Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.830/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_830/2008

Urteil vom 11. November 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Bundesrichter Donzallaz,
Gerichtsschreiber Küng.

Verfahrensbeteiligte
Eidgenössische Steuerverwaltung,
Beschwerdeführerin,

gegen

X._________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Peter Bratschi und Bruno Rieder.

Gegenstand
Mehrwertsteuer (1. Quartal 1999 bis 2. Quartal 2004 / Steuersatz, Treu und
Glauben),

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 2008.

Sachverhalt:

A.
Die X._________ AG ist seit dem 16. August 1961 im Handelsregister eingetragen.
Sie hat zum Zweck die Fabrikation und den Vertrieb von Stärkungs- und
Heilmitteln auf Hefe- und pflanzlicher Basis. Seit dem 1. Januar 1995 ist sie
im Register der Mehrwertsteuerpflichtigen eingetragen.
Am 2. März 1994 ersuchte die X._________ AG die Eidgenössische Steuerverwaltung
um Bestätigung, dass mehrere von ihr hergestellte bzw. vertriebene Präparate ab
dem Zeitpunkt der Einführung der Mehrwertsteuer mit dem ermässigten
Mehrwertsteuersatz (von damals 2 %) besteuert würden, darunter auch die beim
Bundesamt für Gesundheit als Speziallebensmittel registrierten "X._________
Aufbaupräparate" (hergestellt aus Hefe und Wildpflanzen), flüssig und
Tabletten.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung antwortete mit Schreiben vom 16. März 1994,
die Umschreibung der dem reduzierten Mehrwertsteuersatz unterliegenden
Medikamente sei noch offen. Es sei allerdings davon auszugehen, dass Präparate,
die zum Einnehmen bestimmt seien und nicht mehr als 0,7 Volumenprozent Alkohol
enthielten, als Ess- oder Trinkwaren mit dem reduzierten Mehrwertsteuersatz
besteuert würden.
In einem weiteren Schreiben vom 17. Mai 1994 legte die X._________ AG dar, das
Aufbaupräparat sei seit 20 Jahren beim Bundesamt für Gesundheit als
Speziallebensmittel registriert. Zu dessen Herstellung werde Pflanzenhefe
plasmolysiert (im Gärvorgang verflüssigt), wobei ungefähr 2 % Gewichtsalkohol
entstünden; ansonsten werde kein Alkohol beigegeben. Das Bundesamt für
Gesundheit reihe das Aufbaupräparat als alkoholfreies Speziallebensmittel ein,
da der Alkoholgehalt pro Einnahmedosis äusserst gering sei. Sie werde das
Aufbaupräparat (flüssig und Tabletten) daher zum Mehrwertsteuersatz für
Lebensmittel von 2 % abrechnen.
Im März 1999 führte die Eidgenössische Steuerverwaltung bei der X._________ AG
eine Kontrolle betreffend die Steuerperioden 1. Januar 1995 bis 31. Dezember
1998 durch. Weder die in diesem Zusammenhang ausgestellten zwei
Ergänzungsabrechnungen noch die diesbezüglichen Weisungen an die Gesellschaft
vom 10. März 1999 befassen sich mit dem Aufbaupräparat.
Nachdem die X._________ AG die Eidgenössische Steuerverwaltung darauf
hingewiesen hatte, dass bei einer weiteren Kontrolle bei einem ihrer Kunden das
Aufbaupräparat nun dennoch als Heilmittel bezeichnet und aufgrund des
Alkoholgehalts von ca. 2,5 Gewichtsprozenten dem Normalsteuersatz von 7,6 %
unterstellt worden sei, teilte die Eidgenössische Steuerverwaltung der
X._________ AG am 14. Juli 2004 mit, eine Anerkennung des Aufbaupräparates als
alkoholfreies Getränk, Essware oder Medikament sei nicht möglich, da dieses 2,5
Volumenprozent Alkohol enthalte. Am 28. Dezember 2004 erliess die
Eidgenössische Steuerverwaltung eine Ergänzungsabrechnung (1. Quartal 1999 bis
3. Quartal 2004), mit welcher sie der X._________ AG die sich aus den beiden
Steuersätzen ergebende Mehrwertsteuer-Differenz von Fr. 393'948.--, zuzüglich
Verzugszins zu 5 % seit 30. August 2002, nachbelastete.
Auf Einsprache der Steuerpflichtigen hin bestätigte die Eidgenössische
Steuerverwaltung mit Entscheid vom 25. August 2005 die Nachforderung.
Gegen den Einspracheentscheid erhob die X._________ AG am 26. September 2005
Beschwerde bei der Eidgenössischen Steuerrekurskommission. Nachdem das
Bundesverwaltungsgericht das Verfahren am 1. Januar 2007 übernommen hatte,
hiess es die Beschwerde mit Entscheid vom 1. Oktober 2008 gut und stellte fest,
dass die X._________ AG die nachgeforderte Mehrwertsteuer nicht schulde.

