Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.859/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_859/2008

Urteil vom 3. Juni 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen, Zünd,
nebenamtlicher Bundesrichter Locher,
Gerichtsschreiber Matter.

Parteien
A.________ und B.________ X.________,
Beschwerdeführer,
beide vertreten durch OBT AG, Fabian Petrus, dipl. Steuerexperte, und Eva
Spoerri, Rechtsanwältin,
Beschwerdeführer,

gegen

Steuerverwaltung des Kantons Wallis,
Eidgenössische Steuerverwaltung,
Beschwerdegegner.

Gegenstand
Direkte Bundessteuer 2003,

Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen das Urteil der
Steuerrekurskommission des Kantons Wallis vom 21. Mai 2008.

Sachverhalt:

A.
A.________ und B.________ X.________ hielten 100% der Aktien der Y.________ AG,
D.________ (Aktienkapital Fr. 1'200'000.--), in ihrem Privatvermögen. Am 5.
September 2003 verkauften sie ihre gesamte Beteiligung der von ihrem Sohn
C.________ X.________ allein beherrschten Z.________ Holding AG zum
Verkehrswert von 12 Millionen Franken und gewährten der Käuferin zu diesem
Zweck ein Darlehen von 11 Millionen Franken.

B.
Am 15. Oktober 2005 veranlagte die Bezirkssteuerkommission D.________ das
Ehepaar X.________ für die direkte Bundessteuer 2003 auf ein steuerbares
Einkommen von Fr. 11'356'401.--. Dabei erfasste sie die Differenz zwischen dem
Verkaufspreis und dem Einbringungswert der veräusserten Aktien, d.h. Fr.
10'800'000.--, nach der sog. Erbenholdingpraxis als Beteiligungsertrag.

C.
Mit Eingabe vom 17. Juli 2006 beantragten A.________ und B.________ X.________
bei der Bezirkssteuerkommission die Revision der Veranlagung für die direkte
Bundessteuer 2003: Die Rechtskraft der Veranlagung sei aufzuheben und der
Verkaufsgewinn von 10,8 Millionen Franken vom steuerbaren Einkommen
auszunehmen; eventuell sei festzustellen, dass die Veranlagung noch nicht in
Rechtskraft erwachsen sei. Mit "Einspracheentscheid" vom 5. April 2007 bzw. mit
beigelegter "definitiver Veranlagung" vom 31. März 2007 setzte die Kommission
das steuerbare Einkommen um 10,8 Millionen Franken auf Fr. 556'401.-- herab,
wobei sie die Veranlagung vom 15. Oktober 2005 als "offen" bezeichnete.

D.
Dagegen gelangte die Eidgenössische Steuerverwaltung an die
Steuerrekurskommission des Kantons Wallis. Diese hiess die Beschwerde am 21.
Mai 2008 gut, hob den Entscheid der Bezirkssteuerkommission vom 5. April 2007
auf und stellte fest, dass die definitive Veranlagungsverfügung für die direkte
Bundessteuer 2003 vom 15. Oktober 2005 unangefochten in Rechtskraft erwachsen
sei; das steuerbare Einkommen der Ehegatten belaufe sich auf Fr. 11'356'401.--.

E.
Am 27. November 2008 haben A.________ und B.________ X.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beim Bundesgericht eingereicht. Sie
beantragen sinngemäss, das angefochtene Urteil aufzuheben; die definitive
Veranlagung vom 5. April 2007 sei zu bestätigen, da sie nicht verfahrensgerecht
angefochten worden sei und somit als rechtskräftig zu gelten habe; dagegen sei
die Verfügung vom 15. Oktober 2005 als ungültig oder zumindest als revidiert
einzustufen.

