Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.874/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_874/2008

Urteil vom 7. Mai 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Zünd,
nebenamtlicher Bundesrichter Locher,
Gerichtsschreiber Matter.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch Advokat Dr. Alexander Filli,

gegen

Steueramt des Kantons Solothurn, Rechtsdienst.

Gegenstand
Staatssteuer 2000 und Bundessteuer 1999-2000/
Übergangsjahressteuer,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 20.
Oktober 2008.

Sachverhalt:

A.
X.________ ist einzige Gesellschafterin und Geschäftsführerin der A.________
GmbH. Die Gesellschaft wurde 1995 durch Sacheinlage eines geerbten Stammanteils
an der B.________ GmbH im Nennwert von Fr. 15'000.-- und einem tatsächlichen
Wert von ca. 7 Millionen Franken gegründet. In den Jahren 1995 bis 1997
übertrug die B.________ einen Teil ihrer Wertschriften als Naturaldividenden an
die A.________. Diese Naturaldividenden führten bei der A.________ zu Erträgen
von rund Fr. 6'100'000.-- im Geschäftsjahr 1995/96 (verlängertes Geschäftsjahr)
und ungefähr Fr. 1'170'000.-- für 1997. Die von der A.________ verbuchten
Gewinne und die an X.________ ab 1999 ausgerichteten Dividenden ergeben sich
aus folgender Zusammenstellung:
Geschäftsjahr
Gewinn
Fr.
Dividende
Fr.
Prozent des
Vorjahresgewinns
1995/96
5'973'994.--
-
-
1997
1'068'487.--
-
0 %
1998
650'755.--
-
0 %
1999
3'365'562.--
630'071.--

96.82 %
2000
1'020'572.--
3'150'535.--

93.61 %
2001
- 574'758.--
1'000'000.--

97.98 %
2002
- 1'287'405.--
300'000.--
-
2003
-
300'000.--
-

B.
Die Veranlagungsbehörde M.________ erfasste die im Jahr 1999 ausbezahlte
Dividende bei der direkten Bundessteuer und die im Jahr 2000 erfolgte
Ausschüttung bei der Staats- und der Bundessteuer als ausserordentliche
Einkünfte der Übergangsperiode von der Vergangenheits- zur Gegenwartsbemessung.
Mit Verfügungen vom 19. September 2003 legte sie diese Einkünfte für 1999 auf
Fr. 90'071.-- und für 2000 auf Fr. 2'310'535.-- fest, was sie mit
Einspracheentscheiden vom 2. Juli 2004 bestätigte. Auf Rekurs und Beschwerde
der Betroffenen hin nahm das Steuergericht des Kantons Solothurn eine
reformatio in peius vor und unterwarf der Übergangssteuer ein
ausserordentliches Einkommen von Fr. 630'000.-- für 1999 und von Fr.
3'150'500.-- für 2000.

C.
Am 4. Dezember 2008 hat X.________ Beschwerde in öffentlichrechtlichen
Angelegenheiten beim Bundesgericht eingereicht. Sie beantragt, das
steuergerichtliche Urteil vom 20. Oktober 2008 aufzuheben. Eventuell sei die
Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.

D.
Das Steueramt und das Steuergericht des Kantons Solothurn schliessen auf
Abweisung der Beschwerde. Die Eidgenössische Steuerverwaltung verzichtet auf
eine Stellungnahme, soweit nur die Staatssteuer zum Streitgegenstand erklärt
würde, und beantragt Abweisung, falls die direkte Bundessteuer ebenfalls zu
beurteilen wäre.

E.
Mit Verfügung vom 15. bzw. 23. Januar 2009 hat das präsidierende Mitglied der
II. öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts der Beschwerde
aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
1.1 Beim angefochtenen Entscheid handelt es sich um einen kantonal
letztinstanzlichen Endentscheid über die direkten Steuern des Kantons und des
Bundes. Dagegen steht gemäss Art. 82 ff. BGG in Verbindung mit Art. 146 des
Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die direkte Bundessteuer (DBG; SR
642.11) sowie Art. 73 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über die
Harmonisierung der direkten Steuern der Kantone und Gemeinden (StHG; SR.
642.14) die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das
Bundesgericht offen. Die Beschwerdeführerin ist gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG
zur Beschwerde legitimiert. Auf das von ihr frist- und formgerecht eingereichte
Rechtsmittel ist einzutreten.

1.2 Nach dem Rechtsbegehren soll das ganze vorinstanzliche Urteil aufgehoben
werden. Als Anfechtungsobjekt wird allerdings nur das steuergerichtliche Urteil
betreffend die Staatssteuer 2000 bezeichnet. Die Begründung der Beschwerde
setzt sich ebenfalls nur mit dem kantonalen Recht auseinander. Darauf
beschränkt sich somit der Streitgegenstand.

