Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.779/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_779/2008

Urteil vom 5. Mai 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli,
nebenamtlicher Bundesrichter Camenzind,
Gerichtsschreiber Matter.

Parteien
Interessengemeinschaft X.________-Industrie,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch PricewaterhouseCoopers AG,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer,
Schwarztorstrasse 50, 3003 Bern.

Gegenstand
MWST; Mitgliederbeiträge (1/1998-4/2000),

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 16.
September 2008.

Sachverhalt:

A.
Die Interessengemeinschaft X.________-Industrie ist ein Verein im Sinne von
Art. 60 ff. ZGB und bezweckt die Wahrung sowie Förderung gemeinsamer Interessen
von allen am X.________-Markt Beteiligten. Der Verein ist seit dem 1. Januar
1995 im Register für Mehrwertsteuerpflichtige eingetragen.
Nach einer Kontrolle erliess die Eidgenössische Steuerverwaltung gegenüber der
Interessengemeinschaft verschiedene Ergänzungsabrechnungen, u.a. eine
Steuernachforderung von Fr. 43'234.-- zuzüglich Verzugszinsen für den Zeitraum
vom 1. Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2000. Die Nachforderung wurde damit
begründet, dass die Mitgliederbeiträge des Vereins von der Besteuerung
ausgenommene Umsätze darstellten, was zu einer entsprechenden Kürzung des
Vorsteuerabzugs führen müsse. An dieser Einschätzung hielt die
Veranlagungsbehörde (unter Berücksichtigung einer Gutschrift von Fr. 2'096.--)
mit förmlichem Entscheid und auf Einsprache hin fest. Dagegen gelangte der
Verein erfolglos an das Bundesverwaltungsgericht.

B.
Am 20. Oktober 2008 hat die Interessengemeinschaft beim Bundesgericht
Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht. Sie
beantragt, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. September 2008
aufzuheben. Von einer Kürzung des Vorsteuerabzugs sei abzusehen.

Die Eidgenössische Steuerverwaltung schliesst auf Abweisung der Beschwerde. Das
Bundesverwaltungsgericht hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.

Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde richtet sich gegen einen Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts. Eine
Ausnahme gemäss Art. 83 BGG ist nicht gegeben. Die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ist zulässig (vgl. Art. 82 und 86 Abs. 1
lit. a BGG).

1.2 Im Streit liegen Mehrwertsteuernachforderungen, welche den Zeitraum vom 1.
Januar 1998 bis zum 31. Dezember 2000 betreffen. Anwendbar ist somit noch die
Mehrwertsteuerverordnung vom 22. Juni 1994 (MWSTV; [AS 1994 1464 ff.]; vgl.
Art. 93 und 94 MWSTG).

2.
2.1 Art. 14 Ziff. 11 MWSTV bestimmt, dass Umsätze, die von
nicht-gewinnstrebigen Einrichtungen ihren Mitgliedern gegen einen statutarisch
festgesetzten Beitrag erbracht werden, ohne Recht zum Vorsteuerabzug von der
Besteuerung ausgenommen sind (vgl. auch Art. 18 Ziff. 13 MWSTG).

Für die mehrwertsteuerliche Behandlung der Mitgliederbeiträge von solchen
Einrichtungen ist praxisgemäss entscheidend, ob Leistungen im Rahmen eines
Leistungsaustauschs erbracht werden, d.h. ob mit dem jeweiligen Beitrag eine
individualisierte konkrete Gegenleistung abgegolten wird und zwischen den
beiden eine innere wirtschaftliche Verknüpfung besteht. Dann handelt es sich um
so genannte "unechte" Beiträge, die steuerbar sind und zum Vorsteuerabzug
berechtigen. Das kann insbesondere für Sonderleistungen gegenüber einzelnen
Mitgliedern oder Nichtmitgliedern gelten, daneben für Leistungen, die sich
nicht klar aus dem Gemeinschaftszweck oder aus den durch diesen Zweck
festgelegten Aufgaben ergeben.

Werden hingegen statutarisch festgelegte Beiträge dem Vereinszweck entsprechend
eingesetzt und kommen die damit verbundenen Leistungen allen Mitgliedern
zugute, liegen "echte" Mitgliederbeiträge vor. Sie sind von der Besteuerung,
aber auch vom Vorsteuerabzug ausgenommen. Sofern die Vereinigung tätig wird, um
den statutengemässen Zweck umzusetzen, leistet sie nicht an ein einzelnes
Mitglied. Das ist grundsätzlich dann anzunehmen, wenn die Beiträge gleich hoch
sind oder nach einem für alle Mitglieder gültigen und allgemein verbindlichen
Bemessungsschema erhoben werden oder wenn die Vereinstätigkeit sich an einen
unbestimmten, nicht individualisierten Adressatenkreis richtet. Das wird bei
der Erbringung von statutarischen Leistungen, die nicht an einzelne Mitglieder
gehen, vermutet (vgl. zum Ganzen u.a. ASA 75 234 E. 2.2; 71 157 E. 10; StR 62/
2007 232 E. 2.2).

2.2 Vorliegend ist unbestritten, dass der fixe Grundbeitrag von der Besteuerung
ausgenommen ist und keinen Anspruch auf Vorsteuerabzug entstehen lässt. Ebenso
wenig streitig ist auf der anderen Seite, dass die vom Verein erbrachten
individuellen Sonderleistungen, die sowohl durch Mitglieder als auch von
Dritten bezogen und jeweils einzeln in Rechnung gestellt bzw. entschädigt
werden, steuerbar sind.

