwerde abzuweisen, soweit
darauf einzutreten sei. Das Sicherheits- und Justizdepartement des Kantons St.
Gallen sowie das Bundesamt für Migration beantragen Abweisung der Beschwerde.
Das kantonale Ausländeramt hat sich nicht vernehmen lassen.

1.3 Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung hat der Beschwerde
mit Verfügung vom 15. Dezember 2008 antragsgemäss die aufschiebende Wirkung
zuerkannt.

2.
2.1 Gemäss Art. 126 Abs. 1 AuG (SR 142.20) ist vorliegend noch das bis zum 31.
Dezember 2007 geltende materielle Ausländerrecht anzuwenden, weil das Gesuch um
Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung vor diesem Datum eingereicht worden ist
(vgl. auch Art. 128 AuG und AS 2007 5489). Da die Ehe mit der Schweizer
Bürgerin zumindest formell noch besteht, kann sich der Beschwerdeführer
grundsätzlich auf einen Bewilligungsanspruch nach Art. 7 Abs. 1 des
Bundesgesetzes vom 26. März 1931 über Aufenthalt und Niederlassung der
Ausländer (ANAG; BS 1 121, in der Fassung vom 23. März 1990, AS 1991 1034 1043)
berufen. Deshalb ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
zulässig (vgl. Art. 83 lit. c Ziff. 2 BGG; BGE 128 II 145 E. 1.1.2 und 1.1.5 S.
148 ff.). Auf den Schutz des Familienlebens nach Art. 8 EMRK kann sich der
Beschwerdeführer vor Bundesgericht allerdings nicht berufen, nachdem er - auch
seinen eigenen Angaben zufolge - inzwischen von seiner Ehefrau getrennt lebt
(vgl. BGE 126 II 425 E. 2a S. 427 mit Hinweisen).

2.2 Auf die "staatsrechtliche Beschwerde", die es als solche noch unter dem bis
zum 31. Dezember 2006 geltenden Bundesrechtspflegegesetz (OG; BS 3 531) gab,
die im Bundesgerichtsgesetz jedoch nicht mehr vorgesehen ist und mit welcher
der Beschwerdeführer daher nur die subsidiäre Verfassungsbeschwerde gemeint
haben kann, ist wegen ihrer Subsidiarität nicht einzutreten (vgl. Art. 113
BGG).

3.
3.1 Kein Anspruch auf eine Aufenthaltsbewilligung besteht, wenn die Ehe zur
Umgehung fremdenpolizeilicher Schranken geschlossen wurde (Scheinehe bzw.
Ausländerrechtsehe, Art. 7 Abs. 2 ANAG, dazu ausführlich BGE 128 II 145 E. 2.1
S. 151; 127 II 49 E. 4 und 5 S. 55 ff.). Sämtliche Vorinstanzen gehen davon
aus, dass der Beschwerdeführer eine Ausländerrechtsehe geschlossen hat. Hierzu
stützen sie sich auf mehrere Indizien.

3.2 Der Beschwerdeführer rügt, es sei zu einer einseitigen Gewichtung der
Aussagen gekommen, was willkürlich sei (Art. 9 BV). Die Vorinstanz habe auf die
Aussagen seiner Ehefrau abgestellt und seine eigenen Ausführungen
vollumfänglich als unglaubwürdig bezeichnet. Die von ihm angerufenen Zeugen
seien von keiner der Vorinstanzen vernommen worden, womit das rechtliche Gehör
verletzt worden sei (Art. 29 Abs. 2 BV).

3.3 Das Verwaltungsgericht stellt ausführlich dar, warum auf die persönliche
Einvernahme der Zeugen verzichtet werden konnte. Unter anderem sei die Ehefrau
zu Beginn der Ehe durchaus davon ausgegangen, der Beschwerdeführer wolle mit
ihr eine Lebensgemeinschaft eingehen. Daher sei es naheliegend, dass sie - wie
von den Zeugen in ihren schriftlichen Erklärungen, die der Beschwerdeführer dem
Ausländeramt vorgelegt hatte, bestätigt - sich zunächst öfters am Arbeits- und
Wohnort des Ehemannes im Kanton Graubünden aufhielt und sie dort von
Drittpersonen als Ehepaar wahrgenommen werden konnten. Der Beschwerdeführer
legt nicht näher dar, wozu sich die als Zeugen benannten Personen insoweit
zusätzlich hätten äussern können bzw. warum der Verzicht auf ihre Vernehmung
willkürlich sein soll. Somit ist eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches
Gehör nicht ersichtlich (vgl. BGE 131 I 153 E. 3 S. 157; Urteil 5A_64/2008 vom
14. Oktober 2008 E. 4.4).

