Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.84/2008
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2C_84/2008/leb

Urteil vom 18. Februar 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Bundesrichter Merkli, Präsident,
Bundesrichter Hungerbühler, Müller,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

Steueramt des Kantons Solothurn,
Beschwerdeführer,

gegen

X.________ sel.,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch ARETA Revisions AG,

Staatssteuer und direkte Bundessteuer 2005,

Beschwerde gegen das Urteil des Kantonalen Steuergerichts Solothurn vom 3.
September 2007.

Sachverhalt:
Die Steuerpflichtige X.________ starb am 24. Februar 2005. Sie war
Eigentümerin verschiedener Liegenschaften in den Kantonen Solothurn, Zürich
und Tessin. Bis zum Todestag (54 Tage) beliefen sich die Mietzinseinnahmen
(inkl. Eigenmietwert) für 2005 auf Fr. 89'112.-. Schuldzinsen wurden bis zum
Todestag nicht fällig.
Am 31. Januar 2007 eröffnete die Veranlagungsbehörde A.________ der Erbin der
Verstorbenen (Tochter) die Veranlagung für die Steuerperiode 2005
(unterjährige Steuerpflicht) mit einem steuerpflichtigen Einkommen von Fr.
60'577.-- und einem satzbestimmenden Einkommen von Fr. 522'309.-- für Bund
und Kanton. Für die Berechnung des satzbestimmenden Einkommens rechnete sie
die Mietzinseinnahmen für die Zeit vom 1. Januar bis 24. Februar 2005 von Fr.
89'112.-- auf ein Jahreseinkommen um. Schuldzinsen blieben sowohl beim
steuerbaren als auch beim satzbestimmenden Einkommen unberücksichtigt, da
keine Fälligkeiten in die Zeit der Steuerpflicht fielen. Mit
Einspracheentscheid vom 16. März 2007 hielt die Veranlagungsbehörde an dieser
Berechnung fest.
Mit Urteil vom 3. September 2007 hiess das Steuergericht Rekurs und
Beschwerde gut und wies die Sache zu neuer Veranlagung an die
Veranlagungsbehörde zurück. Der Auffassung der Veranlagungsbehörde, wonach
für die Berechnung des satzbestimmenden Einkommens keine Schuldzinsen
(Hypothekarzinsen) zu berücksichtigen seien, folgte das Gericht nicht.
Mit Beschwerde an das Bundesgericht beantragt das Steueramt des Kantons
Solothurn, das Urteil des Steuergerichts des Kantons Solothurn vom 3.
September 2007 sei aufzuheben und die Sache hinsichtlich der Staatssteuer an
die Veranlagungsbehörde zurückzuweisen (vgl. Art. 73 StHG). Hinsichtlich der
direkten Bundessteuer sei die Veranlagung gemäss Einspracheentscheid zu
bestätigen. Streitig ist einzig noch die Berechnung des satzbestimmenden
Einkommens.
Das Bundesgericht beurteilt die Sache gestützt auf die eingereichten Akten.
Erwägungen:

1.
1.1 Besteht die Steuerpflicht nur während eines Teils der Steuerperiode, so
wird die Steuer auf den in diesem Zeitraum erzielten Einkünften erhoben.
Dabei bestimmt sich der Steuersatz für regelmässig fliessende Einkünfte nach
dem auf zwölf Monate berechneten Einkommen. Nicht regelmässig fliessende
Einkünfte unterliegen einer separaten Jahressteuer und werden auch bei der
Steuersatzbestimmung nicht auf ein Jahreseinkommen umgerechnet (Art. 209 Abs.
3 DBG).
Was für die Einkünfte gilt, ist sinngemäss auch bei den Abzügen und
Aufwendungen zu beachten, obschon es im Gesetz nicht ausdrücklich angeordnet
ist (Richner/Frei/Kaufmann, Handkommentar zum DBG, Zürich 2003, N 19 zu Art.
209 DBG). Im Prinzip sind nur die während der Dauer der Steuerpflicht
angefallenen Aufwendungen bei der Berechnung des steuerbaren Einkommens zu
berücksichtigen. Eine Umrechnung findet aber teilweise für die Bestimmung des
Steuersatzes statt. Dabei wird zwischen den regelmässig und den nicht
regelmässig anfallenden Aufwendungen sowie den pauschalierten Abzügen
unterschieden. Quartals- oder semesterweise fällig werdende Schuldzinsen
gelten als regelmässige Vermögensabflüsse. Sie werden daher für den
Steuersatz auf ein volles Jahresbetreffnis umgerechnet
(Richner/Frei/Kaufmann, a.a.O., N 21 f. zu Art. 209 DBG;
Richner/Frei/Kaufmann/Meuter, Kommentar zum harmonisierten Zürcher
Steuergesetz, 2. Aufl. 2006, N 22 zu § 49; Klöti-Weber/Siegrist/Weber,
Kommentar zum Aargauer Steuergesetz, 2. Aufl. 2004, N 22 zu § 58).

