Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.777/2008
Zurück zum Index II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008
Retour à l'indice II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2008


Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_777/2008

Urteil vom 14. Juli 2009
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Müller, Präsident,
Bundesrichter Merkli, Karlen,
Gerichtsschreiber Zähndler.

Parteien
1. A.________,
2. B.________,
3. C.________,
4. D.________,
5. E.________,
6. F.________,
7. G.________,
8. H.________,
9. I.________,
10. J.________,
11. K.________,
12. L.________,
13. M.________,
14. N.________,
15. O.________,
16. P.________,
17. Q.________,
Beschwerdeführer, alle vertreten durch Rechtsanwältin A.________,

gegen

Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement, Dienststelle Landwirtschaft und Wald,
6210 Sursee.

Gegenstand
Bäuerliches Bodenrecht,

Beschwerde gegen den Entscheid des Regierungsrats des Kantons Luzern vom 16.
September 2008.

Sachverhalt:

A.
In mehreren Eingaben wandte sich A.________ zwischen August 2007 und Januar
2008 namens ihrer Mandanten sowie in eigenem Namen an das Amt für
Landwirtschaft und Wald des Kantons Luzern (lawa). Inhaltlich ging es dabei um
den Erwerb eines ursprünglich dem bäuerlichen Bodenrecht unterstehenden
Grundstücks durch die Einwohnergemeinde Wikon (LU), um die anschliessend
erfolgte Umzonung dieses landwirtschaftlichen Grundstücks in eine Sonderbauzone
und um die von der Gemeinde beabsichtige Erstellung von Gewächshäusern durch
eine Drittperson. In ihren Eingaben vertrat A.________ die Auffassung, die
Übertragung des fraglichen Grundstücks an die Einwohnergemeinde sei nichtig,
zumal diese die vom bäuerlichen Bodenrecht vorgeschriebene Erwerbsbewilligung
durch falsche Angaben erschlichen habe. A.________ forderte das lawa auf, von
Amtes wegen einzuschreiten. Als das lawa diesem Ersuchen nicht nachkam,
verlangte A.________ vergeblich eine beschwerdefähige Verfügung samt
Rechtsmittelbelehrung.

B.
In der Folge reichte A.________ beim Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement
des Kantons Luzern (BUWD) eine Aufsichtsbeschwerde gegen das lawa ein. Darin
beantragte sie im Wesentlichen, es sei die der Einwohnergemeinde Wikon erteilte
Bewilligung für den Erwerb des betreffenden Grundstücks zu widerrufen. Das BUWD
wies die Aufsichtsbeschwerde ab, woraufhin sich A.________ wiederrum mittels
Aufsichtsbeschwerde an den Regierungsrat des Kantons Luzern wandte. Dieser wies
in seinem Entscheid vom 16. September 2008 die Aufsichtsbeschwerde ab, soweit
er darauf überhaupt eintrat.

C.
Mit Eingabe vom 21. Oktober 2008 führt A.________ Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten und subsidiäre Verfassungsbeschwerde
beim Bundesgericht. Sie beantragt die Aufhebung des Entscheids des
Regierungsrates vom 16. September 2008. Sodann seien das lawa, das BUWD sowie
der Regierungsrat anzuweisen, den Bewilligungsentscheid vom 23. Juni 2004 (BGBB
2004/085) i.S. Einwohnergemeinde Wikon (Erwerb des Grundstückes Nr. 396 GB
Wikon) zu widerrufen und das Grundbuchamt Willisau vom Widerruf in Kenntnis zu
setzen. Eventualiter sei der Widerruf durch das Bundesgericht vorzunehmen.
Während das lawa und das Eidgenössische Volkswirtschaftsdepartement (EVD) auf
eine Vernehmlassung verzichten, stellt der Regierungsrat den Antrag, es sei auf
die Beschwerde nicht einzutreten, eventualiter sei sie abzuweisen.