B.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
Eidgenössische Steuerverwaltung dem Bundesgericht im Hauptantrag, das Urteil
des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 2008 aufzuheben und ihren
Einspracheentscheid vom 25. August 2005 zu bestätigen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Die X._________ AG beantragt, die Beschwerde abzuweisen.

Erwägungen:

1.
1.1 Ein zweiter Schriftenwechsel wurde nicht angeordnet (vgl. Art. 102 Abs. 3
BGG). Ob auf die nach Ablauf der Vernehmlassungsfrist eingereichte Ergänzung
der Vernehmlassung der Beschwerdegegnerin betreffend ein zusätzliches
rechtliches Argument einzutreten ist, kann offen bleiben, da das Bundesgericht
das Recht von Amtes wegen anwendet (Art. 106 Abs. 1 BGG).

1.2 Der angefochtene Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts betrifft eine
Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art. 82 lit. a BGG) und fällt unter
keine der in Art. 83 BGG erwähnten Ausnahmen, weshalb er an das Bundesgericht
weitergezogen werden kann (Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG); die Eidgenössische
Steuerverwaltung ist zur Beschwerde legitimiert (Art. 89 Abs. 2 lit. a BGG in
Verbindung mit Art. 45b Abs. 2 MWSTGV).

1.3 Das Bundesgericht legt seinem Urteil den Sachverhalt zugrunde, den die
Vorinstanz festgestellt hat (Art. 105 Abs. 1 BGG). Die Feststellung des
Sachverhaltes kann nur gerügt werden, wenn sie offensichtlich unrichtig ist
oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruht und wenn die
Behebung des Mangels für den Ausgang des Verfahrens entscheidend sein kann
(Art. 97 Abs. 1 BGG). "Offensichtlich unrichtig" bedeutet dabei "willkürlich"
(BGE 133 II 249 E. 1.2.2 S. 252). Der Beschwerdeführer, der die
Sachverhaltsfeststellungen der Vorinstanz anfechten will, kann sich nicht damit
begnügen, den bestrittenen Feststellungen eigene tatsächliche Behauptungen
gegenüberzustellen oder darzulegen, wie die Beweise seiner Ansicht nach zu
würdigen gewesen wären. Vielmehr hat er klar und substantiiert aufzuzeigen,
inwiefern die gerügten Feststellungen bzw. die Unterlassung von Feststellungen
offensichtlich unrichtig sind oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art.
95 BGG beruhen. Auf eine Kritik an den tatsächlichen Feststellungen der
Vorinstanz, die diesen Anforderungen nicht genügt, ist nicht einzutreten (BGE
133 II 249 E. 1.4.3; 133 III 350 E. 1.3, 393 E. 7.1, 462 E. 2.4). Zu beachten
ist, dass dem Sachgericht im Bereich der Beweiswürdigung ein erheblicher
Ermessensspielraum zusteht (BGE 120 Ia 31 E. 4b S. 40). Das Bundesgericht
greift auf Beschwerde hin nur ein, wenn das Sachgericht sein Ermessen
missbraucht, insbesondere offensichtlich unhaltbare Schlüsse zieht, erhebliche
Beweise übersieht oder solche willkürlich ausser Acht lässt (vgl. BGE 132 III
209 E. 2.1; 129 I 8 E. 2.1).

2.
2.1 Die Beschwerdeführerin erachtet das Dispositiv des angefochtenen
Entscheides als falsch. Ihres Erachtens hätte die Beschwerde allenfalls
teilweise gutgeheissen werden müssen. Die vollständige Gutheissung und die
dementsprechende Auflage von Verfahrens- und Parteikosten verletze hingegen
Art. 63 Abs. 1 und Art. 64 Abs. 1 VwVG (SR 172.021) in Verbindung mit Art. 7
Abs. 2 des Reglementes vom 21. Februar 2008 über die Kosten und Entschädigungen
vor dem Bundesverwaltungsgericht (VGKE; SR 173.320.2).