1.2 Der Beschwerdeführer hat gestützt auf die vorerwähnten Zitate sowie das
Urteil der Bundessteuerrekurskommission des Kantons Zürich vom 29. November
2001 (StE 2002 B 65.12 Nr. 1) geschlossen, dass Hypothekarzinsen
satzbestimmend nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sie während der
Dauer der Steuerpflicht fällig geworden sind. Dieser Auffassung kann für den
vorliegenden Fall nicht gefolgt werden.
Bei der Postnumerandobesteuerung mit einjähriger Gegenwartsbemessung gemäss
Art. 41 DBG, wie sie heute in allen Kantonen gilt, wird für die
Einkommensermittlung auf das im Kalenderjahr effektiv erzielte Einkommen
abgestellt. Veränderungen bei den Bemessungsfaktoren können im Rahmen der
laufenden Veranlagung unmittelbar berücksichtigt werden. Eine Umrechnung der
Einkünfte auf ein Jahreseinkommen, wie sie bei der früheren
Pränumerandobesteuerung bei unterjähriger Steuerpflicht nötig war, entfällt
daher. Eine Umrechnung des Einkommens auf ein Jahreseinkommen findet nur noch
bei der Satzbestimmung statt (Art. 41 in Verbindung mit Art. 209 Abs. 3 DBG).
Insoweit ist noch immer auf das mutmassliche (hypothetische) Jahreseinkommen
abzustellen.
Diese Umrechnung soll zu einem Resultat führen, das den wirklichen
Verhältnissen möglichst nahe kommt. Das entsprach bereits unter der
Herrschaft des Bundesratsbeschlusses über die Erhebung einer direkten
Bundessteuer (BdBSt) bei der Umrechnung des Einkommens auf ein
Jahreseinkommen (z.B. nach Art. 41 Abs. 4 BdBSt) der konstanten Praxis (vgl.
Ernst Känzig, Die eidgenössische Wehrsteuer, 2. Aufl. 1982, N 13 ff. zu Art.
41 BdBSt) und muss als Grundsatz auch bei der Berechnung des hypothetischen
Einkommens nach Art. 209 Abs. 3 DBG beachtet werden.
Eine strikt auf die Fälligkeit abstellende Ordnung für die Berechnung des
hypothetischen Jahreseinkommens ist daher abzulehnen, wenn sich zeigt, dass
sie aus systematischen Gründen zu keinem richtigen, d.h. der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit angepassten Ergebnis führen kann. Mit einem
"Billigkeitsentscheid" hat das, entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers,
nichts zu tun.

1.3 Die Frage, welche Schuldzinsen als regelmässige Vermögensabflüsse
anzusehen sind, kann hier offen bleiben. Vorliegend ergibt sich bereits aus
der erheblichen Differenz zwischen den satzbestimmenden Einkommen der
Vorjahre einerseits und demjenigen für das Jahr 2005 andererseits, dass von
einem repräsentativen Jahresergebnis keine Rede sein kann. In den Jahren 2001
bis 2004 wurde die Steuerpflichtige auf der Grundlage von satzbestimmenden
Einkommen von Fr. 59'300.--, Fr. 92'100.--, Fr. 109'400.-- und Fr. 49'200.--
veranlagt. Es ist offensichtlich, dass ein satzbestimmendes Einkommen von Fr.
522'309.-- für das Jahr 2005 (bei im Wesentlichen unveränderten
Verhältnissen) der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nicht entsprechen
kann. Gemäss dem öffentlichen Inventar waren per Todestag Grundpfandschulden
im Gesamtbetrag von Fr. 9'877'030.10 ausstehend. Die Tatsache, dass während
der Steuerpflicht keine Fälligkeiten für die Schuldzinsen entstanden sind,
ist allein darauf zurückzuführen, dass die Steuerpflicht nur 54 Tage dauerte.
Die Bemessung des mutmasslichen Jahreseinkommens nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit kann aber nicht von solchen Umständen abhängen. Es steht
auch fest, dass die Schuldzinsen bei fortdauernder Steuerpflicht fällig
geworden wären. Gemäss dem öffentlichen Inventar belaufen sich die
Marchzinsen per Todestag denn auch auf über Fr. 50'000.--.
1.4 Wenn daher die Veranlagungsbehörde im vorliegenden Fall für die
Berechnung des satzbestimmenden Einkommens jegliche Schuldzinsenanrechnung
verweigerte, hat sie ihr Ermessen offensichtlich überschritten und damit
Bundesrecht verletzt. Dies hat die Vorinstanz zu Recht gerügt und die Sache
zur Neuvornahme der Veranlagung an die Einsprachebehörde zurückgewiesen.
Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers musste das Steuergericht nicht
verbindlich vorschreiben, in welcher Art das satzbestimmende Einkommen unter
Berücksichtigung der Schuldzinsen zu berechnen sei. Eine Bundesrechtsregel,
wie das mutmassliche (hypothetische) Jahreseinkommen zu berechnen sei,
existiert nicht. Es ist daher Sache der Verwaltungspraxis, im Rahmen des ihr
zustehenden Ermessens die für die angemessene Berücksichtigung der
Schuldzinsen nötigen Gesichtspunkte zu beachten.

2.
Für die Staatssteuer ergibt sich keine abweichende Beurteilung. In § 74 Abs.
4 des Steuergesetzes des Kantons Solothurn (StG) heisst es ausdrücklich: "Für
die Abzüge gilt Absatz 3 sinngemäss". Bei der Festsetzung des
satzbestimmenden Einkommens ist auch hier der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit Rechnung zu tragen.

3.
Die Beschwerde ist offensichtlich unbegründet und im vereinfachten Verfahren
nach Art. 109 BGG zu erledigen. Die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens
sind dem Kanton aufzuerlegen. Der Ausschlussgrund des Art. 66 Abs. 4 BGG
kommt hier nicht zum Tragen, da es um die Vermögensinteressen des Kantons
geht.

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 1'500.-- werden dem Kanton Solothurn auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Kantonalen Steuergericht Solothurn und
der Eidgenössischen Steuerverwaltung schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 18. Februar 2008

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts

Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Wyssmann