Erwägungen:

1.
1.1 Das Bundesgericht prüft seine Zuständigkeit und die Zulässigkeit eines
Rechtsmittels von Amtes wegen und mit freier Kognition (Art. 29 BGG; BGE 134 V
138 E. 1, 133 I 206 E. 2).
Angefochten ist ein letztinstanzlicher kantonaler Endentscheid in einer
Angelegenheit des öffentlichen Rechts, die unter keinen Ausschlussgrund gemäss
Art. 83 BGG fällt und daher mit dem ordentlichen Rechtsmittel der Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten an das Bundesgericht weitergezogen
werden kann (Art. 82 lit. a, Art. 86 Abs. 1 lit. d und Art. 90 BGG). Der
Regierungsrat des Kantons Luzern ist im vorliegenden Fall aufgrund der
Bestimmungen des Übergangsrecht eine zulässige Vorinstanz des Bundesgerichtes
(Art. 86 Abs. 2 i.V. mit Art. 130 Abs. 3 BGG). Die Beschwerdeführer sind
gestützt auf Art. 89 Abs. 1 BGG zur Beschwerde legitimiert; auf die frist- und
formgerecht eingereichte Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten
ist daher grundsätzlich einzutreten.
Die Verfassungsbeschwerde ist im Verhältnis zur Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten subsidiär (Art. 113 BGG). Da hier die
Letztere zur Verfügung steht, ist auf die von den Beschwerdeführern erhobene
Verfassungsbeschwerde nicht einzutreten.

1.2 Mit der Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten kann
namentlich die Verletzung von Bundesrecht (einschliesslich der
verfassungsmässigen Rechte) gerügt werden (Art. 95 Abs. 1 lit. a BGG). Die
Anwendung von kantonalem Recht kann dagegen vom Bundesgericht nicht frei,
sondern nur auf Verfassungskonformität hin überprüft werden (Art. 95 BGG e
contrario). Bezüglich der Verletzung von verfassungsmässigen Rechten gilt eine
qualifizierte Rügepflicht: Das Bundesgericht tritt auf eine solche Rüge nur
dann ein, wenn sie in der Beschwerde präzise vorgebracht und begründet worden
ist (Art. 106 Abs. 2 BGG; BGE 133 II 249 E. 1.4.2 S. 254).

2.
Gegenstand des vorliegenden Verfahrens kann nur das teilweise Nichteintreten
des Regierungsrates auf die bei ihm eingereichte Aufsichtsbeschwerde bzw. das
Abweisen derselben sein. Nicht eingetreten werden kann auf die Begehren der
Beschwerdeführer dagegen insoweit, als sie Anträge stellen, welche sich nicht
auf den angefochtenen Entscheid und dessen Erwägungen beziehen und damit über
den ursprünglichen Streitgegenstand hinausgehen. Insbesondere gilt dies für den
Antrag, es sei der Bewilligungsentscheid des lawa vom 23. Juni 2004 zu
widerrufen.

3.
Der Regierungsrat erwog in seinem Entscheid vom 16. September 2008, eine
Aufsichtsbeschwerde gemäss § 180 des Gesetzes über die Verwaltungsrechtspflege
vom 3. Juli 1972 (VRG) sei nur an die hierarchisch direkt übergeordnete Instanz
möglich. Aus diesem Grund könne der Regierungsrat auf die Vorbringen der
Beschwerdeführer in dem Umfang nicht eintreten, als sie sich nicht gegen das
ihm unmittelbar untergeordnete BUWD, sondern gegen das ihm nur mittelbar
unterstellte lawa richteten. Soweit die Amtsführung des BUWD beanstandet werde,
komme von den in § 180 Abs. 1 [recte: Abs. 2] VRG aufgeführten Rügegründen
lediglich eine ungebührliche Behandlung der Beschwerdeführer in Betracht (lit.
a der genannten Norm). Hinweise auf eine solche liessen sich aber weder den von
den Beschwerdeführern eingereichten Akten noch der Stellungnahme des BUWD
entnehmen, weshalb die Aufsichtsbeschwerde in diesem Umfang abgewiesen werde.