2.2 Die Rüge ist unbegründet. Im Einspracheentscheid wurde zwar festgestellt,
die Umsätze aus dem Verkauf des Aufbaupräparates seien zum Normalsatz von 7,5 %
(bis 31. Dezember 2000) bzw. von 7,6 % (seit dem 1. Januar 2001) zu versteuern
(Dispositiv Ziff. 2); zugleich wurde aber erkannt, die Beschwerdegegnerin habe
die sich daraus ergebende Differenz von Fr. 393'948.-- zu bezahlen (Dispositiv
Ziff. 3). Es handelt sich somit insgesamt um ein Leistungsurteil, womit
allfällige, diesem zu Grunde liegende Feststellungen keinen selbständigen
Charakter haben (vgl. BGE 126 II 300 E. 2c).
Die Vorinstanz ihrerseits ist zwar zum Schluss gekommen, das Aufbaupräparat
hätte zum Normalsatz besteuert werden müssen; da jedoch die Beschwerdegegnerin
nach Treu und Glauben davon habe ausgehen dürfen, sie müsse die Umsätze mit dem
Aufbaupräparat nur zum reduzierten Satz versteuern, schulde sie die
Mehrwertsteuer im geltend gemachten Umfang nicht. Die Vorinstanz hat bei diesem
Ergebnis zu Recht die Beschwerde - mit welcher die Aufhebung des
Einspracheentscheides und die Feststellung, dass das Aufbaupräparat in der Zeit
vom 1. Januar 1999 bis 30. Juni 2004 zum reduzierten Steuersatz zu versteuern
sei, verlangt worden war - vollständig gutgeheissen, denn auf Grund der
Bejahung des Vertrauensschutzes durch die Vorinstanz unterliegen die in der
fraglichen Zeit erzielten Umsätze ausnahmsweise eben nicht dem gemäss
Einspracheentscheid (Dispositiv Ziff. 2) anwendbaren Normalsatz, der sonst
richtigerweise auf dieses Produkt grundsätzlich anzuwenden wäre. Die
zusätzliche Mehrwertsteuerforderung der Beschwerdeführerin wurde damit im
vollen Umfang aufgehoben. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin hätte
das angefochtene Urteil daher nicht auf teilweise Gutheissung lauten müssen und
ist somit auch nicht bereits aus diesem Grund aufzuheben.
Der Einwand der Beschwerdeführerin, die Vorinstanz habe ohne zeitliche
Beschränkung festgehalten, dass das Aufbaupräparat zum Normalsatz zu besteuern
sei, ist ebenfalls unbegründet. Denn Streitgegenstand bildete einzig die
Besteuerung des Aufbauproduktes im Zeitraum vom 1. Januar 1999 bis 30. Juni
2004 gemäss Ergänzungsabrechnung vom 25. August 2005 bzw. die für diesen
Zeitraum geschuldete Steuerdifferenz von Fr. 393'948.--.

2.3 Ist demnach von einem vollständigen Obsiegen der Beschwerdegegnerin
auszugehen, verletzt auch die durch die Vorinstanz nach Ermessen festgesetzte
Höhe der Parteientschädigung kein Bundesrecht. Die Berufung der
Beschwerdeführerin auf die Regelung der Parteientschädigung vor Bundesgericht
ist unbehelflich, da für das Bundesverwaltungsgericht keine Regelung mit
Streitwerttarif besteht und der Aufwand des Anwaltes, als gewichtigster
Kostenposten (André Moser und andere, Prozessieren vor dem
Bundesverwaltungsgericht, 2008, § 4 Ziff. 4.75), vor der ersten gerichtlichen
Instanz regelmässig erheblich höher ist als vor der letzten Instanz.

3.
3.1 Die Beschwerdeführerin rügt, das angefochtene Urteil verletze, weil die
Voraussetzungen für die Berufung auf den Vertrauensschutz nicht erfüllt seien,
Art. 9 BV "und daher" Art. 27 MWSTV bzw. Art. 36 MWSTG.

