Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.778/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_778/2008

Urteil vom 8. April 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Zünd,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

Parteien
X.________,
Beschwerdeführerin,
vertreten durch PricewaterhouseCoopers AG,

gegen

Eidgenössische Steuerverwaltung,
Beschwerdegegnerin.

Gegenstand
Mehrwertsteuer 1/1996-4/2000 (Personalrabatte),

Beschwerde gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom 22.
September 2008.

Sachverhalt:

A.
Die X.________ ist Detailhändlerin im food- und non-food-Bereich. Sie ist als
Mehrwertsteuerpflichtige im Register der Eidgenössischen Steuerverwaltung
eingetragen.
Mit Ergänzungsabrechnung Nr. 167'514 nahm die Eidgenössische Steuerverwaltung
u.a. eine Nachbelastung für Personalrabatte vor. Es geht um
Preisvergünstigungen, welche die X.________ ihren Angestellten in den Jahren
1996, 1997 und 1998 auf diversen von ihr verkauften Produkten nach Massgabe des
Rabattreglements vom 15. April 1981 für X.________ Genossenschaften in der Höhe
von 10 Prozent gewährte.
Die X.________ bestritt die Rechtmässigkeit der Aufrechnung. Mit förmlichem
Entscheid vom 10. April 2003 und Einspracheentscheid vom 26. März 2007
bestätigte die Eidgenössische Steuerverwaltung die Aufrechnung.

B.
Die X.________ führte Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Sie machte u.a.
geltend, für die Aufrechnung gäbe es keine gesetzliche Grundlage. Der Begriff
der nahestehenden Person werde in der Mehrwertsteuerverordnung nicht erläutert.
Was unter dem Selbstkostenpreis abgegeben werde, könne als Eigenverbrauch
besteuert werden. Eine entsprechende Praxis habe bereits unter dem Beschluss
über die Warenumsatzsteuer bestanden und sei jetzt auch ins
Mehrwertsteuergesetz überführt worden.
Mit Urteil vom 22. September 2008 wies das Bundesverwaltungsgericht die
Beschwerde ab.

C.
Mit Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten beantragt die
X.________ dem Bundesgericht, es sei der Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts vom 22. September 2008 vollumfänglich aufzuheben und
die Eidgenössische Steuerverwaltung anzuweisen, ihr eine Gutschrift in der Höhe
von Fr. ________ zu erteilen.
Die Eidgenössische Steuerverwaltung beantragt Abweisung der Beschwerde. Das
Bundesverwaltungsgericht hat auf Vernehmlassung verzichtet.
Erwägungen:

1.
1.1 Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten richtet sich gegen
einen vom Bundesverwaltungsgericht (Art. 86 Abs. 1 lit. a BGG) gefällten
Endentscheid (Art. 90 BGG) in einer Angelegenheit des öffentlichen Rechts (Art.
82 lit. a BGG). Sie wurde unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (Art. 100
Abs. 1 BGG) und Form (Art. 42 BGG) von einer durch die Entscheidung besonders
berührten Partei mit einem schutzwürdigen Interesse an deren Aufhebung oder
Änderung (Art. 89 Abs. 1 BGG) eingereicht. Auf die Beschwerde ist einzutreten.
Die Beschwerde kann wegen Rechtsverletzung gemäss Art. 95 und Art. 96 BGG
erhoben werden. Das Bundesgericht wendet das Recht von Amtes wegen an (Art. 106
Abs. 1 BGG). Es ist weder an die in der Beschwerde geltend gemachten Argumente
noch an die Erwägungen der Vorinstanz gebunden. Das Bundesgericht legt seinem
Urteil den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt zugrunde, es sei denn,
dieser sei offensichtlich unrichtig oder beruhe auf einer Rechtsverletzung im
Sinne von Art. 95 BGG (Art. 105 Abs. 1 und 2 BGG).

1.2 Betroffen sind die Quartale 1/1996 bis 4/2000. Anwendbar ist noch die
Verordnung über die Mehrwertsteuer vom 22. Juni 1994 (MWSTV, AS 1994 1464; vgl.
Art. 93 des Bundesgesetzes über die Mehrwertsteuer vom 2. September 1999,
MWSTG, SR 641.20). Das Bundesgesetz über die Mehrwertsteuer vom 2. September
1999 trat erst am 1. Januar 2001 in Kraft.

2.
Gemäss Art. 26 Abs. 1 MWSTV wird die Steuer vom Entgelt berechnet. Nach Absatz
2 dieser Vorschrift gehört zum Entgelt alles, was der Empfänger oder an seiner
Stelle ein Dritter als Gegenleistung für die Lieferung oder Dienstleistung
aufwendet (erster Satz). Im Falle einer Lieferung an eine nahestehende Person
gilt als Entgelt der Wert, der unter unabhängigen Dritten vereinbart worden
wäre (letzter Satz).
Umstritten ist, ob das Personal der Beschwerdeführerin im Sinne dieser
Vorschrift als nahestehend zu betrachten sei. Ist die Frage zu bejahen, so wäre
auf den verbilligt abgegebenen Waren als Wert der Ware und damit als Entgelt
derjenige Wert einzusetzen, den auch die übrigen Kunden der Beschwerdeführerin
zu bezahlen haben.

