Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.794/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_794/2008

Urteil vom 14. April 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Karlen,
Bundesrichterin Aubry Girardin,
Gerichtsschreiber Küng.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Advokat Marco Giavarini,

gegen

Einwohnergemeinde E.________,
Beschwerdegegnerin,
Schätzungskommission des Kantons Solothurn.

Gegenstand
Art. 9 und 29 Abs. 2 BV(Perimeterbeiträge),

Beschwerde gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Solothurn vom
25. September 2008.

Sachverhalt:

A.
Die Einwohnergemeinde E.________ beschloss im Jahr 2004, den ________-Weg zu
sanieren. Der Gemeinderat genehmigte am 23. August 2004 den Beitragsplan und
die voraussichtliche Perimeterkostenberechnung. Die Parzelle Nr. ________ (GB
E.________) von X.________ liegt in diesem Perimeter. Nach der vorläufigen
Berechnung beläuft sich der von ihm geschuldete Beitrag an die Sanierung des
________-Wegs auf Fr. 2'854.45. Die von X.________ gegen den Beitragsplan
erhobenen kantonalen Rechtsmittel blieben ohne Erfolg. Das darauf angerufene
Bundesgericht hiess seine Beschwerde am 29. Januar 2007 wegen Verletzung des
rechtlichen Gehörs und des Willkürverbots gut (Verfahren 1P.604/2006). Die
kantonale Schätzungskommission, welche sich erneut mit der Sache befasste, wies
die Beschwerde von X.________ wiederum ab, ebenso das Verwaltungsgericht des
Kantons Solothurn.

B.
X.________ beantragt dem Bundesgericht mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen
Angelegenheiten, das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. September 2008
aufzuheben und festzustellen, dass er an die Sanierung keine Perimeterbeiträge
zu leisten habe, eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an die
Vorinstanz zurückzuweisen.
Die Beschwerdegegnerin ersucht um Abweisung der Beschwerde.
Das Verwaltungsgericht stellt den Antrag, das Rechtsmittel abzuweisen, soweit
darauf einzutreten sei.
Die Schätzungskommission des Kantons Solothurn hat sich nicht ver-nehmen
lassen.

C.
Der Präsident der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung hat der Beschwer-de am
1. Dezember 2008 die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Erwägungen:

1.
1.1 Streitgegenstand bildet die Beitragspflicht des Beschwerdeführers an die
Sanierung des ________-Wegs.
Nach § 111 Abs. 1 des Planungs- und Baugesetzes des Kantons Solothurn vom 3.
Dezember 1978 setzt der Gemeinderat bei der Erhebung von
Erschliessungsbeiträgen die Beitragspflicht und die Höhe der einzelnen Beiträge
in der Regel vor der Bauausführung nach Kostenvoranschlag im Beitragsplan fest.
Gegen diesen Beschluss kann Einsprache und Beschwerde erhoben werden (§§ 16 und
17 der kantonalen Verordnung über Grundeigentümerbeiträge und -gebühren vom 3.
Juli 1978 [GBV/SO]). Nach Erstellung der Anlage werden gestützt auf die
Bauabrechnung die definitiven Beiträge bestimmt, die von den Grundeigentümern
zu leisten sind. Auch gegen diesen Entscheid können Rechtsmittel ergriffen
werden; allerdings sind in diesem Verfahrensstadium nur noch Einwände gegen die
Abrechnungssumme zulässig (§ 18 GBV/SO).

1.2 Der Beschwerdeführer ficht den Beitragsplan vom 23. August 2004 an, in dem
seine Beitragspflicht verfügt und der von ihm voraussichtlich geschuldete
Perimeterbeitrag bestimmt wird. Nicht Verfahrensgegenstand bilden dagegen die
Schlussabrechnung und die definitive Höhe des Perimeterbeitrags.

1.3 Die Vorinstanz bejaht im angefochtenen Entscheid die Beitragspflicht des
Beschwerdeführers. Dieser rügt eine mehrfache Verletzung seines Anspruchs auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) und eine willkürliche Anwendung von § 7
Abs. 2 GBV/SO.

2.
2.1 Eine Gehörsverletzung erblickt der Beschwerdeführer zunächst in der
fehlenden Begründung seiner Beitragspflicht durch die Beschwerdegegnerin. Aus
dem Beitragsplan ergebe sich nicht, wofür die fraglichen Erschliessungsbeiträge
erhoben würden.