3.2 Die Beschwerdegegnerin ihrerseits wendet sich gegen die grundsätzliche
Qualifikation ihres Aufbaupräparates durch die Vorinstanz als "alkoholisches
Getränk" im Sinne des Mehrwertsteuerrechts. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob
die Vorinstanz insoweit Bundesrecht verletzt hat.

4.
4.1 Gemäss den beiden im fraglichen Zeitraum anwendbaren Bestimmungen (Art. 93
Abs. 1 MWSTG) von Art. 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 MWSTV bzw. Art. 36 Abs. 1 lit.
a Ziff. 2 MWSTG gilt für die Lieferung und den Eigenverbrauch von Ess- und
Trinkwaren, ausgenommen alkoholische Getränke, ein reduzierter
Mehrwertsteuersatz von 2 % bzw. 2,4 %; der reduzierte Steuersatz gilt nicht,
wenn diese Waren im Rahmen von gastgewerblichen Leistungen abgegeben werden.
Diese Regelung beruht auf dem sozialpolitischen Grundgedanken, dass Güter des
täglichen Bedarfs geringer zu besteuern sind, weil sie zum Existenzbedarf
gehören; sie waren unter der Herrschaft des Warenumsatzsteuerbeschlusses sogar
steuerbefreit (vgl. Urteil 2A.68/2003 vom 31. August 2004 E. 2, in: ASA 76 S.
212 ff.; vgl. Urteil 2A.83/1991 vom 3. September 1991, E. 1b, in: ASA 60 S. 643
ff.). Der reduzierte Steuersatz bildet im Mehrwertsteuerrecht eine Ausnahme,
die als solche restriktiv zu handhaben ist (Urteil 2A.68/2003 vom 31. August
2004 E. 3.4, in ASA 76 S. 212 ff.). Es ist daher gerechtfertigt, nur die
eigentliche Grundversorgung - d.h. Essen und Trinken, soweit sie der
Aufrechterhaltung lebensnotwendiger Funktionen des menschlichen Organismus
dienen - steuerlich geringer zu belasten (vgl. MARTIN KOCHER, in: mwst.com,
2000, N 3 zu Art. 36 MWSTG).
Unter diesem Gesichtspunkt erscheint bereits fraglich, ob ein Aufbaupräparat
überhaupt zu den von dieser Bestimmung erfassten Produkten der menschlichen
Grundversorgung gezählt werden kann. Die Frage kann jedoch offenbleiben.

4.2 Weder Art. 27 MWSTV noch 36 MWSTG bestimmen, ab welchem Alkoholgehalt ein
"alkoholisches Getränk" - und keine (alkoholfreie) Trinkware mehr - vorliegt.

4.3 Die Eidgenössische Steuerverwaltung liess nach der Einführung der
Mehrwertsteuer (am 1. Januar 1995) für die Anwendung des reduzierten
Mehrwertsteuersatzes noch einen Alkoholgehalt von 0,7 Volumenprozenten zu
(Merkblatt Nr. 18 "über die zu 2% steuerbaren Ess- und Trinkwaren sowie
Futtermittel" Ziff. 1.3 [MWSTV],: Merkblatt Nr. 07 "Ess- und Trinkwaren sowie
Futtermittel", Ziff. 1.2.3 [MWSTG]).
Zuvor waren (unter der Geltung des Warenumsatzsteuerbeschlusses) alkoholfreie
Getränke zu einem ermässigten Satz besteuert worden; von der Steuer
ausdrücklich ausgenommen waren u.a. Esswaren und eine Reihe weiterer
Lebensmittel; vorbehalten wurde bereits damals eine Erweiterung der sogenannten
Freiliste auf die dem Sondersatz unterstellten Waren, namentlich die
alkoholfreien Getränke (vgl. BBl 1957 575, insb. S. 578: "als Lebensmittel
geltende Esswaren").
Unter diesen Umständen stellt die Vorinstanz in Bezug auf die
mehrwertsteuerlich notwendige Abgrenzung von alkoholfreien gegenüber
alkoholischen Getränken zu Recht auf die in der Lebensmittelgesetzgebung
diesbezüglich vorgenommenen Unterscheidungen ab, die analog anwendbar sind
(vgl. auch Martin Kocher, a.a.O., N 12 f.).