2.
2.1 Beim Wechsel von der Vergangenheits- zur Gegenwartsbemessung unterliegen
die in den - steuerlich nicht berücksichtigten - Bemessungsjahren erzielten
ausserordentlichen Einkünfte einer vollen Jahressteuer in dem Jahr, in dem sie
anfallen (§ 276 Abs. 2 des Steuergesetzes des Kantons Solothurn vom 1. Dezember
1985 [StG/SO; BGS 614.11], Art. 69 Abs. 2 StHG). Als ausserordentliche
Einkünfte gelten u.a. aperiodische Vermögenserträge (§ 276 Abs. 3 lit. e StG/
SO, Art. 69 Abs. 3 StHG). Die Aufzählung ist nicht abschliessend. Die
Bestimmung des kantonalen Rechts entspricht der StHG-Norm, führt diese aber mit
einer beispielhaften Aufzählung aperiodischer Vermögenserträge näher aus. Eine
weitere Präzisierung enthält § 1 der Verordnung über den Wechsel der zeitlichen
Bemessung vom 22. August 2000 (BGS 614.132). Danach gelten Einkünfte als
ausserordentlich, die ein- oder erstmalig oder in ungewöhnlicher Höhe
ausgerichtet werden oder die auf eine Änderung des Auszahlungs- oder
Gutschriftmodus oder der Verbuchungsart zurückzuführen sind oder die aus einem
anderen Grund wirtschaftlich nicht dem Bemessungsjahr 2000 zuzurechnen sind.
Das entspricht der bundesgerichtlichen Praxis zu Art. 218 DBG: Dividenden sind
grundsätzlich dann nicht als ausserordentliche Vermögenserträge zu
qualifizieren, wenn sie regelmässig ausgerichtet werden. Anders kann es sich
bei sogenannten Substanzdividenden verhalten, die aus thesaurierten Gewinnen
früherer Perioden stammen, oder wenn zwar nur der im Vorjahr erzielte Gewinn
ausgeschüttet wird, aber eine personenbezogene Gesellschaft ihre
Dividendenpolitik gerade in dem in die Bemessungslücke fallenden Jahr ändert.
Wesentliche Beurteilungskriterien sind namentlich die Kontinuität der
Dividenden- bzw. Ausschüttungspolitik und die Einflussmöglichkeiten des
begünstigten Beteiligungsinhabers auf die ihm ausbezahlten Erträge (vgl. u.a.
ASA 73 133 E. 3; 72 663 E. 2; StR 63/2008 51 E. 4; 59/2004 367 E. 4 u. 135 E.
2; StE 2006 B 65.4 Nr. 22 E. 3 u. 4; Urteil 2C_635/2007 vom 14. April 2008 E.
3).

2.2 Das Steuergericht hat erwogen, dass die beiden wesentlichen Kriterien im
vorliegenden Fall erfüllt sind. Diese Einschätzung verstösst nicht gegen
Bundesrecht: Einerseits konnte die Beschwerdeführerin als einzige
Beteiligungsinhaberin und Geschäftsleiterin die Gewinn- sowie
Dividendengestaltung der Gesellschaft bestimmen und deshalb auch die
Ausschüttungen nach Belieben in die Bemessungslücke verschieben lassen.
Andererseits richtete die 1995 gegründete GmbH erstmals im Jahr 1999 eine
Dividende aus, d.h. genau im ersten Jahr der zweijährigen Bemessungslücke bei
der direkten Bundessteuer. Die im Jahr danach erfolgte - und für die ganze
Zeitspanne mit Abstand höchste - Gewinnausschüttung von Fr. 3'150'535.-- war
bei der Bundes- wie bei der Staatssteuer der ordentlichen Besteuerung entzogen.
Auf kantonaler Ebene fiel sie sogar ins einzige Lückenjahr. Namentlich auf
dieser Grundlage hat das Steuergericht die Ausschüttung 2000 zu Recht als
ausserordentlichen Ertrag nach § 276 StG/SO beurteilt und sie vollumfänglich
der Sondersteuer in der Übergangsperiode unterworfen.