F.
Die Kantonale Steuerverwaltung Wallis und die Steuerrekurskommission des
Kantons Wallis haben auf eine Stellungnahme verzichtet. Die Eidgenössische
Steuerverwaltung schliesst auf Abweisung der Beschwerde.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Eingabe richtet sich gegen einen kantonalen Entscheid in einer
Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Eine Ausnahme gemäss Art. 83 BGG liegt
nicht vor. Aufgrund der geänderten Bestimmungen über die Rechtspflege im Kanton
Wallis (vgl. Näheres in StR 63/2008 463 E. 1.2) erweist sich der angefochtene
Entscheid als letztinstanzlich und unterliegt der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten (vgl. Art. 82 Abs. 1 lit. a und 86 Abs.
1 lit. d BGG, siehe auch Art. 146 des Bundesgesetzes vom 14. Dezember 1990 über
die direkte Bundessteuer [DBG; SR 642.11]).

1.2 Gemäss Art. 42 und 106 BGG hat die Rechtsschrift Mindestanforderungen in
Bezug auf die Begehren und deren Begründung einzuhalten. Diesen Anforderungen
genügt die vorliegende Beschwerde nur teilweise; soweit das nicht der Fall ist,
kann auf die Beschwerde nicht eingetreten werden.

2.
2.1 Die Vorinstanz hat festgehalten, dass die Veranlagungsverfügung vom 15.
Oktober 2005 für die direkte Bundessteuer 2003 in Bezug auf die Steuerfaktoren
unangefochten in Rechtskraft erwachsen sei. Dagegen machen die Beschwerdeführer
geltend, ein Schreiben ihres Treuhänders vom 15. November 2005 hätte als
Einsprache und rechtsgenügliche Anfechtung der Steuerfaktoren anerkannt werden
müssen. Dieses Schreiben hat folgenden Wortlaut:
"Wir beziehen uns auf unsere Besprechung mit Ihnen vom 12. Oktober 2005. Wir
haben Sie gebeten, die Steuerrechnung direkte Bundessteuer 2003 nicht mit
Verzugszinsen zu belasten, weil die Zahlung mit Ihnen vorgängig abgesprochen
wurde. Sie haben uns dargelegt, nach Zustellung der Rechnung ein Gesuch um
Erlass dieser Zinsen zu stellen.
Hiermit stellen wir dieses Gesuch um Erlass der Zinsen im Betrage von Fr.
8'096.35. Wir danken sehr für eine wohlwollende Prüfung."
Die Rekurskommission hat zu Recht erwogen, dass die Beschwerdeführer mit dem
Schreiben einzig und allein den Erlass der Verzugszinsen bezweckten. Die
Steuerfaktoren als solche sind damit nicht in Frage gestellt worden. Demgemäss
geht auch der Einwand der Beschwerdeführer fehl, durch Ansetzung einer
Nachfrist hätte der Sinn des Schreibens vom 15. November 2005 geklärt werden
sollen. Dazu bestand indessen kein Anlass, war doch der Sinn der Eingabe
eindeutig. Von einer Verletzung des rechtlichen Gehörs, des Verbotes des
überspitzten Formalismus oder des Grundsatzes von Treu und Glauben kann keine
Rede sein.
Als Nebenbegründung hat die Vorinstanz weiter argumentiert, das Schreiben hätte
ohnehin den gesetzlichen Mindestanforderungen an eine Einsprache gemäss Art.
132 Abs. 3 DBG nicht genügt. Dieser Absatz bezieht sich indessen - wie die
Beschwerdeführer zu Recht einwenden - nur auf Einsprachen gegen
Ermessensveranlagungen. Dagegen ging es hier um eine ordentliche Veranlagung.
Gegebenenfalls hätte es sich also um eine Einsprache gemäss Art. 132 Abs. 1 DBG
gehandelt. Eine solche ist vorliegend jedoch nicht erhoben, sondern nur ein
Erlassgesuch gestellt worden, wie die Steuerrekurskommission im Ergebnis
zutreffend und mit rechtskonformer Hauptbegründung festgehalten hat. Ihre
Einschätzung, dass die Veranlagung vom 15. Oktober 2005 unangefochten in
Rechtskraft erwachsen sei, verstösst somit nicht gegen Bundesrecht.