4.
Die Beschwerdeführer beanstanden vorab, dass ihnen die Einsicht in diverse
Akten verweigert worden sei: Die Aufsichtsbeschwerde gemäss § 180 Abs. 2 VRG
sei - entgegen einer anderslautenden Behauptung des Regierungsrates - nicht nur
Rechtsbehelf, sondern zumindest teilweise ein eigentliches Rechtsmittel,
weshalb den Beschwerdeführern Parteistellung mit sämtlichen Verfahrensrechten
zukomme. Die Missachtung dieses Umstands stelle sowohl eine willkürliche
Anwendung des kantonalen Prozessrechts (§ 48 VRG) als auch eine Verletzung des
verfassungsmässigen Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) dar.
Sodann rügen die Beschwerdeführer das Nichteintreten des Regierungsrates auf
ihre Vorbringen gegen die Dienststelle lawa: Ungeachtet der Rechtsnatur der
Aufsichtsbeschwerde seien obere Aufsichtsbehörden stets befugt, Handlungen der
ihnen aufsichtsmässig unterstellten Behörden zu überprüfen, was sich aus § 186
Abs. 3 VRG ergebe. Der Regierungsrat sei diesbezüglich in Willkür verfallen.
Schliesslich machen die Beschwerdeführer geltend, der Regierungsrat habe auch
zu Unrecht das Vorliegen einer ungebührlichen Behandlung verneint: Eine solche
erkennen die Beschwerdeführer einerseits im Umstand, dass die kantonalen
Behörden pflichtwidrig untätig geblieben seien und das "offensichtlich
rechtswidrige Verhalten des Gemeinderates Wikon" schützten. Andererseits habe
das BUWD die Eingabe der Beschwerdeführer vom 7. April 2008 weder an das lawa
noch an die Gemeinde Wikon zur Stellungnahme zugestellt. Die Beschwerdeführer
rügen in diesem Zusammenhang Willkür des Regierungsrates bei der Anwendung von
§ 180 Abs. 2 lit. a VRG, die Verletzung des verfassungsmässigen Anspruchs auf
rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV), das Bestehen einer formellen
Rechtsverweigerung sowie die Verletzung des Rechtsgleichheitsgebotes (Art. 8
BV) und des Gebotes einer gleichen und gerechten Behandlung i.S. von Art. 29
Abs. 1 BV.

5.
5.1 Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführer erweist es sich im
vorliegenden Fall nicht als massgeblich, ob der Regierungsrat befugt gewesen
wäre, nicht nur die Vorbringen gegen das BUWD, sondern auch jene gegen das lawa
zu prüfen. Ebensowenig ist von Bedeutung, inwieweit der Aufsichtsbeschwerde im
luzernischen Verfahrensrecht die Funktion eines ordentlichen Rechtsmittels
zukommt. Selbst wenn der Regierungsrat die Handlungen des lawa überprüfen
dürfte und ein ordentliches Rechtsmittel gegeben wäre, könnten die
Beschwerdeführer nämlich keine Beschwerderechte ausüben: Art. 83 Abs. 3 des
Bundesgesetzes vom 4. Oktober 1991 über das bäuerliche Bodenrecht (BGBB; SR
211.412.11) bestimmt, dass das Beschwerderecht gegen die Erteilung einer
Erwerbsbewilligung ausschliesslich der kantonalen Aufsichtsbehörde, dem Pächter
sowie den Kaufs-, Vorkaufs- oder Zuweisungsberechtigten zusteht. Die
Materialien zum BGBB zeigen auf, dass mit dieser Sonderregelung insbesondere
beabsichtigt wurde, die Nachbarn, die Umwelt- und Naturschutzorganisationen
sowie die landwirtschaftlichen Berufsorganisationen als Beschwerdelegitimierte
auszuschliessen (Urteil 5A_35/2008 vom 10. Juni 2008 E. 5, mit Hinweisen). Die
gleiche Legitimationsregelung muss auch gelten, wenn eine Behörde entscheidet,
eine bereits erteilte Erwerbsbewilligung nicht zu widerrufen; im einen wie im
anderen Fall geht es letztlich um die Frage, ob die Bewilligungsvoraussetzungen
erfüllt sind und eine Erwerbsbewilligung demzufolge erteilt werden kann bzw.
Bestand hat. Die Beschwerdeführer legen nicht dar, dass sämtliche oder einzelne
von ihnen diese restriktiven Legitimationsanforderungen erfüllen. Zwar hat die
zuständige kantonale Behörde den Widerruf einer Erwerbsbewilligung
gegebenenfalls von Amtes wegen zu prüfen, wenn ihr relevante Informationen
zugetragen werden. Aus diesem Umstand lässt sich jedoch kein Recht der
Informanten ableiten, den Nichtwiderruf anzufechten. Andernfalls wäre es
möglich, auf diesem Weg die Legitimationsvoraussetzungen von Art. 83 Abs. 3
BGBB zu umgehen. Da es den Beschwerdeführern demzufolge an jeglicher
Beschwerdelegitimation in der Sache selbst fehlt, stellt es zumindest im
Ergebnis weder Willkür noch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör
dar, wenn der Regierungsrat auf die Aufsichtsbeschwerde teilweise nicht
eingetreten ist und den Beschwerdeführern die Einsicht in gewisse Akten
verweigert hat. Aus dem Umstand, dass die §§ 180 ff. VRG dem
Aufsichtsbeschwerdeführer bestimmte Parteirechte einräumen, kann nicht
abgeleitet werden, es stünden ihm sämtliche Parteirechte im ordentlichen
Rechtsmittelverfahren - insbesondere ein umfassendes Akteneinsichtsrecht - zu.
Jedenfalls sind die kantonalen Behörden nicht in Willkür verfallen, wenn sie
einen derartigen, in den §§ 180 ff. VRG nicht genannten Anspruch verneint
haben, und ein solcher ergibt sich auch nicht unmittelbar aus der
Bundesverfassung.