4.4 Die im hier in Frage stehenden Zeitraum noch anwendbare
Lebensmittelverordnung vom 1. März 1995 (AS 1995 1491) schrieb vor, dass bei
Getränken ein Alkoholgehalt von mehr als 0,5 Volumenprozenten auf der
Verpackung oder Etikette anzugeben war, ergänzt durch das Symbol "% vol" (Art.
22 Abs. 1 lit. g aLMV); Nahrungsmittel waren bei einem Alkoholgehalt von mehr
als 0,5 Massenprozenten als "alkoholhaltig" zu kennzeichnen (Art. 22 Abs. 1
lit. f aLMV). Zusätzlich wurde der zulässige Alkoholgehalt einzeln aufgeführter
alkoholfreier Getränke, so etwa von Trauben- und Kernobstsaft, auf maximal 0,5
Volumenprozente festgelegt. Mit der am 1. Mai 2002 in Kraft getretenen Änderung
vom 27. März 2002 wurde eine allgemeine Definition aufgenommen, nach welcher
"übrige alkoholische Getränke" alle alkoholischen Getränke sind, welche einen
Alkoholgehalt von mehr als 0,5 Volumenprozenten aufweisen und nicht in den Art.
336 bis 432 (aLMV) geregelt sind.
Besonders erwähnt waren auch Speziallebensmittel, d.h. Lebensmittel, die für
eine besondere Ernährung bestimmt sind, namentlich Ergänzungsnahrungen (Art.
165 ff. aLMV); sie mussten alkoholfrei sein (Art. 166 Abs. 1 aLMV). Diese
Bestimmung wurde (offenbar auf Anregung der Beschwerdegegnerin) ergänzt, indem
nun seit dem 1. Mai 2002 Alkohol insoweit enthalten sein darf, als dieser aus
Eigengärung herrührt und die aufgenommene Alkoholmenge bei bestimmungsgemässem
Konsum des betreffenden Lebensmittels 1 Gramm pro Tagesration nicht
überschreitet (AS 2002 608).

4.5 Die Vorinstanz hat demzufolge kein Bundesrecht verletzt, indem sie zum
Schluss gekommen ist, die Eidgenössische Steuerverwaltung wende für Getränke
mit einem Alkoholgehalt von mehr als 0,5 Volumenprozenten zu Recht den
Normalsatz für die Mehrwertsteuer an. Es kann im Übrigen auf die ausführliche
und zutreffende Begründung der Vorinstanz verwiesen werden (angefochtenes
Urteil E. 2).

4.6 Der Einwand der Beschwerdegegnerin, das in Frage stehende Aufbaupräparat
sei zwar flüssig, aber nach allgemeinem Sprachgebrauch kein Getränk, ist
unbegründet. Schon aus dem Wortlaut von 27 Abs. 1 lit. a Ziff. 1 MWSTV bzw.
Art. 36 Abs. 1 lit. a Ziff. 2 MWSTG ergibt sich klar, dass von den Trinkwaren
die alkoholischen Getränke ausgenommen sind. Sowohl die französische als auch
die italienische Fassung verwenden denn auch für beides denselben Begriff
("boissons" bzw. "bevande"), ohne noch weitere Unterscheidungen zu treffen. Die
Folgerung der Vorinstanz, die Begriffe Trinkware und Getränk würden synonym
verwendet, ist somit zutreffend. Sie durfte deshalb das flüssige Aufbaupräparat
als Trinkware bezeichnen (angefochtenes Urteil E. 6.1). Ob diese in ihrer
Konsistenz nun schnell oder "kaum fliesst", ist nicht massgebend. Es geht dabei
lediglich um die Unterscheidung von festen und flüssigen Stoffen. Die
Beschwerdegegnerin selber hat immer dargelegt, dass der Alkohol im
Aufbaupräparat bei der "Verflüssigung" von Pflanzenhefe im Gärvorgang entstehe.

4.7 Die Vorinstanz durfte somit ohne Bundesrecht zu verletzen zum Schluss
gelangen, das Aufbaupräparat sei mehrwertsteuerrechtlich als Trinkware und zwar
- angesichts seines den Grenzwert von 0,5 Volumenprozenten übersteigenden
Alkoholgehalts - als alkoholisches Getränk zu qualifizieren (angefochtenes
Urteil E. 6.1).