2.2 Ausserdem bringen die Beschwerdeführer vor, die Veranlagungsbehörde hätte
im Oktober 2005 die sich abzeichnende Anpassung der Unternehmensbesteuerung
(Art. 20a Abs. 1 DBG in der Fassung des Bundesgesetzes vom 23. Juni 2006 über
dringende Anpassungen bei der Unternehmensbesteuerung, in Kraft seit 1. Januar
2007, AS 2006 4883) berücksichtigen sollen.
Der neue Art. 20a Abs. 1 lit. a DBG, der die steuerliche Behandlung von sog.
indirekten Teilliquidationen gesetzlich regelt, ist zwar nach Art. 205b DBG
selbst für Veranlagungen der in den Steuerjahren ab 2001 erzielten Erträge
anwendbar. Aufgrund des eindeutigen Gesetzeswortlauts, der das Bundesgericht
bindet (vgl. Art. 190 BV), gilt die rückwirkende Anwendung jedoch nur für noch
nicht rechtskräftige Veranlagungen (vgl. auch StE 2007 B 24.4 Nr. 75 E. 4.10).
Auf eine bereits rechtskräftige Veranlagung, wie im vorliegenden Fall, kann
also nicht mehr zurückgekommen werden. Auch sonst besteht kein Revisionsgrund
gemäss Art. 147 DBG. Wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat, änderte sich
durch die Gesetzesnovelle nicht der massgebende Sachverhalt, sondern nur das
anwendbare Recht.

2.3 Im Übrigen betrachten die Beschwerdeführer die Verfügung vom 5. April 2007
als unangefochten und damit als rechtskräftig. Innerhalb der Anfechtungsfrist
sei dagegen keine Einsprache erhoben worden.
Wohl behandelte die Bezirkssteuerkommission das Revisionsgesuch vom 17. Juni
2006 formell nicht korrekt. Sie trat darauf ein, bezeichnete aber einfach die
Veranlagung als "offen" und ihre veränderte "definitive Veranlagung" vom 31.
März 2007 als "Einspracheentscheid". Damit blieb unklar, ob sie das
Revisionsgesuch guthiess und die ursprüngliche Verfügung vom 15. Oktober 2005
durch eine neue ersetzte oder ob sie von einer gültigen Einsprache gegen die
Veranlagung vom 15. Oktober 2005 ausging.
Daraus vermögen die Beschwerdeführer jedoch nichts zu ihren Gunsten abzuleiten.
Die Beschwerde der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 10. Mai 2007 erging
gegen sämtliche im "Einspracheentscheid" vom 5. April 2007 enthaltenen
Verfügungen, was mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmt: Nach Art. 141
Abs. 1 DBG kann die Eidgenössische Steuerverwaltung gegen jede
Veranlagungsverfügung und gegen jeden Einspracheentscheid an die
Steuerrekurskommission gelangen. Das gilt auch für einen Revisionsentscheid
(vgl. Art. 149 Abs. 3 und 4 DBG). Aufgrund der form- und fristgerechten
Einreichung der Beschwerde erwuchs der Revisionsentscheid der
Veranlagungsbehörde (mit Einschluss der "definitiven Verfügung") somit nicht in
Rechtskraft (vgl. dazu auch die knappe, aber genügende Begründung in E. 1 des
angefochtenen Entscheids).

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
Bei diesem Verfahrensausgang werden die Beschwerdeführer kostenpflichtig (vgl.
Art. 65 f. BGG).

Das Bundesgericht erkennt:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 16'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
Solidarhaft auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, der Steuerverwaltung und der
Steuerrekurskommission des Kantons Wallis sowie der Eidgenössischen
Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 3. Juni 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Matter