2.3 Umstritten ist hier einzig die Beurteilung des für die beiden
Mitgliedergruppen der Interessengemeinschaft unterschiedlich berechneten
variablen Beitrags: Die Gruppe "Produktion und Handel" entrichtet ihren Beitrag
statutengemäss nach den von diesen Mitgliedern im Inland ausgelieferten bzw.
importierten Quadratmetern X.________, wobei ein Mindestbeitrag festgelegt ist.
Der Jahresbeitrag der Gruppe "Verlegung" wird dagegen (neben dem fixen
Grundbeitrag) in Form eines zusätzlichen Beitrags in Promille der Lohnsumme
erhoben.
2.3.1 Die Beschwerdeführerin vertritt die Meinung, dass es sich beim variablen
Teil des Beitrags um einen Leistungsaustausch zwischen dem jeweiligen
Vereinsmitglied und der Interessengemeinschaft handle, weshalb dieser Teil zu
besteuern sei und der entsprechende Vorsteuerabzug geltend gemacht werden
könne.
2.3.2 Dagegen hat die Vorinstanz zu Recht festgehalten, dass die
Interessengemeinschaft statutengemäss eine nicht-gewinnstrebige Vereinigung
darstellt. Die Beiträge sind gestützt auf klare statutarische Bestimmungen und
- für die einzelnen Kategorien - nach einem für alle Mitglieder gleichen
Massstab festgelegt. Die aufgrund des Vereinszwecks zu erbringenden Aufgaben
stellen Gegenleistungen für die aufgrund der Statuten zu bezahlenden Beiträge
dar und werden (im Gegensatz zu den erwähnten individuellen Sonderleistungen)
ausschliesslich gegenüber den Mitgliedern wahrgenommen. Neben dem fixen ist
auch der variable Teil der Beiträge auf jeden Fall geschuldet, selbst wenn
damit keine individuelle Leistung bezogen wird. Dementsprechend hat das
Bundesverwaltungsgericht zutreffend angenommen, dass alle Anforderungen im
Sinne von Art. 14 Ziff. 11 MWSTV erfüllt sind, um die Mitgliederbeiträge
vollumfänglich von der Besteuerung, aber auch vom Vorsteuerabzug auszunehmen.
2.3.3 Was die Beschwerdeführerin dagegen einwendet, vermag ein anderes Ergebnis
nicht zu rechtfertigen:
Nicht gefolgt werden kann namentlich dem Argument, nur der Grundbeitrag werde
für die Verwirklichung des Verbandszwecks genutzt. Das trifft schon deshalb
nicht zu, weil die Statuten eine unterschiedliche Verwendung von fixem und
variablem Teil des Beitrags nicht vorsehen und auch sonst keine Anhaltspunkte
bestehen, dass mit dem variablen Teil des Vereinsbeitrages konkrete Leistungen
gegenüber einzelnen Mitgliedern abgegolten würden. Tatsächlich erbringt die
Interessengemeinschaft ihre statutenmässigen Leistungen (z.B. die gemeinsame
Branchenwerbung, die Förderung der Belange der Berufsausbildung sowie die
Interessenvertretung gegenüber Behörden und Berufsverbänden) im Gesamtinteresse
aller Mitglieder und nicht durch eine konkrete individuelle Tätigkeit zu
Gunsten der einzelnen Mitglieder (vgl. dazu die oben in E. 2.1 aufgeführte
Rechtsprechung, insbesondere auch die beiden Urteile 2A. 334/2003 und 2C_743/
2007, auf welche sich die Beschwerdeführerin zu Unrecht beruft).

Nicht näher einzugehen ist auf die statutenwidrige und auch unbelegt gebliebene
Behauptung, die Interessengemeinschaft sei in Wirklichkeit gewinnstrebig (vgl.
dazu schon oben E. 2.3.2). Unzutreffend ist weiter die Auffassung, Art. 14
Ziff. 11 MWSTV finde generell keine Anwendung, wenn ein Verein ebenfalls an
Nichtmitglieder Leistungen erbringe. Massgeblich ist - wie schon hervorgehoben
- vielmehr, ob die nur den Mitgliedern statutengemäss erbrachten Leistungen auf
den Vereinsbeitrag zurückzuführen sind oder aber auf ein individualisiertes
Entgelt, das im Austausch mit einer konkreten Einzel- bzw. Sonderleistung des
Vereins bezahlt wird.
Zu Unrecht rügt die Beschwerdeführerin schliesslich eine Verletzung des in Art.
9 BV verankerten Anspruchs auf Treu und Glauben. Aufgrund der Aktenlage ist
erstellt, dass die Veranlagungsbehörde ihren Rechtsstandpunkt
unmissverständlich und widerspruchsfrei erklärt hat. Sie hat der
Beschwerdeführerin weder konkrete Auskünfte erteilt, noch Zusicherungen
gemacht, die auf eine unterschiedliche Behandlung der zwei Kategorien von
Mitgliederbeiträgen hätten schliessen lassen.

3.
Nach dem Gesagten ist die Beschwerde abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang
wird die Beschwerdeführerin kostenpflichtig (Art. 65 f. BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Eidgenössischen
Steuerverwaltung, Hauptabteilung Mehrwertsteuer, und dem
Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I, schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 5. Mai 2009

Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Matter