2.2 Aus dem angefochtenen Entscheid geht hervor, dass der Einwohnergemeinderat
E.________ den fraglichen Beitragsplan am 23. August 2004 genehmigt und die
betroffenen Grundeigentümer - darunter auch den Beschwerdeführer - im Schreiben
vom 7. September 2004 über die Beitragspflicht informiert hat. Dieses Schreiben
enthält auch den Hinweis, dass sich der Beitragsplan auf §§ 6 ff. GBV/SO
stütze.
Nachdem dem Beschwerdeführer zunächst die Einsicht in den Kostenvoranschlag und
die Projektpläne verweigert worden war, wurde ihm gestützt auf den Entscheid
des Bundesgerichts vom 29. Januar 2007 Einblick in diese Dokumente gewährt.
Damit verfügt er über alle Informationen, um die Zulässigkeit der
Beitragspflicht beurteilen zu können.
Die Beschwerdegegnerin erachtet die im Kostenvoranschlag und in den
Projektplänen aufgeführten Arbeiten gemäss §§ 6 ff. GBV als beitragspflichtig.
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist sie nicht gehalten,
eine nähere Begründung der Beitragspflicht zu geben. Der Beschwerdeführer war
denn auch ohne weiteres in der Lage, den Beitragsplan bei den Vorinstanzen in
sachgerechter Weise anzufechten. Die Rüge der Gehörsverletzung erweist sich
daher in diesem Punkt als unbegründet.

3.
3.1 Der Beschwerdeführer sieht eine weitere Verletzung seines Gehörsanspruchs
darin, dass ihm die Vorinstanz keine Gelegenheit ein-geräumt habe, zur
Stellungnahme des Gemeindeingenieurs P.________ vom 4. September 2008 Stellung
zu nehmen.

3.2 Bei der fraglichen Stellungnahme handelt es sich um eine von der Vorinstanz
eingeholte schriftliche Auskunft zum Kostenvoranschlag und zur Bauabrechnung.
Die Vorinstanz hat bei ihrem Entscheid auf diese Auskunft abgestellt. Sie wurde
am 16. September 2008 an den Beschwerdeführer versandt. Am 25. September 2008
erging das angefochtene Urteil.

3.3 Der verfassungsrechtliche Anspruch auf rechtliches Gehör gibt den Parteien
das Recht, vom Beweisergebnis nicht nur Kenntnis zu nehmen, sondern sich auch
dazu zu äussern (BGE 122 Il 464 E. 4a S. 469). Auch nach § 197 der kantonalen
Zivilprozessordnung, der bei der Einholung schriftlicher Auskünfte gemäss § 56
des kantonalen Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG/SO) auch im
verwaltungsgerichtlichen Verfahren anwendbar ist, hat der Richter die Berichte
den Parteien zur Kenntnis zu bringen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu
geben. Die Vorinstanz beruft sich demgegenüber auf eine langjährige Praxis,
wonach eingeholte Berichte den Parteien lediglich zur Kenntnisnahme - ohne
Fristansetzung zur Stellungnahme - zugestellt würden. Nach § 52 Abs. 2 VRG/SO
könnten die Parteien bis zum Schluss des Beweisverfahrens neue tatsächliche
Behauptungen vorbringen und neue Beweismittel bezeichnen. Der Beschwerdeführer
hätte deshalb zur Auskunft von P.________ auch unaufgefordert Stellung nehmen
oder, falls ihm dies nicht sofort möglich gewesen sein sollte, um eine
Fristansetzung zur Stellungnahme ersuchen können.

3.4 Nach der neueren Rechtsprechung kann der Anspruch auf rechtliches Gehör auf
verschiedene Weise gewährt werden, wenn beim Gericht Vernehmlassungen oder
Stellungnahmen von Parteien oder Behörden eingehen. Es ist möglich, einen
zweiten Schriftenwechsel zu eröffnen und den übrigen Verfahrensbeteiligten eine
Frist zur Stellungnahme anzusetzen. Oder es kann eine Zustellung mit
Fristansetzung zur freigestellten Vernehmlassung erfolgen. Schliesslich ist es
aber auch möglich, die neue Eingabe den Parteien ohne ausdrücklichen Hinweis
auf eine weitere Äusserungsmöglichkeit zur Kenntnisnahme zu übermitteln. Wollen
sich Verfahrensbeteiligte, die eine solche Eingabe ohne Fristansetzung erhalten
haben, dazu äussern, haben sie ihre Stellungnahme umgehend einzureichen. Das
Bundesgericht wartet in diesem Fall in den bei ihm geführten Verfahren mit der
Entscheidfällung ab, bis es annehmen darf, dass der Adressat auf eine weitere
Eingabe verzichtet habe (BGE 133 I 98 E. 2.2 S. 99 f.).