3.
3.1 Nach der Rechtsprechung der Eidgenössischen Steuerrekurskommission (SRK)
und des heutigen Bundesverwaltungsgerichts gelten Leistungen an das Personal zu
Vorzugskonditionen, welche einem unabhängigen Dritten unter den gleichen
Umständen nicht gewährt würden, als Lieferung an eine nahestehende Person
gemäss Art. 26 Abs. 2 Satz 3 MWSTV. Der "Wert, der unter unabhängigen Dritten
vereinbart würde", bemisst sich in diesem Fall nach jenem Preis, den ein
Dritter der gleichen Abnehmerkategorie zu bezahlen hätte (Entscheide SRK vom 1.
Juni 2004, in: VPB 68.158 E. 4a/cc, und vom 22. Mai 2001, in: VPB 65.103 E.
7d).
Diese Rechtsprechung wurde vom Bundesgericht mit Urteil 2A.223/2002 vom 4.
September 2002 bestätigt. Es bejahte, dass zu den nahestehenden Personen im
Sinne von Art. 26 Abs. 1 MWSTV neben den Verwandten des Unternehmensinhabers
bzw. -teilhabers auch die Angestellten zu zählen seien. Es ging um ein
Unternehmen, das den Handel mit Damen- und Herrenkonfektion betrieb. Das
Bundesgericht räumte ein, dass die Beschwerdeführerin darauf angewiesen sei,
dass die Angestellten ihre Arbeit in ansprechender Kleidung verrichten, um die
Kunden zum Erwerb von Kleidungsstücken zu animieren. Dennoch handle es sich bei
den von der Beschwerdeführerin verbilligt abgegebenen Kleidern nicht um
Uniformen oder Dienstkleidungen, die nur zu betrieblichen Zwecken verwendet
werden können. Vielmehr könnten die Kleider auch privat getragen werden. Unter
diesen Umständen sei nicht zu beanstanden, dass die Differenz zwischen dem
ermässigten Preis und dem Preis, der von Dritten verlangt werde, als Entgelt
der Mehrwertsteuer unterworfen werde (Urteil 2A.223/2002 vom 4. September 2002,
E. 3.2).
Diese Praxis zu Art. 26 Abs. 1 MWSTV wurde auch in der Doktrin nicht in Zweifel
gezogen (Camenzind/Honauer/Vallender, Handbuch zum Mehrwertsteuergesetz, 2.
Aufl. 2003, S. 416 Rz. 1216; s. auch Ivo P. Baumgartner, in mwst.com, 2000, N.
43 ff. zu Art. 33, besonders N. 45).

3.2 Nach dem Mehrwertsteuergesetz gilt neu im Falle von Leistungen an das
Personal als Bemessungsgrundlage das tatsächlich bezahlte Entgelt (Art. 33 Abs.
3 MWSTG, SR 641.20). Diese Bestimmung findet keine Anwendung auf Personal,
welches "massgeblich" an der Unternehmung beteiligt ist. Zudem ist mindestens
der Steuerbetrag geschuldet, der im Fall von Eigenverbrauch geschuldet wäre.
Der Gesetzgeber wollte damit vor allem die in Warenhäusern geübte Praxis
honorieren, dem Verkaufspersonal auf Waren einen Rabatt zu geben und damit
einen Lohnbestandteil abzudecken (vgl. Dieter Metzger, Kurzkommentar zum
Mehrwertsteuergesetz, 2000, N. 9 zu Art. 33 MWSTG, mit Hinweis). Dabei handelt
es sich jedoch um eine Sonderregelung für Leistungen an das Personal. Sie gilt
gemäss Art. 33 Abs. 3 MWSTG ausdrücklich "abweichend" von der Regel in Absatz
2, wonach im Falle von Leistungen an nahestehende Personen als Entgelt der Wert
gilt, der unter unabhängigen Dritten vereinbart worden wäre. Aus Art. 33 Abs. 3
MWSTG kann daher in Bezug auf den hier anwendbaren Art. 26 Abs. 1 MWSTV nichts
abgeleitet werden. Eine Rückwirkung ist jedenfalls ausgeschlossen, wie die
Vorinstanz zutreffend dargelegt hat.

4.
4.1 Die Beschwerdeführerin gewährte ihren Angestellten auf diversen Produkten,
die sie in ihrem Sortiment führte, einen Personalrabatt von 10 % des
Kaufbetrags. Die Angestellten durften den Rabatt auch für die im gleichen
Haushalt lebenden Familienangehörigen in Anspruch nehmen. Als Legitimation zum
Einkauf zu Vorzugskonditionen diente die Personalrabattkarte. Diese lautete auf
die entsprechende Person und war durch sie zu unterzeichnen. Die Karte musste
zur Geltendmachung des Rabatts bei Bezahlung der Ware an der Kasse vorgewiesen
werden. Es handelt sich um Vergünstigungen, die dem Personal der
Beschwerdeführerin vorbehalten sind. Dritte gelangten nicht in den Genuss
derselben Konditionen. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz
die Differenz zwischen dem ermässigten Preis und dem Preis, der durch durch die
normale Kundschaft zu bezahlen war, in die Bemessungsgrundlage einbezogen hat.