3.4 Auch im Übrigen erschöpft sich der Beschwerdeführer weitgehend in
appellatorischer Kritik. Er begnügt sich, die tatbestandlichen Feststellungen
der Vorinstanz bloss zu bestreiten. In der Beschwerde an das Bundesgericht muss
sich der Beschwerdeführer indes substantiiert mit der Begründung im
angefochtenen Entscheid auseinandersetzen. Will er die Feststellung des
Sachverhalts rügen, muss er unter anderem darlegen, dass diese offensichtlich
unrichtig ist oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht
(vgl. Art. 42 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 1 BGG; BGE 135 V 39 E. 2.2 S. 41; 134 I
65 E. 1.3-1.5 S. 67 f.; 133 IV 286 E. 6.2 S. 288). Es reicht nicht aus - wie es
der Beschwerdeführer tut -, ohne nähere Ausführungen zu behaupten, das
Aussageverhalten der Ehefrau sei unglaubwürdig, sie habe nachweislich und
wiederholt die Unwahrheit gesagt. Wie schon die Vorinstanz dem Beschwerdeführer
vorgeworfen hat, genügt zur Beschwerdebegründung auch nicht der pauschale
Verweis auf frühere Rechtsschriften und nicht näher bezeichnete Schreiben
(Urteil 5A_539/2007 vom 4. Januar 2008 E. 3.1 mit Hinweisen, in: Pra 2008 Nr.
77 S. 517).
Wohl erhebt der Beschwerdeführer eine auf den ersten Blick substantiierte
Kritik, um zu veranschaulichen, warum die Aussagen seiner Ehefrau unglaubwürdig
sein sollen: Die Ehefrau habe widersprüchliche Angaben zum Ort des
Kennenlernens gemacht. Der Beschwerdeführer befasst sich dabei jedoch nicht mit
dem in nachvollziehbarer Weise gezogenen Schluss der Vorinstanzen, das
Schreiben vom 29. März 2008, in welchem die Ehefrau von ihren früheren Aussagen
abwich, sei erst unter seinem Druck zustande gekommen. Demzufolge kann auch aus
dem soeben erwähnten angeblichen Widerspruch nicht gefolgert werden, die
Vorinstanz habe den Sachverhalt unrichtig festgestellt.

3.5 Gestützt auf die für das Bundesgericht demnach verbindlichen
Sachverhaltsfeststellungen (vgl. Art. 105 BGG) ist der Schluss der
Vorinstanzen, es liege eine Scheinehe vor, nicht zu beanstanden. Zwar mag
seitens der Ehefrau eine Liebesheirat stattgefunden haben und von ihr der
Anstoss zur Heirat ausgegangen sein. Eine Ausländerrechtsehe setzt aber nicht
voraus, dass beide Ehegatten mit der Heirat ausländerrechtliche Vorschriften
umgehen wollen; es genügt, dass allein der Ausländer dies beabsichtigt.
Die Vorinstanzen haben zahlreiche Indizien angeführt, die einzeln betrachtet
wohl noch nicht die Annahme einer Scheinehe rechtfertigen würden, aber als
Gesamtbild keine Zweifel am Vorliegen einer von Art. 7 Abs. 2 ANAG erfassten
Situation lassen. Der Beschwerdeführer vermag die Geschlossenheit dieses
Gesamtbildes durch sein blosses Bestreiten und sein übriges Vorbringen nicht zu
erschüttern. Erwähnt sei hier nur der Umstand, dass sich weder am tatsächlichen
Wohnort des Beschwerdeführers im Kanton Graubünden noch an demjenigen der
Ehefrau am Bodensee persönliche Effekten des jeweils anderen Ehepartners
befanden. Auch konnte der Beschwerdeführer nach über zweijährigem Aufenthalt in
der Schweiz keine Angaben zu Hobbys und Freizeitaktivitäten seiner Ehefrau
machen. Hierzu erklärt der Beschwerdeführer bloss, sie hätten an verschiedenen
Orten gearbeitet und deshalb während der Woche zum Teil getrennt gelebt. Daher
sei wenig Zeit für allfällige gemeinsame Hobbys geblieben. Das steht allerdings
im Widerspruch zur Aussage des Beschwerdeführers, er sei während seinen
arbeitsfreien Tagen regelmässig in die eheliche Wohnung zurückgekehrt.
Schliesslich äussert sich der Beschwerdeführer auch nicht zum Vorhalt der
Vorinstanz, er habe in der Nähe des Wohnortes der Ehefrau keine Arbeit gesucht.
Für alles Weitere kann auf die Ausführungen in den Entscheiden des
Verwaltungsgerichts vom 5. November 2008 und des kantonalen Departements vom 8.
Juli 2008 verwiesen werden.

3.6 Soweit der Beschwerdeführer auf Art. 50 Abs. 1 lit. a AuG hinweist und
damit einen vom (Fort-)Bestand der Ehe unabhängigen Aufenthaltsanspruch geltend
machen will, ist ihm zunächst entgegenzuhalten, dass hier noch das ANAG
anzuwenden ist (E. 2.1 hievor). Aufgrund der Scheinehe kommt eine Berufung auf
diese Bestimmung oder auf Art. 7 Abs. 1 Satz 2 ANAG aber ohnehin nicht in
Betracht.

4.
Demzufolge ist die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
abzuweisen, soweit auf sie einzutreten ist. Das kann hier im vereinfachten
Verfahren nach Art. 109 BGG geschehen. Bei diesem Ausgang hat der
Beschwerdeführer die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art.
65 und 66 BGG). Parteientschädigungen werden nicht geschuldet (vgl. Art. 68
BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist. Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird
nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden dem Beschwerdeführer auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Ausländeramt, dem Sicherheits- und
Justizdepartement sowie dem Verwaltungsgericht des Kantons St. Gallen und dem
Bundesamt für Migration schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Mai 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Merz