Sammlung der Entscheidungen des Schweizerischen Bundesgerichts
Collection des arrêts du Tribunal fédéral suisse
Raccolta delle decisioni del Tribunale federale svizzero

II. Öffentlich-rechtliche Abteilung, Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten 2C.761/2008
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Bundesgericht
Tribunal fédéral
Tribunale federale
Tribunal federal

{T 0/2}
2C_761/2008

Urteil vom 27. Oktober 2008
II. öffentlich-rechtliche Abteilung

Besetzung
Bundesrichter Merkli, Präsident,
Gerichtsschreiber Wyssmann.

Parteien
Oberzolldirektion, Hauptabteilung Recht und Abgaben, 3003 Bern,
Beschwerdeführer,

gegen

X.________ AG,
Beschwerdegegnerin,
vertreten durch Advokat Hans Binggeli.

Gegenstand
Zollnachlass

Beschwerde gegen den Entscheid des Bundesverwaltungsgerichts, Abteilung I, vom
25. September 2008.

Sachverhalt:

A.
In den Jahren 2003 - 2005 erliess die Zollverwaltung gegenüber der X.________
AG, Internationale Transporte, als Solidarschuldnerin insgesamt zehn
Nachforderungsverfügungen für Einfuhrabgaben (Zoll und Mehrwertsteuer) im
Gesamtbetrag von Fr. 641'858.50. Gegen diese Verfügungen führte die X.________
AG jeweils Beschwerde bei der Zollrekurskommission. Nachdem das Bundesgericht
im Beschwerdeverfahren betreffend die Nachbezugsverfügung vom 17. März 2003 die
Solidarhaftung der X.________ AG bestätigt hatte, zog diese die Beschwerden
gegen die übrigen Verfügungen zurück. Die Abschreibungsbeschlüsse ergingen am
1. und 2. November 2005 sowie am 13. Januar 2006 (betreffend die
Nachforderungsverfügung vom 2. Juni 2003).

Am 3. März 2006 stellte die X.________ AG bei der Oberzolldirektion das Gesuch,
es seien ihr wegen besonderer Härte die Einfuhrabgaben gemäss den
Nachbezugsverfügungen ganz oder teilweise zu erlassen. Die Oberzolldirektion
trat mit Entscheid vom 31. Oktober 2006 hinsichtlich der
Nachforderungsverfügungen vom 2. Juni 2003, 5. Januar 2004, 6. April 2004, 30.
September 2004 und 13. Januar 2005 auf das Gesuch nicht ein mit der Begründung,
dieses sei verspätet erfolgt. Bezüglich der fünf weiteren Verfügungen wies es
das Gesuch um Zollnachlass ab und verwies die Gesuche um Erlass der
Mehrwertsteuer in separate Verfahren.
Gegenüber dem Nichteintretensentscheid der Oberzolldirektion wegen Verspätung
verlangte die X.________ AG Wiedereinsetzung, was die Oberzolldirektion mit
Entscheid vom 30. November 2006 ablehnte.

B.
Die X.________ AG führte gegen den Entscheid der Oberzolldirektion vom 31.
Oktober 2006 und denjenigen vom 30. November 2006 Beschwerde bei der
Zollrekurskommission. Das Bundesverwaltungsgericht, welches die Verfahren von
der Zollrekurskommision übernommen hatte, vereinigte die beiden
Beschwerdeverfahren. Mit Entscheid vom 25. September 2008 hiess es die
Beschwerde gut, soweit die Oberzolldirektion auf die Nachlassgesuche
hinsichtlich der fünf Nachforderungsverfügungen nicht eingetreten war; den
Antrag auf Wiedereinsetzung (Entscheid der Oberzolldirektion vom 30. November
2006) bezeichnete das Gericht dadurch als gegenstandslos geworden. Von einer
Rückweisung der Sache an die Oberzolldirektion sah das Bundesverwaltungsgericht
indessen ab und überprüfte als Rechtsmittelinstanz auch jene
Zollnachlassgesuche, auf welche die Oberzolldirektion nicht eingetreten war. Es
kam zum Schluss, dass der Zollnachlass gemäss Art. 127 des Zollgesetzes vom 1.
Oktober 1925 (aZG) nicht zu gewähren sei; insoweit wies es die Beschwerde ab.

C.
Hiergegen führt die Eidgenössische Zollverwaltung Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten mit dem Antrag, Ziffer 2 des Urteils des
Bundesverwaltungsgerichts sei aufzuheben und dahingehend zu ändern, dass auf
die Beschwerde nicht eingetreten werde.

Ein Schriftenwechsel ist nicht angeordnet worden.