5.
5.1 Die Vorinstanz ist in Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben zum
Schluss gelangt, die Beschwerdegegnerin habe davon ausgehen dürfen, das
Aufbaupräparat sei zum reduzierten Mehrwertsteuersatz zu versteuern.

5.2 Der in Art. 9 BV verankerte Grundsatz von Treu und Glauben verleiht einer
Person Anspruch auf Schutz des berechtigten Vertrauens in unrichtige
Zusicherungen, Auskünfte, Mitteilungen oder Empfehlungen einer Behörde, wenn
die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug auf bestimmte Personen
gehandelt hat, die Behörde für die Erteilung der betreffenden Auskunft
zuständig war, der Bürger die Unrichtigkeit der Auskunft nicht ohne Weiteres
erkennen konnte, er im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft Dispositionen
getroffen hat, die nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden können, und
die gesetzliche Ordnung seit der Auskunftserteilung keine Änderung erfahren hat
(BGE 131 II 627 E. 6.1 S. 636 f.; Urteil 1C_242/2007 vom 11. Juni 2008 E. 3.3.1
S. 637).
Als Folge der Bedeutung des Legalitätsprinzips im Abgaberecht ist der
Vertrauensschutz in diesem Bereich jedoch praxisgemäss nur mit Zurückhaltung zu
gewähren (BGE 131 II 627 E. 6.1). Eine vom Gesetz abweichende Behandlung eines
Steuerpflichtigen kann nur in Betracht fallen, wenn die Voraussetzungen des
Vertrauensschutzes klar und eindeutig erfüllt sind. Einem Steuerpflichtigen
darf aufgrund einer unrichtigen Auskunft oder einer bis anhin tolerierten
gesetzwidrigen Behandlung nicht ein Vorteil erwachsen, der zu einer krassen
Ungleichbehandlung führen würde (Urteil 2A.261/2001 vom 29. Oktober 2001 E. 2d/
cc).

5.3 Die Beschwerdeführerin beanstandet, die Vorinstanz habe aus ihren auf dem
Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 17. Mai 1994 handschriftlich angebrachten
Notizen die falschen Schlüsse gezogen und sei somit von einem falschen Inhalt
des Telefongesprächs vom 25. Mai 1994 ausgegangen.

5.4 Die Beschwerdegegnerin ersuchte die Beschwerdeführerin am 2. März 1994, ihr
zu bestätigen, dass das beim Bundesamt für Gesundheit als Speziallebensmittel
registrierte Aufbaupräparat (flüssig und Tabletten) sowie zwei weitere als
Heilmittel registrierte Produkte zum Mehrwertsteuersatz von 2 % besteuert
würden. Die Beschwerdeführerin antwortete mit Schreiben vom 16. März 1994, die
Umschreibung der dem reduzierten Mehrwertsteuersatz unterliegenden Medikamente
sei noch offen; es sei aber "schon heute davon auszugehen, dass Präparate, die
zum Einnehmen bestimmt sind und nicht mehr als 0,7 Vol % Alkohol enthalten, als
Ess- oder Trinkwaren zum Satz von 2 % besteuert werden".
Die Beschwerdegegnerin wandte sich in der Folge mit einem weiteren Schreiben
vom 17. Mai 1994 mit detaillierten Fragen und Feststellungen an die
Eidgenössische Steuerverwaltung. Dabei wies sie darauf hin, dass ihr
Aufbaupräparat seit 20 Jahren beim Bundesamt für Gesundheit als
Speziallebensmittel registriert sei. Zur Herstellung des Produktes werde
Pflanzenhefe plasmolysiert, d.h. im Gärvorgang verflüssigt. Bei diesem Prozess
entstünden ca. 2 Gew.% Alkohol; es werde jedoch kein Alkohol beigegeben. Vom
Bundesamt werde das Aufbaupräparat als alkoholfreies Speziallebensmittel
eingereiht, da die Alkoholmenge in der Einzeldosis äusserst gering sei. Man
werde daher das flüssige Aufbaupräparat als Lebensmittel zu 2 % abrechnen; zum
gleichen Satz würden die Aufbauhefetabletten - die Alternative zum flüssigen
Aufbaupräparat - abgerechnet.
Dieses Schreiben wurde von der Verwaltung nicht schriftlich, sondern vom
zuständigen Sachbearbeiter am 25. Mai 1994 telefonisch beantwortet.