3.5 Bei der eingeholten schriftlichen Auskunft von P.________ handelt es sich
nicht um eine Vernehmlassung, die häufig keine neuen Gesichtspunkte enthält,
sondern um ein Schriftstück, dem eine zentrale beweisrechtliche Bedeutung
zukommt. Es erscheint deshalb unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten
fragwürdig, ein solches Beweismittel den Parteien lediglich zur Kenntnisnahme
zuzustellen, ohne eine Frist zur Stellungnahme anzusetzen. Auf jeden Fall aber
müsste bei einem solchen Vorgehen bis zur Entscheidfindung länger zugewartet
werden, als dies bei einer Vernehmlassung ohne neue Gesichtspunkte der Fall
ist. Es kann vom Rechtsuchenden, der eine nicht einfach verständliche
schriftliche Auskunft zur Kenntnisnahme erhält, nicht erwartet werden, dass er
darauf innert weniger Tage reagiert. Das gilt erst recht, wenn dieser - wie im
vorliegenden Fall - nicht durch einen Anwalt vertreten ist. Die Vorinstanz hat
nur neun Tage nach dem Versand des Berichts von P.________ an den
Beschwerdeführer den Entscheid gefällt. Wird berücksichtigt, dass dieser beim
Beschwerdeführer frühestens am 17. September 2008 einging und er bis am Tag vor
dem Entscheid - dem 24. September 2008 - hätte reagieren müssen, standen ihm im
besten Fall sieben Tage für eine Stellungnahme zur Verfügung. Diese Frist ist
zu kurz. Daran ändert nichts, dass der Beschwerdeführer um eine längere Frist
zur Stellungnahme hätte nachsuchen können. Auch die Prüfung, wie auf ein
wichtiges Beweismittel reagiert werden soll, benötigt eine gewisse Zeitspanne.
Normalerweise werden für die Stellungnahme zu eingegangenen Beweismitteln denn
auch deutlich längere Fristen angesetzt, die ausserdem meist noch erstreckt
werden können.

3.6 Der angefochtene Entscheid verletzt aus diesen Gründen den Anspruch auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV). Eine Heilung dieses Verfahrensmangels im
bundesgerichtlichen Verfahren ist nicht möglich (BGE 133 I 100 E. 4.9 S. 105).

4.
4.1 Der angefochtene Entscheid ist somit bereits aus formellen Grün-den
aufzuheben. Gleichwohl rechtfertigt es sich aus prozessökonomischen
Überlegungen, auf einzelne weitere Rügen kurz einzugehen.

4.2 Das Bundesgericht hat in seinem Entscheid vom 29. Januar 2007 ausgeführt,
dass bereits im jetzigen Verfahrensstadium zu prüfen sei, ob die umstrittenen
Strassenbauarbeiten eine Beitragspflicht begründen, da diese Frage nach der
definitiven Festsetzung der Beiträge nicht mehr aufgeworfen werden könne (E.
4). Die Beurteilung sollte aufgrund des Kostenvoranschlags, der Projektpläne
und der Bauabrechnung möglich sein. Muss mangels Klarheit dieser Unterlagen
eine Auskunft des Gemeindeingenieurs eingeholt werden, erscheint es nicht
vertretbar, die Kosten dafür dem Beschwerdeführer aufzuerlegen, wie dies im
angefochtenen Entscheid geschieht.

4.3 In der Sache wendet sich der Beschwerdeführer gegen die vorinstanzliche
Auslegung von § 7 Abs. 2 GBV/SO. Danach gilt als beitragspflichtiger
Strassenausbau unter anderem die Erneuerung des Strassenunterbaus. Nach
Auffassung der Vorinstanz löst auch eine lediglich teilweise Erneuerung des
Unterbaus eine Beitragspflicht aus, solange die Kosten der neuen Kofferung
einen namhaften Anteil der Gesamtaufwendungen ausmachen. Diese Ansicht ist
jedenfalls nicht willkürlich. Der blosse Umstand, dass der Unterbau in einem
weniger weitgehenden Masse erneuert werden muss als ursprünglich vorgesehen,
schliesst die Beitragspflicht nicht aus. Vielmehr reduziert sich in einem
solchen Fall die Höhe des definitiv geschuldeten Beitrags gegenüber jenem, der
zunächst aufgrund des Kostenvoranschlags festgesetzt wurde.

5.
Aus diesen Erwägungen ist die Beschwerde gutzuheissen, der angefochtene
Entscheid aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz
zurückzuweisen.
Da die Beschwerdegegnerin unterliegt und ihre Vermögensinteressen auf dem Spiel
stehen, sind ihr die Gerichtskosten aufzuerlegen (Art. 66 Abs. 1 und 3 BGG).
Sie hat ausserdem den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren
angemessen zu entschädigen (Art. 68 Abs. 1 und 2 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird gutgeheissen, das Urteil des Verwaltungsgerichts des
Kantons Solothurn vom 25. September 2008 aufgehoben und die Sache zur
Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'500.-- werden der Beschwerdegegnerin auferlegt.

3.
Die Beschwerdegegnerin hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche
Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Verwaltungsgericht des Kantons
Solothurn schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. April 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Küng