4.2 Zu den Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen diese Besteuerung hat die
Vorinstanz im angefochtenen Entscheid bereits ausführlich Stellung genommen.
So kann namentlich dem Argument, für die Erfassung von Personalrabatten finde
sich keine gesetzliche Grundlage in der MWSTV, nicht gefolgt werden. Die
gesetzliche Grundlage ist in der Vorschrift über die Berechnung des Entgelts
bei Leistungen an nahestehende Personen enthalten (Art. 26 Abs. 2 Satz 3
MWSTV). Dass auch Personal, soweit es Waren zu einem ermässigten Preis beziehen
kann, als nahestehend zu betrachten ist, ergibt sich durch Auslegung.
Angesichts der gefestigten Rechtsprechung zur Besteuerung von Personalrabatten
kann von einer fehlenden gesetzlichen Grundlage offensichtlich nicht die Rede
sein. Auf den Begriff der nahestehenden Person bei den direkten Steuern oder
der Verrechnungssteuer kann es nicht ankommen. Der Hinweis im neuen Art. 33
Abs. 3 MWSTG auf das Personal zeigt vielmehr, dass der Gesetzgeber den Begriff
der nahestehenden Person im Mehrwertsteuerrecht umfassender versteht (vgl. auch
Baumgartner, a.a.O., N 44, 45 zu Art. 33 MWSTG).
Die Vorinstanz hat im angefochtenen Entscheid (E. 4.2.2) auch dargelegt, dass
der Einkauf mit der Personalkarte durch eine im gleichen Haushalt lebende
Person im Namen des oder der Angestellten erfolgt. Als Leistungsempfänger gilt
die Person, deren Personalkarte vorgelegt wird. Lediglich die Bezahlung erfolgt
durch eine Drittperson, was aber das Leistungsaustauschverhältnis nicht
berührt. Nach Art. 26 Abs. 2 erster Satz MWSTV gehört zum Entgelt alles, was
der Leistungsempfänger oder an seiner Stelle ein Dritter als Gegenleistung für
die Lieferung oder Dienstleistung aufwendet.

4.3 Die Beschwerdeführerin wendet ein, dass an einzelnen Tagen alle Kunden
einen Rabatt von 10 % eingeräumt erhielten. An diesen Tagen könne der
Personalrabatt nicht kumuliert werden und werde das Personal gleich behandelt
wie die übrige Kundschaft. Diesem Einwand hielt die Vorinstanz entgegen, dass
die Beschwerdeführerin den Nachweis nicht erbracht habe, dass (und in welchem
Umfang) die Einkäufe des Personals an diesen Tagen separat erfasst und mit der
Ergänzungsabrechnung in Rechnung gestellt worden seien. Diese Feststellung
betrifft den Sachverhalt. Inwiefern die Sachverhaltsfeststellung offensichtlich
falsch sein oder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von Art. 95 BGG beruhen
soll (Art. 97 Abs. 1 BGG), wird in der Beschwerde nicht dargelegt.
Was die Gewährung von Rabatten an Betriebe und Gemeinden betrifft, die in den
Baumärkten der Beschwerdeführerin kaufen, handelt es sich bei diesen um ein
anderes Kundensegment als bei den Privatpersonen und dem Personal, das bei der
Beschwerdeführerin einkauft. Die Vergünstigung hat andere Ursachen
(Grosskunden) und verfolgt einen anderen Zweck als die Vergünstigung gegenüber
dem Personal. Es lässt sich daraus nicht ableiten, dass es sich beim Personal,
soweit es Vergünstigungen der Beschwerdeführerin erlangt, nicht um nahestehende
Personen handelt. Die angebliche Missbrauchsgefahr durch Privatpersonen, welche
private Einkäufe im Namen des Betriebs oder des Gemeinwesens tätigen, hat die
Vorinstanz zu Recht als hypothetisch zurückgewiesen. Sollte die Rabattgewährung
tatsächlich für private Zwecke missbraucht worden sein, so hätte das zudem
mehrwertsteuerrechtlich keine Auswirkungen, da die Einkäufe zweifelsfrei im
Namen des Betriebs oder Gemeinwesens erfolgten, wie die Vorinstanz zu Recht
festhielt.

5.
Die Beschwerde ist nach dem Gesagten abzuweisen. Die Gerichtskosten sind der
Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 65 und 66 Abs. 1 BGG). Anspruch auf
Parteientschädigung besteht nicht (Art. 68 Abs. 3 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen.

2.
Die Gerichtskosten von Fr. 3'500.-- werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 8. April 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Wyssmann