5.2 Auch was die Beschwerdeführer bezüglich der behaupteten ungebührlichen
Behandlung (§ 180 Abs. 2 lit. a VRG) durch das BUWD bzw. durch das lawa
vorbringen, erweist sich nicht als zielführend. Es ist nicht ersichtlich,
inwiefern der Regierungsrat willkürlich gehandelt oder andere
verfassungsmässige Rechte der Beschwerdeführer verletzt haben soll, wenn er den
Verzicht des BUWD, aufsichtsrechtliche Massnahmen gegen das lawa zu ergreifen,
im vorliegenden Fall nicht als ungebührliche Behandlung qualifiziert hat: Der
blosse Umstand, dass die Beschwerdeführer in der Sache selbst, d.h.
hinsichtlich des Vorliegens der Bewilligungs- bzw. Widerrufsvoraussetzungen des
bäuerlichen Bodenrechts, offensichtlich eine andere Rechtsauffassung als das
BUWD und das lawa vertreten, kann hierfür jedenfalls nicht ausreichen. Dies
ergibt sich bereits daraus, dass ansonsten mittelbar Rügen vorgebracht werden
könnten, zu welchen die Beschwerdeführer kraft Bundesrecht nicht legitimiert
sind (vgl. oben E. 5.1). Auch hinsichtlich des von den Beschwerdeführern
beanstandeten Verzichts des BUWD auf das Einholen einer Stellungnahme des lawa
und der Gemeinde Wikon zielen die erhobenen Rügen ins Leere: Wohl verpflichtet
§ 186 Abs. 2 VRG die Beschwerdeinstanz, in der Regel eine Vernehmlassung der
Beschwerdebeklagten einzuholen; dieser Verpflichtung ist das BUWD indes
nachgekommen. Wie den Akten zu entnehmen ist, hat es die Aufsichtsbeschwerde
vom 13. Februar 2008 sowohl dem lawa als auch der Gemeinde Wikon zukommen
lassen und am 3. März 2008 (Gemeinde Wikon) bzw. am 14. März 2008 (lawa) die
entsprechenden Stellungnahmen erhalten. Verzichtet hat das BUWD einzig darauf,
auch zu der am 7. April 2008 von den Beschwerdeführern unaufgefordert
eingereichten Replik Stellungnahmen der Vorinstanzen einzuholen. Wenn der
Regierungsrat bei dieser Sachlage zum Ergebnis gelangte, dass das Vorgehen des
BUWD keine ungebührliche Behandlung darstellte, so ist darin jedenfalls keine
Verfassungsverletzung zu erkennen.

6.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten erweist sich nach dem
Ausgeführten als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.

Entsprechend diesem Verfahrensausgang sind die Kosten des bundesgerichtlichen
Verfahrens den Beschwerdeführern unter Solidarhaft aufzuerlegen (Art. 65 f.
BGG). Eine Parteientschädigung ist nicht auszurichten (Art. 68 BGG).

Demnach erkennt das Bundesgericht:

1.
Die Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten wird abgewiesen,
soweit darauf einzutreten ist.

2.
Auf die subsidiäre Verfassungsbeschwerde wird nicht eingetreten.

3.
Die Gerichtskosten von Fr. 2'000.-- werden den Beschwerdeführern unter
Solidarhaft auferlegt.

4.
Dieses Urteil wird den Parteien, dem Regierungsrat des Kantons Luzern und dem
Bundesamt für Justiz schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 14. Juli 2009
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:

Müller Zähndler