2.3 Was die Beschwerdeführerin dagegen vorbringt, vermag ein anderes Ergebnis
nicht zu rechtfertigen:
2.3.1 Sie macht insbesondere geltend, eine frühere Ausschüttung sei
unterblieben, weil die Gesellschaft die ab 1999 ausbezahlten Gewinne zuerst
einmal habe erwirtschaften und thesaurieren müssen. Die praktizierte
Dividendenpolitik - und namentlich die erstmalige Gewinnauszahlung in der
Bemessungslücke - habe also durchaus ihre guten Gründe.
Damit beruft die Beschwerdeführerin sich aber auf betriebsinterne und
dementsprechend subjektive Gegebenheiten, die normalerweise nicht mass- oder
ausschlaggebend sein können (vgl. u.a. StR 59/2004 367 E. 4.2). Im Rahmen der
notwendigen Gesamtbeurteilung aller konkreten Umstände sind Ursache sowie
Herkunft des ausgewiesenen Reingewinns zwar je nachdem mit zu berücksichtigen
und lassen sich mitunter plausible Gründe für eine erstmalige
Dividendenausrichtung in der Bemessungslücke anführen, u.a. wenn eine frisch
gegründete Gesellschaft dann zum erstenmal einen Gewinn erwirtschaftet.
Vorrangige Beurteilungskriterien sind jedoch die Kontinuität der
Ausschüttungspolitik und die Einflussmöglichkeit der Beteiligungsempfängers
(vgl. dazu oben E. 2.2).
Hier verbuchte die Gesellschaft während den ersten beiden Geschäftsjahren (1995
/96 und 1997) einen Gewinn von gesamthaft mehr als sieben Millionen Franken,
schüttete davon aber überhaupt nichts aus. In völliger Abweichung davon
bezahlte sie dann aber drei Jahre hintereinander (wovon zwei in der
Bemessungslücke) ihren Ertrag jeweils beinahe vollumfänglich an die
Anteilsinhaberin aus. Dabei sprechen nicht nur die Höhe der jeweiligen Beträge
und der absolute Gegensatz zwischen den beiden Teilperioden, sondern auch die
uneingeschränkten Beeinflussungs- bzw. Verfügungsmöglichkeiten der
Beteiligungsinhaberin für eine Sonderbesteuerung.
Dagegen wendet die Beschwerdeführerin ein, bei den Erträgen der Geschäftsjahre
1995 bis 1997 habe es sich nicht um eigene Gewinne gehandelt, sondern
vollumfänglich um Naturaldividenden aus den der Gesellschaft übertragenen
Wertschriften; erst ab 1998 habe ein wirklicher bzw. selber erarbeiteter Ertrag
vorgelegen und sei dann auch sofort ausgeschüttet worden. Das lässt jedoch
ausser Acht, dass die Gesellschaft in den Jahren 1995/96 und 1997 jeweils
Gewinne verbuchte und sich darauf behaften lassen muss. Unbestrittenermassen
waren diese Gewinne handelsrechtlich ausgewiesen und ausschüttungsfähig. Das
Steuergericht hat seine Beurteilung somit zutreffend auf die
Einflussmöglichkeiten der Anteilsinhaberin, aber ebenfalls auf die fehlende
Kontinuität der Dividendenpolitik gestützt.
Der Vergleich mit einer gerade frisch gegründeten Gesellschaft, die gar keine
andere Wahl gehabt hätte, als zum erstenmal in der Bemessungslücke Dividenden
auszuschütten, geht fehl. Ebenso wenig liegt eine rechtswidrige
Ungleichbehandlung gegenüber schon länger bestehenden Unternehmungen vor.
Vielmehr hat das Steuergericht zu Recht angenommen, dass die erstmalige
Ausschüttung einer Superdividende in der Bemessungslücke bei der Empfängerin zu
einer markanten Erhöhung der Leistungsfähigkeit geführt hat und dass deren
Erfassung mit der Jahressteuer gerade dem Sinn und Zweck der Sonderbesteuerung
entspricht.
2.3.2 Im Übrigen bringt die Beschwerdeführerin vor, jedenfalls ein Teil der
Ausschüttung 2000 sei als ordentliche Einkommenskomponente von der
Sonderbesteuerung auszunehmen. Das Bundesgericht ist von einer solchen
Betrachtungsweise zwar schon ausgegangen (vgl. u.a. StE 2006 B 65.4 Nr. 22 E.
5), jedoch nicht dann, wenn eine Gesellschaft in der Übergangsperiode erstmals
Dividenden ausschüttet (vgl. ASA 72 663 E. 3.3; StR 59/2004 367 E. 4.3). Somit
hat die Vorinstanz zu Recht die hier streitige Ausschüttung 2000 vollumfänglich
der Übergangsjahressteuer unterworfen.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang
wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 65 f. BGG).

Das Bundesgericht erkennt:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten betreffend die
Staatssteuer 2000 (Übergangsjahressteuer) wird abgewiesen.

2.
Die aufschiebende Wirkung betreffend die direkte Bundessteuer 1999/2000
(Übergangsjahressteuer) wird aufgehoben.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 16'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Steueramt des Kantons Solothurn,
dem Kantonalen Steuergericht Solothurn sowie der Eidgenössischen
Steuerverwaltung (Hauptabteilung Direkte Bundessteuer, Verrechnungssteuer,
Stempelabgaben) schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 7. Mai 2009

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Matter