Erwägungen:

1.
1.1 Gemäss Art. 82 lit. a BGG beurteilt das Bundesgericht u.a. Beschwerden
gegen Entscheide in Angelegenheiten des öffentlichen Rechts. Das angefochtene
Urteil des Bundesverwaltungsgerichts betrifft eine Angelegenheit des
öffentlichen Rechts. Gemäss Art. 83 lit. m BGG ist die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten unzulässig gegen Entscheide über die
Stundung und den Erlass von Abgaben. Der Begriff der Abgabe ist umfassend zu
verstehen. Darunter fallen alle Arten von Steuern und Abgaben. Auch Umsatz- und
Einfuhrsteuern sowie Zollabgaben gehören dazu (vgl. Hansjörg Seiler, in:
Bundesgerichtsgesetz [BGG], 2007, N. 84 zu Art. 83 BGG; Thomas Häberli, in:
Basler Kommentar, Bundesgerichtsgesetz, 2008, N. 216 zu Art. 83 BGG). Der
angefochtene Entscheid betrifft eine Verfügung über den Erlass von Zollabgaben
(Art. 127 aZG). Er fällt folglich unter den Ausschlussgrund von Art. 83 lit. m
BGG.

1.2 Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass die Beschwerde zulässig sein
müsse. Das Bundesgericht selbst habe eine teilweise grosszügigere Haltung
eingenommen. Sie verweist auf die bundesgerichtlichen Entscheide 2C_82/2007 vom
3. Juli 2007 und 2C_355/2007 vom 19. November 2007. In den beiden Fällen ging
es jedoch in der Sache um die Nichtanwendung des (privilegierten)
Kontingentszollansatzes bzw. um eine Streitigkeit über Zollpräferenzen, was mit
dem Ausschlussgrund von Art. 83 lit. m BGG - Entscheide über Stundung oder
Erlass von Abgaben - klarerweise nichts zu tun hat. Im vorliegenden Fall wurde
denn auch über die Anwendung des Ausserkontingentszollansatzes schon vor dem
Zollnachlassgesuch definitiv entschieden und eröffnete das Gesuch ein neues
Verfahren.

Die Rechtsprechung zum alten Bundesgesetz vom 16. Dezember 1943 über die
Organisation der Bundesrechtspflege (Art. 99 Abs. 1 lit. g OG) hilft nicht
weiter. Danach war gegen die Verweigerung eines Zollnachlasses die
Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht unter der Voraussetzung
zulässig, dass in der Sache nach der zugrundeliegenden zollrechtlichen Regelung
ein Rechtsanspruch auf Zollnachlass bestand (ASA 74 S. 246, 2A.566/2003; Urteil
2A.534/2005 vom 17. Februar 2006, E. 2.3). Das BGG hat demgegenüber die
altrechtlichen Ausnahmen von der Beschwerde nach Verfügungsgegenstand und
Sachgebiet (vgl. Art. 99, 100, 129 OG) zusammengefasst und bereinigt. Sofern
die Beschwerde entgegen der Ausnahme und unter der Voraussetzung, dass in der
Sache ein Rechtsanspruch besteht, zulässig ist, kommt das im Gesetz zum
Ausdruck (s. etwa lit. c, d und k zu Art. 83 BGG). Wie die Beschwerdeführerin
zu Recht bemerkt, gelten die Ausschlussgründe absolut (s. auch Heinz
Aemisegger, Der Beschwerdegang in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten, in:
Die Reorganisation der Bundesrechtspflege - Neuerungen und Auswirkungen auf die
Praxis, 2006, S. 135). Art. 83 lit. m BGG enthält für Entscheide über die
Stundung oder den Erlass von Abgaben keine Gegenausnahme. Die Beschwerde in
öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten gegen den Entscheid des
Bundesverwaltungsgerichts über den Nachlass von Zollabgaben ist daher
unzulässig.

2.
Auf die Beschwerde ist nach Art. 108 Abs. 1 lit. a BGG nicht einzutreten. Damit
kann offenbleiben, ob die Beschwerdeführerin, die im angefochtenen Entscheid in
der Sache Recht erhalten hat (Abweisung der Beschwerde) und die lediglich die
Feststellung anficht, wonach sie auf die Zollnachlassgesuche hätte eintreten
müssen, ein aktuelles, schutzwürdiges Interesse zur Beschwerdeführung hat (Art.
89 Abs. 1 BGG). Das Bundesgericht entscheidet grundsätzlich nicht über
abstrakte Rechtsfragen.

Da die Eidgenössische Zollverwaltung unterliegt, die Streitsache zu ihrem
amtlichen Wirkungskreis gehört und Vermögensinteressen des Bundes berührt, hat
sie die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens zu tragen (Art. 66 Abs. 1 und
Abs. 4 in Verbindung mit Art. 65 BGG). Der Beschwerdegegnerin sind keine
entschädigungspflichtigen Auslagen entstanden.
Demnach erkennt der Einzelrichter:

1.
Auf die Beschwerde wird nicht eingetreten.

2.
Die Gerichtskosten im Betrag von Fr. 1'000.-- werden der Eidgenössischen
Zollverwaltung auferlegt.

3.
Dieses Urteil wird den Parteien und dem Bundesverwaltungsgericht, Abteilung I,
schriftlich mitgeteilt.

Lausanne, 27. Oktober 2008
Im Namen der II. öffentlich-rechtlichen Abteilung
des Schweizerischen Bundesgerichts
Der Einzelrichter: Der Gerichtsschreiber:

Merkli Wyssmann