5.5 Nach Auffassung der Vorinstanz zeigen die auf dem Schreiben vom zuständigen
Sachbearbeiter der Beschwerdeführerin angebrachten Handnotizen, dass dieser die
telefonische Auskunft am 25. Mai 1994 erteilt habe und Gegenstand der Auskunft
der Mehrwertsteuersatz für das "Aufbauprodukt flüssig" gewesen sei. Es ergebe
sich weiter, dass die Auskunft dahingehend gelautet habe, das "Aufbauprodukt
flüssig" sei zum reduzierten Mehrwertsteuersatz (von seinerzeit 2 % für
Lebensmittel) zu versteuern.

5.6 Diese Auslegung der Notizen und die daraus gezogenen Schlüsse können nicht
als unhaltbar bezeichnet werden. Die Beweiswürdigung der Vorinstanz wird im
Besonderen dadurch gestützt, dass im massgebenden Schreiben darauf hingewiesen
wird, das flüssige Aufbaupräparat werde ebenfalls unter der Bezeichnung
"E.________ Aufbaumittel" für alle Tiere verkauft, hier als Alternative in Form
von Granulat; die "obigen Erklärungen" gälten auch für dieses Produkt. Auch
hier werde man beide Produkte zum Satz von 2 % abrechnen. Hier findet sich am
Rand der Vermerk "i.O.". Derselbe Vermerk findet sich beim Hinweis auf die
Hefetabletten.
Die Würdigung der Vorinstanz erscheint auch deshalb als zumindest haltbar, weil
die Beschwerdeführerin die in der Folge zum reduzierten Satz vorgenommene
Deklaration nie beanstandet hat; dies, obwohl sie - falls sie anderer
Auffassung gewesen wäre - dazu allen Anlass gehabt hätte. Im März 1999 führte
die Beschwerdeführerin sogar im Betrieb der Beschwerdegegnerin eine Kontrolle
der Steuerperioden 1995 bis 1998 durch. Wie sich aus ihrem Bericht vom 10. März
1999 ergibt, fand dabei die Besteuerung des X._________-Aufbaupräparates
(flüssig und als Tabletten) und des E.________ Aufbaumittels zum Steuersatz von
2 % ausdrücklich Erwähnung, wurde jedoch nicht beanstandet.
Wäre die Beschwerdeführerin tatsächlich davon ausgegangen, dass das
Aufbauprodukt auf Grund seines Alkoholgehaltes dem normalen Mehrwertsteuersatz
unterlag und ihre Auskunft entsprechend ausgefallen ist, hätte von ihr erwartet
werden dürfen, dass sie dies der Beschwerdegegnerin spätestens nach Einreichung
der gegebenenfalls unzutreffenden Deklarationen unverzüglich - unter Bezugnahme
auf das Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 17. Mai 1994 und ihre damalige
telefonische Auskunft - schriftlich mitgeteilt hätte.

5.7 Gestützt darauf durfte die Vorinstanz ohne Willkür schliessen, aufgrund der
Tatsache, dass das Präparat im Sinne der Lebensmittelgesetzgebung - trotz des
Alkoholgehaltes - als Speziallebensmittel galt, habe die Beschwerdegegnerin
davon ausgehen dürfen, dass es auch im Mehrwertsteuerrecht nicht als
alkoholisches Getränk eingestuft würde, denn die Unrichtigkeit der Auskunft sei
für die Beschwerdegegnerin nicht "ohne weiteres" erkennbar gewesen.

5.8 Auch die übrigen Voraussetzungen für eine Berufung auf den Grundsatz von
Treu und Glauben hat die Vorinstanz als erfüllt betrachtet; es kann insoweit
auf ihre zutreffenden Ausführungen verwiesen werden (angefochtenes Urteil E.
6.2).

6.
Die Beschwerde ist aus diesen Gründen abzuweisen. Bei diesem Ausgang hat die
Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens vor Bundesgericht zu tragen (Art.
66 BGG) und die Beschwerdegegnerin für dieses Verfahren angemessen zu
entschädigen (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 10'000.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdeführerin hat die Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor
Bundesgericht mit Fr. 10'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Verfahrensbeteiligten und dem Bundesverwaltungsgericht
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 11. November 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Küng